Letzten Mittwoch war auf dem Bremer Marktplatz, in einer runden Manege unter einer großen Zeltkuppel, ein wohl dressierter Tanzbär zu bestaunen. Die Fragen aus dem Publikum, auf die Steinbrück geantwortet hat, sind ihm auf ausgewählten Pappkärtchen gereicht worden. Die „Schlagfertigkeit“ ist antrainiert, in Übungsrunden, wo die Sparringpartner die Aufgabe haben, dem Kandidaten „die üblichen“ Vorwürfe an den Kopf zu knallen. Dann muss er halt zu einem paar Dutzend Stichworten die Textbausteine draufhaben.
„Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“ kam ihm aus dem Publikum entgegen, worauf er mit Verweis auf die 150-jährige Geschichte der SPD empfindlich reagierte. Ich kann jetzt nur für mich sprechen, Herr Steinbrück, denn in der 150-jährigen Geschichte der SPD kenne ich mich nicht aus, und sie interessiert mich auch nicht! Mir reichen die letzten zehn Jahre, während derer die SPD, in Befolgung der Lissabonner Strategie, den größten Angriff der Geschichte der Bundesrepublik auf den Sozialstaat geführt hat. Diesen Angriff würde Peer Steinbrück fortsetzen.
Vom SPD-Mindestlohn von 8,50 Euro bleiben netto rund 1.080 Euro im Monat übrig. Vielleicht würden mit diesem Hungerlohn einige Einpersonenhaushalte aus der Arbeitslosenstatistik verschwinden. Für Alleinerziehende oder Alleinverdiener(innen) einer mehrköpfigen Familie wäre die Aufstockerei damit nicht beendet. Bei der SPD-Mindestrente von 850 Euro im Monat kommt nicht mehr heraus als bei einer zu niedrigen Rente mit ergänzender Sozialhilfe. Beim Ehrenamt stößt die SPD in dasselbe Horn wie Ursula von der Leyen mit ihrem „bürgerschaftlichem Engagemeng“: Sie folgt dem Maßnahmekatalog der EU-Kommision der Aktivierung Freiwilliger. Öffentliche Stellen werden so mit Freiwilligen eingespart.
Die Liste neoliberaler SPD-Maßnahmen ließe sich weiter fortsetzen. Mein Fazit ist: Solange sich SPD und Grüne nicht offiziell von ihrem Agenda-2010-Kurs verabschieden und sich nicht personell von den Protagonisten dieser Politik trennen, bleiben sie unglaubwürdig und nicht wählbar. Die „Pfeifer“ auf den Marktplätzen der Republik, an denen Sie sich stören, Herr Steinbrück, sind die Prozente, die der SPD fehlen werden! Mit Peer Steinbrück, der seine SPD-Kavallerie satteln möchte, und den anderen Agenda-Filzokraten wird es der SPD weiterhin so ergehen wie der 7. Kavallerie bei Little Bighorn: Viele opfern sich dem Karrierestreben einzelner.
1. Gesundheitsminister Daniel Bahr plädiert für eine Öffnung der privaten Krankenversicherung für alle Bürger: „Ich möchte, dass alle Menschen selbst entscheiden können, wie und wo sie sich versichern wollen“. Bahrs Vorstellungen würden bedeuten, dass die Versicherungspflichtgrenze kippt. Witz, komm raus, du bist umzingelt! Als ob es Bahr tatsächlich um eine wirkliche Versicherungsfreiheit für alle ginge: Wer hätte sich denn je freiwillig dafür entschieden, nur zweitklassige Leistungen zu bekommen? Das ist und war immer schon eine Frage des Geldbeutels!
Wie viel Zynismus müssen wir noch ertragen? Für mich ist dies ein typisch neoliberaler Lobbyisten-Vorschlag, der den gesetzlichen Krankenkassen den Todesstoß versetzen soll, weil ihnen dann die Beiträge fehlen. Ein Wechsel zu einer privaten Krankenversicherung würde sich doch nur für junge gesunde Singles mit einem Einkommen unter der bisherigen Bemessungsgrenze lohnen. In meinen Augen wäre es das einzig Sinnvolle, die privaten Krankenkassen abzuschaffen – und alle, eben auch die Vermögenden, zahlen in eine gesetzliche Versicherung!
2. Aus dem jüngsten Tätigkeitsbericht des Bundesversicherungsamtes geht hervor, dass alte und kranke Menschen in der gesetzlichen Krankenversicherung immer wieder diskriminiert werden. Demnach benachteiligen die Kassen Versicherte mit hohem Kostenrisiko oft schon bei der Anwerbung oder versuchten, Ältere oder chronisch Kranke mit der Aufforderung zu kündigen aus der Kasse herauszudrängen. Das Bundesversicherungsamt rügte, dass die dargestellte Verfahrensweise gegen grundlegende Prinzipien des Sozialgesetzbuches verstoße und der Verantwortung der gesetzlichen Krankenkassen gerade auch bei der medizinischen Versorgung von behinderten und chronisch kranken Menschen nicht gerecht werde.
Die Krankenkassen verstoßen gegen das Diskriminierungsverbot und das in der gesetzlichen Krankenversicherung zu beachtende Solidaritätsprinzip, wenn sie ihrem Vertrieb keine Prämien für das Werben von einkommensschwachen oder kranken Versicherten zahlen oder Prämien zurückverlangen, wenn die Neumitglieder höhere Krankheitskosten verursachen als erwartet. Eigentlich sind Krankenkassen dazu verpflichtet, alle Bevölkerungsgruppen gleich zu behandeln, sobald sie im Vertrieb mit einem potentiellen Neumitglied in konkreten Kontakt treten. Uneigentlich tun sie das aber offensichtlich oft nicht. An dieser Risikoselektion sind nicht die Kassen schuld, sondern die Politik ist es, weil sie die Krankenkassen auf dem Rücken der Alten und chronisch Kranken in den Wettbewerb zwingt.
3. Der Druck auf chronisch und psychisch Kranke wächst: Trotz Milliardenüberschüssen sparen Kassen ausgerechnet bei ihnen. Vielen droht ein „Leben“ in Armut. Fälle wie die Folgenden häufen sich: Jens Müller ist psychisch krank, leidet an Depressionen und kommt oft tagelang nicht aus seiner Wohnung. Er hat seinen Krankengeldanspruch verloren, weil er laut AOK einen Tag zu spät beim Arzt gewesen sein soll, und muss mittlerweile von Hartz IV vegetieren. Müller ist einer von Dutzenden Betroffenen, weil der Druck auf psychisch Kranke massiv zugenommen hat.
2012 wäre im Bereich Krankengeld ein Defizit von 55 Millionen Euro zu verzeichnen gewesen, was als nicht tolerabel gilt. Um das Defizit auszugleichen, soll in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts den Anspruch auf Krankengeld verlieren, wer sich nicht am letzten Tag seiner bescheinigten Arbeitsunfähigkeit eine Verlängerung geholt hat. Rolf Rosenbrock, Gesundheitsökonom und Vorsitzender des „Paritätischen Wohlfahrtsverbands“, fordert, dass die Schwelle für die Kassen, Versicherte von einem Tag auf den anderen hinauszuwerfen, deutlich erhöht werden müsse.
Sandra Wagner arbeitete für das Callcenter eines Versicherers, bis sie vor Ablauf ihres Vertrags krank wurde und an Depressionen mit psychosomatischen Folgen wie Erschöpfung, Sehstörungen und Ohnmachtsanfällen litt. Weil sie nicht arbeitsfähig war, hatte sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld und stellte bei der AOK einen Antrag auf Krankengeld. Bei der Kasse bekam sie einen Auszahlschein, der von ihrer Ärztin ausgefüllt werden musste. Die Krankschreibung galt nur für einen Monat. Als sie erneut einen Termin bei ihrer Ärztin hatte, lag der neue Auszahlschein nicht vor, weil die Krankenkasse ihn just an jenem Freitag an ihre „Betreuerin“ geschickt habe, so der „Spiegel“. Ist damit die Sachbearbeiterin beim Jobcenter gemeint? Das hört sich ja schon an, als sei Sandra Wagner entmündigt!
Weil Sandra Wagner schon von den Komplikationen gehört hatte, lief sie zurück zu ihrer „Betreuerin“ und holte den Schein. Doch leider war die Arztpraxis dann bereits geschlossen. Nun glaubte sie, dass die AOK den Zahlschein mit Absicht so spät geschickt habe, dass sie es nicht mehr rechtzeitig schaffen konnte. Man habe sie in eine Falle laufen lassen, denn nun behauptete die Kasse, dass sich Frau Wagner erst am folgenden Montag bei ihrer Ärztin gemeldet und somit ihren Anspruch auf Krankengeld verwirkt habe. Obwohl auch die Ärztin der AOK versicherte, dass das so nicht stimme, lehnte die Kasse die Beschwerden immer wieder ab.
Seit Mai bekam Sandra Wagner kein Geld mehr und konnte weder ihre Miete noch den Strom bezahlen. Der Vermieter drohte bereits mit fristloser Kündigung, ihr Antrag auf Hartz IV wurde aber mehrfach abgelehnt. Hier werden Existenzängste verschärft! Es handelt sich um einen klaren Verstoß gegen das Sozialgesetzbuch, wenn kranke Versicherungsnehmer sogar von ihrem Sachbearbeiter dahingehend bedrängt werden, sich berenten zu lassen. Da wird wohl vergessen beziehungsweise einfach ignoriert, wie unglaublich niedrig die Renten inzwischen ausfallen, erst recht, wenn der Antrag darauf bereits mit 52 Jahren gestellt wird!
Arme Leute fallen besonders leicht durchs Raster, weil das Jobcenter bei Antragstellung immer erst prüfen muss, ob nicht doch noch irgendwo ein Anspruch auf irgendwelche anderen Leistungen bestehen könnte. Da kommen Menschen, die 20, 30 Jahre gearbeitet haben, krankgeschrieben sind und plötzlich aus dem Krankengeld fliegen, weil sie sich zum Beispiel nach einer Reha nicht rechtzeitig beim Arzt gemeldet haben: Sie stürzen direkt in die Sozialhilfe ab!
Offenbar wird mit Alten und chronisch Kranken immer mehr wie mit Erwerbslosen umgegangen, die nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt gebraucht werden können. Ich denke daran, wie Erwerbslose mit einer Sperre zu rechnen haben, wenn sie sich nicht direkt am ersten Tag ihrer Arbeitslosigkeit beim Mob-, Flop oder (No-)Job-Center melden, obwohl sie den Zeitpunkt ihrer Arbeitslosigkeit bereits drei Monate zuvor gemeldet hatten. Auch hier wird damit gepokert, dass viele das nicht wissen oder vergessen und so wieder Geld auf Kosten der finanziell Schwächsten gespart werden kann. Der neoliberale Zeitgeist bekommt viel zu viele Zugriffsmöglichkeiten!
4. Bundesweit wird gemeldet, dass Hartz-IV-Leistungen vielfach noch nicht auf den Konten eingegangen sind. Besonders in Bremen soll es nach Angaben der Jobcenter-Geschäftsstellen wegen einer Umstellung der Software zur Bearbeitung von Geldleistungen auf das Sepa-Lastschrift-Verfahren zu Zeitverzögerungen bei den Überweisungen kommen. Angeblich werde derzeit „mit Hochdruck“ daran gearbeitet, die Zahlungen nachzuholen. Anstatt jedoch die Zahlungsausfälle mit Bargeldauszahlungen zu kompensieren, seien keine persönlichen Vorsprachen ohne Termin in den Eingangszonen der Jobcenter-Geschäftsstellen und keine Bargeldauszahlungen möglich. Auch Vorsprachen bei den für Leistungen zuständigen Sachbearbeitern würden verschoben.
Claudia Bernhard, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion „Die Linke“ in der Bremischen Bürgerschaft, prangert an, wer mit Hartz IV über die Runden kommen müsse, habe am Ende des Monats kaum noch Geld für das Nötigste. Diesen unwürdigen Zustand verlängere das Jobcenter jetzt durch einen Software-Fehler. Es können Lebensmittel nicht gekauft, Rechnungen nicht bezahlt werden, und Abbuchungen gehen zurück, nur weil das Jobcenter angeblich nicht in der Lage ist, allen das Geld rechtzeitig zuzustellen. Eine technische Umstellung dürfe nicht zulasten der Leistungsbezieher(innen) gehen. Cornelia Barth, Landessprecherin der „Linken“ in Bremen, ergänzt, es sei unverständlich, warum das Jobcenter nicht vorgesorgt habe, wie es anderen Jobcentern auch möglich sei: So eine Software-Umstellung falle schließlich nicht überraschend vom Himmel!
1. Ein wenig hat mein Unmut schon gebracht, den ich vor Monaten gegen die EWE äußerte. Jetzt hängt sich die Partei, die sich anmaßend „Die Linke“ nennt, da mit rein. Mich hatte sie in der Oldenburger Ratssitzung zu ähnlichem Thema schmählich im Stich gelassen: Nicht ein Ratsmitglied dieser Partei hakte damals beim Oberbürgermeister nach, auf meine Fragen zur Einwohnersprechstunde. Jetzt ist auch der NDR an diesem Thema dran. Mal sehen, ob die Stadt es sich weiterhin leisten will, für die Gas- oder Wärmelieferungen an die Transferleistungsempfänger mehr zu zahlen als unbedingt notwendig!
Hier muss jedem Hartz-IV-Empfänger das Recht eingeräumt werden, zum preiswertesten Anbieter zu wechseln – oder die EWE muss den Jobcenterkunden entsprechende Rabatte einräumen. „Linken“-Ratsherr Hans-Henning Adler nennt es nun einen „Skandal“, dass Mietern der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft GSG vom kommunalen Energieversorger EWE die Möglichkeit eines Energieanbieterwechsels genommen worden ist, da sich deren Heizthermen im Besitz der EWE befinden, die das gelieferte Erdgas als „Eigenverbrauch“ deklariert, aber der Stadt Oldenburg seit 1999 sogar die Konzessionsabgaben vorenthalten hat.
2. Vor Jahren bereits kündigte man in der Bundesregierung an, einen Bürokratieabbau anzustreben. Zu merken ist davon eher nichts. Nachdem ich im Juli dieses Jahres meinen neuen Rentenbescheid mit der gewaltigen Rentenerhöhung von 0,25 Prozent erhalten hatte, forderte mich das Jobcenter – obwohl ich selbst gar keine Leistungen von dort beziehe – auf, diesen sofort vorzulegen und ihn auch meiner Krankenkasse zuzusenden. Die meldete sich einige Wochen später bei mir und forderte mich auf, mein Einkommen neu nachzuweisen. Sie wollten meinen neuen Rentenbescheid haben. Ich bin freiwillig gesetzlich krankenversichert, da ich aufgrund älterer gesetzlicher Bestimmungen nicht in die Krankenversicherung der Rentner aufgenommen werden konnte.
Obwohl ich schon in den Vorjahren meinen Krankenversicherungsbeitrag nach einem fiktiv höher angenommenen Einkommen bezahlen musste, als ich in Wirklichkeit Rente bekomme, bekam ich jetzt Bescheid, dass sich mein monatlicher Beitrag noch einmal um zwei Cent erhöht. Dafür musste ich auch noch zur Bank, um meinen Dauerauftrag zu ändern, und das Jobcenter schriftlich auffordern, mir eine neue Berechnung zu schicken für die Anrechnung meines Einkommen, welches über meinen 90-prozentigen Regelsatz plus der anteiligen Kosten der Unterkunft hinausgeht, damit das Jobcenter meiner Ehefrau und mir einen neuen Bescheid erteilen kann.
Diese Arbeit und diese Kosten für ganze 24 Cent für das nächste Rentenjahr, falls ich es aufgrund dieser Aufregung überhaupt erlebe! Darf man wirklich noch Parteien wählen, die ja dazu verpflichtet werden, an einem solchen Unsinn teilzuhaben? Ich kann das jedenfalls nicht und werde meinen Wahlzettel am 22. September 2013 mit einem ganz großen Kreuz versehen. „Ein Kreuz, ein Leid, ein böses Weib, hat mir der Herr gegeben!“ Das mit dem bösen Weib trifft allerdings nicht zu.
Sybill DeBuer (Freie Bürger Deutschland, am 26. August 2013): Ich sende Ihnen heute die Einladung für den 117. Schwabenstreich in Bremen zu Ihrer Information zu. Am 2. September 2013 findet am Bahnhofsvorplatz eine Demonstration gegen dessen sinnlose Bebauung statt. Ich freue mich auf Ihren zahlreichen Besuch!
Wolfgang Lange (MLPD): Also, langsam reicht’s! Am 2. September findet – wie seit neun Jahren jeden Montag, außer an Feiertagen – die Montagsdemo auf dem Marktplatz statt, um 17:30 Uhr bis circa 19 Uhr. Eigenmächtig jetzt zu einer Kundgebung für exakt dieselbe Zeit vor dem Bahnhof aufzurufen – und noch nicht mal vorher als Vorschlag zu machen, worüber abgestimmt werden kann –, ist nichts anderes als Spaltung. Wenn sich „Die Linke Bremen“ daran beteiligt, wie es in Sybills Einladung steht, umso schlimmer. Wer sich nicht an unsere gemeinsamen Grundsätze halten möchte – bitte schön. Aber nicht in unserem Namen und unter Verwendung unserer Demo und Logistik.
Gerolf D. Brettschneider (parteilos): Bei diesem Widerspruch kann die nahezu zeitgleiche Einladung zur Demo vor dem Bahnhof keine Einladung der Montagsdemo sein. Ich entferne sie deshalb von der Terminseite. Ich kann aber in der Vorankündigung der nächsten Montagsdemo den Satz belassen: „Vorgeschlagen wird eine Demonstration zum Bahnhofsvorplatz gegen dessen sinnlose Bebauung“. Ich hatte Sybills Vorschlag so verstanden, dass auf dem Marktplatz noch darüber abgestimmt werden kann.
Jetzt lautet die Ankündigung: „Die nächste Bremer Montagsdemo findet am 2. September 2013 wieder zur gewohnten Zeit, also um 17:30 Uhr, auf dem Marktplatz statt. Vorgeschlagen wird eine Demonstration zum Bahnhofsvorplatz gegen dessen sinnlose Bebauung. Anlässlich des Antikriegstages findet im dortigen DGB-Haus um 18 Uhr die Veranstaltung ‚Das deutsche Militär auf dem Vormarsch – eine Bestandsaufnahme‘ statt. Wenn der Bahnhofsvorplatz erst einmal bebaut ist, können die Gewerkschaften keine Menschenmassen mehr zur Demonstration vor ihrem Haus versammeln.“ So dumm ist Sybills Vorschlag also nicht.
Eine Einladung für 18 Uhr an einen anderen Ort als den Marktplatz, wo die Montagsdemo beginnt, kollidiert aber mit dem aus demokratischen Gründen wünschenswerten Abwarten des Maximums an Teilnehmenden, das sich meist nach 18 Uhr einstellt, und ist insofern spalterisch. Für die Montagsdemo ist der angekündigte Termin eine halbe Stunde zu früh, wie sich bei den früheren Kundgebungen zum „Schwabenstreich“ vor dem Bahnhof gezeigt hat. Den Demoaufruf der „Linken“ aber einfach als „Spaltung der Montagsdemo“ abzutun, würde der Sache nicht gerecht: Es geht um den letzten freien Platz in Bremen.
Hans-Dieter Wege (parteilos): „Wer war mit dabei? Die Linkspartei“: Immer überall mit anhängen, mit Zustimmung oder auch ohne. Das zeichnet diese Partei wirklich aus. Ich finde, man kann daraus erahnen, wie das bei einer eventuellen Regierungsbeteiligung, wo auch immer, dann aussehen würde. So etwas macht mir aber eher Angst.
Frank Kleinschmidt (parteilos): Otto Normalo interessiert sich nicht die Bohne für den verkehrslärmenden Betonbahnhofsvorplatz, ob da nun Häuser stehen oder nicht. Jeder normale Mensch, der zum Bahnhof geht oder vom Bahnhof kommt, geht schleunigst daran vorbei. Die einzigen, die sich dafür interessieren, sind „Die Linke“ und ein paar Scater. Was soll sonst dort hin, eine Parkanlage etwa? Wer ergeht sich denn an dieser lärmenden, verstaubten Hauptverkehrsader?
Gerolf: Meiner Meinung nach sollte da der neue Bushof hin, für die Fernbuslinien. Der kommt jetzt wohl einen halben Kilometer weiter westlich hinterm Cinemaxx auf das alte Güterbahnhofsgelände. Läge der Fernbushof direkt neben den Straßenbahnsteigen, müsste das Gepäck nicht so weit geschleppt werden. Auch würde der Bahnhofsvorplatz dann nicht unbedingt als Kundgebungsplatz ausfallen – die Bussteige müssen ja nicht gleich überdacht werden. Bremen wirkt nie so unwirtlich wie bei einer Fahrt über die Hochstraße: kein Baum, nirgends. Da sollte man links und rechts eher ein paar Hochhäuser abreißen, statt noch welche dazuzustellen. Für die Hochstraße haben die Grünen das ja bereits erwogen, für die fernere Zukunft.
Der heutige Vorfall scheint mir lehrreich zu zeigen, wie eine angekündigte Aktion auch mal misslingen kann. Lag das nun an der Themengewichtung der Montagsdemonstranten; an der Intervention ihres Moderators, der dem Aufruf einer anderen Partei nicht folgen mochte; oder hat jemand geglaubt, es gebe schließlich größere Dinge als die Bremer Montagsdemo, Absprachen vor einer Anmeldung sowie Abstimmungen auf dem Marktplatz seien deshalb nicht notwendig – und dann womöglich ziemlich allein auf dem großen Bahnhofsvorplatz demonstriert?
Die Gewerkschaften machen heute zum Feierabend lieber eine Saalveranstaltung, als zu Demonstrationen aufzurufen. Die brauchen den Bahnhofs- und Gewerkschaftshaus-Vorplatz nicht mehr! Wir sind auch keine bösen „Wutbürger“, die wichtigste Infrastrukturprojekte sinnlos blockieren. Wobei man die Einrichtung eines umsteigefreundlichen Bushofes auf dem dafür am besten geeigneten Gelände gerade durch den Bau eines Hochhauses dortselbst besonders nachhaltig blockieren kann. Doch wollen wir nun fordern: „Lasst uns den Bahnhofsvorplatz sinnlos bebauen, das gibt Jobs, Jobs, Jobs!“?
Kürzlich hat Günni, der Maurer „mit dem großen Hut“, bereits den Bau der Pyramiden lobend erwähnt. In Benidorm (zu deutsch: „schlaf gut“) überschreitet seit vier Jahren ein Wolkenkratzer mit 47 Stockwerken den Zeitpunkt seiner Fertigstellung – dort wurde noch nicht mal ein Fahrstuhl eingeplant. So verschlafen ist Bremen allemal: Sollten die Gebäude in drei Jahren noch nicht bezugsfertig sein, hätte die Hansestadt das Recht, die Fläche zurückzukaufen. Dann reißen wir wegen des hiesigen Leerstands an Büroräumen den ollen Rohbau einfach wieder ab – das gibt noch mehr Jobs, Jobs, Jobs!
Sybill: Christoph Spehr und ich haben klar festgestellt, dass wir den Widerstand fortführen und intensivieren werden. Die Veranstaltungen gegen die Bebauung werden weiterhin vom „Schwabenstreich Bremen/Oldenburg“ und der „Linken“ Bremen veranstaltet. Ich werde auch weiterhin als Veranstaltungsleiterin fungieren.
Christoph Spehr („Die Linke“): Das lief ganz gut. Wir waren etwas über 40 Leute, trotz auch am Bahnhof eher miesem Wetter. Es dauerte etwa eine halbe Stunde mit Intro und Offenem Mikrofon. Der „Weser-Kurier“ war auch da, und es gab insgesamt eine sehr breit gemischte Zusammensetzung. Sybill und ich waren sehr zufrieden. Mal sehen, wie’s jetzt weitergeht in der Sache.
Manfred Steglich („Die Linke“): Es gibt auch einen kleinen Bericht heute im „Weser-Kurier“. Es zeigt sich aber wohl einmal mehr, dass es trotz der Petition bedauerlicherweise keinen breiten gesellschaftlichen Widerstand gegen die Bebauung gibt.
Frank: Die Aktion auf dem Video von 2011 belegt, dass der Bahnhofsvorplatz schon lange Projekt der „Linken“ ist. So eine Nicht-Demo ist mal wieder typisch intellektuell. An der Stelle, die das Video zeigt, soll das Geschäftshochhaus wohl hin. Der „Weser-Kurier“ schreibt: „Bei der alternativen Gestaltung des Platzes waren sich die Demonstranten einig. Auf der Fläche solle vielmehr ein Gebiet mit mehr Grünflächen entstehen, wo man sich gerne trifft und kulturell aktiv werden kann.“
Ich hätte keine Lust, mich an dieser Verkehrshauptader hinzusetzen und mir ’ne Stulle reinzuziehen, selbst wenn der Platz begrünt wäre. Die ganz in der Nähe liegenden Wallanlagen wären dafür besser geeignet. Alles in einem interessiert mich der Bahnhofsvorplatz nicht. Bei 8.000 Stromabschaltungen und rund 3.000 Wassersperren im Jahr durch die SWB, bei Bildungsnotstand, Wohnungsnot und Verfall der Stadtteile gibt es für mich in Bremen dringendere Baustellen.
Hans-Dieter: Genau so ist es wohl. Die Montagsdemo sollte auch nicht immer beliebiger werden. Es reicht schon, wenn die Partei, die sich anmaßend „Die Linke“ nennt, so etwas ständig mitmacht. Man muss auch mal Prioritäten setzen.
Frank: Fairerweise muss hier erwähnt werden, dass „Die Linke Bremen“ sich der anderen Themen, die ich aufgeführt habe, auch annimmt. Es ist eben nur meine Sicht der Dinge, dass sich niemand in den prekären Stadtteilen wie Gröpelingen und Tenever – mit hohen Bevölkerungsanteilen an Hartz-Geschädigten, armen Rentner(inne)n und prekären Arbeits- und Wohnverhältnissen – für den Bahnhofsvorplatz interessiert. Wenn es jemandem in seltenen Fällen dorthin verschlägt, interessiert ihn die Bebauung oder Begrünung nicht.
„Die Linke Bremen“ muss halt wissen, mit welchen Themen sie punkten will, um die nächste Bürgerschaftswahl zu überstehen. Erstmalig war sie 2007 mit acht Prozent im Stadtparlament. Seit der Wahl 2011 ist sie es mit 5,6 Prozent und lediglich fünf Sitzen. Das Fatale ist ja, dass der höchste Anteil an Nichtwähler(inne)n in diesen prekären Stadtteilen zu finden ist – und wie schwierig es ist, diese Leute zu motivieren, davon können wir ein Lied singen. Für die nächste Bürgerschaftswahl droht der „Linken“ Bremen der Abrutsch in die politische Versenkung. Dann wäre sie nur noch eines von vielen linken Diskussionsgrüppchen.
1. Edward Snowdens Unterlagen sind sehr eindeutig und gehaltvoll! Anders ist das Vorgehen der britischen Regierung nicht zu deuten: Sie haben den „Guardian“ gezwungen, Festplatten zu zerstören. Die Zeitung hat sich gebeugt und angekündigt, auf Basis der Berichterstattung der „New York Times“ weiterhin zu berichten. Auch diese soll nun von britischer Seite aufgefordert worden sein, diese Ausfertigungen zu vernichten – hoffentlich erfolglos!
Die Festsetzung des Ehemanns von Glenn Greenwald durch die Briten war auch nach britischem Recht ein Rechtsbruch. Er hat einen Rechtsanwalt beauftragt. Diese Möglichkeit steht zwar im Gesetz, ist aber nicht rechtens, schon gar nicht bei dieser Umsetzung.
Edward Snowden hat eine Anerkennung erhalten: den „Whistleblower“-Preis aus Berlin. Für Herrn Minister Friedrich ist die Angelegenheit noch immer erledigt, Frau Merkel weicht aus. Beide verweisen auf das geplante Abkommen mit der USA und die unterschiedlichen Bestimmungen zum Datenschutz in Europa.
Deutsche Unternehmen sollen Spähangriffe melden, doch Spähangriffe durch Telefonanlagen mit mehreren Nebenstellen bemerken die Unternehmen überhaupt nicht, siehe Bremer Montagsdemo. Die Bundesregierung setzt der laufenden Fortsetzung des Rechtsbruchs nichts entgegen! Die Bundesregierung informiert die Unternehmen nicht über das Scheunentor in der Telefonanlage.
2. Die Bundesbank hat die Umsetzung der im Rahmen der Finanzkrise beschlossenen Maßnahmen angemahnt, und zwar wann? Am 2. September 2013! Wir sind noch immer leicht verwundbar. Mit mehr Details zum aktuellen Stand und nicht so überschriftenhaft hat es Jens Weidmann am Vortag in Hamburg ausgeführt. Die Bedingungen für die Rettungsschirme haben in den betroffenen Ländern zu einer Reduzierung der Wirtschaftsleistung und in eine Abwärtsspirale geführt. Die Planung der Reaktionsabläufe und Folgen der einzelnen Sparmaßnahmen ist bekannt fehlerhaft; dies haben die Planer zugestanden – bisher folgenlos. Es fehlen noch die Politiker, die das korrigieren!
Die Bundesregierung lässt sich in Finanzangelegenheiten extern beraten. Bis 2010 hat dies Herr Ackermann getan. Er wurde 2010 gefeuert, weil nach seiner Erfahrung Geld die Welt regiert. Abgelöst wurde er durch einen Banker aus dem Hause Goldman-Sachs. Was von dieser Bank zu halten ist, hat Albrecht Müller bereits 2008 festgehalten. Es gibt einen kritischen Film über ihr Wirken, die Verflechtungen und Reaktionen in der Krise. Der Beitrag wird am 24. September 2013 erneut ausgestrahlt und nicht mehr wiederholt. Ich habe diesen Film gesehen und viel Zeit gebraucht, um die Fakten zu verdauen.
Anschaulicher kann die Weltherrschaft des Kapitals nicht dargestellt werden! Die so eingeschworenen Banker haben viele Schlüsselpositionen inne. Der Goldman-Sachs-Konzern hat keine Privatkunden. Die von der Bank verhöhnten Kunden sind große Unternehmen. „Attac“ hat sich 2012 zu dieser Bank und diesem Film geäußert und die Forderung nach Zerschlagung der Großbanken erneuert – eine Forderung, die wichtiger denn je ist. Für Frau Merkel und ihren Finanzminister war nur Griechenland noch ein „Restrisiko“, alles andere „läuft“. Wie soll eine Bundeskanzlerin mit solchen Beratern auch zu sozialen Lösungen kommen? Warum merkt sie nicht, dass Soziales keinen Platz mehr haben soll?
3. Der Werkvertrag ist uralt und eigentlich eine ehrliche vertragliche Möglichkeit. Er ist ein Leistungsvertrag, kein Vertrag nach Arbeitsrecht. Der Auftraggeber muss keine Sozialversicherung bezahlen und nicht für Arbeitsschutz sorgen. Sein Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht gemäß Gesetz, sondern nur gemäß Vereinbarung. Wenn der Werkvertragsnehmer seinerseits Mitarbeiter mit der Arbeitsleistung beauftragt, so ist dies eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit, und der Werkvertragsnehmer hat alle Aufgaben eines Arbeitgebers für sein Unternehmen.
Nur wenn dieser Werkvertragnehmer seinerseits auf Leiharbeiter zurückgreift, gelten die Schutzbestimmungen für Leiharbeiter – diese Schutzbestimmungen greifen aber nicht gegenüber dem Werkvertragsgeber. Zu lösen ist dies ganz einfach: Der Unternehmer, also der Werkvertragsgeber, ist für alles verantwortlich und haftbar – für die Einhaltung der Arbeitsschutzbestimmungen, Tarif- beziehungsweise Mindestlohnvorschriften, für die Lohnzahlung und die Unterkunft. Der Werkvertragsgeber haftet gegenüber den Arbeitnehmern der Werkvertragsnehmer und gegenüber den Sozialversicherungsträgern und Finanzämtern.
Ähnliches gilt bereits heute beim Einsatz von Leiharbeitern. Der Werkvertragsgeber wird das Risiko abwägen und auf bewährte Vertragsformen zurückgreifen. Frau Merkel hat diese Differenzierungen nicht parat. Es ist auch etwas peinlich, dass die Bundestagsverwaltung über Werkverträge Sozialversicherungsbeiträge gespart hat, desgleichen die Regierung in Niedersachsen. Neu ist dieses Thema nicht, der Missbrauch seit Langem bekannt. Und die Reaktion der Bundesregierung? Werkvertragsarbeitnehmer gelten per Änderung der Statistik nicht mehr als prekär beschäftigt! Die prekäre Beschäftigung ist damit im Sinkflug – nur die Wirklichkeit hat sich nicht verändert!
Den Mindestlohn müssen die Tarifvertragsparteien aushandeln. Das geht aber nicht, denn es gibt immer mehr Tarifvertragsflucht der Unternehmen; die Tarifgebundenheit geht immer weiter zurück. Entsprechend schmal ist die Brust der Gewerkschaften. Ein entsprechendes Verfahren wäre außerdem sehr langwierig. Die schwache Stellung der Gewerkschaften spiegelt sich teilweise auch in niedrigen Tariflöhnen wieder. Der Mindestlohn ist überfällig! Niemand kann in Deutschland mit einem Stundenlohn von 3,50 Euro leben, egal wo! Der Mindestlohn muss auch für die Werkverträge verbindlich sein.
Es eilt: Eine große Produktionsfirma in Bremen kauft bereits heute große Teile des Produkts von Zulieferern. Am eigenen Band lösen die Werkvertragsarbeiter die Leiharbeiter ab. Die Betriebsleitung will den Anteil der eigenen Arbeitnehmer auf 30 Prozent der Beschäftigten reduzieren. Am Jahresanfang haben Werkverträge in den Schlachthöfen Belgien veranlasst, in Berlin zu protestieren und Deutschland bei der EU anzuprangern, denn belgische Unternehmen sind nicht mehr wettbewerbsfähig. Ebenso geht es deutschen Unternehmen, die zu ihren Beschäftigten halten und nicht auf Werkverträge umstellen. Die Änderung ist überfällig! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!
4. Diesen Donnerstag ist ab 15 Uhr öffentliche Sitzung der Deputation für Soziales in der Bremischen Bürgerschaft. Die zu besprechenden Unterlagen stehen im Netz. Wer die Debatte verfolgen will, sollte sie gelesen haben oder aktuell mitlesen. Es geht um die getätigte „Sonderausstattung“ des Jobcenters mit 50 zusätzlichen Mitarbeiter(inne)n für zwei Jahre und die entsprechenden Vorgaben sowie um die Unterbringung von Neubremern, außerdem um den Zutritt von Unterstützenden auf das Gelände und die Flure der Jobcenter. Aber die Rede von Gregor Gysi ab 15 Uhr auf dem Goethe-Platz ist garantiert lebendiger und hat sicherlich viel Inhalt!