186. Bremer Montagsdemo
am 23. 06. 2008  I◄◄  ►►I

 

Gedicht von der Demokratie

Info-MichelDemokratie hin, Demokratie her – an sie zu glauben, fällt mir im Moment sehr schwer! Was da so alles von Europa wird berichtet, hat bis jetzt nur ganz wenigen geholfen, und darum wird fleißig mit dem Unrecht weitergemacht, bis dass die Schwarte kracht!

Da wird der Wille des Volkes einfach nicht mehr akzeptiert: egal! Und über ein Nein ist man sogar pikiert. Dann wird weiter so getan, als wär alles, was sie sagen, recht, und ein Nein, das wäre natürlich für Europa schlecht!

Sehr schlecht würden die fahren, die nun solche Gesetze haben verbockt und weiter nur so tun, als wurde hier in einem großen Spiel gezockt. Dass die Menschen auf der Strecke bleiben, das haben sie längst vergessen, sie sind einfach nur noch von ihrer eigenen Macht besessen!

Auf die Meinung des Volkes, da wollen sie ja nicht hören, und zum Trost von uns allen werden sie sich dabei selbst zerstören. Denn eines Tages geht dann niemand mehr hin zu ihrer Wahl, und niemand wird ihnen trotz brillanter Reden je wieder glauben, denen, die uns der Demokratie einst wollten berauben.

Udo Riedel (parteilos)

 

Sozialgefasel, Abstiegsängste
und reaktionäre Ideen

„Rechtsextremismus nimmt in der Mitte zu“, so stand es im „Weser-Kurier“. Ein Polit-Institut, ich glaube aus Leipzig, hatte eine Umfrage ausgewertet und dabei die Ergebnisse in den neuen Ländern mit der ganzen Bundesrepublik gleichgesetzt. Das ist schon wegen der Erfahrungen der Menschen nicht richtig, also eine tendenziöse Meldung. Mittelschichten waren und sind wegen der Angst vor persönlichem Abstieg und materiellem Verlusten offener für reaktionäre Ideen bis hin zu der, wieder einen „starken Führer“ zu brauchen. Um solche „Gefühle“ und unterschwelligen Ängste ausnutzen zu können, wird die NPD vom Kapital warm- und in der Hinterhand gehalten.

Das Kapital lebt nur nach egoistischen, unsolidarischen und undemokratischen Grundsätzen. Es lebt von Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg. Solange seine Interessen nicht massiv bedroht werden, wendet das Kapital die Methode des Betrugs an und faselt etwa von der „sozialen Marktwirtschaft“. Wenn es sich bedroht fühlt, geht es zur Methode der Gewalt über. Sie reicht vom Putsch über die Militärdiktatur bis zum offenen Faschismus. Trotzdem ist eine Massenbasis zur Unterstützung erforderlich, und an der mangelt es in Deutschland zum Glück noch. Darum meinen Regierung und Kapital, dass ein Verbot aller faschistischen Organisationen „nicht möglich“ sei. Fürs Kapital ist die NPD unverzichtbar: als Unterdrücker aller arbeitenden Menschen.

Jobst RoseliusLassen wir uns durch solche tendenziösen „Analysen“ nicht bange machen. Unendlich viele Menschen suchen nach einer Alternative zu diesem System, in Deutschland, in Europa und in der Welt. Nur gemeinsam kommen wir voran! Wenn die Regierenden meinen, die Iren wären nur nicht genügend gebauchpinselt und gekauft worden, dann verstehen sie nicht des Volkes Meinung. Es ist ihre Angst vor den Massen, die sie dazu bringt, nur ihre beifälligen Parlamente zustimmen zu lassen. Wir treten beharrlich für demokratische Rechte ein und lassen uns weder von reaktionären Reden noch von reaktionären Staatsorganen einschüchtern!

Am letzten Sonntag haben über 5.000 Menschen in München gegen die Verschärfung des Versammlungsrechtes in Bayern und gerade der streikenden Kollegen vor den Toren demonstriert. Herzlichen Glückwunsch und unsere volle Unterstützung nach München! Zur Wiedereinführung der Fünf-Prozent-Hürde in der Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven haben wir einen Offenen Brief geschrieben und an Senat, Bürgerschaft, Parteien und Medien versandt. Einzig bei der FDP und der Aktion „Mehr Demokratie“ ist das auf positive Resonanz gestoßen. Verstärken wir unsere Zusammenarbeit hier und überall, dann werden wir weitere Ziele erreichen!

Jobst Roselius
 
Zweidrittel-Mehrheit für „Linken“-Landrätin: SPD scheitert auf Rügen
quasi an der Fünfprozent-Sperrklausel („Spiegel-Online“)

 

Die Mitwirkungsrechte der Bürger müssen ernst genommen werden

Sehr geehrte Damen und Herren, als zuständige Referentin bin ich gebeten worden, Ihnen zu antworten. Mit Interesse hat die FDP-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft den Offenen Brief der Initiative Bremer Montagsdemo zur Fünf-Prozent-Hürde in Bremerhaven zur Kenntnis genommen. Auch wir sind der Auffassung, dass die Wiedereinführung dieser Sperrklausel das Votum der Wählerinnen und Wähler unserer Stadt für mehr Bürgerbeteiligung und damit auch mehr Transparenz ignoriert.

Wir werden uns im weiteren parlamentarischen Verfahren intensiv dafür einsetzen, dass die Mitwirkungsrechte der Bürgerinnen und Bürger wieder ernst genommen werden, und gegen die Fünf-Prozent-Klausel stimmen. Derzeit wird in der Fraktion darüber nachgedacht, bei Wiedereinführung der Sperrklausel diese verfassungsrechtlich durch den Staatsgerichtshof überprüfen zu lassen. Zu Ihrer Information übersende ich Ihnen das Redemanuskript von Herrn Dr. Möllenstädt, MdBB, zur Plenardebatte in der vergangenen Woche. Mit freundlichen Grüßen, Sabine Gohlke.

Antwort der FDP-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft
zum Offenen Brief der Montagsdemo

 

Über den Bremer Tellerrand

Jens SchnitkerAm Montag, dem 23. Juni 2008, stellte Murat Kurnaz sein Buch über die Haft und Folter in Guantánamo vor. Der Saal der Bibliothek war überfüllt. Herr Kurnaz begann eine Lesereise durch ganz Deutschland in Bremen, da er hier geboren wurde. Sein Buch wurde in mehrere Sprachen übersetzt, auf Deutsch erschien es bereits im April 2007. Auch unternahm er schon viele Lesereisen und sprach vor brechend vollen Sälen in New York und London. Ende Mai 2008 redete er im amerikanischen Kongress, wo sich einige Politiker im Namen der USA bei ihm entschuldigten.

Seit seiner Freilassung aus dem Folterknast, in dem er fünf Jahre unschuldig inhaftiert war, setzt er sich für die Rechte der Gefangenen ein. Er wird tatkräftig von „Amnesty International“ unterstützt. Herr Kurnaz hat schon vor deutschen Gerichten geklagt, bisher jedoch ohne Erfolg. Bisher ist ihm keine Wiedergutmachung widerfahren; nicht einen einzigen Cent bekam er. Noch hat sich keiner der verantwortlichen Politiker bei ihm entschuldigt. Das hat Herrn Kurnaz aber nicht eingeschüchtert: Er macht energisch weiter und hält das Unrecht lebendig, das ihm und allen anderen noch widerfährt.

Letztendlich will er weitermachen, bis ihm Recht gesprochen wird. Ob ihm das gelingen wird, ist fraglich, denn es gilt, das System der Folterknäste, das System Guantánamo zu knacken. Das scheint aussichtslos, weil hinter dieser Tragödie die USA und deren weltweite Verbündete stehen. Die USA haben nun vor, 20 Häftlinge zu entlassen, zumal das oberste amerikanische Gericht, der Supreme Court, der Meinung ist, der rechtlose Zustand der Häftlinge sei keinen Tag länger zu dulden: Sie hätten das Recht auf einen fairen Prozess mit einem von ihnen gewählten Anwalt.

Bisher werden nur Militärtribunale abgehalten. „Amnesty International“ meint dazu, Deutschland habe die Pflicht, diese Gefangenen aufzunehmen. Hier garantiere man ihnen einen rechtsstaatlichen Prozess, während sie in ihren Heimatländern wie China zum Tode verurteilt würden. Warum sollte Bremen also nicht mindestens einen von ihnen aufnehmen? Nicht nur, weil es eine Schuld zu begleichen gilt, sondern vor allem aus humanitären Gründen!

Jens Schnitker (parteilos)
 
Lissabon-konforme Justiz: Will eine Lehramts-Referendarin Kopftuch tragen, darf sie später nur an Privatschulen unterrichten („Spiegel-Online“)

 

Der Lissabonner Vertrag verpflichtet zur Förderung der Atomkraft

Wir sagen erleichtert: “Thank you very, very much, Ireland!”

Wir alle wundern uns, dass die Mineralölpreise ungebremst steigen und steigen. Das Kartellamt hat ein paarmal den Anlauf unternommen, den Verdacht von Preisabsprachen ins Gespräch zu bringen und wurde regierungsseitig schnell wieder mundtot gemacht. Das hat seinen schlechten Grund: Es ist Absicht, dass die Ölpreise explodieren! Im Lissabonner Vertrag gibt es einen zu erfüllenden Paragraphen, der besagt, es sollten „die notwendigen Bedingungen für das zügige Wachstum der Atomindustrie geschaffen“ und „die Investitionen für die Entwicklung von Atomenergie gefördert“ werden.

Dieser Passus ist in letzter Minute in einem bindenden Protokoll ohne Debatte dem Vertrag hinzugefügt worden! Was soll uns das sagen? Was bedeutet es für die Europäer? Es bedeutet den Bau neuer Kernkraftwerke! Nach Schätzung selbsternannter Experten handelt es sich dabei zur Zeit um circa 22 Atommeiler europaweit! Diese Zahl ist jederzeit veränderbar und nach oben offen.

Gudrun BinderWie uns zur Genüge vorgeführt wird, setzt sich unsere Kanzlerin akribisch für den Schutz des Klimas und den Erhalt der Umwelt ein. Nach ihrer Meinung ist dieses hehre Ziel nur und endgültig erreichbar, indem „saubere“ Energie produziert wird. Aus ihrer Sicht ist das die Atomenergie! So schließt sich schnell und erschreckend der Kreis.

Mit ihrer Unterschrift unter den Lissabonner Vertrag verpflichten sich alle Mitgliedsstaaten, diese Vorgabe zu erfüllen – und das so schnell wie möglich! Als das französische und niederländische Volk sehr bewusst gegen die Unterschrift unter den Lissabonner Vertrag stimmte, wurde ihnen einfach das Stimmrecht entzogen, und die Regierungen votierten „im Namen des Volkes“. Die anderen „demokratischen“ Regierungen einschließlich Deutschland hatten diesem Vertrag bereits ohne Hemmungen ihre Zustimmung gegeben, die ihm ihre Bürgerinnen und Bürger verweigert hätten.

Da fragt frau sich, in welchem europäischen Land herrscht noch eine Demokratie? Dieses Machwerk Lissabon-Agenda ist eine Erfindung der Bertelsmann-Stiftung. Es wurde unter ihrer Federführung ausgearbeitet und erhielt hier den harmlosen Namen „Agenda 2010“, der uns inzwischen in Angst und Schrecken versetzt, denn eine ihrer „Erfindungen“ nennt sich in Deutschland „Hartz IV“.

Wo sind bei dem Debakel um die Atomenergie eigentlich die Grünen? Verschlafen sie ihren Einsatz? Kennen sie den Lissabonner Vertrag etwa gar nicht? Oder sind sie in der Zeit stehen geblieben, als sie sich dafür stark machten, dass ein Liter Kraftstoff fünf D-Mark kosten müsste? Vielleicht erleben sie es bald tatsächlich. Oder schauen sie dem Bau neuer Kernkraftwerke zu? Für deren Verhinderung gingen sie einst auf die Barrikaden und wurden festgenommen. Haben sie alle Ideale verraten?

Gudrun Binder (parteilos)
 
Ersatzbegeisterung: Das Jubelhupen und Fahnenschwenken
gilt nicht der Bundeskanzlerin („Spiegel-Online“)
 
Brot und Spiele: Im Schatten des Fußball-Thrillers Deutschland-Türkei beschließt das Bundeskabinett die Einkommens-Zentraldatei Elena („Heise“)
 
Beck’s beste Rede seit Langem: „Ich klebe
nicht an meinem Stuhl“ („Stern“)

 

Der Lissabonner Vertrag verpflichtet auch zum Verkauf der Häfen

Hans-Dieter Binder1. Nochmals Dank den Iren! Liebe Freunde in Irland, jetzt zeigt Europa sein wahres Gesicht: Es kommt Druck aus allen Rohren auf die so undankbaren Iren! Es gibt sogar Politiker, die sich ein Europa ohne Irland vorstellen können und dennoch an ihre Wiederwahl glauben. Der erhöhte Druck wird aber nicht nur auf Irland ausgeübt, sondern auch auf alle anderen Staaten, die noch nicht zugestimmt haben. Auch dieser Lissabonner Vertrag wird so zum Reformvertrag. Reformen sind eigentlich etwas Gutes, aber die Reformen der Lissabon-Strategie haben vielen Leuten Nachteile gebracht.

Die Empfehlungen aus Lissabon sind lesenswert. Wer die Empfehlungen für alle Staaten liest, kann erahnen, welche Veränderungen Europas diese Strategie bereits bewirkt hat und was den einzelnen Völkern noch bevorsteht. Schon jetzt werden 70 Prozent aller Entscheidungen „in Europa“ getroffen! Wie weit diese Regelungen greifen, geht zum Beispiel aus der neuen Vereinbarung zur Umstellung von Glühbirnen auf Energiesparleuten hervor.

Der Bürgermeister der Freien Hansestadt sagt: „Wer die Häfen verkauft, verkauft Bremen!“ Früher hat er gesagt: „Die Häfen werden nicht verkauft.“ Der Lissabonner Vertrag verpflichtet aber zur Privatisierung aller Bereiche und damit letztendlich auch zum Verkauf der Häfen der Freien Hansestadt. Bremen hat schon alles vorbereitet: Es gibt über 250 Gesellschaften, die mit öffentlichen Aufgaben betreut sind, vorzugsweise in der Rechtsform einer GmbH und überwiegend im Eigentum der Freien Hansestadt.

Die Föderalismusreform ist eigentlich eine rein deutsche Angelegenheit, aber auch hier wirken die Rahmenbedingungen der EU. Die Verschuldungsgrenze ist so niedrig „angedacht“, dass Bremen keine größere Investition ohne privaten Investor mehr tätigen kann. Jeder Investor wird aber die Bürgschaft der Freien Hansestadt einfordern. Damit werden Gewinne privatisiert, und Verluste zahlt der Steuerzahler. Dies hat Frau Linnert beim Klinikbau vermieden!

Die öffentliche Hand führt die kaufmännische Buchführung ein. Damit soll der Haushalt übersichtlicher werden. Kaufleute haben in der Vergangenheit Maschinen und Immobilien gelaest, um in der Bilanz den Ausweis von Krediten oder Verbindlichkeiten niedrig zu halten. Die Firmen haben dadurch die Kreditmöglichkeit erhöht. Inzwischen müssen in der Bilanz alle Verpflichtungen stehen; die Verbindlichkeit aus Laesing-Verträgen entsprechend der Laufzeit gehört dazu, ebenfalls jede übernommene Bürgschaft. Damit wird der Umgehungseffekt aufgehoben. Was soll somit das Versteckspiel der öffentlichen Haushalte? Zur Übernahme der kaufmännischen Buchführung gehört auch der wahre und vollständige Ausweis der vertraglichen Verpflichtungen!

Nun zurück zu Irland. Irland könnte in die Landesverfassung Sonderegelungen aufnehmen, um den Lissabonner Vertrag punktuell auszuhebeln oder abzumildern, so ein Politiker. Dazu ist anzumerken, dass das deutsche Verfassungsgericht mit diesem Lissabonner Vertrag entmachtet wird, der langfristig die Verfassung aller EU-Staaten werden soll und damit alle Landesverfassungen außer Kraft setzt beziehungsweise auf den regionalen Restregelungswert von derzeit 30 Prozent reduziert. Daher gilt: Europa ist ein schöne Sache, aber nicht zu diesen Bedingungen!

Wozu regionale Regierungen fähig sind, steht im Museum in Celle: das „Celler Loch“. 1978 ließ Niedersachsens Regierungschef Ernst Albrecht den Verfassungsschutz in die Mauer der JVA Celle ein Loch sprengen. Die Polizei wusste natürlich von nichts. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

 

2. Die Armut an Finanzmitteln ist relativ. Nachdem die Armutsberichte durchgewunken wurden und die Politik Besserung gelobt hat, kommt nun Herr Professor Meinhard Miegel mit der Verkündung „Älteren und Familien geht es am besten“ und dem Kommentar „Neue Herausforderung“ im „Weser-Kurier“ vom 20. Juni 2008. Professor Meinhard Miegel hat sich nicht verrechnet: Die Ansätze sind in der Studie so gewählt, dass dieses Ergebnis vorhersehbar war.

Ein Beispiel: Zwei Erwachsene haben je 1.000 Euro Nettoeinkommen zur Verfügung. Dies ergibt auch ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 1.000 Euro. Leben diese beiden Erwachsenen aber in einem Haushalt, beträgt das Durchschnittseinkommen 1.333 Euro (zwei Drittel von 2.000 Euro) pro Kopf. Die Erklärung steht in der Einkommensstudie des Bonner „Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft“ auf Seite 15.

Die aktuelle Lage geht dort bei einem Vergleich über 20 Jahre unter. Die Anmerkung dazu lautet: „Die real verfügbaren Haushaltseinkommen stiegen in Deutschland zwischen 1986 und 2006 um 19 Prozent. Allerdings hat sich der Anstieg deutlich verlangsamt.“ Das Zahlenmaterial bezieht sich auf die Jahre 1986, 1996 und 2006. Die aktuelle Lage wird entscheidend durch die Agenda 2010 beeinflusst: Hartz IV hat die rapiden Arbeitsplatzverluste, die rasante Reduzierung der Löhne- und Gehälter eingeleitet.

„Sozialpolitik darf sich nicht in der Frage der Sozialtransfers als staatlicher Unterstützungsleistungen für Menschen in prekären Verhältnissen allein erschöpfen, schon gar nicht an der Frage aufreiben, ab welcher Höhe die Stütze denn erst gerecht ist oder nicht.“ Miegels Studie fügt sich nahtlos ein in die Erkenntnis, dass reine Geldzahlungen nur Verhältnisse zementieren, nicht verändern können. „Wenn Migranten zwar genug Geld zum Überleben bekommen, nicht aber die Chance wirklicher Teilhabe am Wohlstand, dann zeigt sich da das Versagen unserer Integrations- und Bildungspolitik.“ So weit, so gut! Doch bis solch eine wirkliche Teilhabe realisiert ist, müssen diese Transferleistungen erhöht werden, sodass die Teilhabe am Gemeinschaftsleben möglich ist.

Der Armutsbericht 2007 der „Arbeitnehmerkammer“ ist wesentlich aussagefähiger über die aktuellen Verhältnisse. Die Einsparungen durch die Umstellung auf ALG II betrugen für die Freie Hansestadt Bremen 60 Millionen Euro allein im Jahr 2005. Die Veränderung der Einkommensentwicklung zulasten der Arbeitnehmer mit unterdurchschnittlichem Einkommen wird die soziale Spaltung weiter vorantreiben. Mit der Einführung von ALG II wurden nicht nur die Sonderbedarfe für Kinder gestrichen, sondern auch die Regelsätze für Schulkinder reduziert.

Zurück zu der Studie. Professor Meinhard Miegel hat bei den Älteren die durchgängigen Arbeitsverhältnisse hervorgehoben. Die Nutzung der eigenen Immobilie und die sonstigen Einnahmen haben das Ergebnis beeinflusst, sicher auch die bereits länger andauernde Rentenbezugszeit. 2005 wurde mit der Agenda 2010 nochmals massiv die Rentenformel zum Nachteil der Neurentner verändert, außerdem die Rechenformel für Rentenerhöhungen, auch durch die Einrechnung der Ein-Euro-Arbeitsverhältnisse bei der Bruttolohn- und Gehaltsentwicklung.

Dies „freut“ Herrn Professor Miegel und sein Institut sicherlich. In dem Film „Rentenangst“, der im öffentlich-rechtlichem Fernsehen gezeigt wurde, ist die Rolle dieses Instituts und der anderen Akteure gut herausgearbeitet. Auf Seite 71 der Studie des IWG steht der Appell zur privaten Altersvorsorge – entsprechend dem Anliegen der Hauptsponsoren dieses Instituts, oder?

Sie wollen es wissen? Den Armutsbericht der „Arbeitnehmerkammer Bremen“ lesen! Das Jahr 2007 ist bereits von den ersten Auswirkungen der Agenda 2010 geprägt. Daher fordern wir die Wiederherstellung des sozialen Friedens durch die Rücknahme der Hartz-Gesetze! Bei der versprochenen Vollbeschäftigung ist dies eh nur noch Beiwerk – aber die Wirklichkeit und die Statistik haben sich hier auseinanderentwickelt. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

 

3. „Preisexplosion im Großhandel“, meldet der „Weser-Kurier“ vom 11. Juni 2008. „Höchste Preissteigerung seit 26 Jahren, Verbraucher wohl nur zum Teil betroffen“. Die Daten stammen vom Statistischen Bundesamt, der Artikel ist von AFP. Er endet mit dem Satz: „Dennoch werden auf mittlere Sicht vermutlich auch die Endverbraucher von den hohen Großhandelspreisen betroffen sein.“ Dieser Mensch war sicher länger nicht mehr einkaufen!

Jeder Geringverdiener sollte zur Beratungsstelle gehen und sich erkundigen, ob ein Antrag auf ergänzendes ALG II (bei Bruttoeinkommen unter 1.200 Euro) oder Wohngeld und Kinderzuschlag Aussicht auf Erfolg hat. Wer sich diese Beratung von einer Behörde holt, sollte dies schriftlich tun oder bestätigen lassen. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)

 

Verdi verharmlost Ausrichtung
einer Kommandeurstagung

Die Internetseite von Verdi am Beginn des Jahres machte einen Skandal offenbar: Die Dienstleistungsgewerkschaft hatte eine Kommandeurstagung der Bundeswehr ausgerichtet! Dies veranlasste Bettina Fenzel und mich zu einem offenen Brief an Frank Bsirske, der erst jetzt beantwortet wurde, mit einem Schreiben, das alles herunterspielt und verharmlost.

Wieland von HodenbergWir erinnerten in unserem Brief an eine völlig andere Gewerkschaftshaltung in den 1980er Jahren und schrieben: „Es gab Zeiten, da hat der DGB, dem ja auch Ihre Gewerkschaft angehört, maßgeblich den alljährlichen Antikriegstag am 1. September mitgestaltet. Und es gab Zeiten, da hat die Partei ‚Die Grünen‘, der Sie als Mitglied angehören, in der Friedensbewegung eine bedeutende Rolle gespielt. Zu Zeiten von Petra Kelly gehörten wesentliche Teile der Grünen sogar zu den treibenden und fortschrittlichen Kräften innerhalb der bundesdeutschen Friedensbewegung. Auch die IG Metall betrieb mit ihren Vorschlägen und Vorstößen in Richtung Rüstungskonversion damals aktive Friedenspolitik, zumindest hier in Bremen. Warum unterstützt Verdi heute den Kriegskurs der Bundesregierung und eine imperialistische Bundeswehr, die Kriege um Rohstoffe führt und damit eine unökologische und global-kapitalistische Wirtschaftsweise aufrecht erhält? Wir appellieren an Sie, dafür zu sorgen, dass zukünftig die ‚Fachgruppe Bundeswehr‘ bei Verdi keine Kommandeurstagungen mehr ausrichtet! Außerdem wünschen wir uns, dass Verdi sich klar von den militärischen Zielen der Bundeswehrführung distanziert.“

Wir schlugen Frank Bsirske vor, dass er sich für die Einberufung einer großen Friedenskonferenz aller Einzelgewerkschaften unter dem gemeinsamen Dach des DGB stark macht. Verdi antwortete, dass die Tagung keine Konferenz der Streitkräfte, sondern eine gewerkschaftspolitische Fachtagung mit Offizieren der Bundeswehr gewesen sei, auf der keine militärischen Beschlüsse gefasst worden seien. Da dem Brief keine Abschlusserklärung beilag, ist natürlich nichts nachprüfbar! Es sei im weitesten Sinne nur um gesellschaftliche und gewerkschaftliche Fragen gegangen, auch was die Interessen der Soldat(inn)en und Zivilangestellten angeht. Dann wurden wir belehrt, dass die Kommandeurstagung „kein offizielles Gremium der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft, sondern eine Veranstaltungsreihe der Bundesfachgruppe Bundeswehr“ sei. Das hatten wir auch gar nicht behauptet! Ansonsten gab es nur allgemeine Absichtserklärungen, aber nichts Konkretes. Für mich bleibt es dabei: Dass Kommandeurstagungen bei Verdi stattfinden dürfen, ist ein Skandal!

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)

 

Arme Kinder haben immer
arme Mütter

Elisabeth Graf1. In Deutschland sind im Moment 43 Prozent der Arbeitslosen als arm zu bezeichnen; es trifft also fast jeden zweiten. In dieser Situation ist es nicht nur schwierig, finanziell über die Runden zu kommen – auch die körperliche und psychische Gesundheit leidet. Die Erwerbsarbeit soll ja nicht nur zu auskömmlichem Leben und Teilhabe an der Gesellschaft führen, sondern außerdem das befriedigende Gefühl vermitteln, ein kleines, aber wichtiges Rädchen im Getriebe der Gemeinschaft zu sein. Zudem strukturiert Arbeit den Tag, ermöglicht Kontakt zu Kollegen und ist ein wichtiger Teil der eigenen Identität. Mit dem Verlust des Arbeitsplatzes kann daher auch ein wichtiger Quell für die emotionale Gesundheit und das Wohlbefinden verloren gehen.

Arbeitslosigkeit und eine Verschlechterung der Gesundheit können sich gegenseitig verstärken, denn wer krank ist, verliert schneller seine Arbeit, und wer arbeitslos ist, kann schneller krank werden! Laut der Studie des „Robert-Koch-Instituts“ geht es mit der Gesundheit deutlich bergab, wenn die Arbeitslosigkeit länger als ein Jahr dauert. 5,6 Prozent der befragten erwerbstätigen Männer leiden an chronischer Bronchitis, wohingegen dieser Anteil bei Männern, die bis zu einem Jahr arbeitslos sind, bereits 9,2 Prozent beträgt. Bei den Langzeitarbeitslosen leiden bereits 17 Prozent an der Atemwegserkrankung, die vor allem durch das Rauchen verursacht wird. Also etwa jeder sechste Langzeitarbeitslose ist an dieser andauernden Entzündung der Bronchialschleimhaut erkrankt, die oft schwere Folgeerkrankungen nach sich zieht.

Ähnlich verhält es sich bei Arthrose. 11,3 Prozent der erwerbstätigen Männer leiden an dieser Gelenkkrankheit. Unter den Kurzzeitarbeitslosen sind 16 und bei denen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, 21 Prozent an Arthrose erkrankt. Jeder fünfte Langzeitarbeitslose hat schmerzende Gelenke und dadurch Probleme bei der Bewegung. Nun verwundert es auch nicht mehr, wenn etwa jeder zehnte männliche Arbeitnehmer unter Depressionen leidet, aber bereits jeder Fünfte, der seit weniger als einem Jahr arbeitslos ist. Bei den Langzeitarbeitslosen sind schon 25,3 Prozent depressiv. Von den Frauen, die länger als zwölf Monate arbeitslos sind, leiden 38,8 Prozent an Depressionen, mehr als jede dritte. Wer arm ist, ist also häufiger krank. Auch die Ernährung leidet durch das viel zu geringe zur Verfügung stehende Budget. Gerade ältere Menschen, die an Diabetes leiden, müssen mehr Geld in die richtige Ernährung investieren – wenn das nicht funktioniert, leidet die angeschlagene Gesundheit immer weiter.

 

2. Letzte Woche diskutierten über einhundert Teilnehmer(innen) der Fachtagung „Programmierte Frauenarmut“ in der Bremischen Bürgerschaft, warum Kinder in unserer Gesellschaft offensichtlich für ihre Mütter ein Armutsrisiko sind. Die von der Gleichstellungsbeauftragten organisierte Tagung wollte der Frage nachgehen, weshalb Frauen noch immer häufiger arm sind, als es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht. Die Sozialwissenschaftlerin Barbara Thiessen vom „Deutschen Jugendinstitut“ in München brachte es auf den Punkt: Sie schilderte, dass alleinerziehende Mütter oft in einer so prekären Lage sind, dass nur eine Kleinigkeit genügt, um „alles zusammenbrechen“ zu lassen. Nach einer Untersuchung der Bundesregierung waren im Jahr 2004 14,4 Prozent der Frauen arm, aber nur 12,6 Prozent der Männer.

Mütter seien besonders häufig dem Risiko ausgesetzt, von Hartz IV leben zu müssen. Margareta Steinrücke von der „Arbeitnehmerkammer Bremen“ sieht die Gründe hierfür in der Langzeitarbeitskultur, die von Arbeitnehmern erwartet, 40 Stunden und noch darüber hinaus zu arbeiten. Die lange Wochenarbeitszeit lässt sich nur schwer mit dem Aufziehen von Kindern vereinbaren. Auch wird es Frauen schwer gemacht, nach einer Auszeit für die Kinder wieder in ihren Beruf einzusteigen. Leider befinden sich die typischen Frauenberufe automatisch im Niedriglohnbereich. Wegen des Zusammenhanges von Elternschaft und Ausschluss vom Arbeitsmarkt fordern die Tagungsteilnehmer(innen) die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, eine generelle Arbeitszeitverkürzung sowie den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Außerdem solle das Ehegattensplitting abgeschafft werden.

 

3. Die Chancen für Langzeiterwerbslose, wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, stehen so miserabel wie nie zuvor. Nach einer am Mittwoch vergangener Woche von der Bundesagentur für Arbeit in Berlin vorgestellten Studie konnten im ersten Halbjahr 2007 nur mickrige drei bis vier Prozent der in diesem Zeitraum auf Arbeitslosengeld II angewiesenen Menschen in einen sozialversicherungspflichtigen Job vermittelt werden. BA-Chef Frank-Jürgen Weise sprach lapidar von einer „schlechten Nachricht“ und verlangte nichtssagend, dass alle ihre „Arbeit besser“ machen.

Weil in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres nur 3,4 Prozent der erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen den Sprung in ein geregeltes Arbeitsverhältnis schafften, müsste die vorgelegte Broschüre mit dem hochtrabenden Titel „Über­gänge aus Grundsicherung in Beschäftigung“ eigentlich den weitaus zutreffenderen Namen „Ausschluss vom Arbeitsmarkt“ erhalten. Dieser Personenkreis umfasst nach den Angaben der Bundesagentur gegenwärtig 5,13 Millionen Betroffene, wovon aber nur knapp die Hälfte in der Arbeitslosenstatistik auftaucht. Die aus der Statistik Herausgeschönten setzen sich aus vorübergehend Arbeitsunfähigen, sogenannten Aufstockern, Alleinerziehenden sowie Teilnehmern von angeblichen Fördermaßnahmen zusammen.

Von den „echten“ erwerblosen ALG-II-Empfängern, die jederzeit vermittelbar seien, konnten durchschnittlich nur vier Prozent einen festen Job ergattern. Nach den Erhebungen der Bundesarbeitsagentur haben Langzeiterwerbslose in den Berliner Bezirken Spandau und Neukölln sowie in Essen dazu die schlechtesten Chancen. Wen kann es verwundern, dass die größten „Eingliederungserfolge“ in Regionen mit „guter Arbeitsmarktlage“ – wie Oldenburg mit 7,7 Prozent – erzielt wurden? Die ermittelten Diskrepanzen werden für Diskussionsstoff sorgen, denn die Untersuchung liefert erstmals auch Aufschluss über die Vermittlungsleistungen der unterschiedlichen Betreuungskonstrukte.

Die meisten der mir bekannten Leute, die wieder einen Arbeitsplatz haben, sind daran durch Eigeninitiative gekommen – das wird aber als Erfolg des Jobcenters gezählt und entsprechend statistisch verwertet. Die meisten Medien und die Politikerriege verkaufen dem eigenen Volk die menschenverachtende Hartz-IV-Gesetzgebung unbeirrt als Erfolgsstory. Warum schreibt niemand, dass selbst in der „Vermittlungshochburg“ Oldenburg, wo 7,7 Prozent der Erwerbslosen vermittelt wurden, dieser Erfolg aber einer (wenigstens) zahlenmäßig immens satten Mehrheit von 92,3 Prozent Erwerbsloser leider vorenthalten blieb? Nein, kein Wort ist davon irgendwo zu lesen!

Deswegen darf bedauerlicherweise niemand erwarten, das Scheitern der neoliberalen Reformen auf ganzer Linie führe nun zu einem Umdenken. Hartz IV hat sich gerade für die Langzeitarbeitslosen als Rohrkrepierer erwiesen. Nichtsdestotrotz wird in subtiler Unternehmerromantik von einem neuen Heilsversprechen geträumt: der Umwandlung von Hartz IV in „Workfare“, also eine Verschärfung der Zwangsarbeit. Welcher Arbeitgeber wird wohl noch bezahlte Arbeitskräfte einstellen, wenn Workfare Realität wird? Niemand erklärte bisher, wo dann eigentlich die Kaufkraft herkommen soll, um die Wirtschaft „anzukurbeln“!

 

4. Der „Weser-Kurier“ titelte am vergangenen Samstag: „Kinderärzte schlagen Alarm“. Sven Börchers beschreibt darin, dass Fehlernährung, Bewegungsmangel, fehlendes Selbstwertgefühl und Folgekrankheiten wie Kopf- und Bauchschmerzen oder auch psychosomatische und psychische Erkrankungen keine Seltenheit mehr in den Praxen der Kinder- und Jugendärzte seien. Depressionen und Selbstmordgedanken würden vor allem bei Kindern aus armen Familien vorherrschen. Nicht nur bei der Bildung entscheidet die Herkunft über die Zukunftsaussichten, weil Kinder mit finanziell schwächerem Hintergrund von vornherein benachteiligt seien und nicht nur Entwicklungsdefizite aufwiesen, sondern auch häufiger die Schule abbrächen.

Leider vergeht in der Tat kaum eine Woche, in der keine Horrormeldungen über Vernachlässigungen oder Misshandlungen von Kleinkindern und Säuglingen gemeldet würden. Berichte über liebevolle Eltern, die trotz finanzieller Armut und gesellschaftlicher Ausgrenzung ihr letztes Hemd für ihre Kinder ausziehen und sich in der Schule für sie einsetzen, lassen sich nun mal nicht so medienwirksam ausschlachten und bedienen nicht das Sündenbockprinzip! Fakt bleibt jedoch bedauerlicherweise, dass immer mehr Kinder und Jugendliche von den genannten Auffälligkeiten betroffen sind. Wenn derart junge Menschen verhaltensauffällig werden, ist Handlungsbedarf angezeigt!

Die Kinder- und Jugendärzte sähen die Ursache in sogenannten Bindungs- und Interaktionsstörungen, weil viele Kinder keine verlässliche Bindung zu einer Vertrauensperson wie Vater oder Mutter aufgebaut hätten. Solche frühen Störungen kommen allerdings auch in den „besten Familien“ vor! Der Präsident des „Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte“ sieht im deutschen Gesundheitssystem einen Grund dafür, dass Kinder aus sozialen Randgruppen unterversorgt seien. Er meint, dass die Zukunftsaufgabe der Ärzte nicht mehr nur darin bestehe, Krankheiten zu kurieren, sondern ihnen präventiv vorzubeugen. Doch ist es in meinen Augen nicht Aufgabe der Ärzte, sondern der Politiker, den hohlen, aufgeblähten Worthülsen endlich Taten folgen zu lassen, also menschenwürdige Lebensbedingungen für die ganze Familie zu schaffen. Arme Kinder haben immer arme Mütter!

Wozu hat denn Deutschland 1989 die Kinderkonvention der Vereinten Nati­onen ratifiziert? Im Artikel 27 ist doch ganz wunderbar festgelegt, wie die Sorge für die Angemessenheit der Lebensbedingungen für Kinder geregelt ist und wie diese umgesetzt werden soll. Wir brauchen keine neuen Gesetze für die Rechte von Kindern – die haben wir schon lange, in Hülle und Fülle! Wir benötigen vielmehr endlich die Umsetzung der Zusagen und all der hehren Ziele, die seit Ewigkeiten versprochen sind! Selbstverständlich brauchen wir einem Mindestlohn, dessen Höhe auch den Namen verdient, der also nicht unter zehn Euro netto liegen darf. Bisher wird das Kindeswohl diesem nicht vorhandenen Mindestlohn geopfert!

 

5. Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin hält offenbar einen noch geringeren Mindestlohn für akzeptabel, als ihn die rot-rote Koalition in Berlin fordert: Mit der Arroganz der Satten behauptet er, dass er „jederzeit für fünf Euro arbeiten gehen“ würde, weil das „40 Euro am Tag“ seien. Weiß er nicht, dass dies lediglich ein Bruttolohn ist und dass sich gewöhnliche Arbeitnehmer nicht durch irgendwelche Posten in Aufsichtsräten ihr Einkommen, sagen wir mal, „aufrunden“ lassen können – in astronomische Höhen selbstverständlich?

Der Finanzsenator hat sich mit seinen provokanten Äußerungen in diesem Jahr schon mehrfach in den Mittelpunkt inszeniert. Mit seinem völlig wirklichkeitsfremden Speiseplan für Hartz-IV-Empfänger erntete er nicht nur berechtigte Empörung, sondern diskreditierte auch sich selbst. Wie sonst kann sich jemand getrauen, mit der Behauptung an die Öffentlichkeit zu gehen, dass mensch sich von den im Hartz-IV-Regelsatz für Lebensmittel vorgesehenen 4,25 Euro pro Tag ausgewogen ernähren könne?

Es liegt nahe, dass er selbst weder regelmäßig einkaufen geht noch Erfahrung mit Haushaltsführung hat! Auch mit Äußerungen zum Thema Schwarzarbeit sorgte der Senator schon für Unmut. Es wäre nur zu schön, wenn sich diese gezielt gestreuten Worte einmal überprüfen ließen und er wirklich mal von solch einem Mickerlohn vegetieren müsste. Keine Woche würde er das durchhalten!

 

6. Im Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ spricht Bundeskanzlerin Angela Merkel über die Zukunft des Lissabon-Vertrags sowie den „Wunsch der Menschen nach Sicherheit in der Freiheit“. Darüber hinaus lehnt sie eine Verlängerung der Altersteilzeit klar ab: Die Union halte sich an die Koalitionsvereinbarung mit der SPD, in der festgelegt wurde, dass die vom Staat geförderte Frühverrentung Ende 2009 ausläuft. Während sie das übliche Gefasel von den angeblichen Wohltaten des Lissabonner Vertrages zum Besten gibt und dass sie nichts von einem „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ hält, geht sie mit Arroganz darüber hinweg, dass die Iren gewählt haben und zu einem Ergebnis gekommen sind! Zwischen Aufschwungsgeblubber äußert sie sich zu diesem und jenem, ohne dabei einen tatsächlich mit Inhalt gefüllten Standpunkt zu vertreten.

Bemerkenswert fand ich hingegen ihre Aussage, dass allen Arbeitslosengeld-II-Empfängern Heizkosten und Strom bezahlt werde, wir also nicht von den Preissteigerungen betroffen seien! Darüber hinaus könne der Staat angeblich nicht eingreifen, weil unser Sozialsystem auf der „individuellen Bedürftigkeit“ basiere. Frau Merkel ist nicht die Erste, die Lügen über uns Hartz-IV-Bezieher verbreitet! Erinnern sich noch alle an Herrn Clement und seine Aussage, dass wir angeblich das Kindergeld zusätzlich zum ALG II für unsere Kinder bekämen? Es könnte vielleicht eine Überlegung wert sein, einen Überprüfungsantrag nach § 44 zu stellen und dabei auf die Aussage der Bundeskanzlerin zu verweisen! Gilt ihr Wort nichts? Oder ging es mal wieder nur darum, den deutschen Michel mit dieser primitiven Lügerei noch weiter zu verdummen, um ihn weiter bei der Stange halten zu können und gegen uns einzunehmen?

 

7. Sogar im „Weser-Kurier am Sonntag“ wird in vielen Leserbriefen nicht nur ein Einverständnis mit dem Nein der Iren zum Lissabonner Vertrag deutlich, sondern auch Freude und Erleichterung. Wir können den Iren dankbar sein, dass sie den EU-Reformvertrag zu Fall gebracht und somit Chancen für wirkliche demokratische Veränderungen in der Europäischen Union eröffnet haben. Allerdings sind die Iren auch das einzige Volk, das überhaupt abstimmen durfte! Leider haben die Medien bei ihren unerträglichen Belobigungen des EU-Vertrages immer wieder versäumt, zum Beispiel die verpflichtende Militarisierung, die weitere Privatisierung von Krankenhäusern oder den Ausbau der zerstörerischen Atomkraft zu beschreiben.

Alle Bürger Europas hätten zu den einzelnen Punkten dieses Vertrages befragt werden müssen, damit die Politiker, die doch Volksvertreter sein sollen, auch wissen, was das Volk möchte! Stattdessen wird nun laut das Nein der Iren beklagt und hin und her überlegt, mit welchen Tricksereien nicht doch noch die menschenverachtende, neoliberale Intention des Lissabonner Vertrages irgendwie durchgepeitscht werden könnte: Wie lassen sich die Iren dazu bringen, ihre Wahl zu revidieren? Wie lässt sich diese Wahl außen vor lassen, um ungehindert an den geplanten Schweinereien weiterarbeiten zu können? Was ist denn das für ein Demokratieverständnis: „Bitte, ihr dürft so lange und so oft wählen, bis ihr zur ‚richtigen‘ Entscheidung gekommen seid“? Hier wird mehr als deutlich, in welche Richtung der Lissabonner Vertrag geht: Sie wissen schon, warum sie uns nicht gefragt haben!

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
Trefferliste zensiert: Der „Wikipedia“-Artikel zum Stichwort „Montagsdemo“ bleibt weiterhin vom angestammten Spitzenplatz verschwunden („Google“)

 

Die Presse lobt den Lissabon-Vertrag, über den das Volk nicht abstimmen darf, als demokratisch

Es gab einen Austritt von Radioaktivität in dem ehemaligen Salzbergwerk Asse im östlichen Niedersachsen. Zwischen 1967 und 1978 hat man dort rund 126.000 Blechfässer mit schwach- und mittelradioaktivem Atommüll eingelagert. Nun wurden die zulässigen Grenzwerte teilweise um das Neunfache über­schritten. Es droht das Einstürzen der Stollen, Fässer wurden beschädigt. Das ungelöste Problem der Endlagerung zeigt, dass alle Atomanlagen auf Kosten der Betreiber stillgelegt werden müssen!

Einer der Hauptatompolitiker in Europa ist Nicolas Sarkozy. Weil ihm das irische Nein nicht gefällt, will er, wie letzte Woche die Mehrheit der EU-Gipfel­teilnehmer, eine zweite Abstimmung. Soll so lange gewählt werden, bis das Ergebnis „passt“? DIe Rolle der Presse, auch des „Weser-Kuriers“, ist es, wie mit tibetanischen Gebetsmühlen zu verkünden, der Vertrag von Lissabon stehe für mehr Demokratie und mehr Effizienz. Über den eigentlichen Inhalt dieses EU-Vertrages ist nichts zu lesen. Dabei geht es darin um eine europäische Armee als schnelle, weltweit einsetzbare Eingreiftruppen und um das vereinfachte und beschleunigte Privatisieren sämtlicher öffentlichen Bereiche, etwa der Krankenhäuser oder der Energieversorgung.

Wolfgang LangeIn Sachen Milchboykott der Bauern ermittelt jetzt das Kartellamt. Es geht aber nicht den Discountern wie Aldi an den Kragen, die immer schön gleichzeitig die Verkaufspreise hochtreiben, nein: Die Behörde ermittelt gegen die Bauern, die mit ihrem Lieferboykott ein unerlaubtes Kartell gebildet hätten! Dabei kommen von den zehn Cent, die bei Aldi die Milch inzwischen mehr kostet, nur zwei Cent bei den Bauern an. Was darf man noch alles in Deutschland nicht? Streikrecht gibt es nur in Tariffragen, nur nach Ablauf der Friedensfrist und nur, wenn Gewerkschaften den Streik führen. Gar kein Streikrecht gibt es für politische Fragen, für Solidaritäts- und schon gar nicht für Generalstreiks!

Das sollen die 26 anderen europäischen Länder bei sich auch so machen. Straßenblockaden? Streng verboten! Demos mit Lautsprechereinsatz? Nur wenn angemeldet und von der örtlichen Behörde geduldet! Deshalb müssen wir uns angewöhnen, um unser Recht, um unsere sozialen und politischen Belange zu kämpfen und dabei auch Grenzen zu überschreiten. Wir müssen uns die Freiheit nehmen, über dieses System, diese Ordnung hinaus zu denken! Wenn wir Millionen sind, wer will uns dann aufhalten?

Wolfgang Lange (MLPD)

 

Die Öffentlichkeit wird
bewusst nicht aufgeklärt

Noch bevor die 186. Montagsdemo in Bremen am 23. Juni 2008 um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz losging, blieb eine sechste Schulklasse aus Bad Oeynhausen vor unserem Transparent stehen und verstand gleich, worum es ging. Einige Mädchen zückten ihre Portemonnaies und steckten ihr Kupfer bereitwillig in unsere Spendendose. Dann zogen sie weiter. Später kam noch ein schwarzer Froschmann des Weges, der uns auch unterstützen wollte. Unser Flugblatt wurde ausnahmslos gut angenommen, und auch die Teilnahme mit nahen und entfernteren Zuhörern und Lesern unserer aufgehängten Texttafeln war mit 40 doch ganz gut.

Das große Redebuch
Band I (2004/2005):
Schröders Hartz-Attacke und 
seine vorgezogene AbwahlIn den Redebeiträgen war das Nein der Iren zum sogenannten EU-Vertrag immer wieder aufgegriffenes Hauptthema. Über das, was in diesem Grundlagenvertrag steht, wird die Öffentlichkeit bewusst nicht aufgeklärt. Immer nur „effizienter“ und „demokratischer“ ohne jeden Beleg, das reicht nicht! Wir wollen uns jedenfalls viel stärker informieren und gegebenenfalls auch Passagen aus dem EU-Vertrag auf dem Marktplatz vortragen und erörtern. Da gibt es Sachen wie die Verpflichtung zu militärischen Aktionen und zur Hochrüstung oder die Verpflichtung zum Bau neuer Atomkraftwerke für die Energiemonopole, die gar nicht bekannt sind und daher öffentlich gemacht werden müssen.

Der Herr Sarrazin, bekannt als Berliner Finanzsenator, hat nach seinen „Essenssparvorschlägen“ nun neue Ideen: fünf Euro Stundenlohn als Mindestlohn! Vielleicht schreibt er ja schon sonst was ab, bei Faschisten und Folterknechten, wie es in seiner Denkungsart weitergeht. Das Kartellamt, das meistens über alles wegsieht und nur die Kapitalinteressen im Auge hat, greift jetzt die Bauern an, statt die Lebensmittelkonzerne zu prüfen. Die Ost-Politinstitute fertigen zugunsten der Reaktionäre und Ausländerfeinde tendenziöse Analysen an und tun so, als würde „Rechts“ zulegen. Es sieht genau anders aus, und das können die Reaktionäre nicht leiden!

Jobst Roselius für die „Bundesweite Montagsdemo
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz