185. Bremer Montagsdemo
am 16. 06. 2008  I◄◄  ►►I

 

Was EU-Politiker unter
Demokratie verstehen

Info-MichelAlso, kurz gesagt ist es dies: „Liebe Bevölkerung, ihr wählt uns, und das mit größtmöglicher Wahlbeteiligung, schließlich sollen ja alle sehen, dass wir zu Recht gewählt worden sind! Wir Politiker machen ohnehin, was wir wollen. Euch, das Volk, zu fragen, hat sowieso keinen Sinn!“ Sie glauben, ich hätte hier übertrieben? Dann bringe ich jetzt den Gegenbeweis!

Die Bevölkerung von Irland hat mit Nein gestimmt, und was sagen die Politiker dazu? „Das könnt ihr doch nicht machen, das geht aber nicht!“ – „Na gut“, sagt ein Politiker, „ist doch halb so schlimm, die Iren können ja vorübergehend austreten, schließlich haben wir eine Klausel dafür, und wenn die irische Bevölkerung es sich mal wieder anders überlegt hat, können sie ja wieder beitreten! Ihr solltet aber auch wissen: Der ganze Wahlkampf hat 130 Millionen gekostet, die sind natürlich für die Katz.“

Na toll, sage ich, das ist wohl, was die EU-Gegner noch brauchen! Ich bin nicht unbedingt gegen Europa, nein, ich bin nur für ein Europa, das für uns Menschen das Bestmögliche herausholt und nicht nur für die sogenannten Reichen! Demokratie heißt doch wohl: Das Volk entscheidet, und ihr Politiker habt das zu respektieren, nichts anderes! Hätten andere Länder die Möglichkeit gehabt, über diesen Vertrag abzustimmen, wäre mit Sicherheit auch ein Nein dabei herausgekommen.

Fragt euch doch mal, ihr Politiker, warum diese Verträge abgelehnt worden sind, und ändert sie zum Wohle aller! Wir Menschen wollen keine Hungerlöhne, kein übermäßiges Privatisieren, keine Privatisierung der Krankenkassen, keine Abhängigkeiten von privaten Versicherungen und keine Rentenarmut. Das alles will auch die irische Bevölkerung nicht. Danke, Irland! Euch Politikern sage ich nur: Macht keine Politik gegen den Willen der Menschen!

Das führt dann nur zu noch mehr Politikverdrossenheit. Für mich jedenfalls steht fest: Solche Politiker wie euch, die den demokratischen Willen der Menschen nicht achten, wähle ich bestimmt nicht wieder! Auf meine Stimme könnt ihr wahrscheinlich verzichten, aber andere Parteien werden sich freuen, und dass ich mit meiner Meinung nicht alleine stehe, zeigt wohl der Wählerschwund der Parteien, die einst unsere Demokratie repräsentiert haben!

Udo Riedel (parteilos)

 

Frühschoppen mit Bürgermeister

Ich war gestern in der Martin-Luther-Gemeinde in Findorff: Unser Bürgermeister Jens Böhrnsen hielt die Predigt. Ich habe aufmerksam zugehört, weil ich sehr neugierig war auf das, was er sagte, doch der Inhalt seiner Predigt war recht allgemein gehalten. Er sagte sinngemäß, dass wir in einem hoch industrialisierten Land leben, in dem es vielen Menschen sehr gut geht. Noch nie sei es so vielen Menschen so gut gegangen wie heute. Leider lebten in deren Schatten sehr viele arme Menschen und besonders viele arme Kinder, denen es zu helfen gelte. Wir müssten alles tun, den Armen ein menschenwürdiges Leben zu bieten!

Nach dem Gottesdienst fand ein Frühschoppen statt, bei dem ich die Gelegenheit nutzte, mit Herrn Böhrnsen ein Gespräch zu führen. Ich bestätigte ihm, dass ich das, was er gesagt hat, ganz gut finde – aber ich will nicht immer nur Reden und gute Absichtserklärungen hören, sondern endlich mal Taten sehen und spüren! Als Hartz-IV-Empfänger hat man kein menschenwürdiges Leben: Ich persönlich fühle mich von der Gesellschaft ausgegrenzt und diskriminiert!

Ich habe dem Bürgermeister erzählt, wie schwierig es in meinem Alter ist, trotz guter Ausbildung und Berufserfahrung Arbeit zu finden, und berichtete von den Erfahrungen aus meinen Vorstellungsgesprächen. Herr Böhrnsen ist sich der Problematik bezüglich der Arbeitslosigkeit Älterer bewusst und der Meinung, dass aufgrund der immer älter werdenden Gesellschaft, der längeren Arbeitszeit und eines Renteneintrittsalters von bis zu 67 Jahren die Wirtschaft nicht darauf verzichten kann, ältere Leute einzustellen. Die Wirtschaft müsse „umdenken“ und solle „die Berufserfahrung Älterer schätzen lernen“.

Herr Böhrnsen hat mir versprochen, seinen Versprechungen Taten folgen zu lassen; das gehe aber natürlich nicht „von heute auf morgen“. Dem Einfordern dieser Taten möchten wir Nachdruck verleihen, deshalb stehen wir hier auf dem Marktplatz so lange, bis Hartz IV weg ist und wir menschenwürdig leben können!

Anke Meyer (parteilos)

 

„Schaffet Recht den Armen“

Die evangelische Kirche kann es also doch: In der gut gefüllten Bremer Sankt-Stephani-Kirche fand am 8. Juni 2008 ein Gottesdienst unter dem Motto „Schaffet Recht den Armen“ (Psalm 82,3) unter der Leitung von Pastor Friedrich Scherrer statt. Im Anschluss gab es noch ein Zusammensein bei schönstem Frühsommerwetter auf dem baumbestandenen Platz vor der Kirche. Eigens für das Fest mit Straßenmusikanten, einer Tanzgruppe und einer Karatevorführung von Kindern aus Bremen-Nord waren lange Holztische und Bänke aufgestellt, an denen sich auch zahlreiche Menschen aus der Nachbarschaft eingefunden hatten. Sogar ein von Obdachlosigkeit Betroffener konnte seine Schwellenangst überwinden und sich dazugesellen. Zur „Mahl-Zeit“ um 12:30 Uhr gab es für alle ein kostenloses Essen. Die Veranstaltung bildete den Abschluss der Ausstellung „Kunst trotz(t) Armut“ in der Sankt-Stephani-Gemeinde.

Gräfin Emma lässt grüßen

Im Vorfeld hatte es mehrere Gespräche der Initiative „Bremer Bürgerinnen und Bürger gegen Obdachlosigkeit“ mit Pastor Scherrer gegeben, die schließlich zur aktiven Teilnahme der Gruppe am Gottesdienst führten. Pastor Scherrer redete in seiner Kurzpredigt ungewohnten Klartext, was in der Kirche selten genug geschieht, und kritisierte scharf die neoliberale Politik der Konzerne und Regierungen in der EU. Nicht die Armen, wie es jetzt tagtäglich geschehe, sondern das rasant um sich greifende Elend seien zu bekämpfen. Er forderte eine Umkehr und die Wiederherstellung von sozialer Gerechtigkeit. Neben dem Obdachlosenhelferkreis Sankt Stephani konnte sich dann auch unsere Initiative vor der Kanzel mit dem folgendem Selbstdarstellungstext vorstellen.

In unserem Flugblatt heißt es: „Arbeitsplatzverlust, Wohnungsverlust, und raus bist du!“ Wir gehen davon aus, dass kaum jemand davor gefeit ist, in den sozialen Abstieg zu geraten. Eben noch fest angestellt in guter Position, kann man morgen schon arbeitslos und von Hartz IV betroffen sein. Daran sollte man denken, wenn man Obdachlose sieht. Die Profitgier der Großkonzerne, verbunden mit einer Politik, die den großen Firmen in die Hände spielt, zwingt immer mehr Menschen in die Arbeitslosigkeit. Die Hartz-Gesetze verschärfen die Situation der Betroffenen.

Ein Drittel aller Kinder in Bremen lebt von Sozialhilfe, was ein großer Skandal ist! Jugendliche Hartz-IV-Anspruchsberechtigte werden aufgrund einer verschärften Gesetzeslage gezwungen, bis zum 25. Lebensjahr bei ihren Eltern zu wohnen. Tun sie es nicht, weil dies oft zu unerträglichen Spannungen führt, dann verlieren sie jeglichen Anspruch. Der Weg in die Obdachlosigkeit ist vorgezeichnet! Anstatt den ohnehin schon von der Gesellschaft ausgegrenzten Menschen zu helfen, verhängt die Politik Repressionen gegen sie. Von Mitmenschlichkeit, Toleranz und Verständnis keine Spur!

Der Gesundheitszustand vieler Obdachloser ist auch aufgrund ihrer schlechten Ernährungssituation oft katastrophal. Es gibt kaum eine medizinische Versorgung für die Betroffenen. Sie können sich in der Regel keinen Arztbesuch leisten, weil ihnen das Geld für die Praxisgebühr und die nötigen Medikamente fehlt und sie sich auch nicht krankenversichern können. Kaum ein Arzt findet sich bereit, erkrankte Obdachlose zu behandeln, weil der Mediziner gänzlich auf sein Honorar verzichten müsste. Dies gilt auch für eine oft bitter notwendige Zahnbehandlung! Eine psychosoziale Betreuung findet ebenfalls kaum statt.

Hier ist der Senat gefordert: Solange es noch kein bedingungsloses Grund­einkommen für alle gibt, muss ein für die Obdachlosen kostenloses gesundheitspolitisches Sofortprogramm her, das die medizinische Grundversorgung der Betroffenen dauerhaft regelt und sicherstellt! Mit unseren Aktionen fordern wir unter anderem menschlichen Umgang mit Obdachlosen, ein menschenwürdiges Grundeinkommen, das durch kostenfreie Gesundheitsvorsorge, Bildung und Kultur ergänzt ist, sowie die Rücknahme der Änderung des Ortsgesetzes.

Bremer Bürgerinnen und Bürger gegen Obdachlosigkeit
(Bild: bei der „Gräfin-Emma-Aktion“ am 19. Oktober 2007)

 
Köhler macht teure Vorschläge: „Alle sollen eine anständige
Grundabsicherung haben“ („Bild“-Zeitung)

 

Stolperstein Irland auf dem Weg der EU zur größten Diktatur der Welt

Hans-Dieter Binder1. Danke an Irland! Danke für das Nein! Eigentlich will jeder in Europa das vereinte Europa, aber nicht zu diesen Bedingungen. Es ist unfair, auf den Willen der Europäer zu setzen und gleichzeitig die Demokratie auszusperren! Es ist undemokratisch, die Mitbestimmung der Völker auszuschließen! Dieser Vertrag würde nirgendwo eine Zustimmung erfahren. Das wissen und befürchten die Regierungen der einzelnen Länder. Warum ist dies so?

Nicht, weil die Bürger sich nicht interessierten, denn insbesondere die Verpflichtung zu Um- und Aufrüstung stört jeden Bürger in Europa! Deren Ziel ist es, dass die Bundeswehr jederzeit an jedem Ort der Welt Kampfeinsätze durchführen kann, und zwar unter dem Oberkommando von General Bantz Craddock, vormals Oberbefehlshaber von Guantánamo. Einsatzbereit an jedem Ort der Welt bedeutet auch: in Paris oder London – natürlich nur, wenn ein Hilferuf bei der EU eingegangen ist. Militäreinsatz im Innern sei in Deutschland ausgeschlossen, sagt das politische Personal, doch ist der Bundesgrenzschutz kein Militär? Der neue Name Bundespolizei ändert nichts an der militärischen Ausrichtung. Die neue Aufgabe dieser Truppe ist unter anderem der Einsatz auf Großdemonstrationen. Auch dies ist Militäreinsatz! Die EU befürchtet Konflikte um Energie, Wasser und anderes, daher hat die EU das Recht, ihre Interessen überall militärisch durchzusetzen, in den Vertrag aufgenommen – ohne Vetorecht der Mitgliederstaaten.

Aus dem vorherigem Lissabonner Vertrag hat der damalige Bundeskanzler Schröder die Agenda 2010 abgeschrieben. In diesem Vertragswerk stehen die Aufkündigung des sozialen Friedens und die europaweite Reduzierung der sozialen Absicherung. In Deutschland sind es die Hartz-Gesetze. Dieser Prozess wird durch das Privatisierungsgebot verschärft. Europa bedeutet bis jetzt: 70 Prozent aller Entscheidungen werden in Europa getroffen. In den einzelnen Ländern kann nur noch das Wie bestimmt werden: die Umsetzung, die Durchführung. Die Vorratsdatenspeicherung, gegen die viele Bürger vor dem Bundesverfassungsgericht klagen, gehört dazu: beschlossen in Europa, „nur umgesetzt“ in Deutschland.

Bremen plant eine „Umweltzone“ und stößt dabei auf die Besonderheiten der Bebauung. Bremen kann aber überhaupt nicht auf solch eine Zone verzichten, weil der EU-Beschluss gilt! Bremen baut das Klinikum Mitte mit eigener Finanzierung. Nach dem neuen Lissabonner Vertrag wäre dies nicht mehr möglich, denn das Verschuldungsverbot verlangt die Finanzierung über einen privaten Investor! Die Schulden werden dadurch nicht weniger, sondern mehr, denn der Investor verlangt Gewinngarantien und will selbst auch daran verdienen. Daher hat Frau Linnert gesagt: „So nicht!“ und selbst finanziert. Wenn dieser Vertrag Gültigkeit erlangt, muss das politische Personal den Profitvorstellungen des Investors entsprechen – oder das Bauvorhaben nicht durchführen.

Die Fallpauschalen im Krankenhaus und die damit verbundene Unterfinanzierung sollen die Krankenhäuser in die Insolvenz treiben: ein Angebot weit unter Wert für jeden Investor. Das Klinikum Mitte (ent)lässt über 700 Mitarbeiter(innen) (gehen). Neueinstellungen erfolgen über eine andere Gesellschaft, zu Stundenlöhnen zwischen fünf und sieben Euro, somit unter dem Mindestlohn. – Ich esse keinen Fisch mehr, weil die EU die zulässige Schadstoffmenge drastisch erhöht hat, ohne besondere Kennzeichnungspflicht. – Das deutsche Verfassungsgericht wird durch diesen Vertrag entmachtet: Es verliert die Möglichkeit, in Europas mitzugestalten. – Fremdsprachenkenntnisse werden nach EU-Norm gemessen und vermittelt.

Der Freien Hansestadt Bremen wurden vor einiger Zeit alle Förderanträge abgelehnt: Europa hatte die Gebiete neu geordnet, Bremen war zur „Metropolregion Oldenburg-Bremen“ geworden. Die Förderanträge wurden angepasst, aber Bremen hatte diese Entwicklung verschlafen. Wir haben uns über einen Vorschlag aufgeregt, der sinngemäß besagte: Wer Arbeitsplätze bietet, hat das doppelte Stimmrecht. Einfach unvorstellbar! Doch die EU hat bestimmt, dass in der Regierung der Metropolregion (Deutschland wurde somit neu gestaltet) Vertreter der Wirtschaft mit vollem Stimmrecht vertreten sind: gleichberechtigt mit dem politischem Personal!

Der Bremer Senator für Europaangelegenheiten hat über die Zusammenarbeit mit Europa 35 Seiten verfasst. Eingangs stehen die schon zitierten 70 Prozent aller Entscheidungen, die in Europa gefällt werden – die wenigsten davon allerdings im Europäischen Parlament. Am Schluss beklagt es sich indirekt, dass die Informationsrunden in seinem Hause von den anderen Senatoren nicht entsprechend beschickt werden. Dabei wäre dies sehr wichtig, weil Europa sich auch nicht nach den Ressortgrenzen in Bremen richtet.

Die Private Krankenversicherung hat das Recht, einen Basis-Tarif und Zusatzabsicherungen anzubieten. Die Gesetzliche Krankenversicherung darf das nicht: Sie muss privaten Versicherern diese Verdienstmöglichkeit überlassen. Sie darf nur vermitteln. Nun möchte die PKV in den Kreis der GKV aufgenommen werden und den Basistarif für alle anbieten. Dies hört sich wertneutral an – aber unter dem Privatisierungsgebot der EU betrachtet, bedeutet dies eine weitere Aushöhlung der Gesetzlichen Krankenversicherung.

Privatisiert wird auch die Bahn, entsprechend den Vorgaben des Lissabonner Vertrages. Ich habe viel an Europa auszusetzen! Die Politiker haben Europa als Umgehungsstraße benutzt. Die Eurokraten geben die dadurch erreichte Entscheidungsmacht nicht zurück! Dieser Vertrag wäre die Grundlage für die größte Diktatur der Welt, wenn ein Mensch diese Vollmachten tatsächlich einfordert! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

 

2. Junge Menschen wissen manchmal nicht um ihre Neigungen und Fähigkeiten in Verbindung mit den Ausbildungsberufen. Hier hilft die Ausbildungsberatung der Bundesagentur für Arbeit. Bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle trennen sich die Wege. Wer eine solche sucht und aus einem Elternhaus kommt, das auf ALG II angewiesen ist, wird von der Bagis betreut. Diese(r) Jugendliche hat schlechte Karten auf dem Ausbildungsmarkt: Er ist ein Bewerber zweiter Klasse, weil er über die Bagis vermittelt wird. Seine Klassenkamerad(inn)en bekommen ihre Bewerbungsvorschläge über die Bundesagentur für Arbeit.

Kaum ein Arbeitgeber gibt seine Ausbildungsangebote an die Bagis. Jeder Erwerbslose, der von der Bagis betreut wird, ist ein Bewerber zweiter Klasse! Für den Arbeitgeber ist die Betreuung über die Formulare ersichtlich. Die Erpressbarkeit des Bewerbers wird offenkundig! Das Verfassungsgerichtsurteil bietet die Chance, diese Arbeitslosigkeit zweiter Klasse zu beenden. Wenn die Vermittlung im Vordergrund steht, ist die gemeinsame Betreuung aller Erwerbslosen durch die Bundesagentur für Arbeit geboten, damit die Arbeitslosigkeit zweiter Klasse in allen Punkten beseitigt wird!

Damit ist für die Kosten der Unterkunft auch die Bundesagentur zuständig. Jetzt erstattet der Bund den Gemeinden einen Teil der Kosten der Unterkunft. Diese Erstattung geht auch andersrum. Vieles weitere könnte bei einer Neuordnung vernünftiger und einfacher geregelt werden. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)

 

Ein Dank den „irischen Freunden“

Wieland von HodenbergIn einer Volksabstimmung haben 54 Prozent der irischen Bevölkerung den neuen EU-Vertrag abgelehnt. Dafür auch von dieser Stelle herzlicher Beifall! Das „Neue Deutschland“ vom 14./15. Juni 2008 erfreut sich an dem „besonderen Nationalcharakter“ der Iren: „Sie wollen nicht für fremde Herren in deren Kriege ziehen. Sie verlangen, dass die Kirche in ihrem Dorf bleibt und keine Kriege auf fremden Kontinenten führt. Sie machen frauenfeindliche Witze gegen Angela Merkel. Mann, sind die rückständig! Mann, sind die sympathisch!“

Obwohl der Vertrag jetzt eigentlich mausetot sein müsste, wollen das Großkapital und seine politischen Vasallen nicht aufgeben und erheben erwartungsgemäß ihr großes Geschrei. Die Grünen Trittin und Steenblock (wer kennt den eigentlich?) fallen mit massiver Demokratieschelte über die Iren her und wollen das Land mit einer Art „Isolationshaft“ bestraft sehen. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok, den auch keiner kennt, will gar das Referendum völlig ignorieren. Ähnlich äußerten sich auch Luxemburgs Ministerpräsident Juncker, der deutsche Außenminister Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel im trauten „Tête-à-Tête“ mit Frankreichs Super-Playboy Sarkozy.

In launigem Ton gibt jetzt das „Neue Deutschland“ den guten Rat, „dass die Gallier, die Germanen, die Wikinger, die Römer, die Hellenen und all die anderen, denen das Herz noch nicht in die Hose gerutscht ist, dem keltischen Beispiel folgen“. Im Klartext: Volksabstimmungen auch in allen anderen EU-Staaten! Solange der undemokratische, antisoziale und kriegerische „Verfassungs“-Vertrag der Großkonzerne nicht vom Tisch ist, müssen wir weiter für ein demokratisches und friedliches Europa ohne Armut kämpfen! Da kann unsere Forderung nur lauten: Lasst die Völker endlich selbst entscheiden!

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)

 

Die bürgerliche Gesetzgebung schützt das Recht der Kapitalisten

Jobst RoseliusEin Glückwunsch an die Iren, die mit 53 Prozent den EU-Vertrag abgelehnt haben! Ich bin ein Freund der Einigung und Zusammenarbeit der Völker – aber auf gleichberechtigter Stufe. Nachdem Franzosen und Niederländer die sogenannte EU-Verfassung abgelehnt hatten, machten die Herrschenden so lange rum, bis alle Parlamentarier zum undemokratischen Beschluss umgebogen waren. Nur mit Irland ging das nicht, weil die irische Verfassung davor stand. Am liebsten würden sie Irland jetzt ausschließen oder so etwas. Dann faseln sie vom Europa der zwei Geschwindigkeiten. Zu alledem sagen wir Nein! Dieser EU-Vertrag ist eine Konstruktion, um die aggressiven und imperialistischen Ziele des europäischen und vor allem des deutschen Großkapitals durchzusetzen.

Das Ausschalten der Entscheidung durch die Bevölkerung der einzelnen Länder ist der bewusste undemokratische Versuch des Kapitals, mittels der mit ihm verquickten Regierungen und Parlamente seine Interessen durchzusetzen. Ich spreche der Berliner Bundesregierung wie dem untergeordneten Bremer Senat das Recht ab, im Namen der Menschen der betreffenden Gebiete Entscheidungen über die Art und Weise, wie diese Menschen zusammen leben und arbeiten wollen, zu sprechen oder zu entscheiden! Wir lehnen diesen sogenannten Grundlagenvertrag ab und fordern eine demokratische Willensbildung und Entscheidung sowie das Entfernen aller aggressiven Ziele und Organisationsstrukturen, die in diesem Grundlagenvertrag und den sogenannten Lissabonner Ideen, Verträgen oder Beschlüssen enthalten sind! Wir wollen ein menschenwürdiges, freies, dem Zusammenleben der Menschen und ausdrücklich nicht den Interessen des Großkapitals dienendes Europa, besser noch eine ganze Welt! Hoch lebe die internationale Solidarität! –

Schon seit längerer Zeit ist eine Mitstreiterin von uns dem Mobbing ausgesetzt. Ich will und kann hier nicht auf Details eingehen, möchte aber jeder und jedem Mut machen, sich denen zu öffnen, die beraten und stärken können. Also kommt her! Entweder können wir zu einer anderen Zeit in Ruhe sprechen und geeignete Maßnahmen und den Schutz der Person und auch der Arbeitsplätze organisieren – oder wir sprechen hier, und jede(r) kann sich stärken. Wir wollen den Einzelnen stärken und uns solidarisch verbinden. Darum, wie Hans-Dieter immer so schön sagt: „Kopf zeigen, Montagsdemo!“ –

Nach unserem Geplänkel, wie ich es letzte Woche nannte, mit der leitenden Mitarbeiterin von „Buten un binnen“ läuft immer noch eine leise Auseinandersetzung über die Zusammenhänge mit dem Urheberrecht. Dieses ist grundsätzlich ein hohes Gut, gerade wenn, wie in der heutigen Medienwelt üblich, mit dem geistigen Eigentum von Künstlern und Denkern Schindluder getrieben wird. Seinen Sinn verfehlt das Urheberrecht aber in politischen Auseinandersetzungen, wo es um die Durchsetzung der eigenen politischem Macht geht. Darum „Tageszeitung“ und Jura-Professor hin oder her, es ist die bürgerliche Gesetzgebung, die überall das Recht der Kapitalisten und aller ihrer Helfershelfer schützt. Die Durchsetzung von Rechten Einzelner oder ganzer Schichten oder der Massen ist die absolute Ausnahme. Ich habe kein Vertrauen in die bürgerliche Gesetzgebung und Justiz! Zu allen Zeiten war die Durchsetzung von fortschrittlichem Recht eine Machtfrage und ein Kampf. In unserem Anliegen, die Hartz-Gesetze zu Fall zu bringen und nicht nachzulassen, sind wir gefordert, darauf sollten wir uns konzentrieren. Die andere Seite wird ja schon nervös, wenn das Telefon klingelt.

Jobst Roselius
 
Absturz aus den Charts: Ein „Wikipedia“-Artikel, der in den letzten zwei Jahren immer unter den ersten Suchergebnissen zum Stichwort „Montags­demo“ aufgeführt wurde, fehlt neuerdings in der Trefferliste („Google“)

 

„Bubigate“: Drohung spricht Bände

Jens SchnitkerSchade, dass erst durch diesen Streit mal wieder über die Montagsdemo geschrieben wird! Nicht nur „Radio Bremen“ berichtet gar nicht über die Montagsdemo, auch der „Weser-Ku­rier“ nimmt diese nicht wahr. Und darüber hinaus ist ihr Protest gegenüber der Sendung berechtigt: Die sogenannten Ein-Euro-Jobs sind diskriminierend und machen die Leute kaputt. Dass die Montagsdemo weiter gegen die Meinung von „Radio Bremen“ anstinkt, zeigt Rückgrat. Sie ist das Sprachrohr der Unter-die-Räder-Gekommenen. Die Drohung mit einer gerichtlichen Klage gegen die Demo spricht Bände und ist nur Hohn.

Leserbrief von Jens Schnitker (parteilos) zum Artikel
‚Radio Bremen‘ ganz privat“ in der „Tageszeitung“

 
„Manchmal wundert man sich wirklich, wie manche Medien ihrer Informations­pflicht nachkommen – oder eben auch nicht“ (Zuschrift von Ulrun Stuhrmann)

 

Der Prozess gegen die nicht ins „Erscheinungsbild“ Passenden

Am 5. Juni 2008 hatten wir einen weiteren Prozess-Termin wegen des Polizei-Einsatzes vom 5. Februar letzten Jahres. Es ging um die Berufung unseres Mitstreiters Lutz B. gegen das Urteil des Amtsgerichtes über 600 Euro Geldstrafe vor dem Landgericht Hannover. Wir konnten unser Anliegen zur ungehinderten Durchführung des Offenen Mikrofons berechtigt darlegen, während die aufgerufenen Polizisten als Zeugen doch sehr stark unter ihren Erinnerungslücken litten.

Angesichts ihrer Argumentationsnot in der Sache versuchten sie, teilnehmende Passanten vom „harten Kern“ der Montagsdemonstranten abzuspalten. Auf Befragen erklärten sie, Teilnehmer an der Montagsdemo seien an „verhärmtem Ausdruck“ und „Kleidung, die nicht so ins öffentliche Erscheinungsbild passt“, zu erkennen. Das rief unseren berechtigten Protest hervor.

Die ausführliche Befragung der Zeugen führte zu einer Vertagung der Verhandlung. Nach fünf Stunden erst wurde sie unterbrochen und auf Mittwoch, den 11. Juni 2008, um 9 Uhr am Landgericht, Volgersweg 65, Raum 2H2, neu festgesetzt. Circa 20 Besucher waren gekommen, um den Angeklagten zu unterstützen, davon allein vier von der Magdeburger Montagsdemo! Herzlichen Dank dafür, denn der Prozess ist nicht allein Sache der Montagsdemo in Hannover: Wer einen von uns angreift, greift alle an!

Zuschrift von Kurt Kleffel (Montagsdemo Hannover)

 

Warum eine Grundsicherung
nur für Kinder, Herr Maas?

1. Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, dem muss seit einigen Jahren die wachsende Obdachlosigkeit in der Stadt auffallen. Im Winter hocken auf Heizungsschächten oder Kartons in Decken gehüllte Obdachlose in Hauseingängen. Im Sommer sitzen oder stehen bettelnde Menschen in der Innenstadt, unter den Arkaden. Oft halten sie eine Flasche Alkohol in der Hand. Bis sie wieder aus der Stadt entfernt werden, wie lästige Insekten, um den Touristen das Stadtbild von Bremen als heile Welt zu präsentieren.

Elisabeth GrafRose Gerdts-Schiffler wies letzte Woche im „Weser-Kurier“ in einem einfühlsamen Artikel darauf hin, wie die Gesundheitsgesetzgebung die medizinische Versorgung von wohnungslosen Frauen und Männern erschwert. Sie schrieb, nur wenige Menschen wüssten, dass Alkohol oft eine Folge des Lebens auf der Straße ist, ebenso wie die Tatsache, dass die Betroffenen medizinisch kaum versorgt werden. Für viele ist der Alkohol eine Art von Medizin, die sie sich überall kaufen können. Damit müssen sie keine Stimmen mehr hören, keine marternde Depression oder die Erinnerung an traumatische Erlebnisse durchleben.

Denn die meisten der wohnungslosen Menschen kommen gar nicht oder erst viel zu spät in Kontakt mit einem Arzt, weil sie die Praxisgebühren und Zuzahlungen für Medikamente nicht aufbringen können. Seit ein paar Jahren bieten der Bremer Arzt Georg Kückelmann und seine Kollegen eine medizinische Notversorgung im Jakobustreff an. Hier wird Patienten mit unbehandelten Verletzungen, chronischen Erkrankungen der Haut oder der Atemwege, Kreislaufproblemen oder psychiatrischen Erkrankungen die Praxisgebühr erlassen. Die Zuzahlungen für Medikamenten werden durch Spenden finanziert. In anderen Städten müssen Obdachlose auch das Geld für die Praxisgebühr aufbringen.

Georg Kückelmann kritisiert, dass es bei einem Umsatz von 400 Milliarden Euro im Gesundheitswesen jährlich ein Skandal sei, wenn gleichzeitig derart bedürftigen Menschen solch hohe Hürden auferlegt werden! Außerdem bezahlen viele Krankenkassen die häusliche Pflege in Einrichtungen der „Wohnungshilfe“ nicht, wenn der Patient schon vor seinem Krankenhausaufhalt dort untergebracht gewesen und nicht allein zur Pflege dort aufgenommen sei. Dank des menschenverachtenden Hartz IV ist auch die Zahl derjenigen Menschen erheblich gestiegen, die zwar noch ein Dach über dem Kopf haben, jedoch für eine regelmäßige medizinische Versorgung zu arm sind.

Auch hier wird mal wieder nachgewiesen, dass Hartz IV eben keine Grundsicherung gewährleistet – denn mit 13,11 Euro kommt mensch bei einer chronischen Krankheit nicht weit. Leider wissen auch nur die wenigsten, dass chronisch Kranke „nur“ 41 Euro aufbringen und in jedem Quartal ihren Arzt aufsuchen müssen, um eine Befreiung von weiteren Kosten für ein Jahr erwirken zu können. Doch sicherlich kann kein Wohnungsloser so viel Geld auf einmal aufbringen und zusätzlich nachweisen, dass er in den letzten vier Quartalen beim Arzt war. So ist es nicht verwunderlich, aber sehr beschämend, dass Obdachlose eine deutlich geringere Lebenserwartung haben als die durchschnittliche Bevölkerung!

Das „sozialverträgliche Frühableben“ scheint politisch erwünscht zu sein, denn schon Arme mit Dach über dem Kopf sterben im Schnitt acht Jahre eher als Normalverdiener. Wie groß die Diskrepanz zu Obdachlosen ist, will ich lieber gar nicht wissen! Durch restriktiv angewandte Sanktionen wird Hartz-IV-Beziehern immer öfter die Transferleistung auf Null gekürzt, was Obdachlosigkeit zur Folge haben muss! Aber Hauptsache, die Arbeitslosenzahlen lassen sich mittels solcher Methoden weiter beschönigen!

 

2. Der „Spiegel“ veröffentlichte vergangene Woche, dass drei Millionen New Yorker nicht genug Geld fürs Essen haben. Das sind immerhin 40 Prozent aller Einwohner. Vor allem die Preisexplosion bei den Lebensmitteln hat dazu beigetragen, dass die Zahl der Betroffenen seit 2003 um 52 Prozent gestiegen sei. Besonders die Einwanderer aus Lateinamerika und Bewohner des armen Stadtteils Bronx haben zunehmende Schwierigkeiten, ihre Lebensmittel zu finanzieren. Etwa jeweils die Hälfte von ihnen leidet unter akuter Geldnot. In den Jahren von 2003 bis 2007 haben sich die Preise für Nahrung in New York demnach verdoppelt, während sie etwa in den fünf vorangegangenen Jahren nur um sieben Prozent gestiegen seien. Zu den Kosten für Lebensmittel kämen noch die stark gestiegenen Benzinpreise und die hohen Mieten, heißt es in der Studie.

Die New York Food Bank betreibt seit 25 Jahren in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung Suppenküchen und Programme für Armenspeisungen. An diesem erschreckenden Beispiel zeigt sich, dass der Umbau Deutschlands zu einer Art von Klein-Amerika bald als „erfolgreich abgeschlossen“ zu bezeichnen ist! Die konsequent gesteuerte Verarmung der Bevölkerung wird auch bei uns sicher in nicht allzu ferner Zeit das hohe Niveau der USA erreichen. Wer noch über Kapital verfügt, sollte schleunigst zum Beispiel bei der Deutschen Bank in die entsprechenden Fonds einsteigen, die mit den hohen Lebensmittel- und Rohstoffpreisen wahnwitzig hohe Rendite erzielen. Wer das vermag, hat ausgesorgt und darf voller Verachtung auf die Armen herabblicken!

 

3. Experten aus Wissenschaft, Gewerkschaften und Erwerbslosenbewegung diskutierten auf Einladung der „Linken“ am 13. Juni 2008 über die verfassungsrechtlichen Probleme der Arbeitsmarktreform im Bundestag. Als Referentinnen und Referenten waren Prof. Dr. Helga Spindler (Universität Essen-Duisburg), Dr. Sabine Berghahn (Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft, Freie Universität Berlin), Udo Geiger (Richter am Sozialgericht Berlin) und Volker Mundt (Rechtsanwalt, Berlin) geladen. Anders als die Öffentlichkeit sieht die herrschende Rechtsauffassung trotz bekannter Armutsgrenzen die Höhe der Regelleistung für Erwachsene offenbar als verfassungsgemäß an.

Allerdings erscheinen erstens die unzureichende Gewährung von Sonderbedarfen und zweitens die Kürzungen von Leistungen infolge von Sanktionen als verfassungsrechtlich bedenklich. Von einer Sicherung des Existenzminimums kann dann wohl auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht die Rede sein! Auch die momentane Höhe des Regelsatzes für Kinder und Jugendliche scheint verfassungsrechtlich sehr bedenklich und nicht nachvollziehbar. Eigentlich gehört das gesamte Sanktionsprogramm von Hartz IV zwingend auf den Prüfstand, weil auch die stufenweise Absenkung der Leistungen bei geringstem Fehlverhalten bis hin zur Arbeitserzwingung und totaler Streichung der Transferbezüge dem Menschenwürdegrundsatz und dem Sozialstaatsgebot völlig widersprechen!

Der angeblich vorhandene Sparzwang und die von der Politik inszenierten Missbrauchsdebatten öffnen hingegen der Willkür und dem Sanktionsmissbrauch von Seiten der Ämter Tür und Tor! Dies wird durch die hohe Zahl der Anfechtungen rechtswidriger Sanktionierungen belegt, deren Erfolgsquote bis zu 40 Prozent beträgt. Auch wird die grundgesetzlich geschützte Vertragsautonomie durch die sanktionsbewehrte Erzwingung von Eingliederungsvereinbarungen ausgehebelt. Die Ein-Euro-Jobs werden besonders zur Überprüfung der Arbeitsbereitschaft herangezogen, statt die im SGB II verlangte Integration in den Arbeitsmarkt und die Überwindung des Leistungsbezuges voranzutreiben, getreu der völlig überholten Idee, dass Vollbeschäftigung möglich sei. Im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft sind die Anrechnung von Einkommen und Vermögen und die Gewährung von Leistungen in vielen Einzelkonstellationen verfassungsrechtlich höchst bedenklich bis verfassungswidrig.

Martin Behrsing vom „Erwerbslosenforum“, der an der Diskussion teilgenommen hat, meinte, dass sich eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde unter den gegebenen Umständen derzeit nicht realisieren lässt. Bisher ist die Rechtsprechung dem gesetzgeberischen Willen gefolgt und hat einer Einsparung von Mitteln Vorrang vor den individuellen Bedarfen von Hartz-IV-Beziehern gegeben. Das Bundesverfassungsgericht stellte 2006 allen Ernstes den Regelsatz als verfassungskonform, transparent und nachvollziehbar dar! Seiner Meinung nach werden Veränderungen bei Hartz IV nur gesellschaftlich zu erreichen sein, indem Hartz IV von allen Beteiligten als ein Stück des neoliberalen Umbaus begriffen wird, der sich in der Erwerbsarbeit deutlich abzeichnet.

 

4. 40 Prozent der Hauptschüler konnten 30 Monate nach Schulende noch immer keinen Ausbildungsplatz finden. Ihre Zukunft ist nach wie vor nur erschreckend. Wenn auf der einen Seite Hauptschüler sehr schlechte Berufschancen haben und andererseits immer mehr junge Menschen diesen Schulabschluss schaffen, dann bleibt die berechtigte Frage im Raum stehen, warum sie sich für einen Abschluss anstrengen sollen, der sie nicht weiterbringt. Da hakt doch das System! Nach wie vor investiert Deutschland zu wenig Geld in Bildung. Jahr für Jahr verlassen sogar 80.000 junge Menschen die Schule ohne Abschluss, das sind fast acht Prozent eines Jahrgangs. Die anderen drehen „Warteschleifen“ oder machen Zusatzkurse, weil ja leider auch viel zu wenig Lehrstellen angeboten werden.

Schüler mit Migrationshintergrund sind in allen Stufen des Sozialsystems benachteiligt, Jungen stärker als Mädchen. Es wird darüber geklagt, dass Deutschland zu wenig Studenten hat. Trotz vieler Reformen und Reförmchen zeichnet der Bildungsbericht 2008 von Bund und Ländern erneut ein düsteres Bild über den Zustand von Schulen und Hochschulen in Deutschland. Allerdings sank der Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt von 6,9 Prozent im Jahr 1995 auf 6,2 Prozent 2006 und liegt damit weiter unter dem OECD-Durchschnitt. Es gibt nicht nur zu geringe Bildungsausgaben zu beklagen, nein, sie werden auch noch an der falschen Stelle getätigt.

Wenn ich mir ansehe, dass allein an der Bremer Uni mehrere Studiengänge geschlossen wurden, nun aber durch die Hintertür Millionen in die private Jacobs-University gesteckt werden „müssen“, dann erkenne ich, dass die Elite offenbar unter sich bleiben will! Beim „grandiose“ Studiengebührenurteil des Hessischen Staatsgerichtshofs gelingt es der Mehrheit der Richter, offenbar mittels Wortverdrehungen und juristischer Haarspalterei den eindeutigen Wortlaut des Artikels 59 in sein Gegenteil zu modifizieren: Da verwandelt sich die Unentgeltlichkeit des Studiums gar in die Zulässigkeit des Bezahlstudiums für alle. Ein klassischer Fall von Oberschichten-Justiz!

Noch und nöcher wird beklagt, dass in Deutschland ein Schulabschluss von der sozialen Zugehörigkeit der Eltern abhängt. Die GEW tritt für ein gemeinsames Lernen aller Kinder und Jugendlichen bis zur zehnten Klasse ein. Das von der Bremer SPD favorisierte Zwei-Säulen-Modell wird diesem Anspruch nicht gerecht und läuft darauf hinaus, dass die zweite Säule neben dem Gymnasium mittelfristig zur Restschule verkommt. Darum müssen alle Kinder einen kostenfreien Zugang zum Kindergarten haben, und die frühe Bildung in Kitas und Grundschulen muss gestärkt werden. Die Rahmenbedingungen schreien geradezu nach einer grundlegenden Veränderung, damit die Zusammenarbeit zwischen den Pädagogen aller Bildungsinstitutionen miteinander verzahnt wird!

 

5. Im Moment vergeht kaum eine Woche, ohne dass eine neue Studie über die erschreckende Armut von Kindern erstellt wird. Während es sonst immer um die Armut von Kindern unter 15 Jahren geht, ist am vergangenen Wochenende von der „Arbeitsgemeinschaft der Kinder- und Jugendhilfe“ eine Untersuchung über die Armut von Jugendlichen zwischen 16 und 24 Jahren veröffentlicht worden. Demnach lebt inzwischen jeder Vierte dieser Altersstufe entweder in materieller Not oder ist davon bedroht. Bundesweit handelt es sich dabei um 2,4 Millionen Jugendliche. Verdi prangert an, dass sich die Zahl der verarmten Kinder seit 1980 fast verzehnfacht habe!

2,64 Euro täglich für Essen und Trinken können nicht genügen. Als Ausweg schlug der saarländische SPD-Chef Heiko Maas vor, jedem Kind eine Grund­sicherung von 400 Euro zu gewähren. Und den Erwachsenen? Die SPD lädt für heute in Berlin zu einer Konferenz zum Thema Kinderarmut ein. Natürlich geht es dabei nicht nur um materielle Armut, sondern vor allem auch um Bildungsarmut und schlechtere gesundheitliche Entwicklung. Es gibt auch eine Armut auch unter Jugendlichen mit Ausbildungsvertrag: Bei einigen Berufen liegt die tarifliche Ausbildungsvergütung unter dem Hartz-IV-Satz!

In welchem Tiefschlaf mögen sich die SPD und die Gewerkschaften befunden haben, als das menschenverachtende Hartz IV vor fünf Jahren von Schröder und Konsorten aus dem Lissabonner Vertrag abgeschrieben wurde? Wieso verlangt die Gewerkschaft Verdi erst jetzt mehr Geld für Transfergeld-Empfänger? Wieso begreifen sie erst nach fünf Jahren, was Kritiker von Anfang an vorausgesagt haben? Wie viele Armutsberichte und -konferenzen sind eigentlich noch nötig, bevor endlich gehandelt wird und die Erkenntnisse umgesetzt werden – auch wenn sie Geld kosten?

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) –
siehe auch „Die Linke“ sowie „Tageszeitung

 

Die Toten lässt die Bagis von der Gerichtsmedizin verscharren

Es gab ein Gewitter vor- und Regen hinterher, wir aber hatten Glück und blieben trocken, auch wenn einige vielleicht zu Hause geblieben waren. In der Zeit vor dem Fußballspiel blieben einige mehr stehen und informierten sich, sodass zur 185. Montagsdemo in Bremen am 16. Juni 2008 um 17:30 Uhr wieder um die 40 Teilnehmer zu zählen waren.

Das große Redebuch
Band I (2004/2005):
Schröders Hartz-Attacke und 
seine vorgezogene AbwahlIm Mittelpunkt der Beiträge stand die Entscheidung der Iren, mit Mehrheit den EU-Vertrag abzulehnen. Dazu wurde mehrmals unter Beifall gratuliert. Die undemokratischen und in erster Linie den Kapital- und Militärinteressen dienenden „Lissabonner Verträge“ müssen vom Tisch! Zu fordern sind Volksabstimmungen überall und Zurückweisung der bürokratisch-reaktionären Gesetzgebung und Strukturen! Wir müssen für jeden nachvollziehbar die Politikzusammenhänge zwischen EU und Hartz IV herstellen und die Einheit mit allen fortschrittlichen Widerstandskräften in den anderen Ländern suchen!

Bürgermeister Böhrnsen predigt in einer Kirche, aber was folgt aus seinen Allgemeinplätzen? Angesprochen wird die Ausgrenzung von Hauptschülern und immer wieder die Kinder- und Jugendarmut. Immer problematischer ist die Situation der Obdachlosen. Alle diese Probleme sind der Politik der Monopolparteien doch völlig egal, das wird täglich immer wieder bestätigt! Aber auch andernorts sieht es nicht besser aus: In den USA des George W. Bush haben viele New Yorker immer weniger Geld, um sich vernünftig ernähren zu können. Bei uns leiden viele am Mobbing, das bewusst von Vorgesetzten unter die Kollegen getragen wird. Alle, die bedrückt sind, sollen herkommen, damit wir zusammen beraten können!

Wie pervers die Bagis für den Bremer Haushalt „spart“, zeigt sich daran, dass Todesmeldungen von alleinstehenden Hartz-IV-Betroffenen von Amts wegen verschleppt werden. Innerhalb einer Frist müsste das Sozialamt für eine Beerdigung sorgen und aufkommen; ist diese aber durch Verschleppung verstrichen, wird kostengünstig gerichtsmedizinisch entsorgt und anonym verscharrt. Diese Verfahren sind aus dem Faschismus bekannt! Es zeigt sich, wie gut der Apparat bereits „neu“ ausgerichtet wird. Mitarbeiter, wehrt euch gegen solche unmenschliche Anordnungen, Verfügungen und Verhältnisse!

Jobst Roselius für die „Bundesweite Montagsdemo
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz