146. Bremer Montagsdemo
am 20. 08. 2007  I◄◄  ►►I

 

Mit Steuergeld auf Wählerfang

Ursula GatzkePolitiker haben dumm regiert, doch jetzt regieren sie am dümmsten! Nach der grenzenlosen Abzockerei kommt nun die grenzenlose Selbstbedienung unserer Volksvertreter. Grenzenlos sind auch die Hilflosigkeit und das Versagen der meisten Politiker! Überbezahlt und überversorgt mit Nebenjobs machen sie eine Politik, die für viele arme Menschen zum Heulen ist!

Unvollständige Gesetze und halbherzige Reformen werden den Bürgern um die Ohren geschlagen, dass ihnen das Hören und Sehen vergeht! Und weil der Wähler wegen dieser Schlamperei den Parteien davonläuft, will man sich oben wieder mal aus dem Steuertopf selbstbedienen. 20 Millionen Euro will man als „Wahlkampfgeschenk“ abkassieren, um den Wähler wieder ködern zu können!

Ständig wird dem Volk nur Geld geklaut! Schluss, aus, es reicht, die Grenze ist schon längst überschritten! Im Steuertopf ist auch Geld von den Rentnern, Kranken, ach was, von der ganzen Unterschicht! Unten gibt es immer nur welche auf den Kopf! Die Rente wird immer weniger! Die letzte Erhöhung des Wohngeldes in Berlin war im Jahre 2001! Hier in Bremen wird es wohl nicht besser sein.

Menschen holen sich Essen von der „Tafel“, ihre Würde ist im Arsch! Aber man möchte dem Wähler Kugelschreiber, Luftballons oder Mützen als Werbegeschenk geben! Da reichen Union und SPD die 133 Millionen Euro im Jahr nicht mehr. Solche Politik soll zum Teufel fahren! Wer solche Dummheit wählt, ist dämlich – oder gut versorgt!

Ursula Gatzke (parteilos)
 
Sommerpause: In aller Stille wollen sich die großen Parteien
den Geldhahn aufdrehen („Spiegel-Online“)
 
„Linke“ muss Machtfrage stellen: Elf schlechte Argumente
für ein bedingungsloses Grundeinkommen (Nele Hirsch)

 

Eine Dreistigkeit?

Info-MichelNein, ich nenne es schlicht eine Frechheit – die Diätenerhöhung, welche 2009 kommen soll. Ich habe natürlich nichts gegen eine Diätenerhöhung, aber sind die 9,4 Prozent angemessen, gegenüber einer minimalen Rentenerhöhung von 0,54 Prozent? Doch das spielt wohl bei unseren Politikern keine Rolle: Sie nehmen es sich einfach. Nein, das glaube ich nicht, denn die Rechnung sollte man nicht ohne den Wirt – den Wähler – machen!

Meine Damen und Herren Politiker, wie möchten Sie eigentlich diese Erhöhung begründen? Mit erhöhten Lebenshaltungskosten? Die haben wir alle. Mit mehr Verantwortung? Ich gebe zu, Sie tragen eine große Verantwortung – aber tun Sie das wirklich? Ein Teil von Ihnen ist durchaus für den normalen Bürger tätig, aber wem dieser Schuh passt, der ziehe ihn sich an!

Dann blieben da noch die Leistungen. Welche? Sie verarmen die Menschen immer mehr; lassen es zu, dass die Löhne immer weiter fallen; lassen Kinderarmut zu; belasten die Bürger durch unausgegorene Gesetze, durch eine schlechte Gesundheitsreform; lassen es zu, dass immer mehr Arbeitsplätze abgebaut werden und dass wir Bürger nicht mehr fair am erwirtschafteten Bruttosozialprodukt beteiligt werden. Wofür dann die Diätenerhöhung?

Schließlich haben wir noch die fehlende Parteifinanzierung. Nur, meine Damen und Herren, in diesem Falle will ich Ihnen gern einen Tipp geben: Machen Sie doch einfach mal wieder eine Politik für die große Masse der Bevölkerung! Dann hört die Politikverdrossenheit auf, und durch Eintritte in Parteien fließen die Gelder. Wenn Sie dann eine Diätenerhöhung haben wollen – nichts dagegen, denn Leistung soll ja bezahlt werden! Das gilt auch für Sie.

Udo Riedel (parteilos)

 

Selbstbedienungspolitiker
oder neue Politiker?

Heute Morgen ist mir doch bei der Zeitungslektüre glatt der Kragen geplatzt! Die Selbstbedienungspolitiker von Union, Sozialdemokraten, Liberalen und wie sie sich alle zu nennen pflegen greifen uns nun nicht mehr nur in unverschämtester Weise durch ständige Erhöhung ihrer Abgeordnetendiäten in die Tasche: Jetzt plant die Große Koalition noch eine 15-prozentige Erhöhung der staatlichen Parteienfinanzierung, von der ohnehin schon stattlichen Summe von derzeit 133 Millionen Euro auf satte 153 Millionen Euro im Jahr. Und das per Gesetz und über Steuern. Kommt jetzt ein Solidarzuschlag für notleidende Parteien?

Matthias FeilkeDa wissen Hartz-IV-Betroffene nicht, wie sie mit 2,75 Euro ihre Kinder gesund ernähren können, wie sie sich Kleidung, Möbel und – auch das gehört zu einem menschenwürdigen Leben – auch mal ein Vergnügen wie einen Kinobesuch leisten können. Das alles durch die volksfeindliche Politik eben dieser Selbstbedienungspolitiker von Union und SPD! Aber die Forderung nach kostenloser oder zumindest bezuschusster Schulspeisung wird zum Beispiel vom parlamentarischen Geschäftsführer der FDP im Düsseldorfer Landtag, Ralf Witzel, mit der ekelhaften Erklärung abgelehnt, die Eltern würden das Geld nur für die neueste Satellitenschüssel oder große Mengen an Alkohol ausgeben.

Und auch das ist normal in dieser Republik: Sofort gibt es Schmierfinken, die den Kritikern dieser neuen Attacke auf unsere Steuergelder „popeligen Popu­lismus“ vorwerfen, so wie ein Joerg Helge Wagner im Kommentar des heutigen „Weser-Kurier“. Er wirft den Kritikern von „Bild am Sonntag"“ über den „Bund der Steuerzahler“ bis hin zum „Erwerbslosen-Forum“ Hysterie, Verlogenheit und Populismus vor. Aber Herr Wagner, wir wollen die Kirche doch mal im Dorf lassen! Ihr Kommentar trieft geradezu von Verlogenheit, Hysterie und billiger antikommunistischer Effekthascherei, was man wohl landläufig auch Populismus nennt!

Noch etwas fällt auf: Die Beschwörung der „freiheitlich-demokratischen Grund­ordnung“ und das Antibild dazu, der „real existierende Sozialismus“ in der untergegangenen DDR, dem die „Linke“ nach Lesart von Herrn Wagner immer noch gute Seiten abgewinnen kann, wie auch der Verweis darauf, dass nur „winzige und deshalb bedeutungslose Splittergrüppchen“ keine Staatsknete kriegen, all dies zeigt einiges über Herrn Wagners Innerstes. Der Mann hat Angst! Er hat Angst, dass dieses System aus den Fugen gerät und er seine Pfründe verliert.

Er hat Angst, dass die Massen immer schneller und immer besser durchblicken, welche Funktion die so „bedeutungsvollen“ Parteien für die allseitige Diktatur der Monopole haben. Willi Dickhut, einer der Mitbegründer der MLPD, hat die bürgerlichen Parteien im parlamentarischen System mit einem Orchester verglichen. Da gibt es die leisen Flötentöne und strahlenden Geigen auf der Regierungsbank, da gibt es mal das Donnergrollen der Pauken von der Opposition, aber alles spielt doch nach dem Takt eines Dirigenten: dem Monopolkapital!

Und der kleine Seitenhieb auf die „winzigen und deshalb bedeutungslosen Splittergrüppchen“? Er hat zwar in der Mehrzahl gesprochen, aber ich weiß schon, dass er die MLPD meint. Nur darf er das gar nicht schreiben, weil er sonst vielleicht seinen Job verliert. Ehrliche Journalisten bürgerlicher Blätter haben in der Parteizentrale der MLPD in Gelsenkirchen mal ihre Arbeitsverträge gezeigt. Darin stand mehr als deutlich, dass sie über alles berichten dürfen und auch mal etwas kritischer werden können. Aber über die MLPD dürfen sie nicht schreiben, sonst gibt es Abmahnung und Kündigung.

So viel als kleiner Exkurs zur Pressefreiheit in der hochgelobten „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“! Dieser Seitenhieb zeigt die Sorge von Herrn Wagner, dass sich immer weniger Leute von den bürgerlichen Parteien oder der „Linken“ in systemkonformen Bahnen halten lassen, sondern zusammen mit der MLPD den Weg der Selbstbefreiung gehen und diese ganze Mischpoke – ihn eingeschlossen – wegjagen und entmachten.

Meine Partei, die MLPD, fordert schon seit ihrer Gründung vor 25 Jahren die Abschaffung der staatlichen Parteienförderung. Wir sind der Meinung, dass sich jede Partei nur durch Mitgliedsbeiträge und Spenden finanzieren darf. Wir können stolz sagen, dass es bei der MLPD gut funktioniert. Wir mussten uns nie von irgendwem abhängig machen! Die bürgerlichen Parteien mit ihren aufgeblähten Funktionärsapparaten würden sich schön umgucken!

Aber es gibt ja großzügige Spender von den Großkonzernen. Dummerweise würden die Massen nur umso schneller durchschauen, in wessen Sold die Monopolpolitiker stehen und für welche Klasse sie eigentlich Politik auf dem Rücken des Volkes machen! Dieser Blick hinter die Kulissen der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ soll die staatliche Parteienförderung erschweren. Neue Politiker braucht das Land! Nieder mit diesen Selbstbedienungspolitikern! Wir sind das Volk!

Matthias Feilke (MLPD)
 
Keiner will’s gewesen sein: Selbstbedienungs-Offensive stirbt
schnellen Tod nach heftigen Protesten („Spiegel-Online“)

 

Eine Bitte um Abfuhr

Warum hat Bremen beim Bundesverfassungsgericht den Antrag auf finanzielle Unterstützung durch die anderen Bundesländer gestellt? Damit sie dort mal richtig was zum Lachen haben! Und weil die Bremer Politiker es schriftlich haben wollen, dass sie unfähig sind.

Gerade hat Bürgermeister Böhrnsen das gesamte Personal im Rathaus gegen Parteigenossinnen und -genossen ausgewechselt, die noch nicht in den Genuss eines Daueranspruchs staatlicher Gelder gekommen sind. Damit hat er auf einen Streich erreicht, dass die jetzt tätigen und die früheren – nun untätigen – Mitarbeiter bezahlt werden müssen. Es muss also zweimal viel Geld ausgegeben werden! Natürlich aus Steuergeldern, wovon denn sonst?

Gudrun BinderDas macht sich richtig gut in Verbindung mit einer Verfassungsklage um einen finanziellen Ausgleich auf Kosten der Allgemeinheit und schafft Vertrauen in die weitere Ausgabenpolitik.

Als Entschädigung – damit sie nicht leer ausgehen – und als stillschweigende Zustimmung zu diesem Kabinettstück waren die Grünen „gezwungen“, einen neuen zusätzlichen Staatsrat aus ihren Reihen einzustellen. Dadurch werden sich die laufenden Kosten noch einmal deutlich erhöhen! Auch der wird selbstverständlich aus Steuergeldern finanziert, wovon denn sonst?

Frau könnte glauben, Herr Böhrnsen denkt, das Bundesverfassungsgericht lebt nicht auf diesem Stern und wird keine Zusammenhänge zu dieser offensichtlichen Misswirtschaft herstellen.

Das Bundesverfassungsgericht wird denken – hofft er wohl –, dass Bremen wirklich arm dran ist, wenn es hört, dass Bremen noch nicht einmal 200.000 Euro für die Erstausstattung der Schulanfänger(innen) aufbringen kann, die als „Kinder armer Eltern“ in der ehrwürdigen Freien Hansestadt und in Bremerhaven leben. Denn das würde Bürgermeister Böhrnsen ohne zu zögern veranlassen, hätte er nur das nötige Kleingeld.

Hat er doch selbst die Parole ausgegeben, dass den armen Kindern dieses Bundeslandes vorrangig und ohne Rücksicht auf andere Haushaltsausgaben geholfen werden muss. Selbst wenn dadurch zum Beispiel der unsinnige und überflüssige Umbau der Schwachhauser Heerstraße und die zweifelhafte Abholzung der Bäume unmöglich geworden wäre.

200.000 Euro jährlich kostet locker der Austausch der Rathausmitarbeiter(innen) – und Herr Böhrnsen kann das Geld nur einmal ausgeben. Also hat er sich für die finanzielle Sicherung dieser unterstützungswürdigen Gruppe entschieden.

Außerdem muss auch noch Geld übrig bleiben für unseren allseits unterschätzten Herrn Weber, der so gerne sein Büro personell aufstocken möchte. Und irgendwann, irgendwie, irgendwo wird er wieder versuchen, seine ehemalige Kollegin Röpke unterzubringen, damit auch sie finanziell abgesichert ist!

Da bleibt auch kein Geld mehr übrig für die seit Oktober letzten Jahres fest zugesicherten zusätzlichen und äußerst dringend benötigten Mitarbeiter(innen) im Sozialressort und im Ausländeramt.

Wenn frau also sieht, mit welchen zusätzlichen, gewollten und selbst konstruierten unverantwortlichen Ausgaben sich Herr Böhrnsen und seinesgleichen herumschlagen müssen, dann ist es doch leicht verständlich für alle, dass die Freie Hansestadt den Offenbarungseid leisten und betteln muss.

Herr Böhrnsen kann schließlich nichts dafür, dass vor etlichen Jahren der unverständlicherweise in weiten Kreisen immer noch beliebte Henning Scherf zusammen mit Herrn Perschau es fertig gebracht hat, statt einer zugesicherten Verschlankung des Parlaments und des damit verbundenen Stellenabbaues den Staatsapparat unnötig und unverantwortlich zu vergrößern.

Vielleicht meinten sie, dass sie zusätzlich nur noch schlanke Mitarbeiter(innen) einstellen wollten – und das gutgläubige, anscheinend lernresistente Wahlvolk hat sie mal wieder gründlich missverstanden!

Gudrun Binder (wieder parteilos)
 
„Sexy Damen treffen“ bei PDS Bremen: Weder Parteikasse noch fast 600.000 Euro Fraktionsgelder reichen zur Sicherung der Namensrechte („Web Archive“)

 

Drei Viertel der Befragten verlangen eine Hartz-IV-Anpassung

Das große RedebuchBeim letzten Mal haben wir das dreijährige Jubiläum der Montagsdemo in Bremen erreicht. Da möchte ich mit einem Hinweis auf die 150. Montagsdemo am 17. September 2007 um 17:30 Uhr hier auf dem Marktplatz gleich ein kleines Fest mit Überraschungen ankündigen. Wenn Ihnen etwas einfällt, womit Sie diese 150 Male Montagsdemo anerkennen oder kommentieren wollen, dann kommen Sie her!

Nicht nur wir feiern unsere Aktivitäten, auch Medien und Politik ziehen Bilanz. So hat das am Freitag veröffentlichte ZDF-Politbarometer in einer repräsentativen Umfrage bei 1.267 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten ermittelt, dass 58 Prozent die Arbeitsmarktreformen nicht gut fänden. Nur 31 Prozent bezeichneten sie als gut. Drei Viertel der Befragten verlangen eine Anpassung der Hartz-IV-Bezüge, die sich an den Lebenshaltungskosten orientiert, 78 Prozent treten für einen gesetzlichen Mindestlohn für alle Branchen ein.

Nach offiziellen Angaben sind inzwischen 7,4 Millionen Menschen auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen – jeder neunte Bürger unter 65. Das sind rund 1,3 Millionen Hilfeempfänger mehr als beim Inkrafttreten von Hartz IV im Januar 2005. Zum Beginn des neuen Schuljahres fehlt in vielen von Hartz IV betroffenen Familien das Geld für notwendige Schulsachen. Die Ausgaben für Tornister, Turnbeutel, Füller, Hefte und Stifte zur Einschulung summieren sich schnell auf einen dreistelligen Betrag. In der amtlichen Bedarfsaufstellung, die den Hartz-IV-Regelleistungen zugrunde liegt, sind aber überhaupt keine Kosten für die Schule vorgesehen.

Mit der Einführung von Hartz IV ist der Regelsatz für Schulkinder auf den Betrag für Säuglinge und Kleinkinder abgesenkt worden, ein Verlust von 23 Euro monatlich gegenüber der alten Sozialhilfe. In einigen Städten konnten durch Aktionen von Erwerbsloseninitiativen Teilerfolge erzielt und zusätzliche Leistungen für Hartz-IV-Kinder zum Schuljahresbeginn durchgesetzt werden. So erstattet die Stadt Oldenburg Ausgaben für Schulsachen in Höhe von 50 Euro pro Kind und Schulhalbjahr. Die Stadt Göttingen gewährt Kindern, die im Sommer eingeschult werden, erstmals einen Zuschuss von maximal 80 Euro.

An der Einschätzung von „Hartz IV“ in der Bevölkerung hat die systematische Aufklärungsarbeit auf den Straßen in den Städten der bundesweiten Montagsdemonstrationen erheblichen Anteil. Was die Montagsdemos über die Folgen vorhergesagt und die Bundesregierungen immer bestritten haben, ist unübersehbar: Verarmung der Arbeitslosen und Lohndrückerei gegen die arbeitenden Menschen. Deshalb ist auch ihre Forderung „Weg mit Hartz IV!“ heute genauso richtig wie zu Anfang.

Abstimmungen und öffentliche Meinungsstatistiken werden an der Abwärtsspirale nach unten nichts ändern. Der Widerstand gegen die Hartz-Gesetze und die menschenfeindliche Politik der Bundesregierung muss zur Tat und auch organisiert werden. Um die Kräfte dafür zu sammeln, ruft die bundesweite Montagsdemo-Bewegung wieder zur gemeinsamen Demonstration am 13. Oktober 2007 in Berlin auf.

Jobst Roselius

 

Fünf Jahre Hartz-Konzept

Elisabeth Graf1. Wir haben fünf Jahre der Existenz des menschenverachtenden Hartz IV zu beklagen. Vor einer Woche hat der Chef der Bundesagentur, Frank-Jürgen Weise, allen Ernstes die Hartz-Ge­setze als „erfolgreich“ gelobt. Am 16. August 2002 hatte die Kommission für „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“, die unter der Leitung von Peter Hartz tagte, ihren Bericht im Berliner Dom der Öffentlichkeit vorgestellt. Erklärtes Ziel der Hartz-Kommission waren Vorschläge für eine Reform der Arbeitsmarktpolitik. Im politischen Prozess wurden die Ergebnisse als Vorschläge zum Abbau der Arbeitslosigkeit um bis zu zwei Millionen verkauft.

Schon aufgrund des sehr viel beschränkteren Auftrags an die Kommission waren die Vorschläge überhaupt nicht geeignet, ein derartig ehrgeiziges Ziel anzugehen. Die gesamtwirtschaftlichen Aspekte der Arbeitslosigkeit, etwa die Nachfrage nach Arbeitskräften oder wie das Wirtschaftswachstum gesteigert werden kann, hatte die Kommission überhaupt nicht bedacht. Frank-Jürgen Weise leidet offensichtlich an Realitätsverlust oder betrachtet die Folgen der sogenannten Hartz-Reformen durch eine neoliberal gefärbte Brille – ganz im Sinne der Arbeitgeberverbände.

Tatsächlich ist alles eingetreten, wovor Sozialverbände, Gewerkschaften und Erwerbsloseninitiativen gewarnt haben: Zunahme der Zahl der Langzeitarbeitslosen, exorbitantes Auseinanderklaffen der sozialen Schere, jährliche Zunahme der Kinderarmut, sprunghafter Anstieg der Privatinsolvenzen, Abbau von Arbeitnehmerrechten, Angst um den Arbeitsplatz. Immer mehr Menschen können von ihrer Arbeit nicht leben, weil immer mehr Arbeitgeber nur noch Hungerlöhne zahlen. Die aktuelle Debatte um eine Regelsatzerhöhung und die Ernährungsstudie zeigen nur zu deutlich, welche Armut in unserem Land bei den Betroffenen herrscht.

Auf der anderen Seite wird für Hartz-IV-Empfänger nichts getan. Man sitzt das Problem aus, bis es der „demografische Faktor“ gerichtet hat. Aber es ging ja auch nie wirklich um Erwerbslose, sondern einzig darum, dass man die Löhne absenkt und soziale Rechte abbaut. Gleichzeitig wurde eine Repressionsmaschine und Diffamierungskampagne gegen Erwerbslose losgetreten. Bestes Beispiel war der damalige Bundesarbeits- und Wirtschaftminister Wolfgang Clement mit seinen „Parasitenvorwürfen“. Es muss einen nicht wundern, wenn Clement heute im Aufsichtsrat einer der größten Leiharbeiterfirmen sitzt, die Hungerlöhne zahlen.

Die Instrumente von Hartz I bis IV – ob Minijobs, Job-Floater, Personal-Ser­vice-Agenturen, Ich-AGs, private Arbeitsvermittlungen, „Fördern und Fordern“ oder Arbeitsgemeinschaften – haben sich alle als Flops erwiesen. Somit gehören die Hartz-Gesetze ausnahmslos abgeschafft und müssen durch eine wirkliche soziale Reform ersetzt werden! Auch die Führungsetage der Bundesagentur für Arbeit muss zwingend ausgetauscht werden, um überhaupt mal wieder den sozialpolitischen Auftrag dieser Behörde umsetzen zu können und somit von der Verfolgungsbetreuung Abstand zu gewinnen!

 

2. Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert ebenfalls Korrekturen an den Hartz-Gesetzen. Die Regelungen führten zu erheblichen Verwerfungen am Arbeitsmarkt und erhöhten das Verarmungsrisiko Arbeitsloser. Von den Gesetzen profitierten vor allem Kurzzeitarbeitslose, Arbeitslosengeld-II-Empfänger dagegen viel zu wenig. Der DGB verlangte, ältere Arbeitslose müssten bis zu 24 Monate Arbeitslosengeld I bekommen, um deren Eingliederungschancen zu verbessern.

Bei den Hartz-IV-Regelsätzen sollten zudem kurzfristig Preissteigerungen seit 2005 berücksichtigt werden. Die Zumutbarkeitsregelung müsse entschärft werden, die Arbeitslose zwinge, bis zur Sittenwidrigkeitsgrenze jeden Lohn zu akzeptieren. Darüber hinaus seien eine Qualifizierungsoffensive sowie eine gemeinsame Anlaufstelle für alle Arbeitsuchenden notwendig. Mit Hartz IV und dem ALG II seien Arbeitslose erster und zweiter Klasse geschaffen worden.

Im ersten Halbjahr 2007 beendeten fast 1,9 Millionen Hartz-IV-Empfänger ihre Arbeitslosigkeit, doch fast ebenso viele seien neu zugegangen. Demnach könne eine große Gruppe der Betroffenen den Leistungsbezug immer nur kurzfristig überwinden. Erstaunlicherweise wird hier von einer „verbesserten Betreuung“ der Erwerbslosen gesprochen, die ich als nicht stichhaltiges Gerücht erachte.

 

3. Die anhaltende Kritik an den Hartz-Arbeitsmarktreformen lässt die SPD nicht zur Ruhe kommen. Prominente SPD-Politiker vom linken Flügel äußerten massive Einwände gegen Hartz IV. Es sei eine erschreckende Bilanz, die dieses Gesetz heute zeige, sagte der frühere SPD-Sozialpolitiker Rudolf Dreßler am vergangenen Donnerstag. „Hartz IV hat Deutschland verändert, und zwar negativ“. Die Arbeitsmarkt-Reformen – speziell Hartz IV – beruhten auf einer Reihe von Irrtümern. Die SPD habe ihre soziale Kompetenz verloren und sei nicht zur Korrektur der Irrtümer bereit.

Massive Kritik kam auch vom SPD-Linken Ottmar Schreiner. Er machte Bundesarbeitsminister Franz Müntefering für die Ausdehnung des Niedriglohnsektors in Deutschland mitverantwortlich. Durch die neuen Zumutbarkeitsregeln könnten Arbeitgeber Löhne mit dem Hinweis auf das ergänzende Arbeitslosengeld II drücken. Dafür müsse auch Müntefering geradestehen. Für den Vorsitzenden der Partei „Die Linke“, Oskar Lafontaine, hat Hartz IV zu einer gewaltigen Ausweitung des Niedriglohnsektors in Deutschland geführt. Im „Westdeutschen Rundfunk“ beklagte er, dass dieser Niedriglohnsektor Armut für immer bedeute und dass die Betroffenen später auch keine armutsfeste Rente hätten.

Die Zahl der Kinder aus armen Familien, die vom Arbeitslosengeld II leben müssen, hat nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit im März einen Höchststand erreicht. Insgesamt hätten 1,928 Millionen Kinder bis 15 Jahren Sozialgeld bezogen. Dies sind 44.000 mehr als noch im März vorigen Jahres. „Die versprochene Halbierung der Arbeitslosenzahlen hat Hartz IV nicht bewirkt, dafür erreicht die Kinderarmut neue Rekordwerte“, sagte Diana Golze, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion „Die Linke“. Für Kinder in Deutschland bedeute das weniger Gesundheit und Bildung, aber mehr Ausgrenzung und Armut. Sie prangerte an, dass für Kinder nur ungenügende Regelsatzleistungen für Gesundheit, Ernährung, Schulsachen und Bildung vorgesehen sind und für Sport- und Freizeitkosten nichts übrig sei. Es verwundere nicht, dass sogar UN-Sonderberichterstatter Vernor Muñoz die mangelhafte Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem kritisiert.

Auch der „Deutsche Kinderschutzbund“ wirft der Bundesregierung vor, zu wenig gegen Kinderarmut zu tun. Verbandspräsident Heinz Hilgers bemängelte am Freitag, die Große Koalition habe bisher nichts getan, um die Situation armer Kinder in Deutschland zu verbessern. Er sprach von einem „strukturellen Problem“, weshalb es für die Politik großen Handlungsbedarf gebe. So hätten sich Union und SPD in den Koalitionsvereinbarungen vor zwei Jahren darauf geeinigt, bis 2007 den Kinderzuschlag für Eltern mit geringem Einkommen zu erhöhen. Bisher sei jedoch noch nichts unternommen worden. Hilgers beklagte, dass gerade die Ärmsten der Armen von den Politikern „hinters Licht“ geführt würden.

 

4. Familienministerin Ursula von der Leyen will den Zuschlag für Geringverdiener mit Nachwuchs erweitern. Der sogenannte Kinderzuschlag für Familien mit sehr geringem Einkommen soll künftig viermal so vielen Kindern zugute kommen wie bisher. Der Empfängerkreis solle von jetzt 124.000 auf 530.000 Kinder erweitert werden. Mit dieser Reform, deren Details noch zwischen den Ressorts für Familie und Arbeit abgestimmt werden, will die Bundesregierung die Zahl jener Kinder senken, deren Familien Arbeitslosengeld II und Sozialgeld bekommen.

Den Kinderzuschlag gibt es zwar schon seit 2005, aber die meisten Anträge auf diese Leistung wurden bislang abgelehnt, weil die Voraussetzungen sehr eng gefasst sind. Der Kinderzuschlag in Höhe von maximal 140 Euro pro Kind und Monat wird an die Eltern gezahlt, die zwar ihren eigenen Unterhalt bestreiten können, aber nicht den ihrer Kinder. Laut einer Beispielrechnung aus dem Merkblatt der Familienkasse bekommt ein Ehepaar mit zwei Kindern den Kinderzuschlag nur dann, wenn das Erwerbseinkommen der Eltern über 1.051 Euro liegt, aber auch nicht höher ist als 1.331 Euro netto im Monat. Ist das Arbeitseinkommen geringer, haben die Eltern Anspruch auf aufstockendes Arbeitslosengeld II.

Sehr viel höher als die Zahl der Kinderzuschlagberechtigten ist daher die Zahl der Kinder, die von Sozialgeld leben. Das Sozialgeld wird dem Nachwuchs von Arbeitslosengeld-II-Empfängern gewährt. Dies betrifft auch gering verdienende Erwerbstätige, die ihr Jobeinkommen durch ALG II aufstocken. Derzeit bekommen zwei Millionen Kinder Sozialgeld. Die geplante Erweiterung des Berechtigtenkreises für den Kinderzuschlag würde nach Berechnungen des Bundesfamilieministeriums Gesamtkosten von 572 Millionen Euro im Jahr mit sich bringen. Das sind 572 Millionen, die die Unternehmer zu wenig an Lohn bezahlen.

Ich frage mich, wozu wir schon wieder ein neues Sozialgeld brauchen können sollen! Selbstredend soll dies ausschließlich den „wohlanständigen Armen“ gewährt werden, die einen Hungerlohn in der „richtigen“ Höhe mit nach Hause bringen. Die Mehrheit der armen Kinder geht mal wieder leer aus. Das ist auch eine Form von statistischer Schönfärberei, weil es somit wieder weniger ALG-II-Empfänger geben wird – obwohl man die betroffenen Familien weiterhin mit Steuergeldern unterstützt, die nur einem Topf mit anderem Etikett entnommen werden, aber ebenfalls zuvor vom Steuerzahler gefüllt worden sind!

 

5. SPD-Politiker und Gewerkschaften fordern von der Bundesregierung rasche Entscheidungen zur Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Führende Spezialdemokraten aus den Ländern verlangen von den Koalitionären eine Überarbeitung der Hartz-Reformen. Der DGB drängt auf eine Lösung im Mindestlohnstreit.

Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte derweil am Wochenende klar, dass bei der Kabinettsklausur in Meseberg nicht über eine mögliche Erhöhung der Hartz-IV-Leistungen entschieden werde. Merkel sagte, sie wolle das Thema erst Ende des Jahres klären. Sie unterstützt den Vorschlag des Arbeitsministers, diese Frage auf der Grundlage der dann vorliegenden Daten im November genau anzuschauen und räumte zugleich Meinungsverschiedenheiten mit Ressortchef Franz Müntefering ein, der eine Erhöhung der Regelsätze an die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes knüpft.

Volker Kauder söderte herum, er lehne eine Erhöhung der Regelsätze für Hartz IV ab. Die Summe der Leistungen für Alleinstehende belaufe sich einschließlich der Kosten für Wohnung und Heizung auf rund 840 Euro monatlich. Mancher Alleinstehende in einem „normalen Beruf“ habe auch kaum mehr. Merkt er denn nicht, wie die Reallöhne zu Hungerlöhnen verkommen sind und dass es deswegen zwingend einen Mindestlohn geben muss? Der ideologische Hickhack, ob nun Mindestlohn oder nicht, wird auf unserem Rücken ausgetragen. Wir müssen den Gürtel noch enger schnallen, wenn erst Ende des Jahres darüber entschieden wird. Bis dahin ist längst der nächste Kriegseinsatz am Hindukusch oder anderswo zu bezahlen, und das geht natürlich vor.

 

6. Mit dem Ende der Ferien musste eine Mutter mit Hartz-IV-Leistungen für ihre drei schulpflichtigen Kinder einen Betrag von 563,50 Euro aufbringen, obwohl der Hartz-IV-Regelsatz dafür überhaupt keinen Posten vorsieht. Ein entsprechender Antrag auf Übernahme der Kosten wurde von der zuständigen Arge in Asbach (bei Neuwied) abgelehnt. Der Regelsatz sei abschließend festgelegt und in ihm alle Kosten – auch die für die Schulen – enthalten.

Mündlich wurde der Mutter von einer Sachbearbeiterin der Arge vorgehalten, dass die Regelsatzverordnung monatlich einen Ansparbetrag für Bleistifte und Hefte in Höhe von 1,63 Euro vorsehe und sie diesen hätte ansparen müssen. Zur Verdeutlichung: 1,63 Euro jeweils für drei Kinder ein Jahr angespart ergibt einen Betrag von 58,68. Damit fehlen immer noch knapp 500 Euro.

Die Mutter hatte sich hilfesuchend an das „Erwerbslosenforum Deutschland“ gewandt, weil sie schon jetzt nicht mehr weiß, wie sie ihre Familie für den Rest des Monats überhaupt ernähren soll. Ein krasses Beispiel für die Willkür und völlige Unangemessenheit bei der Festlegung oder „Berechnung“ der Regelsätze! Dies trifft ganz besonders auf die Regelsätze für Kinder und Jugendliche zu. Soll die Mutter vielleicht zehn Jahre sparen, um die Rechnung von heute bezahlen zu können? Was wird aus den anlaufenden Rechnungen der Folgejahre?

Deutlicher kann sich kaum zeigen, wie sehr in Deutschland die Bildungschancen vom Portemonnaie und der Ausbildung der Eltern abhängen! Von wegen „abgehängtes Prekariat“, das ist so gewollt! Genau so werden Menschen in ihren Familien, mit ihren Kindern abgehängt. Empörend! Das „Erwerbslosenforum“ wird heute noch eine einstweilige Anordnung für das Sozialgericht formulieren. Dies hier ist wirklich ein Fall, in dem sofort gehandelt werden muss!

Ich denke an die in doppelter Hinsicht armen Kinder, wie sie in ihren Klassen sitzen und mal wieder damit auffallen, dass sie die Bücher und Materialien nicht haben oder verspätet bekommen werden. Es ist ein unwürdiges, beschämendes Gefühl, sich derart anders, „minderwertig“ fühlen zu müssen, ausgegrenzt eben! Dabei wollen Kinder dazugehören, so sein wie die anderen und nicht immerzu negativ auffallen. Wenn man diesen Einzelfall hochrechnet auf alle Schulanfänger, die Hartz IV beziehen, wird das Ausmaß des Unrechts noch deutlicher. Hartz IV bedeutet ein ständiges Vegetierenmüssen im Minusbereich!

 

7. Während den Erwerbslosen jeder zusätzliche Cent missgönnt wird, wollen die Parteien die Gunst der Großen Koalition nutzen, um ihre Finanzprobleme mit einer drastischen Erhöhung der staatlichen Zuschüsse zu lösen. In den vergangenen Jahren haben die Parteien Zehntausende Mitglieder verloren und geraten deshalb finanziell immer stärker unter Druck. Wenn Politiker mit einer schreienden Ungerechtigkeit nach der anderen von einem Fettnäpfchen zum nächsten springen, dann dürfen sie sich nicht darüber wundern, dass die frustrierten Wähler reihenweise aus den großen Parteien austreten.

Wenn es beim Wundern bliebe, ginge es ja noch. Aber nein, sie werden doch glatt immer dreister und wollen nun einen finanziellen Ausgleich für den Mitgliederschwund haben! Erst Mist bauen und sich dann beim Opfer bereichern, wo sind wir denn jetzt angekommen? SPD-Innenexperte Wiefelspütz verteidigte die Pläne und sagte, es gebe keinen Grund zur Aufregung, denn alles in allem handle es sich um eine Anpassung „mit Augenmaß“, und von „Selbstbedienung“ könne keine Rede sein. Schließlich hätten die Parteien eine wichtige Funktion im demokratischen Rechtsstaat. Wenn das so ist, bestehe ich darauf, dass wir uns den Regelsatz auch nach Augenmaß erhöhen dürfen! Aber dann würde uns natürlich vorgeworfen, wir besäßen keines.

 

8. Die Anekdote zum Schluss: Letzte Woche Donnerstag wurde in Köln-Mülheim der Parkplatz der Arge mit einer dicken Eisenkette abgesperrt, damit die Sozial­schnüffler an diesem Tag keine Arbeitslosen bespitzeln konnten. Auf dem Schild an der Kette stand: „Arge-Außendienst: Wir müssen leider drinnen bleiben!“

Sie haben noch nie davon gehört, dass es Sozialschnüffler in Mülheim gibt? Es gibt sie – und sie haben ihre Büros im ersten Stockwerk der Arge bezogen. Sie nennen sich konspirativ „Bedarfsfeststellungs“- oder „Außendienst“. Sie wissen nicht, was ein Sozialschnüffler ist? Er und auch sie durchsuchen die Wohnungen von armen Leuten und Erwerbslosen. Sie schnüffeln durch Küche, Bad und Schlafzimmer. Sie klingeln bei den Nachbarn und forschen nach, ob ihr Opfer Freunde bei sich wohnen lässt oder heimlich ein paar Stunden putzen geht. Sozialschnüffler bespitzeln arme Leute und gucken, was bei ihnen noch zu holen ist. Vielleicht findet sich eine Mitbewohnerin, die dem arbeitslosen Freund künftig den Unterhalt zu zahlen hat, sodass die Arge Geld sparen kann. Vielleicht findet sich ein Nachbar, der verrät, wo die Arbeitslose für ein paar Euro putzen geht.

Markus Galle, Koordinator der Sozialschnüffler, hat vor ein paar Monaten von ein paar Dutzend Leuten in seinem Hause in Porz in der Rathausstraße 2a Besuch bekommen. Ganz unerwartet klingelte es morgens früh an seiner Tür. „Erwerbslosen-Ermittlungsdienst, Abteilung Notwehr“, rief der Besuch. Er wollte, dass Herr Galle die Tür aufmacht, und gucken, mit wem er unter einer Bettdecke liegt. Doch keinen Mucks hat Herr Galle von sich gegeben und die Tür erst geöffnet, als die Polizei da war.

Seitdem hat der Herr Galle Angst und traut sich nicht mehr, seinen hellblauen Toyota Corolla mit dem Kennzeichen K-HK 2146 vor der Haustür stehen zu lassen. Stattdessen parkt er ihn jetzt in der Tiefgarage des Porzer Rathauses, damit er keine Kratzer kriegt. Kratzer hat Herrn Galles Image bei Nachbarn und auch Freunden längst bekommen. Ob so ein Schnüffler nicht auch die kleinen Missetaten seiner Bekannten verrät?

Auch bei der Arge haben sich die Kollegen gefragt, ob Schnüffeldienste, die bei kleinen Leuten spitzeln gehen, wirklich rechtens sind. Leider sind sie das. Und da Gesetz und Justiz auf der Seite von Sozialschnüfflern und Sozialgeldräubern sind, bleibt nichts anderes übrig, als selbst aktiv zu werden. In Notwehr haben Leute um 9:30 Uhr den Parkplatz der Arge mit einer dicken Eisenkette abgesperrt, damit die Sozialschnüffler nicht ausrücken können, um Arbeitslose zu bespitzeln. Eine nette Form von zivilem Ungehorsam, oder?

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend)
 
Drei Stelen aufgestellt: Die Bremer wollen nicht, dass Kevins
Schicksal in Vergessenheit gerät („Weser-Kurier“)

 

Schon wieder eine rot-grüne Enttäuschung

Die geringe Anhebung der Mietobergrenzen, die zwar viele Menschen vor den bösen Briefen der Bagis bewahren wird, ist im Grunde auch nur eine Mogelpackung. Sie deckt oft nicht einmal die gestiegenen Nebenkosten! Außerdem müssen dann immer noch – laut „Weser-Kurier“ vom 18. August – 4.600 „Bedarfsgemeinschaften“ zwangsumziehen. Das sind 4.600 zu viel! Die neue Koalition hat ihr Wahlversprechen gebrochen, eine Erfahrung, die bei „rot-grünen“ Regierungen leider nicht neu ist.

Wieland von HodenbergSPD-Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter zeigt ihren Familiensinn mit einem Paradebeispiel für besondere Kinderfreundlichkeit: Für knapp 2.000 größere „Bedarfsgemeinschaften“ – und hier klingt dieser Begriff besonders zynisch – werden die Obergrenzen sogar abgesenkt! Eigentlich kein Wunder bei dem Gespann Schuster-Rosenkötter, das ja den Wechsel aus alten Zeiten unbeschadet überstanden hat.

Laut neuestem „Gewos“-Gutachten (ein treffliches Falschwort!) gibt es in Bremen für Hartz-IV-Be­troffene massenhaft preisgünstigen Wohnraum, also alles kein Problem. Sieh mal einer an: Jetzt will uns das Hamburger Institut, berüchtigt für obskure Zahlen, doch tatsächlich fast 100.000 Potemkinsche Wohneinheiten unterjubeln! Das ist reichlich dreist – für wie dämlich halten die uns eigentlich? Viele ahnen es schon und ich auch, dass wir demnächst wohl wieder die Deputationssitzungen im Siemenshochhaus „besuchen“ werden. Im September wäre die nächste Gelegenheit.

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)

 

Was tun, wenn Hartz IV droht?

1. Inzwischen wurde das „Gewos“-Gutachten „Preisgünstiger Wohnraum in Bremen 2006/07“ vorgestellt (auch das alte ist noch bei „Soziales Bremen“ zu finden). „Nur“ noch 4.600 Haushalte sollen umziehen, so der „Weser-Kurier“, 3.200 laut Presseerklärung von Frau Rosenkötter. 4.500 Haushalte wohnen nicht „in einer Villa“! Und nur die überteuert Wohnenden sollten zum Umzug aufgefordert werden.

Dieses Gutachten wurde in der Urlaubszeit vorgestellt. Es ist erst am Montag, dem 13. August 2007, bei Frau Rosenkötter eingegangen. Freitags war die Presse geladen. War es so eilig, weil Karoline Linnert heute aus dem Urlaub zurückkehrt? Ist die Neuregelung daher als Vorschlag deklariert? Im September will Frau Rosenkötter die neue Regelung durch die Sozialdeputation bringen. Wir werden uns dazu einladen oder vorher erscheinen!

Wir kommen wieder und besuchen Sie, Frau Rosenkötter! Wir möchten gerne wissen, wie Sie diese Erkenntnisse umsetzen wollen! Mein Vorschlag lautet nach wie vor: Wer seine Wohnung in gutem Glauben gemietet hat, soll wohnen bleiben können! Sie übernehmen die tatsächlichen Mietkosten als angemessene Kosten der Unterkunft! Nur wenn jemand „in einer Villa“ wohnt, gilt diese Regelung nicht, also bei vielleicht 200 Haushalten! Bei der Neuanmietung wird sich schnell zeigen, ob die neuen Mietobergrenzen ausreichen. Und vor allen Dingen: Weisen Sie die Bagis zu einem fairen Umgang mit den Erwerbslosen an!

Nun zu dem Gutachten als solches. Die Schlussfolgerungen daraus entsprechen nicht den gerichtlich definierten Anforderungen! Entweder hat Frau Rosenkötter danebengegriffen (Doktor Karl Bronke ist in Urlaub), oder das Gutachten gibt diese Fakten nicht her. Eventuell ist auch schon die Aufgabenstellung für dieses Gutachten falsch gewesen. Im November 2006 waren diese Details noch nicht gerichtsrelevant.

Darum, Frau Rosenkötter: Die zwangsweise Durchsetzung von Kostensenkungen für die Unterkunft wird scheitern. Schauen Sie doch auf die Heizkosten! Die Pauschalregelung wird von keinem Gericht akzeptiert. Und die neuen Eckpunkte Ihres Entwurfs sind nicht gerichtsfest!

Die bisherigen Briefe sollen ruhen. Sie wurden nicht einmal zurückgenommen! Wer bisher keinen Widerspruch eingeleitet hat, kann dies nachholen. Die vorgeschlagenen Erhöhungen sind die Reaktion auf die falschen Schlussfolgerungen per 1. Januar 2005. Wer bisher einen Eigenanteil zu den Kosten der Unterkunft selbst bezahlt, kann Widerspruch einlegen und die Überprüfung verlangen. Dies gilt auch für Kürzungen aus der Sozialhilfezeit!

Wer aus Kostengründen in eine kleine Wohnung, womöglich ein Kellerloch gezogen ist, sollte den Umzug in eine größere Wohnung beantragen. Dies bedeutet für Alleinstehende über 35, höchstens 50 Quadratmeter Wohnfläche! Wir unterstützen! Wir gehen mit! Und wir sind mit dem Thema „ALG II und Wohnung“ auf dem „Bremer Sozialforum“ vertreten, am 15. September 2007, voraussichtlich um 12 Uhr.

Wer bereits alles für den „freiwilligen Umzug“ geregelt hat, sollte die entsprechenden Anträge jetzt stellen, auch wenn die neue Wohnung noch nicht gefunden wurde. Dies betrifft Umzug, Renovierung, Mietsicherheit, Kosten der Wohnungssuche – insbesondere wenn dieser Umzug bei den neuen Mietobergrenzen gar nicht nötig gewesen wäre!

Wenn eine Bedarfsgemeinschaft mit einem jungen Erwachsenen unter 25 Jahren umziehen muss, kann dieser eine eigene Wohnung mieten, vor allem, wenn es mit den Erwachsenen Knatsch gegeben hat, doch auch so. Aber vorher beantragen und nicht abweisen lassen! Wir gehen mit! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

Am Dienstag, dem 21. August 2007, findet um 19 Uhr der Gesprächskreis „Vorbereitung auf ALG II“ des Vereins „Sozialer Lebensbund“ im „Hibiduri“ in der Thedinghauser Straße 2 statt. Was ist zu veranlassen, wenn ALG II droht? Wie gehe ich damit um? Sicherheit gegenüber dem unbekannten Wesen ALG II ist durch Wissen zu erlangen! Wie bereite ich meinen Besuch bei der Bagis vor, einer Behörde der besonderen Art?

 

2. Die Sozialgerichtsbarkeit soll gestutzt, das Klagen von Hartz-IV-Empfängern erschwert und die Klärung auf die Widerspruchsstellen der Argen verlagert werden. Dies ist wahrlich eines Rechtsstaates unwürdig! Ich gehe davon aus, dass diese Änderung keinen Erfolg hat: Wie soll dann Rechtszufriedenheit geschaffen werden? Gerade die Neuregelung bei den Widersprüchen schafft auch mehr Klageverfahren!

In Frankreich war und ist nachzuempfinden, wie sich Hoffnungslosigkeit auswirkt. In Berlin regiert ebenfalls der Frust! Doch Autos anzünden und Flusssäure verspritzen ist keine Lösung, es gefährdet die anderen Mitbürger! Die Argen dürfen nur auf Anordnung die Rechtsprechung bei den eigenen Entscheidungen berücksichtigen, jeder muss erneut sein Recht erstreiten. Ausgerechnet diese Argen sollen die richterliche Unterstützung ersetzen! Wir sind am 13. Oktober 2007 in Berlin, und dies ist ein Grund mehr für unsere Demonstration! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

 

Hans-Dieter Binder3. Mir fehlen die Zeitungsberichte von den Ber­telsmann-Veranstaltungen. Alle Parteien sind vertreten, und es wird richtungweisend vorgetragen. Bertelsmann ist dabei, die politische Lufthoheit zu erlangen – und die wirtschaftliche dazu. Bertelsmann verteilt Zensuren, wie gerade heute im „Weser-Kurier“. Die Stiftung verdient an dem Fragebogen zur Optimierung des Bearbeitungsablaufs im Finanzamt. Bertelsmann verwaltet in Großbritannien eine Kleinstadt und hat dort alle hoheitlichen Befugnisse!

Die AG „Du bist Bertelsmann Bremen/Hamburg“ lädt ein zur Diskussionsveranstaltung „Voraussetzungen und Möglichkeiten von sozialem Widerstand gegen die Bertelsmannisierung“ am Donnerstag, dem 23. August 2007, um 20 Uhr im „Kurzschluss“, Lahnstraße 16.

In der Ankündigung heißt es: „Seit Jahren ist unsere Gesellschaft einem tiefgreifenden neoliberalen Umbau ausgesetzt, der eine erhebliche Verschlechterung der Lebensbedingungen für die Menschen mit sich bringt. Dieser Prozess wird zwar nicht von einer „Machtzentrale“ vorangetrieben, sondern entsteht im Zusammenspiel von vielen wirtschaftlichen und politischen Akteuren. Einige verfügen dabei über ein besonderes Maß an Einfluss auf alle Ebenen der Politik. Einer der bedeutendsten davon in Deutschland (und zunehmend auch international) ist die Bertelsmann-Stiftung.

Wie neoliberaler Umbau unter maßgeblicher Beteiligung der Bertelsmann-Stiftung vorangetrieben wird, wie hier politische Einflussnahme vorgenommen wird und wie dies zu einer Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Berufstätigen, Erwerbslosen, Schüler(inne)n, Studierenden und Kranken führt, soll an den Beispielen Schule, Universität und Gesundheitsbereich aufgezeigt werden. Daran anschließend sollen mögliche Widerstandsperspektiven diskutiert werden.“

Bertelsmann hat festgestellt: Bremen ist bei den Einkommen im grünen Bereich! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

 

4. Da nützt die Linkspartei nichts, das geht nur mit der SPD, so die Meinung von Ottmar Schreiner, Bundesvorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen“ der SPD. Herr Schreiner, ich wäre mir da nicht so sicher! Wenn die SPD sich solche Schweinereien wie die Bremer Zwangsumzüge leistet, ist diese SPD plötzlich überflüssig!

Wir haben mit dem Abgesandten der SPD und der Sozialsenatorin diskutiert und nur immer „kein Geld“ als Gegenargument gehört. Die SPD hat bei diesem Gespräch ein langjähriges Mitglied verloren, es ist spontan nach über 40 Jahren ausgetreten! Das hat diesen Politiker aber nicht interessiert. In Bremen ist das nicht der einzige Austritt aus diesem Grund!

Herr Böhrnsen hat die Selbständigkeit Bremens verteidigt: Hiervon profitiere jede Bürgerin und jeder Bürger dieses Bundeslandes, weil der Senat so direkt Einfluss auf die Bundesgesetzgebung nehmen könne, etwa wenn es um Verbesserungen bei Hartz IV gehe. Herr Böhrnsen! Die Mietobergrenzen können von Bremen festgelegt werden, ganz eigenverantwortlich! Und was ist passiert? Bremen wollte über 10.000 Haushalte umziehen lassen beziehungsweise Kürzungen von durchschnittlich rund 130 Euro pro Haushalt durchsetzen! Aktuell will Bremen noch 4.600 Haushalte entwurzeln oder abkassieren. Die wirkliche Zahl liegt noch höher! Hier entscheidet sich Bremen bewusst gegen die Erwerbslosen!

Die SPD in Bremen mit Böhrnsen an der Spitze hat im letztem Wahlkampf den Mindestlohn entdeckt. ALG-II-Betroffene müssen auch in Bremen Tariflohnunterschreitungen von bis zu 30 Prozent hinnehmen (siehe Vorwoche). Bremen kann der Bagis per Anweisung die Zumutbarkeitsregelung ändern und damit jede Tariflohnunterschreitung für Erwerbslose verhindern. Dies wären Bremer Entscheidungen zugunsten der Ärmsten!

So liegt der Vorteil der Eigenständigkeit Bremens bei den Pfeffersäcken. Die Krötenwanderung für die vielen Pflasterarbeiten hat deutliche Spuren hinterlassen! Herr Böhrnsen, bereits Ihre Vorgänger haben die Eigenständigkeit Bremens verzockt! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

 

5. Elterngeld, das bedeutet: eine neue Behörde. Dort gibt es jetzt auch Sachbearbeiter(innen) mit Namen, nicht nur Nummern. Außerhalb der Sprechzeiten ist diese Behörde jedoch nicht einmal per Fax zu erreichen (siehe Vorwoche). Ich hoffe ich auf die weitere Lernfähigkeit dieser neuen Behörde!

Im „Weser-Kurier“ stand am 16. August 2007: „Elterngeld-Nachfrage gestiegen“. Das ist logisch, denn das Erziehungsgeld wurde gestrichen, Elterngeld ist der abgemagerte Nachfolger. Nach den Zahlen aller Bundesländer wird in über 50 Prozent aller Fälle nur der Mindestbetrag vom 300 Euro pro Monat ausgezahlt. Dies bedeutet, der Antragsteller ist erwerbslos oder prekär beschäftigt – und somit eine weitere Zunahme der Kinderarmut! Ein schwacher Trost: auch das Elterngeld wird beim ALG II nicht angerechnet.

Aus leidvoller Erfahrung hier nochmals der Hinweis: Wer ein Kind erzieht, muss dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, bis das Kind drei Jahre alt ist! Welches Elternteil das Kind erzieht, entscheiden allein die Eltern. Eine Aufforderung der Bagis, den Erziehungsurlaub abzubrechen und dem erwerslsosen Vater die Erziehung zu übertragen, weil die Frau schließlich eine Arbeitsstelle habe, jedoch nicht hingehe, ist unrechtmäßig! Ein einfacher Widerspruch reicht. Wir gehen mit!

Jetzt gibt es einen Inflationsausgleich von 5,9 Prozent – nein, nicht für Hartz-IV-Betroffene, nur für die Parteien. Als Selbstläufer wurde eine entsprechende gesetzliche Regelung geschaffen. Ich kann nur empfehlen, hiervon keinen Gebrauch zu machen oder den ALG-II-Regelsatz um mindestens 140 Euro in jeder Leistungsgruppe anzuheben, somit auch um 140 Euro je Kind und Monat! Damit ist der geplante Ausbau des Kinderzuschlags überflüssig, ganz ohne zusätzliche Behörde.

Doch wer einen Kinderzuschlag erhält, erscheint nicht in der Arbeitslosenstatistik. Dies ist der Regierung Mehrausgaben von ein paar Euro wert, aber mit Logik hat dies alles nichts zu tun, nur mit Verschleierung, wie die gesamte Statistik! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)

 

Solidarität mit der
kurdischen Gemeinschaft

Wir verurteilen die Bombenattentate von Sengal und die Militäroperationen der iranischen und türkischen Regierungen in Südkurdistan und dem Nordirak. Wir fordern die Aufhebung der Todesurteile gegen die beiden kurdischen Journalisten im Iran und die Gewährung der demokratischen Rechte für die kurdische Gemeinschaft in Deutschland!

Im Namen der bundesweiten Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migrant(inn)en geben wir der kurdischen Gemeinschaft unsere tiefe Solidarität und den Familien der Opfer unser Mitgefühl. Wir verurteilen die terroristischen menschenverachtenden Bombenattentate in Sengal in Südkurdistan auf das Schärfste. Die blutrünstigen Anschläge auf die kurdische Gemeinschaft der Jesiden reihen sich ein in eine Politik der ethnischen Säuberung und Vernichtung, die von den reaktionären Regimes in der Region seit langer Zeit verfolgt wird und der unzählige Menschen zum Opfer gefallen sind. Diese Politik wird von den westlichen Regierungen unterstützt und die Informationen darüber in ihren Medien totgeschwiegen.

Unsere Solidarität ist mit der kurdischen Gemeinschaft, die in vier Länder gezwungen und von allen Seiten, auch in der Diaspora, Angriffen ausgesetzt ist. Jüngste Beispiele für die Vernichtungspolitik sind die türkisch-iranischen Militäroperationen und Luftangriffe gegen die kurdische Bevölkerung sowie die Todesurteile gegen zwei iranische Kurden. Die beiden Journalisten wurden wegen der Thematisierung der kurdischen Frage als „Gottesfeinde“ verurteilt. Wir rufen alle auf, die Initiativen für die Aufhebung der Urteile zu unterstützen!

Unsere Solidarität ist mit der kurdischen Gemeinschaft. Dies auch und gerade hier in Deutschland, wo der Staat offen seine Kollaboration mit der türkischen Reaktion in der Unterdrückung der demokratischen kurdischen Bewegung zeigt. Mit antidemokratischen und rassistischen Sondergesetzen werden unzählige Angriffe auf die kurdische Gemeinschaft ausgeführt. Die Organisationsverbote sowie die Auslieferung und die Abschiebung von Kurdinnen und Kurden in die Hände ihrer Verfolger sind neben der militärischen und rüstungstechnischen Unterstützung die größte Hilfe des deutschen Staates für die Vernichtungspolitik gegen die kurdische Gemeinschaft.

Die westliche Unterstützung faschistischer und diktatorischer Regimes ist kein Phänomen im Mittleren Osten. In der „Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migrant(inn)en“ befinden sich zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten, die in ihren Heimatländern die gleichen Erfahrungen gemacht haben. Wir drücken dies in dem Slogan „Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört“ aus und rufen zu internationaler Solidarität gegen Abschiebung auf.

Heute stehen wir an der Seite der angegriffenen kurdischen Gemeinschaft und rufen alle Flüchtlinge und Migrant(inn)en und alle, die ihr koloniales Erbe und das herrschende neokoloniale System tatsächlich überwinden wollen, zu Solidarität und zum kollektiven Kampf zur Verteidigung unserer Rechte auf. Wir rufen alle auf, die Kurdinnen und Kurden bei ihren Aktionen hier in Deutschland zu unterstützen und ihnen den notwendigen Rückhalt zu geben.

Wir verlangen von den deutschen Behörden die Einstellung der Verfolgung und Kriminalisierung der Kurdinnen und Kurden. Wir fordern alle auf, die Informationen über die Angriffe im Nahen Osten gegen die Kurdinnen und Kurden zu veröffentlichen und die Unterstützung für die diktatorischen Regimes in der Türkei, dem Iran, in Syrien und Irak zu beenden. Wir fordern alle auf, den Spaltungsversuchen der Herrschenden entlang ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit mit der Kraft der Einheit zu antworten!

Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migrant(inn)en

 

Auftritt des Sängerduos 'Zartbitter' bei der Montagsdemo

 

Nein zur Parteienfinanzierung der abgehobenen Berliner „Fettaugen“

Solidarität mit der Trauer der Jesiden nach dem Massaker im Irak

'Zartbitter'Die 146. Montagsdemo um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz in Bremen hatte einen anderen Verlauf als sonst. Eine Dreiviertelstunde konnten wir unsere Kundgebung, bei ungefähr 50 Zuhörern, mit einigen Redebeiträge besonders zur geplanten Parteifinanzierungserhöhung durch die abgewirtschafteten Berliner Großparteien durchführen, zum Schluss mit Liedern des Sängerduos „Zartbitter“ (Foto links: bei unserem Sommerfest). Dann kam ein Trauerprotestzug der Jesiden mit circa 600 Teilnehmern auf den Marktplatz.

Wir hatten kurz vorher von dieser Demonstration Nachricht erhalten und uns entschlossen, der Kundgebung beizuwohnen. Wir wollten unsere Solidarität mit den Opfern des Massakers unter den Jesiden im Irak bekunden. Begleitet war deren Demonstration von Vertretern der „Linken“ und Grünen. Es war uns aber nicht möglich, aktiver daran teilzunehmen. Als Zuhörer beendeten wir die Montagsdemo dann zeitgleich mit der Jesiden-Kundgebung. Ein Mangel war, dass wir keinen direkten Kontakt zu deren Leitung herstellen konnten.

Wir bedauerten auch, dass die überwiegende Zahl der Beiträge nur in kurdischer Sprache gehalten wurde. Beiträge auf Deutsch waren nur kurz und zu wenig, sodass es bei der oft kritisierten Abgrenzung der Demonstranten blieb. Die Beiträge der „Linken“ und Grünen forderten die Ächtung solcher grausamen Massaker und Anschläge, die Aufklärung der Hintergründe und Strafe für die Täter. Die USA als Verursacher des Krieges im Irak mit all seinen Folgen und dem Anstiften von neuem Hass unter den verschiedenen nationalen Minderheiten und Religionen wurden aber von beiden Parteien nicht kritisiert.

Jobst Roselius für die „Bundesweite Montagsdemo
 
Heikel: Wie Machthaber Demonstranten kleinhalten („Spiegel-Online“)
 
Bundesweite Struktur unbedingt vermeiden“: Vor drei Jahren beschlossen
PDS und „Attac“ das Ende der Montagsdemo („KoKreis“-Protokoll)
 
Montagsdemo in Köln: Professorin Helga Spindler entlarvt Verarmung als
politisches Ziel von Rot-Grün-Schwarz-Gelb („Neue Rheinische Zeitung“)
 
Gesundschrumpfung: Große Koalition in Sachsen kommt bei „Sonntagsfrage“
nur noch auf 47 Prozent („Spiegel-Online“)
 
Abgemahnt: Internet-Portal soll nicht mehr über
„GEZ-Gebühren“ informieren dürfen („Spiegel-Online“)
 
„Steht dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung“: Agentur Darmstadt
stellt Zahlung an Schwangere ein („Frankfurter Rundschau“)
 
Käfighaltung: Einer geht noch, einer passt noch rein („Stern“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz