143. Bremer Montagsdemo
am 30. 07. 2007  I◄◄  ►►I

 

Wer belügt hier wen?

Info-MichelEs ist eine große Kunst, zwischen den Zeilen zu lesen. Die Fakten sind: sinkende Reallöhne, höhere Kauflust. Toll! Trotz sinkender Löhne mehr Nachfrage. Wir haben also endlich das Perpetuum mobile erfunden, wenn man der Wirtschaft glaubt. Und nicht nur das: Wir holen sogar noch mehr raus, als wir reinstecken!

Stellen Sie sich mal vor, meine Damen und Herren, es gäbe Autos oder Maschinen, die so funktionieren würden – was für ein Segen für die Menschheit! Leider geht das gar nicht, denn es widerspricht allen Naturgesetzen. Solche Erkenntnisse wären zu bezweifeln, und die Wissenschaftler und Entdecker, die so etwas verkünden, müssten als Scharlatane entlarvt werden. Wenn jedoch diese Aussage nicht stimmt, dann stimmt auch etwas anderes nicht, denn eine größere Nachfrage kann nicht mit weniger Geld erfolgen.

Aber woher kommt dann die größere Nachfrage? Bei sinkenden Löhnen sowie höheren Preisen, Steuern und Energiekosten geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Renten werden nicht mehr erhöht, aber dafür sogar besteuert. Man schafft immer mehr Billigjobs, und zu guter Letzt werden jetzt noch die Lebensmittelpreise in die Höhe getrieben und auch die Mehrwertsteuer erhöht. Das alles spricht doch wohl dafür, das wir immer weniger Geld zur Verfügung haben. Und damit dürfte es auch weniger Kaufkraft geben!

Da wird immer von den sprudelnden Steuerquellen geredet – warum bloß haben wir nichts davon? Als Rentner und Großvater von fünf Enkelkindern habe ich zwar eine größere Nachfrage, aber das macht mich nicht reicher, jedenfalls nicht in meinem Portemonnaie! Natürlich sind die Kinder unser „Reichtum“, aber haben wir dadurch mehr Geld zur Verfügung? Woher kommen dann also die Kauflust und die Nachfrage?

Ich gebe zu, die Psychologie spielt in der Wirtschaft schon eine Rolle, aber mehr Geld als Nachfrage ist nicht vorhanden. Nur wer an unseren Einkäufen verdient, könnte tatsächlich eine größere Nachfrage auslösen, oder wer Geld mit Geld verdient. Aber die Gutbetuchten geben es eher für Luxus aus, und den kann sich der „normale“ Bürger eben nicht leisten. Wenn mich der Aufschwung erreicht hat, teile ich es euch selbstverständlich mit! Doch ich fürchte, bis dahin müsst ihr euch noch ein paar Jahre gedulden.

Udo Riedel (parteilos)

 

Der „Soli“ muss weg!

„Die Soli-Sauerei!“ titelte „Bild“ am vergangenen Freitag. Der Inhalt des Berichtes: Wir zahlen 32 Milliarden Euro zu viel! Das Geld verschwindet in Haushaltslöchern. Kippt jetzt die Sondersteuer? Eigentlich sollten wir den „Solidaritätszuschlag“ ja nur vorübergehend bezahlen!

Jetzt stellt sich heraus: Wir zahlen viel mehr, als der Osten wirklich braucht. Jährlich kassiert der Bundesfinanzminister derzeit über elf Milliarden Euro „Soli“ – 2010 sollen es laut Steuerschätzung sogar 14,2 Milliarden sein. Nur zwei Drittel der „Soli“-Gelder wurden im Jahr 2005 laut Bundesfinanzministerium „zweckgerecht“ verwendet. Der „Soli“ könnte bereits zum 1. Januar 2008 um 0,5 Prozent gesenkt werden, ohne die bereits vereinbarten Leistungen für den „Aufbau Ost“ zu gefährden.

Was die „Bild“-Zeitung nicht schreibt: Der „Solidaritätszuschlag“ ist eine Extrasteuer, die von der arbeitenden Bevölkerung nicht nur im Westen, sondern auch im Osten kassiert wird. Mit solchen Meldungen wird versucht, uns zu spalten – dabei zahlen wir alle an den Staat! Der „Soli“ ist ein Betrug, der ganz vom Tisch muss!

Helmut Morstein (parteilos)

 

Die Konzerne schreiben sich
ihre Gesetze selbst

In gut zwei Wochen jährt sich unser Protest gegen Hartz IV, Schröders Agenda 2010 und die aktuelle Politik zum dritten Mal – und die Regierung ist weitgehend im Urlaub. „Der Aufschwung läuft doch!“, so tönt es. Aber wie sieht die Realität aus?

Der „Deutsche Industrie- und Handelskammertag“ hat bei einer Umfrage ermittelt, dass sich 2007 das Exportwachstum von 14 auf acht Prozent verringern wird. Da sich diese acht Prozent mit dem Weltmarktwachstum decken, sind keine neuen Weltmarktanteile zu gewinnen. Die Firmen, voran die Monopole, setzen auf Überstunden und Leiharbeiter, um ihre Gewinne zu steigern, und so werden dann auch keine wirklich neuen Arbeitsplätze geschaffen. Die Ängste und Nöte von Leiharbeitern um eben ihre Arbeitsplätze, die selten genug an die Öffentlichkeit gelangen, sollen Privatsache bleiben. Die Zahl der Krankmeldungen ist so niedrig wie noch nie, aber die Gesundheit und die Hoffnung gehen den Bach runter, und das wird zugedeckt vom Regierungsgeschwafel.

Jetzt haben sogar die Konsumforscher herausgefunden, dass die Reallöhne laufend sinken, denn in vielen Branchen ist die Inflation stärker. Arbeitslose und Rentner merken gar nichts vom Aufschwung, oder nur das Negative. Bei den meisten Rentnern wurde die tolle 0,54-prozentige Renten„erhöhung“ zum Minus­spiel: Gut ausgeklügelt, hatte die Regierung die Gesetze und Verordnungen so koordiniert, dass eine Verschlechterung herauskam. Und da glauben die Konsumforscher noch, dass nach der Urlaubszeit die Nachfrage gewaltig anziehen werde! Wo leben die eigentlich? Sie hoffen, dass auf die erwarteten Gehaltszuwächse, also die guten Prognosen, die Leute schon anfangen werden, das bisschen, was übrig bleibt, in neue Anschaffungen zu stecken.

Unternehmerverbände und Bundesregierung wollen als nächstes die Unfall­versicherung verschlechtern: Die Leistungen bei Berufsunfällen sollen gekürzt werden. Die IG Metall hat schon dagegen protestiert und damit immerhin erreicht, dass die Gesetze dazu wenigstens nicht in der Sommerpause durchgezogen werden. Von einer Verschlechterung sind doch wieder nur die Werktätigen betroffen! Die besserverdienenden Unternehmer bezahlen ihre „Golfspiel- und Skilauf-Verletzungen“ sowieso privat aus den Gewinnen, die wir vorher für sie malocht haben.

Eine wichtige Informationsquelle ist die unabhängige Organisation „Lobby Control“, die herausgefunden hat, dass mehr als 100 Vertreter aus Unternehmerverbänden oder direkt aus den größten Monopolkonzernen als „Leihbeamte“ in den Ministerien tätig sind. Diese Leute arbeiten dort direkt Gesetzesinitiativen und Verordnungen aus, als „Projekte“ bezeichnet. Im Austausch gehen dafür die Beamten in die Konzerne, um solche „Arbeiten“ zu koordinieren und die erwünschten Auswirkungen zu studieren. Das funktioniert in allen für die Wirtschaft relevanten Ministerien. Die Bundesregierung hält sich bei diesbezüglichen Anfragen bedeckt, spielt herunter oder zieht Antworten in die Länge.

Erfreulich ist, dass die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ bisher über 100.000 Unterschriften für das Verbot der NPD gesammelt hat. Die Schröder/Schily-Regierung hatte doch alles getan, um ein NPD-Verbot per Durchsetzung mit dem Verfassungsschutz zu verhindern. Das neue Ziel ist deshalb, bis zum 9. November mindestens 150.000 Unterschriften zu sammeln für ein NPD-Verbot jetzt, um der Regierung klar zu zeigen, dass wir uns solche „Spielchen“ wie von Schily nicht noch einmal bieten lassen. In engem Zusammenhang damit steht der von Schäuble geplante Überwachungsstaat. Dagegen planen einige Organisationen am 22. September 2007 in Berlin eine große Demonstration.

Das große RedebuchIn Bremen hat Frau Röpke auf den lukrativen Posten in der Bürgerschaft verzichtet. Ich denke, dass sie mit selbst aufgebauter Arbeit am ehesten den alten Ruf loswerden kann. Herr Weber hat sich für seine Fehleinschätzungen und Selbstherrlich­keiten entschuldigt – okay. Nur kann man jetzt schon erkennen, dass diese Art von Politikern eben keine „Bodenhaftung“ hat und durch oberflächliche Entschuldigungen auch nicht erwerben kann. Da muss man anders leben, anders seine Arbeit machen, sich wirklich selbstkritisch prüfen und gegebenenfalls auch politische Konsequenzen ziehen. An seiner Arbeit werden wir Herrn Weber messen!

In Berlin tagte der 5. Weltkongress der „Bildungsinternationale“, die aus 383 Organisationen mit 30 Millionen Mitgliedern aus dem Erziehungsbereich besteht. Der UN-Menschenrechtsbeauftragte Vernor Muñoz aus Costa Rica legte einen Zwischenbericht zu den UN-Zielen vor, bis 2015 allen Kindern auf der Welt eine gebührenfreie Schule zuzusichern. Nach seinen Schätzungen werden 27 Länder diese Ziel nicht erreichen und damit 80 bis 200 Millionen Kinder nach wie vor keine Schule besuchen können. Besonders betroffen werden davon Mädchen sein.

Umso wichtiger ist die Unterstützung von iranischen Frauenorganisationen, die eine Kampagne gestartet haben „Eine Million Unterschriften gegen die Un­gleichheit von Männern und Frauen vor dem Gesetz“. Damit soll zum Beispiel durchgesetzt werden, dass solche Gesetze geändert werden, die dem Zeugnis einer Frau nur die Hälfte des Wertes gegenüber dem Zeugnis eines Mannes zumessen, oder dass ein Mann seiner Frau verbieten kann, zu arbeiten, zu studieren oder zu verreisen.

Wenn man sich anschaut, mit welch ungeheuren Mitteln die USA alle mögliche reaktionären Regimes auf der Welt finanziell und militärisch unterstützen, um solche Entwicklungen zu verhindern, um Kriege vom Zaun zu brechen und die Welt verwüstet zu hinterlassen, dann kann man nur das amerikanische Volk auffordern, so schnell wie möglich das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Bush einzuleiten. Auch die Bundesregierung muss ihre Kriegsunterstützungspolitik beenden, denn die deutsche Bevölkerung hat keine Interessen am Hindukusch zu vertreten. Unsere Unterstützung gilt den Menschen und den Völkern, die sich für ihre Befreiung und Selbstorganisation einsetzen. Hoch die internationale Solidarität!

Jobst Roselius
 
„McPflege“: Ein Name ist Programm („Weser-Kurier“)

 

Keine Streichung der Mittel für Kinder mit besonderem Förderbedarf!

Harald BraunDie Bildungsbehörde des Bremer Senats will die Ausgaben für Kinder mit „besonderem pädagogischen Förderbedarf“ massiv kürzen. In Blumenthal wehren sich betroffene Eltern, Lehrer und Schüler gegen die Streichung der dringend notwendigen Fördermittel.

An der Wigmodischule bekamen bisher 21 Kinder mit festgestelltem besonderem Bedarf 58,5 zusätzliche Förderstunden. Im neuen Schuljahr erhöht sich die Schülerzahl auf 29 – gleichzeitig will die Bildungsbehörde aber nur noch 40 Förderstunden genehmigen. Das ist eine Kürzung von 51 Prozent!

Es ist ein Skandal, dass gerade bei Kindern, die es sowieso sehr schwer haben, der Rotstift angesetzt wird. Gleichzeitig genehmigen sich die Fraktionsvorstände von SPD und CDU im neuen Senat fürstliche Gehälter aus unseren Steuergeldern. Das können die Bürger nicht hinnehmen!

Harald Braun

An den Bremer Senat, den Beirat in Blumenthal, die Lehrerkollegien und Elternbeiräte der Wigmodischule und des Schulzentrums Eggestedter Straße in Blumenthal! Wir unterstützen den Protest der betroffenen Eltern, Lehrer und Kinder gegen die Streichung von Fördermitteln an Schulen in Blumenthal. Es ist nicht zu akzeptieren, dass gerade bei Kindern mit besonderem pädagogischem Förderbedarf gekürzt wird!

Es wäre ein Leichtes, die dringend notwendigen Fördermittel zum Beispiel durch einen Teil der üppigen Gehälter der Fraktionsvorstände von CDU und SPD zu finanzieren. Die Bremer Montagsdemonstration wird ihre Möglichkeiten nutzen, diesen Skandal öffentlich bekannt zu machen und dafür zu streiten, dass diese Einsparungen vom Tisch kommen!

Resolution der „Initiative Bremer Montagsdemo“
 
„Höhenverstellbarer Rasenmäher“: Sparsenatorin Linnert lässt
Haushalt um 27 Millionen Euro kürzen („Tageszeitung“)
 
Rekommunalisierung gefordert: Die Privatisierung der Abwasser-Entsorgung
hat Bremen in acht Jahren 200 Millionen Euro gekostet („Tageszeitung“)
 
Kleines Falschwörterlexikon: Tägliche Wiederholung verlogener Begriffe in
den Medien bedroht das Kulturgut Sprache („Bremer Friedensforum“)

 

Wir halten zu jedem,
der die Wahrheit sagt

Lieber Hermann Siemering! Wir kennen dich noch aus der Zeit, als du mit deinen Redebeiträgen auf der Montagsdemo Furore machtest. Deine Stimme ist jetzt weit und breit die einzige in den Bremer Medien (vom Internet einmal abgesehen), die noch unzensiert und ungeschminkt die Wahrheit verbreitet. Dies scheint einigen unbelehrbaren Zeitgenossen nicht zu gefallen. Seit einiger Zeit wirst du offensichtlich für deine Beiträge im „Bürgerrundfunk“ übel diffamiert und zumindest verbal bedroht.

Wieland von HodenbergWir glauben, dass du jetzt Rückenstärkung gut gebrauchen kannst. Da wir ebenfalls noch aktiv sind, müssen auch wir uns zuweilen einiges an Unverschämtheiten anhören. Doch wir lassen uns nicht einschüchtern und sind wie du fest entschlossen, weiterhin gegen die neoliberale Politik in Berlin – und insbesondere gegen die sich abzeichnende rot-grüne Bremer Variante dieser Politik – anzukämpfen.

Einen kleinen Vorgeschmack davon, wie die neue Koalition in Zukunft zu agieren und ihren eigenen Koalitionsvertrag zu negieren gedenkt, lieferte bekanntlich Christian Weber mit seinem gescheiterten Versuch, die skandalumwitterte frühere Sozialsenatorin Röpke in das hohe Amt der Bürgerschaftspräsidentin zu hieven. Das war der erste dicke Skandal der neuen rot-grünen Regierung, und deshalb müssen wir wohl kaum befürchten, dass dies der letzte war, den wir hier öffentlich anprangern müssen.

Wir sind davon überzeugt, dass du dich weder einschüchtern, noch von irgendwem im „Offenen Kanal“ zensieren lässt. Wir wünschen dir, dass du so weitermachen kannst wie bisher und stehen solidarisch auf deiner Seite! Im Übrigen würden wir uns sehr freuen, wenn du auch wieder an einer Montagsdemo teilnehmen könntest, und sei es nur als Zuhörer. Herzliche Grüße, auch im Namen der Bremer Montagsdemonstranten!

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)
 
Erneut Kindesmisshandlung in Bremen: Polizei beschlagnahmt
Akten des Sozialamtes („Radio Bremen“)

 

Per Schikane in die Armut

Elisabeth Graf1. Nach einer Umfrage der „Financial Times“ pfeift die Mehrheit in den Industrieländern auf die Globalisierung. Die Wut wächst über horrende Ungerechtigkeiten und steigende Einkommensunterschiede. Deswegen fordern viele Menschen gesetzliche Beschränkungen bei der Höhe des Gehaltes, weil einige ja nahezu die Schallgrenze durchstoßen haben. Politiker und Wirtschaftswissenschaftler hingegen predigen stur den ökonomischen Segen von fallenden Zollschranken und weltweiten Handelsströmen. Die Bürger empfinden die Globalisierung trotzdem als Bedrohung.

In allen Ländern mit Ausnahme von Spanien glauben mehr als drei Viertel der Menschen, dass die Einkommensunterschiede zwischen Armen und Reichen in ihren Ländern immer größer werden. Außer in den USA und in Deutschland war jedenfalls in allen Ländern eine Mehrheit von rund 60 Prozent dafür, gesetzliche Einkommensgrenzen für Manager festzuschreiben. Bei der Frage, ob alle Menschen die gleichen Möglichkeiten haben, ihre Potentiale zu nutzen, zeigten sich starke länderspezifische Unterschiede.

Paradoxerweise empfanden die Menschen in den beiden Ländern, wo wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge die Chancengleichheit am geringsten ist, die Situation am gerechtesten. So glaubten in den USA über 40 Prozent, dass im Land jeder die gleichen Möglichkeiten zur Nutzung seiner Potentiale hat, in Großbritannien waren es fast 40 Prozent. In Frankreich, Italien und Spanien hingegen glaubten nicht einmal 20 Prozent an die Verwirklichung der Chancengleichheit, in Deutschland rund 30 Prozent. Könnte mir bitte jemand den Unterschied zwischen Globalisierung und „organisiertem Verbrechen“ erklären? Das wäre nett!

 

2. Angeblich ist die Kaufkraft der Deutschen um zwei Prozent gestiegen. Die Bürger der Bundesrepublik Deutschland verfügten im Jahr 2007 über ein Kaufkraft-Volumen von voraussichtlich 1,522 Billionen Euro. Für den privaten Konsum könne jede(r) Deutsche in diesem Jahr rund 18.500 Euro ausgeben und damit zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Diese Meldung wurde völlig unhinterfragt von allen Medien verbreitet – im blinden Aktionismus, krampfhaft den „Aufschwung“ zu finden.

Sind ALG-II-Bezieher keine Deutschen? Solch einen Betrag haben wir nur für mehrere Jahre zum bloßen Existieren zur Verfügung, und Shoppen ist bei uns nur in der Kleiderkammer oder bei der „Tafel“ drin. Wenn der durchschnittliche Masseneinkommenshaushalt pro Haushaltsangehörigem eine freie Kaufkraft von 639,41 Euro übrig lässt, dann sollte erwähnt werden, dass der vergleichbare Regelsatz für ALG-II-Empfänger bei 347 Euro liegt! Nicht, dass der Sozialhilfesatz so wahnsinnig hoch ist und nur knapp 300 Euro unter dem durchschnittlichen Netto-Einkommen aller „Nicht-Reichen“ liegt, nein, der Hammer ist, dass das durchschnittliche Netto-Einkommen der Nicht-Reichen so beschissen niedrig liegt!

Von 2005 bis 2006 ist die „Gesamtkaufkraft“, auf die sich die Studie bezieht, schon einmal um knapp zwei Prozent gestiegen. Die Masseneinkommen stiegen dabei allerdings nur um 0,2 Prozent. Deutlicher lässt sich die Manipulierbarkeit der „Durchschnittswerte“ kaum zeigen! Und dann wird es noch munter von allen anderen ungeprüft nachgeplappert – Hauptsache, der vielgepriesene „Aufschwung“ kann „belegt“ werden! Solch eine gestiegene Kaufkraft, na, die hat doch was!

 

3. Ich möchte noch einmal auf die angebliche Chancengleichheit zurückkommen. In der letzten Woche meldete der „Weser-Kurier“, dass zum Ärger von Kultusministern und Bundesregierung der umtriebige UN-Menschenrechtsinspektor nicht locker lässt mit seiner harschen Kritik am deutschen Schulsystem. Beim Weltlehrerkongress in Berlin mahnte Rechtsprofessor Vernor Muñoz aus Costa Rica jetzt eine inhaltliche Stellungnahme Deutschlands auf seine Vorwürfe und Empfehlungen an, denn Bildung ist ein Menschenrecht und ausdrücklicher Bestandteil der UN-Charta.

Dieses Recht auf Bildung gilt nicht nur für die Kinder von Vermögenden oder Normalverdienern, sondern auch für die rund drei Millionen Schüler aus armen Familien in Deutschland, für Migrantenkinder und Behinderte sowie für jene Jugendlichen im schulpflichtigen Alter, deren Eltern als Flüchtlinge, Asylbewerber oder gar als Illegale hier leben. In keinem anderen Industriestaat der Welt ist der Bildungserfolg eines Kindes so abhängig von seiner sozialen Herkunft wie in Deutschland. Deshalb hatte Muñoz ungeachtet heftiger deutscher Einwände der Bundesrepublik im März vor dem UN-Gremium schwere Vorhaltungen gemacht.

Die mehrgliedrige Struktur mit Haupt-, Real-, Sonderschulen und Gymnasien und die international „untypische“ frühe Aufteilung zehnjähriger Kinder auf verschiedene Schulformen diskriminiere de facto alle von ihrer Herkunft her benachteiligten Kinder. Die Soziologin und Präsidentin des „Wissenschaftszentrums Berlin“, Jutta Allmendinger, teilt zwar die methodische Kritik an dem Muñoz-Papier, im Fazit hingegen pflichtet sie ihm voll bei: „Auch wenn man hart empirisch vorgeht, kommt man zu den gleichen Ergebnissen“, sagt sie. Und: „Die Chancen-Ungleichheit in Deutschland hat zugenommen, nicht abgenommen.“

16 Prozent aller Schüler in Deutschland kommen nach Darstellung des Direktors am „Max-Planck-Institut für Bildungsforschung“ in Berlin, Wolfgang Edelstein, aus mehr oder minder armen Familien. In seinem Buchbeitrag zum Muñoz-Besuch nennt er die Schulen im gegliederten Schulsystem „Armutsfallen, die zur Erhaltung der Armut“ beitragen. Wie Muñoz macht auch Edelstein dafür vor allem die meist nur vierjährige Grundschulzeit in Deutschland verantwortlich, die viel zu kurz sei, um herkunftsbedingte Nachteile auszugleichen.

 

4. In Berlin werden seit einiger Zeit Arbeitslose als Ein-Euro-Jobber zur „Erhöhung der Sicherheit“ im öffentlichen Nahverkehr eingesetzt. Ihre Aufgabe ist es auch, friedliche Bettler zu verjagen, von denen sich die „Berliner Verkehrs-Gesell­schaft“ (Werbespruch: „Es lebe Berlin“) in ihren Geschäftsinteressen gestört fühlt. Eine typische Szene:

Im Eingangsbereich eines Neuköllner U-Bahnhofes sitzt in einer Ecke, einige Meter von Fahrkartenautomaten und Kiosk entfernt, eine alte Frau mit einer Spendenschale und murmelt vor sich hin, man möge ihr doch bitte ein wenig Geld geben. Die Passanten strömen an ihr vorbei, ohne sie zu beachten; gestört fühlt sich niemand. Plötzlich eilen zwei Männer mit einem großen Hund herbei. Sie tragen als Einheitsdress hellblaue Hemden und dunkle Hosen, als wären sie uniformiert. Sie werfen der alten Frau vor, dass sie sie bereits zum zweiten Mal an diesem Ort anträfen, und fordern sie auf, den U-Bahnhof sofort zu verlassen. Gehe sie nicht unverzüglich, oder treffe man sie in nächster Zeit erneut dort an, würden sie sofort die Polizei holen.

Auf den Oberarmstücken ihrer Hemden tragen sie Abzeichen, auf denen „Arge Berlin“ steht. Sie sind demzufolge keine Angestellten der BVG, sondern gehören zu den Arbeitslosen, die seit letztem Jahr im Rahmen sogenannter „im öffentlichen Interesse liegender Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung“ eingestellt wurden. Interessant wäre allerdings zu erfahren, was das Bedrohen und Verjagen von friedlichen Bettler(inne)n, die niemanden in irgendeiner Weise belästigen, mit einer „Erhöhung der Sicherheit“ zu tun haben soll.

Zwar ist ein solches Vorgehen gängige Praxis diverser Firmen, die Teile des öffentlichen Raumes für ihre Geschäftsinteressen privatisiert haben. Diese engagieren dafür jedoch private Sicherheitsdienste, die sie selbst bezahlen müssen. Die BVG hingegen darf kostenlos auf „im öffentlichen Interesse liegende Arbeitsgelegenheiten“ zurückgreifen. Wer eine solche „Arbeitsgelegenheit“ ablehnt, wird von den „Jobcentern“ mit Kürzung des ALG II um 30 Prozent bedroht, beim zweiten Mal um 60 Prozent, beim dritten Mal um 100 Prozent, jeweils für drei Monate.

Wenn ihm oder ihr die verbleibende Summe dann nicht zum Leben reicht, darf er oder sie selbst betteln gehen – bis er oder sie von anderen „im öffentlichen Interesse“ tätigen Arbeitslosen verjagt wird. Vielleicht zeigt sich hier auch die steigende soziale Kälte im gesellschaftlichen Klimawandel. Möglicherweise sollen die noch nicht verarmten Bürger nicht mit dem „störenden“ Stadtbild von Bettlern behelligt werden, denn dieses Panorama passt so gar nicht zum Aufschwungspalaver und den Lobpreisungen der Globalisierung in diesem reichen Deutschland. Geschieht dies alles frei nach dem Motto: „Eure Armut kotzt mich an!“, und werden die Ein-Euro-Jobs auch gerade in diesem Interesse vergeben?

 

5. Sage keiner, die Bundesagentur für Arbeit verzeichne keine Erfolge! Im ersten Halbjahr 2007 strich sie, so eine Meldung vom Donnerstag, 307.000 Erwerbslosen zeitweilig die Stütze. Das sind 77.300 oder 34 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die meisten Betroffenen hatten sich zu spät arbeitslos gemeldet. Die Regelungen waren im vorigen Jahr verschärft worden. Wer sich nicht spätestens drei Monate vor dem Beginn seiner Arbeitslosigkeit bei der Agentur meldet, dem wird das Arbeitslosengeld I für eine Woche gestrichen. Das hat ausgezeichnet geklappt: Zumindest zeitweilig sank so die Arbeitslosenzahl um insgesamt 300.000 Personen.

Die Grotesken der Erwerbslosenstatistik gehören zur Medienfolklore, aber sie sind Nebensache. Die Hauptaufgabe der Arbeitsagentur ist – wie die Meldung belegt – die Abschreckung von Arbeitslosen mit allen Mitteln. Verwaltungschaos, inkompetente Sachbearbeiter, Verweigerung von Unterstützung bei Arbeitssuche und Qualifizierung sowie Streichen von Leistungen dienen dazu, auch den letzten Erwerbslosen von seiner Chancenlosigkeit zu überzeugen. Denn nur wenn sie die Willkür gegenüber den per Gesetz mehr und mehr ihrer Rechte beraubten Arbeitsuchenden stetig erhöht, hat die Anstalt eine Existenzberechtigung.

Per Schikane in die Armut, das ist das Resultat der Rückwende in die Armengesetzgebung vergangener Jahrhunderte, kombiniert mit der Degradierung des „mündigen Bürgers“ zum Untertanen. Exemplarisch ist dafür eine Nachricht, die von den „Stuttgarter Nachrichten“ ebenfalls am vergangenen Donnerstag verbreitet wurde: Durch die Unternehmenssteuerreform, sprich: das jüngste Milliardengeschenk an Industrie und Finanzwelt, werden „Jobcenter“ dazu ermächtigt, Kontendaten von Hartz-IV-Betroffenen ohne deren Wissen abzufragen. Das Gesetz sieht sogar vor, dass die Behörde vor der Kontenabfrage nicht zwingend bei den Betroffenen nachforschen muss, sondern sich auch darauf berufen kann, dass „ein vorheriges Auskunftsersuchen keinen Erfolg verspricht“.

Tucholskys Satz, deutsches Schicksal sei, vor einem Schalter zu stehen, deutsches Ideal, hinter einem zu sitzen, stammt aus üblen, aber mit heutigen verglichen harmlosen Zeiten: Im Zeitalter der Totaltransparenz bedürfen die Dunkelmänner der Exekutive keines Schalters. Der Zugang zu allen „Kundendaten“ ist barrierefrei. Die Art des Umgangs mit ihnen in der Arbeitsagentur und dem „Jobcenter“ steht stellvertretend für den Wandel im Verhältnis von Staat und Bürger.

Wo der Apparat auf Terroristenschnüffelei und -tötung konzentriert wird, sind weitergehende Ansinnen an Behörden sachfremd, per se unbotmäßig, entspringen dem „Anspruchsdenken“ oder dem „Glauben an den Staat“ oder was die Kapitalpropaganda sonst so bietet. Aus diesem Grund darf ALG-II-Empfängern seit Beginn dieses Jahres jede, selbst die geringste Leistung gestrichen werden. Irgendwo muss die Zivilisation aufhören! Sich dagegen vehement zu wehren, ist oberstes Menschenrecht, ja Bürgerpflicht!

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend)
 
Schlimmer kann man Zeit nicht totschlagen: Gerichte werden
mit sozialem Elend konfrontiert, das durch die missglückte
Arbeitsmarktreform entstanden ist („Spiegel-Online“)

 

Die Mietkürzungen
sind nicht gerichtsfest

Hans-Dieter Binder1. Die Bagis ist angewiesen, alle Kürzungen der Miete nicht zu vollziehen – angewiesen durch Frau Rosenkötter, die Senatorin für Soziales, wie von Frau Linnert zugesagt. Nur die Betroffenen wurden davon nicht informiert!

Das „Gewos“-Gutachten als Ersatz für einen Mietspiegel sollte inzwischen vorliegen. Bis zur nächsten Sitzung der Sozialdeputation im September soll die neue „Verwaltungsanweisung Wohnen“ vorgelegt werden. Sie ist allerdings nur eine Anweisung für diese Verwaltung, die Bagis, und hat keine Außenwirkung. Deputationsmitglied Wolfgang Grotheer hat treffend festgestellt, dass die bisherige Verwaltungsanweisung nicht gerichtsfest ist!

Damit ist zugestanden, dass die bisherigen Kürzungen der Mieten und die Festlegung von Eigenanteilen ebenfalls nicht einer gerichtlichen Überprüfung standhalten. Bitte macht es, wie bei der 141. Bremer Montagsdemo beschrieben! Wer freiwillig umzieht, soll bis 120 Prozent über den bisherigen Mietobergrenzen mieten können.

Dies ist anfechtbar, wenn ansonsten Obdachlosigkeit droht. Die Ablehnung schriftlich geben lassen, Widerspruch einlegen und Eilantrag beim Verwaltungsgericht stellen. Wir gehen mit! Und bitte Zeit mitbringen, um die Entscheidung abzuwarten oder die Entscheidung am nächsten Tag abholen, wenn es ganz eilig ist. Wir gehen davon aus, dass jeder, der nicht in einer „Villa“ residiert, wohnen bleiben kann und die vollen Mietkosten ersetzt bekommt!

Um dieses Ziel zu erreichen, ist es wichtig, dass jeder gegen seine Kostensenkungsaufforderung Widerspruch einlegt, dass wir wieder gemeinsam auftauchen, wenn die Verwaltungsanweisung unserem Ziel nicht gerecht wird, und dass wir gemeinsam für die Aufhebung der bisherigen Mietkürzungen streiten, auch für die aus der Zeit der Sozialhilfe! Wer zum eigenem Widerspruch Unterstützung braucht: Wir gehen mit!

Das letzte „Gewos“-Gutachten war so falsch, wie von uns festgestellt. Der Senat hat fast zwei Jahre für diese Beurteilung gebraucht. Wir werden uns auch das neue Gutachten ansehen und notfalls den Senat auf die Fehler hinweisen! Wir bleiben dran! Die Absichtserklärung von Rot-Grün ist auf der Homepage der SPD-Fraktion nachzulesen.

Ohne die Betroffenen zu informieren oder auch nur eine entsprechende Anweisung zu erteilen, sind alle in den Urlaub entschwunden. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen (das geht auch als Rentner): Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

 

2. Wer eine Kostensenkungsaufforderung erhalten hat und sowieso umziehen wollte oder in einer Bedarfsgemeinschaft steckt und diese auflösen wollte, sollte dieses Vorhaben verwirklichen, um jeglichem Druck zu entfliehen.

Wenn eine Bedarfsgemeinschaft auseinanderzieht, um die Kosten zu senken, kann die Bagis die Zustimmung auch für einen jungen Erwachsenen unter 25 Jahren nicht verweigern. Einfach wird dies aber nicht! Wir sollten drüber reden!

Zum Umzug sind die entsprechenden Anträge auf Kosten des Umzugs, Renovierung, doppelte Miete, Deponat und so weiter zu stellen. Mit all diesen Posten wird die Vergleichsrechnung der Bagis vor der Kostensenkungsaufforderung durchgeführt. Wie dies alles geht? Siehe vorherige Bremer Montagsdemos! Wir gehen mit!

 

3. Ohne Energie läuft gar nichts – weltweit! Bremen steht vor der Entscheidung, ob die SWB ein neues Müll-Kohle-Kraftwerk bauen darf oder ein anderes Kraftwerk oder gar keines. Zu dieser Thematik habe ich am Sonntag den „Deutschlandfunk“ gehört.

Zu Gast in der lehrreichen Sendung war Doktor Hermann Scheer, ehemaliger Mitarbeiter in einem Versuchskraftwerk. Sein Fazit aus dieser Zeit lautete: Es gibt keinen Menschen, der keinen Fehler macht, es gibt keine fehlerfreie Technik, und bei Atomkraft reicht ein Fehler für eine ungeheuerliche Katastrophe!

Diskutiert wird nur über den Kohlendioxid-Ausstoß, aber wie sieht es mit dem Wasserverbrauch aus? Egal ob Kohle-, Gas- oder Atomkraftwerk, es wird Kühlwasser gebraucht, von dem ein großer Teil verdampft. 70 Prozent des Wassers in Deutschland wird so verwendet! Die Auswirkungen der damit verbundenen Klimaveränderungen sehen wir gerade jetzt.

Dieses Wissen kann jeder Entscheidungsträger nachlesen. Hermann Scheer hat geforscht und Bücher geschrieben, bereits seine Internetseite ist sehr aufschlussreich: Hessen legt ein Kernkraftwerk still, die Umschichtung auf andere Energiegewinnung ist dort ebenfalls aufgelistet. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit Hermann Scheer und der SPD Hessen!

Seine Schlussfolgerung: Allein die Nutzung der natürlichen Energien kann aus der Energiekrise führen. Hierzu zählen Sonnen- und Windenergie, Wasserkraft (weil entsprechende Kraftwerke das Wasser nicht belasten oder erhitzen) sowie Erdwärme; diese Aufzählung ist nicht vollständig. Weltweit wird viel mehr Energie gebraucht, als Kühlwasser verfügbar wäre! Wasser ist sowieso weltweit Mangelware.

Warum nach alledem noch mehr Umweltvernichtung? Bremen kann hier ein Zeichen setzen: In unserer „Metropolregion“ haben wir Wasserkraft, Wind und Gezeiten. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen (das geht auch als Rentner): Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

 

4. Die Steuerreform hat die Obergrenze für „geringwertige Wirtschaftsgüter“ mit Wirkung ab 1. Januar 2008 auf 150 Euro gesenkt; das gilt aber nur für Unternehmen. Privat oder dienstlich, jedoch ohne Unternehmen, können weiterhin 410 Euro ohne Mehrwertsteuer sofort abgeschieben werden.

Bei der Einkommensteuer hat sich vielleicht schon der eine oder andere Rentner gefreut, denn das Finanzamt hat keine Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung geschickt. Der Finanzminister hat dafür den Haushaltsansatz für Einnahmen aus Säumniszuschlägen erhöht. Die geplante neue Steuernummer ist noch nicht umgesetzt.

Es werden weiterhin alle Renten der Rentenversicherung, Betriebsrenten, Versicherungsleistungen und alle anderen Versorgungsbezüge an die zentrale Sammelstelle in Mecklenburg-Vorpommern übermittelt und dort personenbezogen gesammelt. Die Weitergabe an die Wohnortfinanzämter soll mit der neuen Steuernummer erfolgen. Daher unterbleiben diese Meldungen augenblicklich – und noch weitere Monate.

Die Steuerpflichtigen sollen dann außer der Einkommensteuer-Nachzahlung auch noch Säumniszuschläge zahlen, für eine Steuerschuld, mit der keiner gerechnet hat. In Fachkreisen wird gelästert, dass einzig die Sorge vor dem Volkszorn diese Verzögerung verursacht! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen (das geht auch als Rentner): Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

 

5. Das Bildungsressort geht einer Klage aus dem Weg, so der „Weser-Kurier“ vom 27. Juli 2007: Die fünf betroffenen Lehrer werden angestellt oder haben die Einstellungszusage erhalten. Es gibt in Bremen einen Verein, der Lehrer zu niedrigen Gehältern einstellt und an die Bildungsbehörde verleiht, aber dieser Verein hat keine Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung.

Somit haben diese verliehenen Arbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit der „Entleihfirma“ – der Bildungsbehörde! Der Verdienst richtet sich nach dem in der „Entleihfirma“ gültigen Richtlinien, somit nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Dies sind unabdingbare Bestimmungen für die Arbeitnehmerüberlassung!

Diese fünf Lehrer haben somit einen unbefristeten Arbeitsvertrag, egal welche Vereinbarungen getroffen wurden. Solche Arbeitnehmerrechte sind nur vor Gericht abdingbar. Dieser Verein ist schon länger tätig. Wenn die Erstüberlassung eines Lehrers zu Zeiten des TV-ÖD erfolgte, kann er seine Festeinstellung zu den besseren Bedingungen des Tarifvertrages verlangen.

Zu den jetzt gültigen schlechteren Bedingungen wird er übergeleitet, die Gehaltskürzung ist damit hinausgezögert. Wer näheres wissen will, spreche mich an: Wir gehen mit! Dies ist bestimmt auf viele Bereiche gerade im öffentlichen Dienst der Freien Hansestadt Bremen übertragbar. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

 

6. Wie bereits in der letzten Woche erwähnt, trifft sich am Montag, dem 6. August 2007, die Friedensbewegung zur Mahnwache und Kundgebung um 12 Uhr auf dem Marktplatz. Anlass ist das Gedenken an den Atombomben-Abwurf auf Hiroshima und Nagasaki. Es spricht Physiker Bernhard Stoevesandt, und es gibt Musik von der Gruppe Velvet aus Weyhe. Bitte bringt Blumen für das Peace-Zeichen mit! Veranstalter sind das „Bremer Friedensforum“, die „Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrie­ges“ und die Gruppe „Feliz“.

Am Dienstag, dem 7. August 2007, findet um 19 Uhr wieder der Gesprächs­kreis „Begleitung“ des Vereins „Sozialer Lebensbund“ im „Hibiduri“ in der Thedinghauser Straße 2 statt. Es ist ratsam, nicht allein zu den Ämtern zu gehen! Der Verein „so:leb“ begleitet daher betroffene ALG-II-Bezieher(innen) zur Bagis. Wir möchten unsere Erfahrungen weitergeben und uns mit anderen austauschen. Dies ist also ein Workshop für Betroffene und Interessierte. Themen sind Vorbereitung und Ziele der Gespräche mit Fallmanager(inne)n, Kostensenkungsaufforderungen für die Wohnung und Eingliederungsvereinbarungen.

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
 
Vorbild neoliberal regierte Stadtstaaten: Bremen soll jährlich eine Milliarde
Euro vor allem im Sozialbereich einsparen („Weser-Kurier“)

 

Bremen und seine
globalisierten Häfen

Bald sind die ersten hundert Tage des neuen Senates vorbei. Es schälen sich die Ziele von Rot-Grün heraus, also auch die Erwartungen daran. Doch was anfangs voller Hoffnung schien, hat sich schon kurz nach Bildung der neuen Regierung in bittere Ernüchterung gewendet. Hatte man zu Beginn Probleme mit den Personalien, sorgen jetzt die Sparquoten der Ressorts für Unmut.

Der damalige, parteilose Senator für Wirtschaft und Häfen, Ulrich Nußbaum, verschwand viel zu schnell in der Versenkung. Angeblich wollte er nicht mehr weitermachen, weil Uwe Beckmeyer von der SPD ihn aufforderte, endlich Parteimitglied zu werden. Doch das war bestimmt nicht der Grund für Nußbaums Rücktritt. Man gibt nicht solch einen guten Posten auf wegen so einer Nichtigkeit! Auf deutsch: Herr Nußbaum wurde gemobbt von der Altherrenriege der SPD.

Auffällig war, dass sein Nachfolger, Ralf Nagel, innerhalb einer Woche in Amt und Würden kam. Man hatte sich also schon lange auf ihn geeinigt, jetzt musste man nur noch Herrn Nußbaum kippen. Dem blieb nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Seinen ersten großen Auftritt hatte Herr Nagel, als er den erneuten Boom bei den Bremer Häfen bekanntgab. Somit wurde er schnell installiert und die Personalie Nußbaum abgelegt, obwohl der Vorgänger die Arbeit für den Boom getan hat.

Jens SchnitkerNagel pries den wachsenden Container- und Autoumschlag. Das klamme Bremen ist also noch abhängiger von steigenden Einnahmen aus der Hafenwirtschaft. Im ersten Halbjahr 2007 wurden 34 Millionen Tonnen Fracht umgesetzt, das entspricht einem Plus von 2,5 Prozent. Bremen fordert vom Bund mehr Geld für die Unterhaltung der Häfen: Derzeit bringt die Hansestadt jedes Jahr 100 Milionen Euro dafür auf, der Bund nur zehn. Nicht nur Bremen, auch das Binnenland profitiert, wenn die Hafenwirtschaft brummt. Deshalb hofft man auf eine bessere Finanzstrukturierung durch die Föderalismusreform, bisher jedoch ohne Erfolg.

Diese Woche ist nun eine Studie der reicheren Bundesländer, der Geberländer des Strukturausgleiches, zur Finanznotlage Bremens veröffentlicht worden. Darin heißt es, das kleinste Bundesland könne ihr aus eigenem Bemühen entkommen. Dafür müsse es jedes Jahr eine Milliarde Euro einsparen, ein Viertel der Gesamtausgaben. Das sei möglich durch Erhebung von Studiengebühren und Kürzungen im Haushalt für Soziales. Diesen Schritt will der Senat aber nicht machen. Veröffentlicht wurde die Studie aufgrund der Bremer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Tatsächlich ist eine Sanierung ohne weitere Bundesmittel nicht möglich. Bremen kann nicht einfach beim Sozialetat kürzen, wie schon der verheerende Ausgang des Untersuchungsberichtes zum Kindeswohl und die abgewendeten Zwangsumzüge zeigen. Da in Bremen derzeit Haushaltssperre herrscht, muss jedes Ressort sparen – außer dem sozialen. Aus den Umschichtungen der Senatskollegen erhält Ingelore Rosenkötter 30 Millionen Euro mehr, um ein Gegengewicht zur menschlichen Verelendung zu schaffen. Thomas Röwekamp von der CDU kritisierte das heftig: Der Pfad der Sanierung werde dadurch verlassen. Soweit zur sozialen Kompetenz von Herrn Röwekamp.

Was bleibt: Die Häfen müssen noch mehr ranklotzen. Aus diesem Grund hat Herr Nagel beide Posten unter seiner Aufsicht, Wirtschaft und Häfen, die Bremer Geldmaschine überhaupt. Aber unter welchen Bedingungen ist ein weiterer Aufschwung zu meistern? Durch Ausbau der Häfen und Flüsse? Durch mehr Lohndumping bei den Arbeitern im Hafen und auf den Schiffen? Durch weitere Billig-Ausflaggung der Schiffe nach Panama? Dies waren wohl eher die Gründe, warum Herr Nußbaum ohne viel Murren ging: Er wollte nicht verantwortlich sein für die folgenden Verschlechterungen im Sozialbereich und bei den Arbeitsbedingungen in den Häfen, auch nicht für die Naturzerstörung.

Deutschland ist einer der fünf größten Hafenbetreiber der Welt. Die wichtigsten deutschen Häfen sind die in Hamburg und Bremen, sie werden betrieben von „Eurogate“. Die Expansion der Häfen folgt aus der Globalisierung: Nicht nur der Finanzmarkt, auch das Transportwesen hebt ab. Globalisierung ist die Folge einer Beschleunigung aller Prozesse in der Zeit – in der Produktion wie im Transport – und der Expansion aller Räume mit Waren, Dienstleistungen, Kapital und Menschen. Die wachsenden Häfen sind vermehrt auf Fremdkapital angewiesen, das heißt, sie müssen privatisieren. Hamburg will 30 Prozent seines Hafens an die Börse bringen.

Ein weiterer Bremer Neuzugang, von dem man leider noch nicht so viel sah und hörte, ist Reinhard Loske von den Grünen. Bisher zeichnet er sich aus als grünes Feigenblatt. Zu befürchten ist, dass unter ihm große Umweltsünden kaschiert werden. Man muss noch einmal an die Worte von Karoline Linnert erinnern, die sie zum Beginn der Koalition sagte: „Wir gehen nicht in den Senat, weil wir ‚machtgeil‘ sind, sondern um grüne Politik zu machen.“ Noch nicht einmal 100 Tage haben gereicht, um das Gesagte in eine Farce zu verkehren.

Jens Schnitker (parteilos)
 
Trugbild: Nur jede(r) dritte Hartz-IV-Betroffene
zählt als arbeitslos („Tagesschau“)
 
Dank Niedriglohn-Aufschwung: Zahl der Arbeitslosengeld-II-Empfänger
erreicht neuen Höchststand von 7,4 Millionen („Ad-hoc-News“)

 

Beim Hip-Hop machten einige
ganz spontan mit

Normalerweise stehen die Mitstreiter der Montagsdemo auf dem Marktplatz und demonstrieren für mehr soziale Gerechtigkeit. Doch auf ihrem Sommerfest, das sie kürzlich in den Neustadtswallanlagen feierten, interessierte die Politik nur am Rande. In erster Linie wurde bei Musik und Tanz ausgelassen gefeiert. Einige Passanten blieben neugierig stehen und machten spontan mit.

Jedes Jahr im Juli trifft sich die Montagsdemo, ein Zusammenschluss unabhängiger Bürger, zu einem Sommerfest. „Wir wollen unsere Mitstreiter dafür belohnen, dass sie durchhalten, und gleichzeitig den Leuten zeigen, dass auch wir etwas auf die Beine stellen können“, sagt Udo Riedel, einer der Montagsdemonstranten. Neben Kuchen, Salaten und anderen Leckereien bot das Sommerfest ein künstlerisches Programm mit viel Abwechslung.

Laien-Tänzerin Iris Piechaczek-Moustafa zeigte, wie viel Spaß es machen kann, zu Hip-Hop-Musik zu tanzen. Schon nach wenigen Minuten hatte sie einige Mittänzer um sich gesammelt. Hobby-Liedermacher Andreas Vogt tourt unter dem Namen „Brotlose Kunst“ durchs Land und unterstützt auch die Montagsdemo mit seinen sozialkritischen Liedern. Zum Sommerfest hatte er einige Songs mitgebracht, die mit ihren eingängigen Refrains zum Mitsingen einluden.

Seit drei Jahren kommen die Demonstranten jeden Montag um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz zusammen, um auf Missstände in der Sozialpolitik aufmerksam zu machen. „Bei der Bagis stimmt etwas nicht, da wird der einzelne Mensch gar nicht wahrgenommen“, sagt Riedel. Er würde sich wünschen, dass auch Menschen, die zur Zeit keine Arbeit haben, mit mehr Respekt behandelt werden. „In diesen Menschen steckt ein unglaubliches Potenzial, das in Deutschland verloren geht“, sagt Riedel.

Birgit Krieger im „Weser-Kurier“ vom 30. Juli 2007

 

Die Menschen finden es gut,
dass wir etwas tun

Das große Redebuch
Band I (2004/2005):
Schröders Hartz-Attacke und 
seine vorgezogene AbwahlStarker Wind blähte unser Transparent, so konnte man es gut sehen. Obwohl es kühl war und die Sonne sich verkrochen hatte, kamen wieder über 50 Teilnehmer zur 143. Montagsdemo in Bremen am 30. Juli 2007 um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz vorbei. Bei den Redebeiträgen gab es erneut eine große Themenvielfalt.

Wir stellen aber immer wieder fest, dass viele Menschen die Montagsdemo in Bremen oder auch als Veranstaltung in zahlreichen anderen Städten gar nicht kennen. Unsere Info-Flugblätter kommen dann gut an. Auf Englisch wurden wir von chinesischen oder japanischen Touristen befragt, wogegen sich unser Protest richte. Als wir die Antwort gaben und auf die Politik der Regierungen verwiesen, die die Menschen arm macht und nur die Reichen unterstützt, ballten sie die Fäuste und gaben uns lächelnd die Hand: Sie hatten verstanden.

Am Ende kam dann noch eine feine Bremer Dame, die auch wissen wollte, was wir machten. Auf meinen Hinweis auf die Politik von Schröder und Merkel gab sie gleich unumwunden zu, dass sie „noch“ CDU-Mitglied sei, aber ihre Geste war wegwerfend. Sie habe kein Vertrauen mehr in die Führungsriege: „Was haben die denn in Berlin und Bremen bewegt?“ Der Bremer Montagsdemo wünschte sie weiterhin Erfolg und Glück.

Jobst Roselius für die „Bundesweite Montagsdemo
 
Körperverletzung per Gesetz: Hartz IV reicht nicht für
gesunde Ernährung („Erwerbslosenforum“)
 
Preis-Schock bei Lebensmitteln: Politiker fordern
Regelsatz-Erhöhung („Spiegel-Online“)
 
Antikommunismus: Regelsatz-Debatte erfordert neue Hetze gegen
Vertreter linker Werte wie sozialer Gerechtigkeit („Spiegel-Online“)
 
Politologen aufgepasst: Wer von Brandstiftern zitiert wird,
kann als „Terrorist“ verhaftet werden („Spiegel-Online“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz