145. Bremer Montagsdemo
am 13. 08. 2007  I◄◄  ►►I

 

Das geht doch
auf keine Kuhhaut mehr

Ursula GatzkeWas Bauernpräsident Gerd Sonnleitner und seine Helfer uns da alles einbrocken wollen! Aber vielleicht zieht auch nicht er die Fäden, sondern muss sie ziehen, wer weiß das schon? Immer steigt mir die Wut in den Kopf, wenn ich höre: „Wir werden uns schon daran gewöhnen müssen.“ Es reicht! Stoppt den Wahnsinn!

Ulla Schmidts Gesundheitsreform: Gesundheitsabzocke passt besser! Der Euro, der unser Geld „nur“ halbiert hat! Kanzlerin Merkel: die Mehrwertsteuer auf 19 Prozent hochgeschraubt! Keine Rentenerhöhungen, seit Jahren nicht einmal den Inflationsausgleich für die Rentner! Kinder gehen hungrig zur Schule! Hartz-IV-Menschen leben mit den Fäusten in den Taschen! Aber wir hören und lesen immer wieder, „wir werden uns schon daran gewöhnen müssen!“ Auch dass die Armen- und Reichenschere immer weiter auseinandergehen wird! Wo soll das hin? Wo soll das enden?

An hohen Lebensmittelpreisen gehe ich schon lange vorbei. Früher hatte ich Hunger im Laden bekommen, heute gehe ich hungrig rein und werde vom Preise anschauen satt! Und übrigens, die Qualität von Milch oder Fleisch wird ja nicht besser. Ich zahle für die gleiche Ware vom gleichen Hersteller jede Menge mehr Euro, aber ich kriege nicht mehr Euro rein! Also lasse ich mehr Ware links liegen und kaufe demnächst noch kritischer ein!

Eine „Tsunami-Preiswelle“ wurde mit dem Euro ausgelöst und rollt gerade stärker über Deutschland, nur weil wir von zu vielen arroganten, dummen und rücksichtslosen Menschen regiert werden. So geht nicht nur Deutschland vor die Hunde, sondern auch die Welt bald zu Grunde!

Ursula Gatzke (parteilos)

 

Wir wollen den Mindestlohn nicht zum Wahlkampf, sondern jetzt!

Info-MichelWas ist der Unterschied zwischen Staat und Wirtschaft? Es gibt keinen: Beide denken nur an das Geld und nicht an die Menschen. Anders kann man das ganze Drama nicht mehr erklären! Die Wirtschaft schafft keine Arbeitsplätze mehr, zahlt schlechte Löhne, der Staat schaut tatenlos zu, muss aber zahlen, weil die Wirtschaft sich beklagt, das Sozialsystem sei zu teuer.

Ist es nicht so, dass wir uns einen Sozialstaat aufgebaut haben, damit wir Menschen einen Schutz haben? Dieser wird nun jedoch immer mehr demontiert, von denen, die sich aus der Solidargemeinschaft entfernen, statt Arbeitsplätze zu schaffen. Sie brauchen es auch nicht, denn das regelt ja der Markt, und die Politik sagt: Wir können nur die Rahmenbedingungen schaffen. Auch die Wirtschaft wartet und wartet. Nein, so geht es nicht!

Es grenzt an Unverschämtheit, was sie da mit uns Menschen anstellen! Hat denn die Wirtschaft nicht schon genug bekommen? Steuergeschenke, Kündigungsschutz zum größten Teil aufgehoben, Entlastung durch Subventionen, Massenentlassungen werden akzeptiert, die Bürger werden immer mehr belastet, etwa durch die Gesundheitsreform, und unverschämte Preissteigerungen werden zugelassen! Bessere Rahmenbedingungen kann es doch wohl nicht geben, oder?

Laut Regierung und Bundesagentur für Arbeit werden immer mehr Arbeitsplätze geschaffen. Wir können Ihnen aber da etwas anders sagen! Wenn tatsächlich Arbeitsplätze entstehen, kann in den meisten Fällen niemand davon leben, und der Staat zahlt drauf. Wann kommt endlich der Mindestlohn? Dann hört das Draufzahlen auf, meine Damen und Herren Politiker, ist Ihnen das nicht bewusst? Wir wollen den Mindestlohn nicht als Wahlkampfthema, sondern jetzt! Dann geht es uns allen wieder besser, und auch wir Rentner können davon profitieren.

Udo Riedel (parteilos)
 
Neulich im Wald: Angeln mit langer Rute („Spiegel-Online“)

 

Kurze Geschichte der Montagsdemo

Das große Redebuch1. In dieser Woche findet die Montagsdemo seit genau drei Jahren statt. Als wir und mit uns viele andere – auch in zahlreichen weiteren Städten Deutschlands – auf die Straße gingen, war nur wenigen klar, was auf uns zukommen würde. Andere glaubten nicht, dass so eine volksfeindliche Politik möglich wäre, wie sie dann ins Werk gesetzt wurde.

Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte sich die Idee der „Agenda 2010“ ausgedacht, die Deutschland „fit machen“ sollte für den „Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt“, wie das so schön hieß. Die Pisa-Studie war vernichtend gewesen, immer größer wurde die Zahl der Arbeitslosen und nicht mehr gebrauchten Menschen. Damit stiegen die Kosten für eine hilflose und perspektivlose Politik. Seit den achtziger Jahren waren die Arbeitslosenzahlen ständig gestiegen. Diese „Geldverschwendung“ passte den Großkonzernen und Monopolen nicht mehr.

Weltweit hatte die Neuorganisation der internationalen Produktion begonnen. Großfusionen, feindliche Übernahmen und die Entwicklung neuer Konzernstrategien zur Steigerung der Gewinne waren an der Tagesordnung und forderten immer größere Finanzmittel. Also mussten neue Konzepte und Gesetze her. Die deutschen Großkonzerne ließen ihre „Fachleute“ ran, die sowieso schon in den Ministerien saßen. Ein Gutachten folgte dem nächsten, und schon waren die „Hartz-Gesetze“ da, um den „Arbeitsmarkt“ zu „reformieren“.

Der größte Umbau der Sozial- und Arbeitsmarktgesetzgebung wurde durchgezogen, die Rentenformel geändert, die Sozialhilfe sozusagen abgeschafft, kurz: die Lebensgrundlage von Millionen verändert und vernichtet, begleitet von einem Konzert aus verbalen Angriffen auf die Menschen, aus Zynismus und Demagogie. Aber die Menschen wehrten sich.

Die Regierung stürzte in eine tiefe politische Krise, aus der sie letztendlich nur durch Abwahl entlassen wurde. Nach „Kohl muss weg“ Ende der neunziger Jahre schallte es nun „Schröder muss weg“. Die Montagsdemo-Bewegung wuchs an, verband sich mit den Kämpfen der Kollegen in den Großkonzernen, wie bei Opel in Bochum. Mit allen möglichen Tricks, mit Betrug, Spaltung und Einsacken der SPD-hörigen Gewerkschaftsführung versuchte die Schröder-Regierung den breiten Widerstand in der Bevölkerung und die Montagsdemo-Bewegung kaputtzumachen.

Zwielichtige Gestalten im Internet wurden zur Zersetzung eingesetzt und finanziert sowie Medien-Lagezentren eingerichtet, um die Montagsdemo-Bewe­gung totzuschweigen. Alles ohne Erfolg. „Weg mit Hartz IV – das Volk sind wir!“ wurde zur verbreiteten Parole der neuen Bewegung bis heute. Auch die jetzige Regierung aus CDU und SPD hat nichts von ihrem volksfeindlichen Charakter verloren. Sie hat nur momentan ihre Verschärfungspläne wieder in den Schubladen verschwinden lassen.

Die von den Hartz-Gesetzen betroffenen Menschen, die ALG-II-Bezieher, ließ man mit untauglichen EDV-Programmen und einer nicht gekannten zynischen und menschenverachtenden Abfertigungspraxis am langen Arm vertrocknen. Verzweiflungstaten, Depressionen und ernste Erkrankungen sind das Ergebnis dieser brutalen Politik, bis heute.

Neue Mittel und Methoden wurden ausgedacht, um die Massen zu neuem Glück im Billiglohn zu zwingen, voran der Ein-Euro-Job. Neben dieser Drangsalierung kam das Ausschnüffeln der gesamten Lebenssituation der Betroffenen, Stichwort Bedarfsgemeinschaft, die Drohung von Zwangsumzügen, das Zwangswohnen der noch nicht 25-jährigen erwachsenen Kinder bei ihren Eltern und vieles andere mehr.

Die Montagsdemo ist eine offene Gemeinschaft. Wir arbeiten nach beschlossenen Richtlinien, demokratischen überparteilichen Grundsätzen auf antifaschistischer Grundlage, wählen uns hier auf dem Marktplatz unsere Delegierten für die bundesweite Koordinierungsgruppe und nehmen an regionalen Arbeitstreffen der norddeutschen Montagsdemos teil. In Bremen sind wir jeden Montag um 17:30 Uhr hier. Aber wir feiern auch gerne: Vor drei Wochen fand das dritte Sommerfest in den Neustadtswallanlagen unter gutem Publikumszuspruch statt, und wir organisieren auch mal gemeinsame Theater-Besuche auf Grundlage der möglichen Ermäßigungsregelungen.

Den Besuchern und Bremern, die hier vorbeikommen und uns für einen Moment zuhören, wollen wir sagen: Dies ist die 145. Montagsdemo in Bremen. An jedem Montagnachmittag treffen sich in über 100 Städten Menschen, um gegen die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik der Regierung in Berlin oder in Bremen zu demonstrieren. „Hartz IV muss weg“ heißt unsere Hauptforderung. Überall auf der Welt werden die Lebensbedingungen der Menschen, der Familien angegriffen. Aus Leiharbeit anstelle von regulären Arbeitsverhältnissen in einem immer breiteren Niedriglohnsektor ziehen die internationalen Monopole ihren Gewinn, während die Menschen in immer unwürdigere Lebensverhältnisse gedrängt werden.

Die Montagsdemo ist eine offene demokratische Veranstaltung, wo jeder seine Meinung sagen kann. Kommen Sie also ruhig her und diskutieren Sie mit uns! Wir nehmen gerne jeder Anregung auf. Sind Ein-Euro-Jobs gut; bringen die ganzen Maßnahmen, die da mit irrem Aufwand durchgezogen werden, den Betroffenen etwas; sind die Ausschnüffeleien der Lebensverhältnisse die Vorstufe des gläsernen Menschen; müssen wir uns das bieten lassen, und wie wehren wir uns ganz konkret? Das sind alles Fragen, die wir hier am Offenen Mikrofon erörtern. Bleiben Sie noch etwas, oder kommen Sie wieder, jeden Montag Nachmittag um 17:30 Uhr hier auf dem Marktplatz!

 

2. Wieder haben Gerichte den Kollegen der Lokführer-Gewerkschaft GDL den Streik verbieten wollen. Ja, den Großkonzernen würde so ein Streik eventuell die Suppe der sogenannten „just-in-time“-Produktion kräftig versalzen! Das ist genau der Punkt: Ein Streik, der die Monopole nicht trifft, braucht eigentlich auch gar nicht erst durchgeführt zu werden. Viele Kollegen bei Daimler-Chrysler oder sonstwo sind oft sauer, weil noch ehe sie loslegen können, ein fauler Kompromiss vereinbart wird, der ihre berechtigten Forderungen nicht im Mindesten abdeckt.

Die GDL hat im Moment einen großen Mitgliederzuwachs. Aber der von ihr geforderte Einzeltarifvertrag ist nicht unproblematisch. Für alle gewerkschaftlich Aktiven und Interessierten muss eigentlich ein so breit wie möglich geführter Kampf für die Gesamtbranche die Richtschnur sein. Aber der Missbrauch der Gewerkschaften seitens einer verfilzten, faul und reaktionär und käuflich gewordenen SPD-Aristokratie hat dazu geführt, dass die Kollegen bei GDBA/Transnet nicht ihre volle Kampfkraft entwickeln durften.

Anstatt mit der GDL gemeinsam gegen die Bahn vorzugehen, verunglimpfen die rechten Gewerkschaftsführer in GDBA/Transnet die GDL als Spalter. Ich unterstütze jeden Gedanken der Einheitsgewerkschaft, warne aber scharf die Gewerkschaftsfunktionäre, die den faulen Frieden mit SPD und Regierung suchen, denn sie sind die wirklichen Spalter!

Auf alle diese Schikanen hin musste von der Montagsdemo-Bewegung auch das System des Sichwehrens neu entwickelt und erlernt werden. Aus der Mitte der Montagsdemo-Bewegung entstand so in Bremen der Verein „Sozialer Lebensbund“, der die Menschen nicht nur berät, sondern auch bei ihren Vorladungen zur Bagis begleitet, wie die „Arbeitsgemeinschaft“ in Bremen heißt. Diese solidarische, ehrenamtliche Tätigkeit verlangt viel Einsatz, großes Wissen und Beharrlichkeit.

Die Montagsdemo-Bewegung arbeitet auch ständig daran, mit anderen Initiativen und Gruppierungen, die auf diesem Feld ihre Kraft einsetzen, neue politische Strategien und Zusammenarbeit zu entwickeln, um diese aggressive und asoziale Politik wegzubekommen. Ich erinnere nur an unseren beharrlichen Kampf gegen die Machenschaften des letzten Senats und der Sozialbehörde.

Wir hören hier auf dem Marktplatz oft, „von der Montagsdemo habe ich noch nie etwas gehört“, oder „ich bin doch gar nicht betroffen“. Das hat direkt mit der aktuellen Politik zu tun. Dass noch immer in rund 100 Städten und Orten in Deutschland Menschen am Montag aktiv sind, soll nicht groß publik werden. Das Totschweigen, das Lächerlichmachen, das Kleinreden, das sind Methoden und „Argumente“, die Menschen abschrecken sollen, sich aktiv zu beteiligen. Einige sind sehr beeindruckt vom Mut und langem Atem, den wir aufbringen. Manche vergessen oder verdrängen auch die Begegnung mit uns, aber andere werden richtig aktiv.

Dass jemand nicht betroffen sei von der ganzen Sozialgesetzgebung, gehört zu den Ammenmärchen, die die Regierung so gerne verbreitet. Ob Rentner, Jugendlicher oder Säugling, alle sind betroffen! Die Grundlagen für die Rentenberechnung und -anpassung wurden geändert, die Rentenkassen geplündert, die Kranken- und Arbeitslosenversicherung an die Forderungen der Großkonzerne angepasst. Das Renteneinstiegsalter wurde auf 67 angehoben, das Arbeitslosengeld I auf ein Jahr gestutzt, der jahrelang eingezahlte Beitrag geraubt: Da kann man wohl kaum von Nichtbetroffenheit sprechen!

Nur merkt es mancher noch nicht, zum Beispiel wer noch von keiner Rationalisierung oder Stilllegung betroffen wurde. Mancher Selbständige, der sowieso hart kämpfen muss, schimpft auf die Arbeitslosen, ohne zu bedenken, dass sie dem gleichen Gegner gegenüberstehen, nämlich den weltweiten Übermonopolen, die Löhne und Honorare nach ihrem Gesetz diktieren.

Der zwischenzeitliche wirtschaftliche „Aufschwung“ oder, wie ich meine, die zwischenzeitliche Belebung wird kein Wachstumsniveau von etwa drei Prozent erreichen, auf dessen Grundlage es zu neuen Arbeitsplätzen kommen könnte. Wir erleben doch laufend das Gegenteil: Es gibt weiteren Abbau von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen und ein Anwachsen der Leiharbeit, des Billiglohnsektors und des Lehrstellenmangels. Perspektivlosigkeit ist angesagt für Millionen besonders junger Menschen!

Die Montagsdemo ist nicht müde oder überflüssig. Nein, sie ist aktiv, in Bremen die aktuellste und regelmäßigste politische Veranstaltung mit einer großen Ausstrahlungskraft. Wir haben eine Homepage im Internet, die inzwischen im Durchschnitt von über 400 Interessierten täglich besucht wird. Die schriftlich vorliegenden Redebeiträge machen dort ein zeitgeschichtliches Dokument von bisher knapp 2.000 DIN-A4-Seiten aus.

Jobst Roselius
 
„Zusätzliche Arbeit“: Wurden die Diensträume der Kölner Arbeitsvermittlung
vor dem Einsatz von Ein-Euro-Putzkräften nicht gereinigt? („Carmilo“)

 

Touristen sollen kein Elend sehen

Am heutigen Nachmittag fand neben unserer traditionellen Montagskundgebung noch eine weitere Aktion statt, die auf die Not der von Armut und Ausgrenzung Betroffenen aufmerksam machen sollte. Es ging dabei um die Not derjenigen, die bereits ganz unten sind und kein Dach mehr über dem Kopf haben. Die Initiative „Bremer und Bremerinnen gegen Obdachlosigkeit“ wies auf dem Liebfrauenkirchhof mit der Aktion gegen die alltägliche Diskriminierung der betroffenen Menschen hin. Als Blickfang diente ein auf dem Boden ausgebreiteter zehn Meter langer Besen aus Papier. Er symbolisiert die Absicht des Senats, die Innenstadt von Obdachlosen „leerzufegen“. Hintergrund ist die im letzten Jahr erfolgte Änderung des sogenannten Ortsgesetzes, wonach die Vertreibung der Betroffenen von öffentlichen Plätzen und Bänken erleichtert werden soll. „Sauber“ soll die Innenstadt werden, so wollen es die Verantwortlichen. Die letzte Stufe der Armut, das blanke Elend und die Verwahrlosung von Menschen unter Alkohol sollen zum Beispiel unter den Rathausarkaden oder auf den Domtreppen nicht mehr sichtbar sein nach dem Motto: Bloß nicht den vielen Touristen diesen Anblick zumuten, denn in Bremen gibt es ja keine Armut!

Wieland von HodenbergMit dem symbolischen Besen und den darauf gemalten Aussagen wie „Wohnen ist ein Menschenrecht“ wiesen wir als Teilnehmer(innen) auf die Menschenverachtung hin, mit der die Behörden die Obdachlosen verfolgen. In dem Flugblatt zur Aktion sind die Forderungen an die Politik aufgelistet: „Kein Platzverweis für Obdachlose, sondern menschlicher Umgang mit ihnen. Mehr und bessere Wohnprojekte und aktive soziale Hilfe für von Obdachlosigkeit bedrohte Menschen. Mehr kostenlose Toiletten und Waschgelegenheiten! Weitere Forderungen sind: Förderung des sozialen Wohnungsbaus, Erhöhung der Mietobergrenzen der Bagis, Senkung der Mieten sowie eine menschenwürdige und bedingungslose Grundsicherung für alle, die sich am Existenzgeldmodell der „Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen“ (BAG-SHI) orientieren sollte. Großkonzerne inklusive Banken und Versicherungen müssen verstaatlicht werden – so eine weitere Forderung – wenn sie Menschen entlassen, obwohl sie Profite erwirtschaften. Und last but not least, ganz aktuell: Stoppt die Privatisierung staatlicher Unternehmen!

Dann möchte ich noch eine positive Nachricht mitteilen, die bestens zum Thema „menschenwürdiges Wohnen“ passt. Sie stammt aus dem Newsletter „Marktplatz Recht: Das juristische Portal“ und betrifft ein Urteil des Sozialgerichts Dresden. Dort heißt es wörtlich: „ALG-II-Empfänger haben Anspruch auf ein Zimmer pro Kopf“. Eine vierköpfige Familie, die von Arbeitslosengeld II lebt, hat Anspruch auf eine Vierraum-Wohnung. Der Leistungsträger muss daher einem Umzug aus einer Dreiraum-Wohnung zustimmen. Dies hat die 10. Kammer des Sozialgerichts Dresden am 2. August 2007 entschieden. Die unverheirateten Antragsteller bewohnen zusammen mit den beiden zwölf Jahre beziehungsweise 17 Monate alten Söhnen der Antragstellerin eine Dreiraum-Wohnung in Bischofswerda, die knapp 60 Quadratmeter groß ist. Sie möchten in eine nahe gelegene, zehn Quadratmeter größere Wohnung umziehen. Die Warmmiete wäre 80 Euro pro Monat teurer. Der Landkreis Bautzen lehnte die Zustimmung zum Umzug ab, weil der kleine Junge noch kein eigenes Zimmer brauche. Das Sozialgericht hat den Landkreis Bautzen mit einer einstweiligen Verfügung verpflichtet, dem Umzug zuzustimmen. Dr. Hans von Egidy, Vorsitzender der 10. Kammer: „Nachdem ein Kleinkind dem Säuglingsalter entwachsen ist, steht ihm in der Regel ein eigenes Zimmer zu. Insbesondere wenn ein erheblicher Altersunterschied zwischen den Geschwistern besteht, muss der Leistungsträger einem Umzug in eine angemessene Wohnung zustimmen. Dann sollte pro Familienmitglied ein Zimmer vorhanden sein“ (Aktenzeichen S10 AS 1957/07 ER, noch nicht rechtskräftig). Na bitteschön – es geht doch!

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)

 

Das Erlernen von Buckelfertigkeit ist nicht hoch genug zu bewerten

Elisabeth Graf1. Man glaubt es ja nicht so ganz: Hartz-Reformen zeigen Erfolg! Die Zahl der Langzeitarbeitslosen hat sich in diesem Jahr bislang um 17 Prozent verringert. Experten zufolge trugen die viel kritisierten Hartz-IV-Reformen dazu bei. Durch die Reformen habe der Druck auf Erwerbslose zugenommen, sagte der Nürnberger Arbeitsmarktforscher Ulrich Walwei in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur DPA am letzten Freitag.

Die Agenda funktioniere nach dem Motto „Fördern und Fordern“, verlange den Arbeitslosen mehr ab und beschere ihnen „weniger großzügige Transferleistungen“. Die Betroffenen seien gezwungen, intensiver nach Arbeit zu suchen. Ja, heute suchen die Erwerbslosen intensiver, weil paradoxerweise der Druck durch die Verfolgungsbetreuung zugenommen hat, seit es die Arbeit nur noch zu suchen gibt, aber kaum noch zu finden! Der Direktor des „Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung“ ist davon überzeugt, dass es ohne die Hartz-Reformen schwieriger wäre, „den harten Kern der Arbeitslosigkeit – die Langzeitarbeitslosigkeit – aufzulösen“.

Ohne ein Mehr an Flexibilisierung, so seine These, hätte der Arbeitsmarkt „weniger stark auf den Aufschwung reagiert. Die Einstellungsbereitschaft der Wirtschaft wäre geringer“. Allerdings sei die Frage nicht präzise zu beantworten, welchen Anteil Konjunktur und Hartz-Reformen am Abbau der Arbeitslosigkeit hätten. Der deutsche Arbeitsmarkt sei durch Mini- und Midijobs sowie die zunehmende Verbreitung der Zeitarbeit insgesamt „flexibler“ geworden. „Dadurch verläuft der aktuelle Aufschwung relativ beschäftigungsintensiv. Die Beschäftigungsschwelle ist gesunken.“

Angeblich nimmt sogar die Vollbeschäftigung zu. Oh ja, die Arbeitslosen werden gezwungen, intensiv nach Arbeit zu suchen! Und siehe da, es findet sich keine! Es wäre mal angebracht, darüber zu schreiben, wie sich die Zahl verringert hat. Eventuell durch Selbstmorde? Oder weil die Leute so krank wurden, dass sie in Rente oder Grundsicherung weggedrückt werden konnten? Wurden sie als Ausländer einfach abgeschoben? Dann wissen wir ja, was möglicherweise auch Inländern irgendwann geschehen kann. Leben viele Menschen lieber weit unter ALG-II-Niveau, nur um den Schikanen zu entgehen? Oder werden sie in sinnentleerte Maßnahmen gestopft, um aus der Statistik zu verschwinden?

Na, wenn das kein Erfolg ist! Die Statistik ist doch eindeutig: Jeder ALG-II-Bezieher, der nun einen kleinen Job hat, auf den er aufstocken muss, ist immer noch ALG-II-Bezieher. Dasselbe gilt für die Umschüler oder die ausgebeuteten Ein-Euro-Jobber. Sie sind aus der Statistik verschwunden und bleiben dennoch am Tropf des ALG II hängen! Hungerlohn für alle – ist das die neue Parole, Herr Müntefering? In Deutschland leben 7,4 Millionen erwerbsfähige Menschen von Hartz IV, und ausschließlich diese Zahl befindet sich stetig im Aufschwung!

 

2. Die Stadtväter und -mütter lassen sich viel einfallen, um die Arbeitslosenstatistik aufzuhübschen! Die Möglichkeiten, Ein-Euro-Jobber auszunutzen, um das Stadtsäckel zu schonen, werden immer spezieller: In Braunschweig mussten Ein-Euro-Jobber 700 km Straße von Wildwuchs wie Distel oder Quecke befreien! Der Oberbürgermeister der Stadt zog letzte Woche eine positive Zwischenbilanz und feierte den Erfolg des „Wildkrautprojektes“. Demnach haben 236 Langzeitarbeitslose seit Mai einen wichtigen Beitrag zur Sauberkeit und Verkehrssicherheit in Braunschweig geleistet.

Die Hartz-IV-Betroffenen erhielten in sogenannten Arbeitsgelegenheiten die Chance, sich für den ersten Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Der Verband „Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Niedersachsen-Bremen e.V.“ habe der Stadt bescheinigt, das Projekt gefährde keine Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt. Dies sehen die gewerkschaftlich orientierten Arbeitslosen in Braunschweig ganz anders. Deren Sprecher kritisierte, dass im Grünflächenamt vorher die Zahl der Mitarbeiter runtergefahren wurde. Die neun bis zehn Prozent Vermittlung hält er für keinen Erfolg. Es werde nicht klar, wie viele dieser „Arbeitsgelegenheitskräfte“ sich selbst um Stellen gekümmert hätten.

Die Vermittlungszahl sei auch nicht gerade berauschend, wohl aber das Geschäft der Stadt Braunschweig. Immerhin erhalte diese pro Arbeitsgelegenheit eine monatliche Fallpauschale von 500 Euro, wovon die Ein-Euro-Jobber ein bis 1,50 Euro je Stunde erhalten, bei 30 Stunden Arbeitszeit in der Woche. Ein gutes Geschäft für Braunschweig! Die vier betreuenden Vorarbeiter sind über ABM-Maßnahmen beschäftigt, und drei Sozialpädagog(inn)en betreuen das Projekt fachlich. Es darf doch nicht sein, dass die Stadt sich mit billigen Arbeitskräften versorgt und 90 Prozent, der überwiegende Teil der so „billig“ Beschäftigten, keine Chance auf eine Integration in den Arbeitsmarkt haben! Das Argument des Oberbürgermeisters, diese Tätigkeiten seien zusätzlich, will er nicht gelten lassen.

Ähnlich sieht dies auch ein Verdi-Vertreter in Göttingen, der kritisiert, dass Städte beschließen, Radwege und Straßenränder zuwachsen zu lassen, weil angeblich kein Geld mehr da sei. Kurze Zeit später sind solche Tätigkeiten plötzlich „zusätzlich“ geworden, denn es sei politisch gewollt, dass die Kommune diese Aufgaben nicht mehr übernimmt. So könne man im Prinzip jede kommunale Aufgabe „zusätzlich“ machen und in Ein-Euro-Jobs umwandeln. „Wir halten das für rechtlich nicht sauber, aber der eigentliche Skandal besteht darin, dass diese Praxis juristisch nicht zu beanstanden ist.“ So viel zur „Zusätzlichkeit“! Wie fantasielos: immer die gleichen Lügen!

Mich würde interessieren, als was sich die ALG-II-Empfänger „qualifizieren“, vom Unter- zum Ober-Unkraut-Ausrupfer vielleicht? Sind sie anschließend möglicherweise für ein halbes Jahr „dauerhaft integriert“, oder weiß das auch wieder keiner, weil etwas behauptet wird, ohne dies zu überprüfen? Auf jeden Fall lernen sie sich zu beugen und machen mit dem Dreck auf unseren Straßen Bekanntschaft. Schließlich kommt es ganz entscheidend auf die Bereitschaft an, sich zu bücken und den Autofahrern zu dienen! Ich erachte diese Arbeit als mehr „gemein“ denn „nützig“ für die ALG-II-Empfänger, jedoch als sehr profitabel für die Städte.

Jetzt scheinen sich die Ein-Euro-Jobber doch selber zum „Straßenmeistergehilfen“ ausgebildet zu haben! Ganz so, wie sich Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen hat. Da es diesen Beruf meines Wissens bisher nicht gegeben hat, ist er sozusagen ganz zufällig dabei „abgefallen“, gemeinnützig und zusätzlich selbstverständlich. Aber in dieser neugeschaffenen Berufssparte werden sie sicher keinen Broterwerb finden, denn die Stadt Braunschweig will ihre lukrative Einkommensquelle bestimmt nicht versiegen lassen!

 

3. In Esslingen beseitigt ein Putztrupp auf dem Grillplatz am Jägerhaus Berge von Müll. Nach jedem Wochenende sind drei bis vier Ein-Euro-Jobber gut zwei Stunden damit beschäftigt, das eklige Ende einer Grillparty verschwinden zu lassen. Dabei müssen Unmengen von Flaschen, Scherben, Papptellern und Verpackungen sowie vergammelte Essensreste entsorgt werden. Im Gebüsch finden sie bisweilen benutzte Unterwäsche und die Hinterlassenschaften von Leuten, die den Wald als Toilette missbrauchen.

Der Putztrupp rekrutiert sich aus Langzeitarbeitslosen, die beim gemeinnützigen Sozialunternehmen „Neue Arbeit“ die wöchentliche Säuberungsaktion im Auftrag der Stadt durchführen. Im Schnitt fallen dabei jede Woche rund zwei Kubikmeter Abfall an. Besonders übel sieht der Grillplatz nach Feiertagen wie dem 1. Mai oder Himmelfahrt aus. Wenn es am Wochenende ein Gewitter gibt, ergreifen die Leute die Flucht und lassen alles stehen und liegen. Zu dem Müll, der beim Grillen anfällt, kommt noch solcher hinzu, den Leute offenbar extra mitbringen, um ihn am Jägerhaus zu entsorgen: Vom alten Kühlschrank bis zum ausrangierten Sofa haben die Reinigungskräfte im Wald schon fast alles gefunden.

Der stellvertretende Leiter des Forstreviers ist über das Verhalten einiger Grillplatznutzer verärgert. Deren Rücksichtslosigkeit koste die Allgemeinheit eine Menge Geld. Er behauptet, dies sei irgendwann nicht mehr finanzierbar und verweist auf nahe gelegene Grillplätze, die aus ähnlichen Gründen bereits geschlossen wurden. Ob der gute Mann vergessen hat, wie üppig sich mittels Einstellung von Ein-Euro-Jobbern das städtische Salär aufbessern lässt? Daneben werden aber auch gesundheitliche Probleme bemängelt, denn die Essensreste ziehen Füchse und Ratten an. Durch deren Kot können wiederum Menschen krank werden und sich zum Beispiel mit dem gefährlichen Fuchsbandwurm anstecken.

Da können wir Erwerbslose uns glücklich schätzen, weil sich auf unserem Arbeitslosen-Gen im Nebeneffekt eine natürliche, körpereigene Resistenz gegen die Eier des Fuchsbandwurms herauskristallisiert hat. Andernfalls würden wir nicht so gerne für derartige Arbeiten eingesetzt. Immerhin gilt es, die Gesellschaft zu schonen, der wir als Ausgegrenzte ohnehin nicht mehr angehören dürfen. Bei dieser Drecksarbeit muss sich gleichermaßen viel gebückt werden. Das Erlernen solcherlei Buckelfertigkeiten lässt sich gar nicht hoch genug bewerten, denn hierbei findet eine erstklassige Vorbereitung auf den ersten Arbeitsmarkt statt! Es gilt die Kunst: Wer macht sich am kleinsten? Wer lässt sich am effizientesten ausbeuten und vermag dabei noch freundlich zu lächeln?

 

4. Alle meinen es gut mit uns Erwerbslosen! Da hat doch unser allseits über die Maßen hochgeschätzter Arbeitsminister Müntefering angekündigt, die Forderungen nach einem Inflationsausgleich zur Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes von derzeit 347 Euro zu „prüfen“. Eine Erhöhung des Satzes könne er aber nur unter der Voraussetzung, dass der Bund nicht weiter belastet werden dürfe, in Erwägung ziehen. Er forderte weiterhin, dass eine Anpassungsregelung auch nicht „beliebig“ sein dürfe. Kleiner Scherzkeks, als ob den Erwerbslosen jemals Gelder in beliebiger Höhe zugesprochen worden wären!

Die Union lehnt die Diskussion über den Hartz-IV-Regelsatz ab, zumindest solange Franz Müntefering das Thema an den Mindestlohn koppeln will. Da nach Münteferings Option das ALG II nur steigen kann, wenn dadurch keine weiteren Kosten für den Bund entstehen, ist ein Mindestlohn unumgänglich und abgesehen davon längst überfällig! Wenn hierdurch nicht endlich die Arbeitgeber in die Pflicht genommen würden, müsste den sogenannten Aufstockern mehr aufgestockt werden, zu ihrem kargen Gehalt hinzu.

Die Union blockt ab, weil sie das nicht einsehen und weiter nur die Gewinne der Unternehmen steigen sehen will, in deren Aufsichtsräten sie sich ihre Posten fürstlich bezahlen lassen! Oder zeigt sich hier möglicherweise eine ganz miese Taktik von Franz Müntefering, auf den Sankt-Nimmerleins-Tag bezogen? Da er weiß, dass sich die Union nie freiwillig auf einen Mindestlohn einlassen wird, braucht er sich um eine Überprüfung oder gar Erhöhung von Hartz IV nicht wirklich Gedanken zu machen. Das alte Hütchenspiel mal wieder?

 

5. Eine erfreuliche Mitteilung? Die CDU/SPD-Bundesregierung tut etwas gegen Kinderarmut? Man höre und staune, horche genau auf, denn sonst verpasst man dieses winzige Detail: Mit der Anhebung des Regelsatzes ab 1. Juli 2007 um zwei Euro monatlich stieg der im Regelsatz von Schulkindern bis 14 Jahren enthaltene Anteil für die Ernährung von 2,27 auf 2,28 Euro pro Tag. Wow, um einen ganzen Cent! Was sich damit alles Tolles machen lässt?! Der Aufschwung ist auch bei Hartz-IV-Empfänger(inne)n angekommen!

Wer aber weiß schon, dass 1987 im Regelsatz eines zwölfjährigen Schulkindes noch 2,90 Euro für Essen und Trinken enthalten waren? Die jeweiligen Regierungen haben Kindern und ihren Eltern nach und nach in erheblichem Umfang Mittel für Essen und Trinken entzogen. Die Prozentsätze der Kinderregelsätze und die Einstufung in Altersklassen orientierten sich mit der Einführung von Warenkörben Anfang der 70er Jahre vor allem am Kalorienverbrauch. Sie betrugen zum Beispiel wegen des steigenden Energieverbrauchs für Acht- bis Elfjährige 65 Prozent, für Zwölf- bis Fünfzehnjährige 75 Prozent des Eckregelsatzes, für Sechzehn- bis Einundzwanzigjährige 90 Prozent. Das galt bis 1990.

Ein zwölfjähriges Schulkind hatte auf dieser Grundlage im Jahre 1987 noch 87 Euro monatlich oder 2,90 Euro täglich zur Verfügung, ein zehnjähriges Schulkind 75 beziehungsweise 2,51 Euro. Ab Juli 2007 sind davon noch 2,28 Euro übrig geblieben. Würden die damaligen Prozentsätze vom Eckregelsatzes heute noch bestehen und wäre die Steigerung der Lebensmittelpreise um 20 Prozent berücksichtigt worden, müsste der Ernährungsanteil eines zwölfjährigen Schulkindes heute nicht 2,28 Euro, sondern 3,48 Euro pro Tag betragen. Die zugestandenen Mittel für Essen und Trinken von Schulkindern aus Armutsfamilien sind also real um ein Drittel gekürzt worden!

Der Großteil der Kürzungen erfolgte mit Hartz IV. 2004 standen für Sieben- bis Vierzehnjährige noch 2,82 Euro pro Tag für Nahrungsmittel und nichtalkoholische Getränke zur Verfügung, ab 1. Juli 2007 nur noch 2,28 Euro. Gegenüber 2004 wurde Schulkindern unter 14 Jahren durch Hartz IV 20 Prozent des Geldes für Essen und Trinken entzogen. Vor Hartz IV waren die Regelsätze von Schulkindern von sieben bis 14 Jahren 30 Prozent höher als die von Säuglingen, bei Alleinerziehenden 20 Prozent.

Seit 2005 jedoch setzen SPD, Grüne, CDU und FDP den Bedarf von Schulkindern unter 15 mit dem von Säuglingen gleich. Das ist eigentlich auch völlig klar, denn heute müssen schon Säuglinge über Markenklamotten, Sprachreisen und Mobiltelefone verfügen. Der Zeitgeist hat sich eben verändert, und da passt sich Hartz IV doch gerne an! Dazu kommt, dass mit Einführung von Hartz IV auch die Schulkosten, die vorher über einmalige Beihilfen beantragt werden konnten, nicht mehr im Regelsatz enthalten sind.

Regelsatz plus einmalige Beihilfen beliefen sich für Sozialhilfe beziehende Schulkinder bis 14 Jahren im Jahr 2004 zusammen auf 232 Euro monatlich (193 Euro Regelsatz plus 20 Prozent des Regelsatzes für einmalige Beihilfen). Hartz IV bedeutet, dass der höhere Wachstumsbedarf von Kindern ab sechs Jahren seit Einführung des Gesetzes nicht mehr anerkannt wird. Hartz IV ist auch gleichbedeutend mit der Nichtanerkennung des Wachstumsbedarfs von Fünfzehn- bis Achtzehnjährigen. Um gesund aufwachsen zu können, ist eine vernünftige Ernährung unabdingbar.

Mathilde Kersting vom „Forschungsinstitut für Kinderernährung“ erklärte in einer „Kontraste“-Sendung, dass es nach den heutigen Budgets für Hartz-IV-Familien nicht möglich ist, die Kinder gesund zu ernähren. Warum die Schüler-Regelsätze für Hartz IV-Kinder gekürzt wurden, obwohl Regierungsparteien und Arbeitgeberverbände seit der Pisa-Studie die Förderung der Bildung aller Kinder, besonders jener aus unteren Schichten propagieren, lässt sich wohl nur mit Willkür und eiskalter Berechnung „erklären“.

So könnte ich die unendliche Geschichte immer weiter fortsetzen, denn Hartz IV ist nach völlig utopischen Fantasiebedarfen festgelegt worden, die garantiert bar jeglicher Realität sind. Hartz IV reicht für absolut gar nichts, außer zur Ausgrenzung aus der Gesellschaft! Dann dürfen sich die Politiker aber auch nicht wundern, wenn diese perspektivlos gemachten Jugendlichen sich von der sie ausgrenzenden Gesellschaft abwenden und sie stattdessen bekämpfen. Volltreffer: dank Hartz IV auf der schiefen Bahn angekommen! Auch in Deutschland können mal die Vorstädte brennen. Dann braucht sich jedoch niemand mehr zu wundern, denn es wäre hausgemacht.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend)
 
Tagesmutter tritt in Streik: Bagis zahlt monatelang kein Geld („Weser-Kurier“)

 

Statt des Kohlekraftwerks eine
Müllverbrennungsanlage?

Hans-Dieter Binder1. Die SWB baut doch kein Kohlekraftwerk, so der „Weser-Kurier“ vom 9. und der „Bremer Anzeiger“ vom 12. Ausgust 2007. Die vorhandenen Kraftwerke werden ausgebaut. Dadurch werden 71 Arbeitsplätze nicht geschaffen. Die bisherige Aussage der SWB von 500 Arbeitsplätzen war demnach falsch, vorsätzlich falsch?

Dazu kommt, dass neue Anlagen immer mit weniger Personal laufen. Das neue Kraftwerk hätte zur Stilllegung des alten geführt und damit wahrscheinlich einen größeren Personalabbau verursacht! 71 Arbeitsplätze werden sich in der Tourismussparte schnell ausgleichen lassen, wenn Bremen weiterhin saubere Luft vorweisen kann.

Die SWB will im Jahr 2020 ein Fünftel der Stromerzeugung mit „Kraft der Natur“ bestreiten. Zurzeit liegt dieser Anteil bei 1,5 Prozent. Soweit ist das Vorhaben unterstützungswürdig, zurück bleibt aber der schale Geschmack hinsichtlich der Trickserei mit den Arbeitsplätzen. Dieses Unbehagen wird noch verstärkt durch die Zuordnung der Müllverbrennung zu den „erneuerbaren Energien“!

Die SWB sagt ja dazu: „Neue Möglichkeiten sieht die SWB aber auch bei der energetischen Verwertung vom Abfall“. Wird aus dem bestehenden Kohlekraftwerk durch die Modernisierung eine Müllverbrennungsanlage? Anwohner – dies sind alle Einwohner der Region – seid wachsam!

Dieses Thema wird auch auf dem „Bremer Sozialforum“ aufgegriffen, so beim Vortrag „Ökologie – Kohlekraftwerk in Bremen. Wird Norddeutschland zur Energieregion?“ von Peter Willers vom „Bremer Bündnis für Klimaschutz“ am Samstag, dem 16. September 2007, um 15 Uhr. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

 

2. Elterngeld ist Gegenwart! Die Bearbeitung hat eine neue Abteilung übernommen, und zwar die Eltern- und Erziehungsgeldstelle im Amt für Soziale Dienste, Sozialzentrum Mitte/Östliche Vorstadt, Rembertiring 39, 28203 Bremen, Telefon 0421-3610 (die Stadtvermittlung verbindet nach Buchstaben). Wer seinen Antrag auf Elterngeld am Rembertiring einwerfen will, steht vor einem zugeklebten Briefkasten: Man möge bitte den im Tivolihochhaus benutzen. Dies bedeutet zum Bahnhof laufen, dabei könnte ein Hinweis auf dem Briefbogen und in der Informationsbroschüre Abhilfe schaffen.

Die Sachbearbeiter(innen) werden als Nummer ausgewiesen, und die Briefe nicht nur nicht unterschrieben: Es fehlt auch jeglicher Gruß darunter. So möchten wir nicht verwaltet werden! Bitte ändern Sie dies, Frau Rosenkötter! Das Elterngeld hat schon genug Mängel und Unklarheiten: Wer Kinder erzieht, hat den Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung. Das Elterngeld sieht auch gemeinsame Erziehungsmonate vor. Der Rentenversicherungsschutz ist jedoch nicht teilbar: Entweder die Mutter oder der Vater hat ihn!

Nun mag mancher denken, die Überschneidungszeit sei gering. Vorsicht, dies ist fahrlässig: In der Rentenversicherung kann von einem Monat der Leistungsanspruch abhängen! Hier hat der Gesetzgeber gepennt. Wurde die Nachbesserung bereits angeschoben? Wenn der Vater wie gewünscht Elternzeit nimmt, sollten die Eltern der Rentenversicherung mitteilen, wie die Anrechnungszeit für die Kindererziehung zuzuordnen ist. Diese Mitteilung kann im Voraus, aber nur zwei Kalendermonate rückwirkend abgegeben werden. Diese Lücke wird dadurch kleiner, dass Elternzeit von den Lebensmonaten ausgeht, die Rentenversicherung aber von Kalendermonaten. Ein Tag Beitragszeit in einem Monat zählt bereits als Monat. Trotzdem bleibt die Falle bestehen!

Ich würde bei gemeinsamer Elternzeit für diesen Zeitraum die Aufteilung des Rentenversicherungsschutzes beantragen, gegen eine Ablehnung Widerspruch einlegen und eventuell Klage führen. Mit der Rentenversicherung kann auch ein Ruhen des Verfahrens vereinbart werden! Und den Politiker meines Vertrauens fragen, warum nicht besser gearbeitet wird! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

 

3. Die Deutsche Rentenversicherung hat über die voraussichtliche Rentenhöhe informiert. Haben Sie sich auch darüber gefreut, dass dieser Betrag wesentlich höher ist, als Sie in Erinnerung hatten? Auf Seite drei steht die Lösung: Dies ist die voraussichtliche Rente ab 67 Jahren.

„Abschied vom alten Karton“, meldet der „Weser-Kurier“ vom 9. August 2007. Hört sich gut an: Weg mit dem Alten ist „in“! Aber die Aushändigung der Lohnsteuerkarte an den Arbeitgeber ist auch ein formeller Akt: Wenn mit dem Arbeitgeber eine geringfügige Beschäftigung mit Pauschalversteuerung vereinbart wurde, benötigt der Arbeitgeber die Lohnsteuerkarte nicht, und indem der Arbeitnehmer die Lohnsteuerkarte nicht aushändigt, wird diese Vereinbarung unterstrichen. Es gibt kein Missverständnis!

Wenn der Arbeitnehmer diese geringfügige Tätigkeit nicht pauschal versteuert haben möchte, gibt er die Lohnsteuerkarte seinem Arbeitgeber. Außerdem wird der Arbeitnehmer und auch dessen Ehepartner durch die Zentraldatei für seinen Arbeitgeber durchsichtiger. Von den Begehrlichkeiten, die eine solche Datei bildet, ganz zu schweigen! Im Sozialversicherungsrecht ist nachzuempfinden, wie sensibel diese Daten in Verbindung miteinander sind!

In der Sozialversicherung wurde das Versicherungsheft abgeschafft, und alles wird über die Sozialversicherungsnummer abgewickelt. Einsicht in die bisherigen Verdienste oder in die Situation des Ehepartners sind dem Arbeitgeber nicht möglich. Dies geht nur mit vorheriger Zustimmung der Beteiligten! Aber in der Praxis gibt es Lücken: Versehentlich gelangen Unterlagen mit weitgehenden Angaben in den Blick des Arbeitgebers. Eine so massive Datensammlung nach zwei Hauptordnungskriterien (Mensch/Arbeitgeber) führt zu Lücken.

Diese Zentraldatei ist aus der Sicht des Finanzamtes erstrebenswert – aber datenschutzmäßig ein Sündenfall! Die Meldungen zur Sozialversicherung wurden für die Kontrolle der Arbeitgeber herangezogen. So wird überwacht, ob der Arbeitgeber die Beiträge entsprechend den Sozialversicherungsmeldungen abgeführt hat. Der Änderung der Beitragsfälligkeit wurde diese Kontrolle geopfert, Arbeitgeber müssen sie nicht mehr befürchten.

Als Nebeneffekt wurden auch Meldefehler entdeckt! Die Einführung dieser Beitragsüberwachung und die Nutzung ihrer Möglichkeiten auch für den Bereich der Lohnsteuer ist erstrebenswert, wenn es denn eine Umstellung sein muss! Die Berufstätigkeit der Frau hängt gewiss nicht davon ab. Hier fehlen einfach die Arbeitsplätze, speziell für Berufsrückkehrerinnen. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

 

4. Verdi hat eine Kampagne für den Mindestlohn auf den Weg gebracht. Am 5. September 2007 ist ihr Tour-Truck auf dem Bremer Marktplatz. Einen Mindestlohn fordert auch die SPD in Bremen, die Forderung danach wird aber nicht entsprechend der eigenen Möglichkeiten von der Bremer Regierung umgesetzt!

ALG-II-Betroffene müssen jede „zumutbare Tätigkeit“ aufnehmen. „Zumutbar“ ist eine Tätigkeit mit einem Entgelt bis 30 Prozent unter dem Tariflohn beziehungsweise dem ortsüblichem Lohn. Auch Arbeitslosengeld-I-Betroffene haben keinen Bestandsschutz, hier gilt die Zumutbarkeit der Tariflohnunterschreitung (in Abhängigkeit von der Dauer der Arbeitslosigkeit und dem vorherigem Verdienst).

Diese Zumutbarkeitsregelungen kann der Senat sofort ändern, hier für Bremen! Eine Forderung nach Mindestlohn zu erheben und nicht einmal die eigenen Möglichkeiten auszuschöpfen, das macht die Bremer SPD und auch die anderen Regierungen mit SPD-Beteiligung unglaubwürdig. „Die Linke“ wird dies deutlich machen und einfordern!

Im ALG-II-Lexikon der Bagis lesen wir zur Zumutbarkeit: „Wenn Sie Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen, sind Sie zugleich verpflichtet, jede Arbeit anzunehmen, zu der Sie in der Lage sind. Gesetzlich vorgesehene Ausnahmen sind zum Beispiel, wenn die Ausübung einer Arbeit die Erziehung eines unter dreijährigen Kindes gefährden würde, nicht mit der Pflege eines Angehörigen vereinbar ist, die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann oder ein sonstiger wichtiger Grund entgegen steht. Eine Entlohnung unter Tarif oder unter dem ortsüblichen Entgelt ist nicht unzumutbar, solange die Entlohnung nicht gegen Gesetz oder die guten Sitten verstößt. Neben diesen Ausnahmen gilt: Ihre persönlichen Interessen müssen gegenüber den Interessen der Allgemeinheit zurückstehen.“

Zur Erläuterung: Sittenwidrig ist eine Unterschreitung des Tariflohns um mehr als dreißig Prozent. Eigentlich soll dieses Lexikon der Bagis Auskunft geben und damit Sicherheit für die Erwerbslosen schaffen! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

 

5. Eine Werbeagentur hat die Inserate von einer positiven Berichterstattung über die Veranstaltung abhängig gemacht, meldet der „Weser-Kurier“ am 13. August 2007. Das Bundeswirtschaftsministerium bestreitet seine Urheberschaft. Wir werden sehen, dies passt aber genau in mein „Vorurteil“. Der Vorschlag lautete: Schreibe einen positiven Artikel, platziere diesen, und du erhältst Geld für deine Mühe! So wurden positive Artikel über ALG II bis in Fachzeitungen für Tierfreunde platziert. –

Herr Weise war einmal kurz in den Rundfunknachrichten: Mit ALG II gehe es der Mehrzahl der Betroffenen besser als zuvor, hinzu komme noch die Betreuung der Erwerbslosen. Herr Wiese, es wäre schön, wenn Sie Recht hätten! Wie kommen Sie zu dieser Meinung? Bitte erläutern Sie Ihre Gedanken, und nennen Sie die Quellen und Ihre Schlussfolgerungen! –

Wer zur Arge oder Bagis geladen wird, muss hingehen! Auf der Einladung steht: Fahrtkosten unter sechs Euro werden nicht übernommen. Dies ist willkürlich und angesichts des geringen Tagessatzes unrechtmäßig! Entsprechende Urteile geben den Antragsstellern Recht. Die Arge oder Bagis kann bei geringen Beträgen die Anträge sammeln. Insbesondere wer mehrmals erscheinen musste oder einen Fahrschein für die Langstrecke brauchte, sollte den Antrag stellen, bei einer Ablehnung Widerspruch einlegen und eventuell Klage führen. Wir gehen mit! –

Kosten für Strom und Warmwasseraufbereitung sind mit 20,74 Euro im Regelsatz enthalten. Wer höhere Energiekosten hat, kann deren Übernahme beantragen, rückwirkend ab 1. Januar 2005 beziehungsweise ab Beginn des ALG-II-Bezugs. Den Antrag schriftlich einreichen oder mündlich zur Niederschrift stellen! Wir gehen mit! Bei „Tacheles Sozialhilfe“ ist auf acht Seiten nachzulesen, mit wie viel List und Tücke dieser Posten von 20,74 Euro für Energiekosten so gering angesetzt wurde, daher die effektiven Aufwendungen einfordern! Die ersten positiven Urteile sind dort ebenfalls verzeichnet.

 

6. Die Banken geben sich untereinander keine Kredite mehr! Die Deutsche Bank ist der Dresdner Bank nicht mehr kreditwürdig, oder umgekehrt. Die Europäische Zentralbank springt als Kreditgeber ein, ebenso die anderen Notenbanken. Am 13. August 2007 waren mehr als 200 Milliarden Euro dazu nötig. Damit wird das von den Banken gescheute Kreditrisiko durch die Notenbanken übernommen und auf den Steuerzahler abgewälzt!

Für Deutschland war die IKB „führend“. Diese Mittelstandsbank konnte nur durch starke Transferleistungen des Hauptanteilseigners, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, bisher gerettet werden. Über eine Tochter der IKB wurden erheblich mehr Risikoanlagen getätigt, als bisher bekannt waren! Damit sind wir wieder beim Steuerzahler angelangt. Die KfW ist eigentlich für ganz andere Aufgaben zuständig, und dieses Ergebnis schlägt voll auf den Steuerzahler durch! Wo bleiben die Bankenaufsicht und die politischen Konsequenzen?

Viele Amerikaner haben Haus und Grundstück zu 100 Prozent fremdfinanziert. Haben sie ebenfalls einen Aufschwung gemäß Statistik vorgegaukelt bekommen? Jetzt zahlen wir die Rechnung für risikobereite Banker! War die progressive Erfolgsbeteiligung ausschlaggebend? Dies ist ein weiterer Grund, über Globalisierung nachzudenken und über die Bezahlung von angestellten Unternehmern! (Herr Kofer hat um seine Entlassung bei „Premiere“ gebeten. Vorher hat er seine Aktien verkauft und 23 Millionen Euro erlöst.)

Die Deutsche Bundesbank ist besonders gebefreundlich, aber es wird Zeit, von den Banken Sicherheiten durch Abtretung zu verlangen. Es wird auch Zeit für den Finanzminister, den Hut zu suchen und die Verantwortlichkeiten bei der Bundesaufsicht für das Finanzwesen, der Kreditanstalt für Wiederaufbau und nicht zuletzt bei der IKB festzustellen und Regressansprüche abzusichern sowie personelle Konsequenzen zu ziehen!

Der Aufschwung in Deutschland ist leider ein Ammenmärchen. Die deutsche Wirtschaft schwächelt sogar leicht, musste nun auch das Statistische Bundesamt in Wiesbaden feststellen, so der „Weser-Kurier“ vom 9. August 2007. Der Motor ist der Außenhandel, im Inland sieht es anders aus. Trotzdem wird „der Aufschwung“ als Grund für den Rückgang der Firmeninsolvenzen um 13 Prozent genannt. Welcher Aufschwung, das steht dort leider nicht! Übrigens wurde das Insolvenzrecht geändert, vielleicht wartet der eine oder andere etwas mit dem Insolvenzantrag! Der Eigenantrag steht am Anfang vieler Unternehmensinsolvenzen.

 

7. Das „Gewos“-Gutachten zur Miethöhe in Bremen, im November 2006 bestellt, ist am 13. August 2007 bei der Sozialsenatorin eingegangen. Es soll diese Woche vorgestellt werden! Die Verzögerung ist durch weitere Fragestellungen im Zusammenhang mit den Urteilen zu den Kosten der Unterkunft entstanden.

Für die Betroffenen ändert sich augenblicklich gar nichts. Alle Kostensenkungsaufforderungen sind außer Kraft, die Mieten werden ungekürzt übernommen. Widersprüche gegen die vollzogenen Kürzungen sind weiterhin möglich und sinnvoll, auch rückwirkend. Wer zur Zeit umzieht, bekommt die bisherigen Miet­obergrenzen plus 20 Prozent zugestanden, der Rest ist Verhandlungssache. Wer Unterstützung braucht: wir gehen mit

Wenn dieser Senat sein Versprechen einhält und die Kostensenkungs­aufforderungen auf „Villenbewohner“ beschränkt, ist die „Verwaltungsanweisung Wohnen“ ein Kinderspiel! Wenn diese Zusage gebrochen wird, bleibt uns die gerichtliche Überprüfung der einzelnen Kostensenkungsaufforderungen. Dann wird es sehr schwer beziehungsweise unmöglich für Bremen, die neue „Verwaltungsanweisung Wohnen“ gerichtfest zu machen.

Noch aufwendiger wird für die Bagis jedoch die Umsetzung einer solchen „Verdrängungsanweisung“! Entscheidungen zur Mindestwohnfläche und dem „Produkt Wohnung“ wurden auch schon vom Verwaltungsgericht Bremen getroffen. Dies ist totales Neuland für die Bagis, wenn mensch sich das vorherige „Gewos“-Gutachten und die bisherige „Verwaltungsanweisung Wohnen“ anschaut.

Wie „Radio Bremen“ meldet, plant Sozialsenatorin Rosenkötter, die Miet­obergrenzen für Ein-Personen-Haushalte zu erhöhen: „Nach dem vorgelegten Gutachten gibt es in Bremen nach wie vor zu wenige Wohnungen für Singles, die laut Hartz IV an eine Mietobergrenze gebunden sind. Bislang liegt sie bei 265 Euro, künftig sollen es 310 Euro sein. Außerdem will die Sozialsenatorin in acht Bremer Stadtteilen die Mietobergrenze für alle Empfänger von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe anheben. Das gilt für Stadtteile mit überdurchschnittlich hohem Mietniveau wie zum Beispiel Borgfeld, Schwachhausen, Findorff und Östliche Vorstadt.

Damit will Rosenkötter eine rot-grüne Koalitionsvereinbarung umsetzen. Zwangsumzüge, so argumentiert sie, würden das soziale Gefüge in den Stadtteilen zerstören. Profitieren würden von Rosenkötters Vorschlägen mehr als die Hälfte der rund 8.000 Haushalte, die nach den geltenden Bestimmungen zu hohe Mieten zahlen. Sie bekämen dann keine Aufforderung mehr, ihre Kosten zu senken, beziehungsweise umzuziehen. Insgesamt gibt Bremen für die sogenannten Kosten der Unterbringung jährlich rund 180 Millionen Euro aus. Die Anhebung der Obergrenzen würde laut Gutachten mit etwa 5,6 Millionen pro Jahr zu Buche schlagen.“ – Was gilt nun für die zweite Hälte der Haushalte, deren Miete auch über den neuen Obergrenzen liegt? Diese Regelung ist erneut nicht gerichtsfest! Daher lasst uns darüber reden, auf der nächsten Montagsdemo!

Am Dienstag, dem 21. August 2007, findet um 19 Uhr der Gesprächskreis „Vorbereitung auf ALG II“ des Vereins „Sozialer Lebensbund“ im „Hibiduri“ in der Thedinghauser Straße 2 statt. Was ist zu veranlassen, wenn ALG II droht? Wie gehe ich damit um? Sicherheit gegenüber dem unbekannten Wesen ALG II ist durch Wissen zu erlangen! Wie bereite ich meinen Besuch bei der Bagis vor, einer Behörde der besonderen Art? Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
 
Münte hat recht: Über das Lohnabstandsgebot ist der Mindestlohn
mit dem Regelsatz verknüpft („Erwerbslosenforum“)
 
„McPflege“ gibt auf: Alles nur ein Marketing-Gag? („Erwerbslosenforum“)

 

Offener Brief an „Attac“

Bettina FenzelAm 6. August 2007 erschien in der „Tageszeitung“ ein Interview mit eurem neuen Mitglied Heiner Geißler. Darin setzt er sich für eine „ökosoziale internationale Marktwirtschaft“ ein. Oberflächlich betrachtet mag das erst mal positiv scheinen, doch bei näherem Hinsehen erweist sich, dass die Praktizierung von „Marktwirtschaft“, gleich unter welchem beschönigenden Etikett, letztlich die Beibehaltung des globalisierten Schreckens bedeutet. Geißler propagiert einen Mittelweg zwischen Kapitalismus und Kommunismus, wobei es diesen „Mittelweg“ gar nicht geben kann, weil dies ein Widerspruch in sich ist. Auch ein „abgeschwächter“ Schrecken ist immer noch ein Schrecken, und niemand kann garantieren, ob eine ökosoziale Marktwirtschaft nicht doch eines Tages wieder vom globalen „Shareholder Value“ verdrängt wird.

Außerdem ist die Unmöglichkeit eines „Mittelweges“ historisch hinlänglich belegt. Solche Experimente scheiterten bereits im vergangenen Jahrhundert in Ungarn und Jugoslawien. In Ungarn brach der damals im Westen viel gepriesene „Gulaschkommunismus“ genauso zusammen wie das übrige Warschauer Paktsystem – mit den bekannten katastrophalen Folgen für die Mehrheit der Bevölkerung. Als die EU und die NATO mit maßgeblicher deutscher Beteiligung das einst von Tito begründete unabhängige Jugoslawien mittels Intrigen und Krieg zerschlugen, kehrten mit dem Kapitalismus Zwietracht, Spaltung und Bürgerkrieg in die Balkanregion zurück.

Geißler sprach sich gegenüber der „Tageszeitung“ gegen die Verstaatlichung der großen Energiekonzerne aus und behauptete, öffentliche Aufgaben wie Energie- oder medizinische Versorgung ließen sich auch von privaten Unternehmen wahrnehmen. Dabei liegt es auf der Hand, welche verheerenden Folgen gerade die Privatisierung des Energie- und Gesundheitssystems hat. Leider finden wir auch in eurer „Internet-Selbstdarstellung“ keine Hinweise auf einen antikapitalistischen Politikansatz. Diese Feststellung soll natürlich keineswegs eure großen Verdienste schmälern. Wir wollen auch nicht belehren, sondern unsere kritischen Anmerkungen lediglich als positive Anregung verstanden wissen.

Antikapitalismus ist nicht „zu ideologisch“ – wie Geißler meint –, sondern antikapitalistisch und solidarisch zu handeln sehen wir als einzig wirkungsvolle Alternative gegen die neoliberale Zerstörung unseres Planeten an. (Siehe auch Buchveröffentlichung der Autorengruppe Ulrich Duchrow, Reinhold Bianchi, René Krüger und Vincenzo Petracca: „Solidarisch Mensch werden. Psychologische und soziale Destruktion im Neoliberalismus – Wege zu ihrer Überwindung“, VSA-Verlag).

Bettina Fenzel und Wieland von Hodenberg

 

Offener Brief an die „Linke“

Mir geht es um die Verteilung der über eine halbe Million Euro, die unsere Fraktion aus Steuertöpfen erhält (und natürlich um die Fixierung eines Politik-Konzeptes für die Fraktion). Nach Steglich und Spehr wird der größte Anteil dieses Geldes in den geplanten und wahrscheinlich schon beschlossenen Mitarbeiterstamm, die sogenannten Wimis, und die Ausstattung der Büros einfließen. Steglich spricht im Newsletter Nummer 1 vom Finanzrahmen und davon, dass bei der geplanten Personalsituation „rasch 70 bis 75 Prozent des Gesamtanteils“ erreicht sein werden und notiert lapidar: „Damit sind die finanziellen Möglichkeiten aber eigentlich auch bereits erschöpft“

Im gleichen Newsletter schreibt er: „Wie zweischneidig oppositionelle Arbeit letztlich ist, zeigte sich uns spätestens dort, wo wir – mit einer für die von Zwangsumzügen Betroffenen so wichtigen Initiative – zwar etwas bewegen konnten, aber von den Medien mehr oder weniger totgeschwiegen wurden“. Man könne etwas bewegen, steht hier, wird aber von den Medien mehr oder weniger tot geschwiegen: Sätze, die deutlich die Unterschrift von Monique Troedel, der Fraktionsvorsitzenden, tragen.

Deutlicher als in dieser Form und dann noch von Menschen aus der Fraktion kann kaum gesagt werden, welchen Wert ihre Arbeit in der Bürgerschaft haben wird: Es gibt vielleicht hin und wieder einen Dreizeiler in den Printmedien. Dafür sollen der Fraktion fast 500.000 Euro zur Verfügung gestellt werden. Fein, nicht wahr? Dass es so sein müsse, dieser die größte Summe zu überlassen, wird C. Spehr nicht müde zu betonen: Die halbe Million Fraktionsgeld müsse für die Arbeit der Fraktion verwendet werden, basta. Schließlich kontrolliere der Rechnungshof.

Ich meine allerdings, dass selbstverständlich alles, was „draußen“ getan wird, für die Fraktion getan wird. Zweifelt jemand daran? In der Argumentation von Teilen der Fraktion und insbesondere von C. Spehr sehe ich vorgeschobene Argumente, um die eigenen Positionen innerhalb der Fraktion zu festigen und die Arbeit in der Bürgerschaft trotz der Dreizeiler im „Weser-Kurier“ und vielleicht hin und wieder einem kleinen 30-Sekunden-Interview mit einer Aura des besonders Wichtigen zu umgeben.

Vielleicht kommt wider Erwarten der Einspruch oder die Drohung von Gesetzgeber beziehungsweise Rechnungshof wegen der Verwendung der Gelder – oder sogar ein Gerichtsverfahren. Wäre das nicht wunderbar? Gäbe es eine bessere Werbung für die „Linke“? Dann stünde nämlich in der Presse: Die vielen Steuergelder werden nicht für anonyme parlamentarische Arbeit verschwendet, sondern hautnah für die Interessen der Bürger eingesetzt. Einen größeren Sieg für die „Linke“ und für ein Mehr an politischer Glaubwürdigkeit ist kaum vorzustellen!

Deshalb bitte ich alle Parteimitglieder, im nächsten offenen Plenum und bei jeder anderen Gelegenheit dafür zu plädieren, dass die Gelder zu einem Drittel für die Fraktion, zu einem Drittel für die Bürgerbüros und zu einem Drittel für Aktionen eingesetzt werden. Wenn die Bürgerbüros richtig funktionieren (hierzu Steglich/Troedel im Newsletter Nummer 1: „die Bürgerbüros mit Leben erfüllen, um sie im besten Sinne zu Zentren politischer Arbeit in den Quartieren zu machen“), dann benötigen wir nicht einmal einen Pressesprecher: Die Bürger werden für unsere Arbeit die beste Werbung machen, weil wir für sie in ihrer Nähe sind. Eine andere Politik ist nötig, eine andere Politik ist möglich!

Alexander Strübing („Die Linke“)

 

Drei Jahre Protest schaffen eine
selbstbewusste Bewegung

Bei schönem Sommerwetter wie vor drei Jahren starteten wir um 17:30 Uhr in die 145. Montagsdemo auf dem Bremer Marktplatz. Unsere vielen Redebeiträge füllten den Zeitraum von anderthalb Stunden völlig aus. Unsere beliebte Ursula war wieder da. Wir hatten ihr gefehlt, und sie fehlte uns. Es kamen manche anderen Bekannten vorbei und viele Touristen. Sogar auf Fahrrädern wurde zugehört und manches nebenbei gefragt und erörtert. Gut 60 Menschen konnten wir sicher in Bann schlagen und interessieren.

Das große Redebuch
Band I (2004/2005):
Schröders Hartz-Attacke und 
seine vorgezogene AbwahlVom Beginn der Montagsdemo in Bremen genau vor drei Jahren, am 16. August 2004, war die Rede. Was waren die Ursachen für diesen ungeheuren Massenprotest? Was versuchte die Schröder-Regierung nicht alles im Krieg gegen die Arbeitslosen?! Aber Spalten, Tot­schweigen und Zersetzen nutzten nichts. Das Beste bleibt der große Zusammenhalt in der bundesweiten Bewegung, die sich über einen regelrechten Massenprotest zu einer selbständigen Bewegung entwickelt hat, die sich nicht bevormunden lässt. Sie hat mit Offenem Mikrofon und demokratischen Prinzipien auf antifaschistischer Grundlage eine regelrechte neue Demokratiekultur entwickelt und ist offen für alle vorwärtsweisenden Initiativen.

In vielen Teilen Deutschlands gibt es keine aktuellere und politischere Veranstaltung als die Montagsdemo. Die bürgerlichen Parteien scheuen dieses Forum, weil sie da nicht mit Filz, Vetternwirtschaft und versteckten Absprachen landen können. Es ist aber zu bedauern, dass die Kräfte, die eigentlich ihre Verbundenheit mit dem außerparlamentarischen Kampf erklärt hatten, sich von der Montagsdemo doch lieber fernhalten. Niemand soll glauben, dass die Menschen Taten oder Tatenlosigkeit in den Fragen und Problemen, die die Massen haben, nicht registrieren!

Heute war der Start, aber den richtigen Höhepunkt des „dreijährigen Protestes“ wird es bei der 150. Montagsdemo am 17. September 2007 geben. Wir wollen uns dazu etwas einfallen lassen, aber auch jede(r) Interessierte und Sympathisant(in) ist aufgerufen, einen Beitrag zu diesem besonderen Protest zu bringen: Weg mit Hartz IV, das Volk sind wir!

Jobst Roselius für die „Bundesweite Montagsdemo
 
SPD verliert soziale Kompetenz: Hartz IV beruht auf Irrtümern
und hat Deutschland negativ verändert („Linkszeitung“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz