2. Bremer Montagsdemo
am 23. 08. 2004  I◄◄  ►►I

 

Wolfgang Lange (MLPD) und Axel Troost (WASG)
Wolfgang Lange (MLPD) und Axel Troost (WASG)

Nein zur Agenda 2010

Wie kann es sein, dass Unternehmen einerseits immer höhere Gewinne machen, aber andererseits von den Beschäftigten immer höhere Opfer verlangen? Erst sind es nur zwei Stunden Mehrarbeit, aber damit werden die Unternehmen sich nicht zufrieden geben. Wenn diese Entwicklung jetzt nicht aufgehalten wird, werden die Beschäftigten sich mit immer neuen Forderungen konfrontiert sehen.

Die Agenda 2010 und insbesondere die Hartz-Gesetze werden diese Entwicklung nur weiter vorantreiben. Warum sollten die Unternehmen Arbeitsplätze erhalten, wenn sie dank Hartz IV Arbeitslose zu Armutslöhnen einstellen können? Dagegen können sich die Arbeitslosen dank der verschärften Zumutbarkeitskriterien nicht mal wehren.

Es kommt zu einem Drehtür-Effekt: Schleichend werden Arbeitsplätze durch immer billiger bezahlte ersetzt. Dadurch wird sich die stagnierende Binnenkonjunktur noch schlechter entwickeln und zu weiterem Arbeitsplatzabbau führen.

Im Export ist Deutschland bereits Weltmeister. Wie können da die Bedingungen so schlecht sein, wie das Unternehmerlager gerne behauptet? Es ist vor allem die schlechte Binnenkonjunktur, die für die wirtschaftliche Krise verantwortlich ist. Niedrigere Löhne und unbezahlte Mehrarbeit werden die Krise hier nur noch verschärfen.

Deshalb fordern wir: Keine Arbeitszeitverlängerungen, kein Aufweichen der Tarifautonomie, kein Lohnverzicht! Eine gerechte Besteuerung von hohen Einkommen und Gewinnen und solidarische Sozialversicherungen, für die alle einen Beitrag leisten! Gerechte Teilhabe an Gewinnen durch Lohnerhöhungen! Arbeitsmarktreformen, die Arbeit schaffen und nicht Armut! Wiedererhebung der Vermögensteuer und eine Reform der Erbschaftsteuer!

Nur die Solidarität aller Beschäftigten und Arbeitslosen kann diese Entwicklung aufhalten und umkehren. Wir rufen auf zur Teilnahme an den Montagsdemonstrationen! Nein zu Lohnkürzungen! Nein zu Arbeitszeitverlängerungen! Nein zur Abschaffung der Tarifautonomie!

Wir laden auch zu unserem nächsten Regionaltreffen ein, das am Donnerstag, dem 26. August 2004, ab 19 Uhr im Konsul-Hackfeld-Haus, Birkenstraße 34, stattfindet.

Flugblatt von Axel Troost (WASG)

 

Montagsdemo, ich bin dabei!

Ursula GatzkeWo ist der große, laute Schrei? Wir wurden belogen und betrogen! Wo sind nur die großen Protestwogen?

Wir haben geschuftet, tagein, tagaus! Heute mistet man uns aus! Wir haben gezahlt, tagein, tagaus! Man warf das Geld zum Fenster raus!

Wir haben geschuftet bis in die Nacht! Was hat das Leben uns gebracht? Wir werden ausgenommen wie eine Gans: Das ist unser Politiker-Eiertanz!

Sie nehmen hier, sie nehmen da, nur von unten, das ist doch klar! Die von unten werden sich nicht wehren, und oben können sie unser Geld vermehren!

Politik ist so einfach, wenn man bedenkt, dass nur Volkes Geld die Politiker lenkt! Sie haben nie genug Geld von uns bekommen, drum werden jetzt auch Arme und Kranke ausgenommen!

Wir haben geschuftet, tagein, tagaus! Politiker leben in Saus und Braus! Das Geld für unsere Rente haben sie vernichtet! Sie schämen sich nicht, wenn die Wahrheit sich lichtet!

Politiker haben kein normales Gewissen, darum wird das Volk so mächtig beschissen! Politik ist „Frühling-, Sommer-, Herbst- und Winter-Theater“! Politiker haben mächtig viele, teure Berater!

Wenn Politiker es nicht schaffen, unser Geld auszugeben, helfen die meist unnützen Berater ihnen eben! Die Politik versagt im ganzen Land! Wo stehn wir, Leute, Hand in Hand?

Wir müssen schreien, dass laut es dröhnt: Politiker, ihr habt uns mächtig verhöhnt! Politiker, ihr habt uns jahrelang belogen, betrogen, bestohlen! Ihr seid dabei, alles, alles, tagein, tagaus zu wiederholen!

Darum, Politiker, werde ich euch auf einen Sockel heben! Ihr könnt euch aber auch allein hinaufbewegen! Drei gelbe Zitronen sollt ihr von mir bekommen, denn ihr habt mir schon viel zu viel genommen!

Jeweils eine fürs Belügen, Betrügen, Bestehlen! Auch das Volk würde sicher euch dafür wählen! Politiker, was ihr macht, ist beschissen! Das solltet ihr vom Volke wissen!

Kommt endlich auf die Erde, damit es besser werde! Wollt ihr nicht runter von eurer Wolke, holt euch irgendwann das Volke, denn dessen Zorn ist mächtig groß! Es fragt sich längst: „Was macht man bloß?“

Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld? Die da oben aus der anderen Welt? Nein: Die Alten, Armen, Kranken sollen es lieber sein, denn die werden gewiss nicht so laut schrein!

Doch ich schrei hier und heute laut: Was habt ihr euch da nur getraut? In den Köpfen war Schwachsinn drin! Das nehme ich so nicht mehr hin!

Die Zehn-Euro-Kassen-Strafgebühr muss weg! Alle drei Monate dieser Schreck! Die Zuzahlungen sind hinaufgeschnellt! Wir denken, wir leben in einer andern Welt!

Betrug ist: ein Prozent für die chronisch Kranken! Wenn ich da ran will, komm ich ins Schwanken! Gläsern muss ich sein bis in den Tod und sparte doch für die große Not!

Verboten werden muss die Renten-Minus-Runde! Sie reißt bei vielen Menschen eine tiefe Wunde! Ab vierzehn Jahren für die Rente geschuftet und jetzt sieht man zu, wie sie verduftet!

Mehr Abzug als Lohn die letzten Jahre, da standen uns zu Berge die Haare! Haben trotzdem gespart für die Rente später! Heute löst sich alles auf wie Äther!

Ein Grauen geht durch das deutsche Volke: Das ist es nicht, was das Volke wollte! Geschuftet bis zum alten Greis! Nun hat man diesen Politiker-Scheiß!

Ursula Gatzke (parteilos)
Blick zum Ratskeller

 

Weg mit dem Lügenkanzler!

Matthias BrittingerGerhard Schröder sagte vor der Wahl, wir müssten alle den Gürtel enger schnallen. Tatsache ist: Die Einkommensteuer wird zum 1. Januar 2005 erneut gesenkt! Großkonzerne wie Daimler zahlen seit Jahren keine Steuern! Die Arbeitslosen- und Sozialhilfeempfänger sind die Opfer und erhalten noch weniger Geld!

Gerhard Schröder sagte vor der Wahl, er werde neue Arbeitsplätze schaffen. Tatsache ist: Allein im Jahr 2003 sind 392.000 Arbeitsplätze vernichtet worden! Niedriglohn wird zum Standardlohn! Millionen von Menschen müssen unter der Armutsgrenze dahinvegetieren – in Deutschland!

Gerhard Schröder schwor nach der Wahl wie jeder Bundeskanzler einen Eid auf das Grundgesetz und versprach, Schaden vom Volk abzuwenden. Tatsache ist: Hartz IV und die Agenda 2010 verstoßen gegen die Verfassung, die Sozialcharta der EU und die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen!

Gerhard Schröder bricht Gesetze wie kein Bundeskanzler vor ihm! Er versucht krampfhaft, seine Lügen als alternativlos zu verkaufen! Er setzt unsere Zukunft aufs Spiel! Er zerstört mit seinen Reformlügen den sozialen Frieden in Deutschland! Darum bleibt nur noch eins: Weg mit Hartz IV! Weg mit Agenda 2010! Weg mit dem Lügenkanzler!

Matthias Brittinger (parteilos)
 
Albern: Arbeit statt Hatz IV („WDR-Monitor“)
Regenschauer

 

Das Verteilungsproblem in unserem Land muss endlich gelöst werden

Die „Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Bremen“ unterstützt den vom „Sozialforum“ initiierten öffentlichen Protest gegen den Abbau des Sozialstaats durch die Hartz-IV-Gesetze, der am letzten Montag auch in Bremen in Form einer Kundgebung auf dem Marktplatz zum Ausdruck gebracht wurde und der an den nächsten Montagen fortgesetzt werden soll.

Die Absenkung des Einkommens der Arbeitslosenhilfebezieher auf Sozialhilfeniveau, die Verschärfung der Zumutbarkeitsregelungen, der Zwang zur Auflösung von Kleinvermögen vertiefen die Spaltung zwischen Arm und Reich in Deutschland. Auch viele GEW-Mitglieder, insbesondere unregelmäßig beschäftigte Dozent(inn)en im Weiterbildungsbereich, sind durch Hartz IV und den durch Hartz I-III bewirkten Zusammenbruch des Weiterbildungsmarktes in ihrer sozialen Existenz bedroht.

Die GEW sieht in den geplanten Ein-Euro-Jobs eine Gefahr für die Beschäftigungsbedingungen und die Qualität im Bildungs- und Erziehungsbereich. Wir fordern: Kein Arbeitszwang zu Dumpinglöhnen! Schluss mit der Aushöhlung der Tarifverträge! Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Mit Hartz IV will die Bundesregierung ab dem 1. Januar 2005 circa 2,5 Milliarden bei den Langzeitarbeitslosen einsparen. Gleichzeitig werden den Besserverdienenden und Reichen rund 2,5 Milliarden durch die Senkung des Spitzensteuersatzes geschenkt. Das ist sozialpolitisch nicht zu verantworten!

Wenn durch Hartz IV mehr als zwei Millionen Menschen die Einkommen gekürzt werden, dann wird sich auch die Binnennachfrage nicht erhöhen lassen. Über eine gerechte Steuerpolitik wären dagegen Sozialleistungen finanzierbar, und die Binnennachfrage würde gefördert. Es muss weder ein „Standortproblem Deutschland“ noch ein „Demographieproblem“ geben, wenn endlich das Verteilungsproblem in unserem Land gelöst wird.

Jürgen Burger (Landesvorstandssprecher „GEW Bremen“)

 

„Aufrechter“ Gang?
Widerliche Hetze!

'Es reicht!'In der Tradition der „Schill-Partei“ tritt neuerdings in Bremen die Gruppe „Aufrechter Gang“ auf. Ihr Vorsitzender ist mittlerweile in deren Nachfolgepartei PRO organisiert. Unter dem Vorwand, gegen Hartz IV zu demonstrieren, stehen sie auf dem Markt. Als „politisch interessierte und engagierte Bürger“ bezeichnet sich die Gruppe „Aufrechter Gang“. Auf ihrer Internet-Seite jedoch findet sich jede Menge Hetze.

So schreiben sie über die 250 Leute, die am vergangenen Montag, dem 16. August 2004, auf dem Marktplatz gegen Sozialabbau demonstrierten: „Wer die Gestalten leibhaftig gesehen hat, weiß, warum wir uns darin bestärkt sehen, jeden Cent an denen zu sparen, die es noch nie mit Arbeit und Ausbildung versucht haben“. Die sogenannten Gestalten, für die jeder Cent zu schade ist, sind Erwerbslose, Erwerbstätige, Jugendliche, Schüler(innen), Rentner(innen).

Zur Bremer Montagsdemonstration hatte das „Bündnis gegen Sozialkahlschlag“ aufgerufen, ein Bündnis, an dem ein breites Spektrum von sozialpolitisch aktiven Gruppen beteiligt ist. Die „Aufrechten“ schreiben: „Nicht wenige äußerlich verlotterte Gestalten, davon etliche erkennbar angetrunken – und wohl auch bekìfft, kurzum: Punker, Sielwallszene“. Wenig später heißt es: „Mob“, „Irregeleitete“, „PDS-Bodentruppen“ – und vom „Terror“ gegen sie selbst ist die Rede. Tatsächlich hatten die Teilnehmer(innen) der Montagsdemonstration die „Auf“-Rechten stimmgewaltig übertönt. Aus gutem Grund: Wir werden auch in Zukunft niemandem zuhören, der Menschen eine würdige Existenz abspricht!

Den „aufrechten Gang“ wollen die „Auf“-Rechten für sich reservieren. Alleinerziehende Eltern, Ausländer(innen), Erwerbslose, Flüchtlinge und andere Menschen, die ihren Vorstellungen nicht entsprechen, haben nichts Gutes zu erwarten: Sozialhilfe für Alleinerziehende bezeichnen sie als „staatlichen Anreiz, leichtfertig zu Lasten von Kindern unter dem Anspruch der eigenen Selbstverwirklichung Familien zu zerstören“. Nein, „Familie“ muss man nicht um jeden Preis aushalten!

Die „Auf“-Rechten wollen Alleinerziehende zu gemeinnützigen Arbeiten zwingen, ebenso wie alle anderen „Sozialhilfeempfänger im arbeitsfähigen Alter“. Sie schreiben: „Im Gegensatz zur derzeitigen Praxis sehen wir keinen Grund, Alleinerziehende generell davon auszunehmen. Schließlich ist nicht einzusehen, warum diese besser gestellt werden sollen als die große Zahl der Alleinerziehenden, die es schaffen, Kindererziehung und Beruf unter einen Hut zu bringen.“ Eine grausame Logik: Wer Beruf und Kinder nicht „schafft“, hat Pech gehabt und wird zu gemeinnütziger Arbeit gezwungen, ginge es nach den „Auf“-Rechten!

Volles Vertrauen haben die „Auf“-Rechten aber in einen „wehrhaften Staat“ und eine „leistungsfähige Polizei“. Die bräuchte man nur dann nicht, wenn man „sein Haus mit moderner Sicherheitstechnik zur Festung ausbauen und sich und seiner Familie eine eigene Leibgarde gönnen kann. Leider verfügen die wenigsten Bürger über die dafür nötigen Mittel.“ Nein, falsch: Alle Menschen brauchen ein Auskommen, Wohnraum, Essen und Respekt, aber keine Festung!

„Freizeitangebote für Jugendliche“ sollen „artgerecht“ sein – auch in „städtischen Landschaften“. Hauptschulen bezeichnen sie als „Restveranstaltung für völlig Unbegabte“. Anders halten es die „Auf“-Rechten mit den Tieren: „Der Tierschutz hat für uns einen derart hohen Stellenwert, dass wir jedem Mitglied unseres Vereins ausdrücklich abverlangen, sich dazu zu bekennen“. Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen, sprechen sie Schutz jedoch ab. Wir werden menschenverachtender Hetze in der Öffentlichkeit auch zukünftig Paroli bieten. Kein Fußbreit den Hetzern in Hemd und Kragen! Alle Menschen haben ein Recht auf Würde und materielle Absicherung!

Flugblatt des „Bremer Sozialplenums
Regenschauer

 

Schluss mit Schluss!

'Den Herrschenden die Zähne zeigen'Uns dröhnen schon die Ohren vom Mediengetrommel, dass alle sparen müssen, dass es ohne harte Einschnitte ins soziale Netz nicht weitergeht et cetera. Ich weiß nicht, wie viele heute hier sind, die das wirklich glauben. Wird der Kapitalismus wirklich nett zu uns sein, wenn wir noch einen Finger mehr hergeben?

Es ist an der Zeit, bei all dem Jammertal der Sachzwangdebatten wieder auf ein paar alte bekannte Tatsachen zu verweisen: Nein, diese Gesellschaft ist nicht pleite, der Staat verteilt weiterhin Geld von unten nach oben. Nein, der Staat ist nicht dazu geschaffen worden, damit es uns allen hier gut geht. Er ist dazu da, diese Umverteilung von gesellschaftlichem Reichtum zu sichern – und zwar gegen unsere Interessen. Nein, wir betteln nicht um Almosen, wenn wir sagen, dass wir genug davon haben!

Doch wer ist dieses „wir“? Es sind wir mit unseren wechselnden Jobs und unseren Sorgen, wo die Kohle für die nächste Miete herkommt. Wir mit unserem Gerenne von einem Amt zum Bewebungstermin zum nächsten Amt und zum Ein-Euro-50-Job. Mit „wir“ sind jobbende Student(inn)en genauso wie illegalisierte Bauarbeiter aus dem Sudan, polnische Putzfrauen genau wie IT-Jobber, McDonald’s-Küchenkräfte wie Grafik-Designer(innen), von Entlassung bedrohte Stahlarbeiter wie Sozialhilfeempfänger(innen) gemeint.

Wir scheren uns nicht um den Standort Deutschland – Ländergrenzen und sogenannte „ethnische Probleme“ sind für uns nicht von Belang. Wir sagen: Schluss mit der Debatte, wie der Staat besser sparen könnte, Schluss mit dem schlechten Gewissen, aber auch Schluss mit der Hoffnung, irgendwer sonst würde die Dinge schon richten. Unsere Befreiung geschieht auch nicht durch Demonstrieren und das Schwenken von Fahnen.

Diese Demonstration ist sicherlich eine Möglichkeit zu zeigen, dass wir da sind, dass es uns gibt. Entscheidend ist jedoch das, was nach der Demonstration passiert. Wir dürfen nicht wieder den Fehler machen, anderen den Kampf für unsere Interessen zu überlassen – nicht den Gewerkschaftsapparaten und auch nicht den Parteien. Wir sind uns bewusst, dass selbstorganisierter Widerstand dort stattfinden muss, wo das Leben spielt, und dass er in unserem Alltag wieder sichtbar werden muss.

Tut euch zusammen, dort wo ihr seid: in den Jobs, in Schule und Ausbildung, auf den Ämtern und in den Stadtteilen! Nehmt eure Interessen in die Hand! Gegen Kürzungen und Sachzwanglogik setzen wir unseren Anspruch auf ein schönes Leben. Die Regierung sagt Schluss mit diesem, Schluss mit jenem! Wir sagen: Schluss mit Schluss! Genug gespart: Wir nehmen uns, was wir brauchen!

Machen wir die Stadt auf für Bewegungsfreiheit, für Nulltarif in Bus und Bahn, für Zugang zu Straßen und Plätzen ohne Kontrolle und Platzverweis, für den freien Zugang zum sozialen und kulturellen Leben, für radikale Arbeitszeitverkürzung! Ob fünf Minuten mehr Pause oder Weltrevolution – wir kriegen nur, wofür wir kämpfen!

Redebeitrag von „Freier Arbeiter(innen)-Union“ und „Andiamo
 
Fundsache Forderungen: Grundeinkommen und Mindestlohn („Stattnetz“)

 

Montagsaktion gewinnt an Breite

An der heutigen Montags-Aktion nahmen über 600 Menschen teil. Auffallend war, wie viele „normale Leute“ gekommen waren. Letztes Mal waren noch mehr politisch Organisierte da, zum Teil aus der Antifa-Bewegung, die den Auftritt des Schill-Mannes verhindern wollten, dieses Mal mehr unmittelbar Betroffene, Arbeiter, Lehrer, Auszubildende und Schüler. Natürlich auch die politisch aktiven Linken.

Nach einer einstündigen Ver­samm­lung auf dem Marktplatz – die Behörden hatten nur eine halbe Stunde genehmigt, um einen zeitlichen „Puffer“ zum Schill-Mann zu haben, worüber sich die Versammlung aber hinwegsetzte – führte der Demozug zum Hauptbahnhof. Dort gab es nochmals eine Kundgebung mit offenem Mikrofon.

Es gab viel mehr Beiträge, auch spontane, frei gehaltene. Mehrere Bremer Pfarrer hatten zur Teilnahme aufgerufen, und Pfarrer Drewes redete für sie. Lautstark beklatscht wurden Beiträge, die zum Streik gegen Hartz IV aufforderten. Viel Beifall gab es auch für Professor Bauer von der Bremer Uni, der die Auswirkungen von Hartz IV gut wiedergab, und für die drei AV-Vorsitzenden von Airbus, die zum Kampf um die Dreißig-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich aufriefen und Einbeziehung der Jugend empfahlen.

'Abschlusskundgebung'

Von Moderator Lange wurde die Berichterstattung von „Weser-Ku­rier“ und „Radio Bremen“ scharf kritisiert, die nicht sachlich berichten, sondern versuchen, die Montagsdemo als gespalten darzustellen, als ob sich mit unserem breiten Bündnis und der Handvoll Schill-Leuten gleichwertige Hartz-IV-Gegner entgegenstünden.

Dieser Beitrag und einer über das internationale Echo der Montagsaktionen in Deutschland wurden mit starkem Beifall bedacht. Auch die Beiträge von PDS, MLPD, Antirassismusbüro, SAV und Rebell kamen gut an. Alle sprachen sich klar dafür aus, dass Hartz IV komplett weg muss und mit ihm die ganze Regierung.

Die nächste Montags­aktion und alle weiteren finden um 17:30 Uhr auf dem Bremer Marktplatz statt oder beginnen dort. Die Schill-Anhänger müssen fortan auf einen anderen, nicht so großen Platz ausweichen. Das nächste Treffen der Aktionseinheit ist am Mittwoch, 25. August, um 20 Uhr im „Freizi“, Geschwornenweg, Neustadt.

Rote Fahne News

 

Erneut Protestaktionen

Am Abend sollen in mehr als hundert Städten erneut Protestaktionen gegen die Arbeitsmarktreform „Hartz IV“ stattfinden. In Schwerin gingen nach Angaben der Polizei bereits 1.200 Menschen auf die Straße. In der vergangenen Woche hatten sich rund 700 Demonstranten an dem Protestmarsch dort beteiligt.

Die SPD-Spitze will sich auf eine Position zu gesetzlichen Mindestlöhnen festlegen. Parteichef Müntefering, der die Debatte angestoßen hatte, kündigte an, das Präsidium werde bis November darüber entscheiden. Er wolle das Thema zusammen mit den Gewerkschaften diskutieren und nicht etwa gegen sie durchsetzen. Regierungssprecher Anda machte in Berlin deutlich, für Bundeskanzler Schröder handele es sich um eine Grundsatzdiskussion zwischen SPD und Gewerkschaften. Derzeit gebe es keinen Handlungsbedarf.

Wirtschaftsminister Clement hat sich mehrfach gegen die Einführung eines Mindestlohns ausgesprochen. Statt Mindestlöhnen, wie sie die SPD diskutiert, plädiert die CDU-Spitze dafür, Arbeitgebern Lohn- und Lohnkostenzuschüsse zu gewähren. Dadurch solle vor allem Langzeitarbeitslosen im Osten eine Einstiegschance in den Arbeitsmarkt geboten werden.

Mehr Anstrengungen für Wachstum und Beschäftigung in Ostdeutschland haben Politiker von CDU und SPD gefordert. CDU-Präsidium und Vorstand verlangten in Brandenburg/Havel, noch gesperrte Bundesmittel für mehr Wachstum und Beschäftigung freizugeben. Öffnungs- und Experimentierklauseln sollten mehr Gestaltungsfreiheit vor Ort ermöglichen.

Auf einer Konferenz in Potsdam trat der brandenburgische Ministerpräsident Platzeck für einen umfassenden Bürokratieabbau und eine stärkere Förderung kleinerer und mittlerer Betriebe ein. Der für den Aufbau Ost zuständige Minister Stolpe versicherte, die Bundesregierung stehe zum Solidarpakt II. Bis 2019 stünden rund 159 Milliarden Euro Fördermittel bereit.

Deutschlandradio“ am 23. August 2004, 18 Uhr

 

Sozialrevolutionäre Gruppen beenden den braunen Spuk

In Bremen demonstrierte heute etwa 400 Leute gegen Hartz & Co. Das waren etwas mehr als letzten Montag. Es gab wieder ein Offenes Mikrofon. Anwesend waren zahlreiche Kleinstparteien, aber auch sozialrevolutionäre Gruppen und die „Freie Arbeiter(innen)-Union“. Schließlich zogen die Kleinstparteien und die PDS als Demonstrationszug vom Marktplatz zum Bahnhof. Die anderen (nur circa 50 bis 60 Menschen) blieben vor Ort, um einer Kundgebung des „Aufrechten Gangs“ (ein „Schill-Partei“-Ableger) beizuwohnen.

Da die Polizei leicht hätte eingreifen können (von der SAV wurde im Vorfeld vorgeschlagen, sich von antifaschistischen Protesten öffentlich zu distanzieren), beließen es die Verbleibenden dabei, die Kundgebung der Rechten (nur etwa zehn an der Zahl und ein schwacher Lautsprecher) an den für sie unpassendsten Stellen wahlweise mit frenetischem Applaus oder mit Buh-Rufen einzudecken, sodass die Rechten im Gejohle und Schmährufen mit ihrer „Kundgebung“ untergingen. Außer ihren Gegnern waren auch kaum Passanten anwesend.

Stattdessen mussten sich die Rechten das „Alles-für-alle“-Transparent und eine FAU-Fahne anschauen. Doch machten sie seelenruhig weiter, obwohl ihnen niemand zuhörte. Für die Polizei waren wir ja nur Teilnehmer(innen), die, wie auf lebhaften Kundgebungen eigentlich üblich, applaudierten oder Mißfallensbekundungen ausstießen. Es gab auch lautstarke „Haut-ab“-Rufe!

Das Schönste war jedoch ein mit Einverständnis seines Besitzers entwendeter Leierkasten, der eigentlich die Touristen beglücken sollte. Dieser wurde dann unter tosendem Applaus der antifaschistischen Kundgebungsteilnehmer(innen) direkt vor den rechten Rednern laut orgelnd auf- und ab gefahren. Das war eine lustige Schau! Die Polizei hielt sich zurück, und die Rechten beendeten schließlich unter Schmährufen „ihrer“ Teilnehmer(innen) ihre Veranstaltung.

Die Rechten wollen nächsten Montag nicht mehr auf dem Marktplatz demonstrieren und dürften wohl kaum mehr Beachtung finden. Die Kundgebung der Rechtsradikalen wurde nicht von Parteien (SAV, PDS, MLPD) und Zentralgewerkschaften unmöglich gemacht, sondern von selbstorganisierten sozialrevolutionären Gruppen! Nun sollte der braune Spuk ein Ende haben und unsere Kundgebung oder Demonstration sich nicht mehr spalten lassen.

Bericht eines Teilnehmers für „Indymedia

Es waren nicht unter 500 Leute da. Am meisten waren um circa 17:30 Uhr auf dem Marktplatz, weil die Demo in der Woche zuvor auch für diese Zeit angekündigt war. Kurz bevor es in Richtung Bahnhof ging, fing es allerdings ein wenig an zu regnen, und diverse Leute zogen es vor, nicht mitzudemonstrieren.

Was ich als unorganisierte Teilnehmerin nicht gut fand: dass die Demo von einigen junglinken Grüppchen geprägt wurde, die nicht begriffen haben, dass Parolen, in denen das „Kapital“ herumspukt und auf die „Barrikaden“ gestiegen werden soll, eine abschreckende Wirkung haben; ebenso Redebeiträge, die Wörter wie „systemimmanent“ enthalten und mit denen in fünf Minuten und mit deutscher Gründlichkeit die ganze Welt erklärt werden soll.

Ergänzung einer Beobachterin

Ungefähr auf Höhe Schüsselkorb waren es 437 Demonstrationsteilnehmer, die ich gezählt habe. Die Demo bewegte sich zu diesem Zeitpunkt nicht, und auch innerhalb der Demo gab es kaum Bewegung, weshalb die Zahl ziemlich genau sein dürfte (plus/minus zehn). Dazu kommen die 50 bis 60 am Marktplatz Verweilenden, was dann ziemlich dicht an 500 ist.

Nachtrag von „Kalle“

Hier wird lieber gegen „Kleinstparteien“ gehetzt, als zu erwähnen, dass auf der Demo explizit gefragt wurde, „wollen wir losgehen oder bleiben“, und die Mehrheit der Teilnehmer sich lautstark fürs Loslaufen aussprach. Die acht Schill-Hanseln sind nicht gerade der faschistische Massenmob, bei dem es wichtig gewesen wäre, sie zu stoppen. Die Leute wollten gegen Hartz IV demonstrieren, das armselige Häuflein war den meisten egal.

Zum Thema, die SAV habe vorgeschlagen, sich öffentlich von den Antifas zu distanzieren, einige Auszüge aus der Rundmail der Anmelderin der Demo: „Meines Erachtens war der Diskussionsstand, dass unser gemeinsames Anliegen in erster Linie ist, gegen Hartz IV zu demonstrieren und eine Bewegung aufzubauen, die auch breitere Gesellschaftsschichten umfasst.

Bitte bedenkt, dass wirksame Arbeit gegen Rechts und gegen Rassismus nur möglich ist, wenn wir den Menschen eine Perspektive auf echten Widerstand gegen Hartz IV bieten und nicht, indem wir uns jetzt darauf einschießen, unbedingt diese Typen am Reden zu hindern. Wenn wir Montag eine große Demo zustande kriegen, haben wir meiner Ansicht nach erreicht, was wir wollten – wir haben verhindert, dass Rechte, in diesem Fall der „Aufrechte Gang“, die Bewegung gegen Hartz IV vereinnahmen. Das ist ein politischer Erfolg, den wir nicht durch unüberlegte Aktionen gefährden sollten.

Ich fände es sinnvoll, mit einem Flugblatt, das den „Aufrechten Gang“ inhaltlich bloßstellt, bei deren Kundgebung anwesend zu sein und auch mit den Leuten zu diskutieren, warum man an deren Kundgebung nicht teilnehmen sollte. Dieser reaktionären kleinen Gruppe aber die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, sich auf eine Konfrontation mit denenn (und der Polizei) einzulassen und ihnen damit ein Forum zu bieten, sich als arme, rechtschaffene Opfer linker Gewalt darzustellen, wertet sie meiner Ansicht nach unnötig auf und schadet unserer gemeinsamen Sache – sowohl gegen Hartz IV als auch gegen die Rechten.“

Die „selbstorganisierten sozialrevolutionären Gruppen“ haben sich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert, als sie nach der demokratischen Entscheidung der gesamten Demo versucht haben, den Lautsprecherwagen physisch am Weiterfahren zu hindern!

Anmerkung von „Soviet“

Montags ist Antifaschismus wohl nicht so wichtig? Circa 400 Menschen kamen zur zweiten Bremer „Montagsdemo“ und blieben nicht lange. Während im direkten Anschluss an die Demonstration des Montagsdemobündnisses der Schill-Partei-Ableger „Aufrechter Gang“ ebenfalls auf dem Marktplatz eine eigene Kundgebung angemeldet hatte, war dies einem Großteil des Montagsdemobündnisses egal. Kurz vor dem Eintreffen der Rechten bildete ein Großteil der Protestierenden einen Demozug und überließ so problemlos diesen den Marktplatz. Zurück blieben circa 70 Demonstrant(inn)en, die dazu nicht bereit waren.

Die hier – gerade von SAV und PDS – vorgenommene Trennung vom Widerstand gegen Sozialkahlschlag und Antifaschismus ist dabei genauso falsch wie gefährlich, ignoriert sie doch die unmittelbaren gemeinsamen Ursachen beider. Das instrumentelle Verständnis gegenüber den Demonstrierenden wird dabei im Angesicht von Begründungen wie „die Menschen nicht in Auseinandersetzungen mit hineinzuziehen“ umso deutlicher. Fatale Fehler mit historischen „Vorläufern“! Der Widerstand gegen den Sozialkahlschlag darf nicht vom Protest gegen rechte und faschistische Politik getrennt werden! Gemeinsam gegen Rechts und Sozialkahlschlag! Alles für alle, und zwar umsonst!

Die Politik des Sozialkahlschlages, die Umverteilung von unten nach oben, nimmt scheinbar kein Ende. Ganze Reformpakete, alle furchtbar wichtig zur Verteidigung des „Wirtschaftsstandortes Deutschland“ bewirken vor allen Dingen eines: Die weitere Verarmung eines Großteils der Menschen bei gleichzeitigen stetig wachsenden Profiten. Dass dieser Sozialkahlschlag aber überhaupt in dieser Form möglich ist, ist mit auch Ausdruck unserer eigenen Schwäche, des gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses zu unseren Ungunsten.

Zudem sind auch ein Großteil der zurzeit an den Protesten sich beteiligenden traditionellen linken Gruppen aufgrund ihrer Inhalte nicht in der Lage, den sozialen Protesten eine erfolgreiche Perspektive zu bieten: Die Verteidigung des „alten“ Sozialstaates gegen den „neuen“, die Bitte an den Staat um ein „Recht auf Arbeit“, die Reduzierung der Kritik auf einzelne Personen und die Berufung auf irgendein „Volk“ stellen keine Alternative zur herrschenden Politik des Sozialkahlschlages dar.

Stellungnahme von „Solid Bremen

Bereits am letzten Montag gab es Stimmen unter den „Normalos“, die nicht verstanden haben, was los ist, als gegen die Rechten vorgegangen wurden. Das nicht, weil sie nicht gegen Rechts waren, sondern weil sie einfach nicht erklärt bekommen haben, was der „Aufrechte Gang“ für Leute sind. Die Leute wollten was gegen Hartz machen und sich nicht mit ein paar Braunen schlagen, die man genauso ignorieren oder inhaltlich schlagen kann!

Die Innenstadt war fast leer. Sie haben sich mit nicht mal zehn Rechten angelegt, für die sich keiner interessiert hat, während woanders bis zu 500 wütende Leute was gegen die Regierung machen wollten und vor allem Redebeiträgen, in denen es um einen Generalstreik und um Wut ging, applaudiert haben.

Dreist ist die Tat von „Solid“-Mitgliedern, die versucht haben, den Lauti-Wagen-Fahrer am Einsteigen zu hindern, wenn man die demokratische Entscheidung vorher bedenkt! Man kann es der Demoleitung nicht verübeln, dass sie eine Handvoll Rechte lieber ignoriert hat, als ihnen Aufmerksamkeit zu schenken und sie, mit etwas Pech, auch noch als Opfer dastehen zu lassen.

Die sozialrevolutionären Gruppen rennen blind auf die Faschos los, ohne zu gucken, was der Rest der Welt tut. Dass der gegen Hartz IV ist und ihm Faschos egal sind, so lange die sie in Ruhe lassen, war offensichtlich. Ich bin gespannt, ob die Selbstorganisierten zu den nächsten Montagsdemos wieder auftauchen, wenn keine Faschos da sind, sondern nur noch normale Menschen, die was gegen Hartz machen wollen und mit denen man sich auseinandersetzen muss!

Anmerkung von „kleines, rotes Fähnchen“

 

Montagsdemos 
und Herbstkampagne

Der Koordinierungskreis tauscht sich über die Einschätzungen zur aktuellen politischen Lage angesichts der Montagsdemonstrationen aus. Versuch einer Zusammenfassung:

Die Proteste gegen Hartz IV sind das beherrschende Thema. Der „heiße Herbst hat begonnen“. Während die Gliederungen der Gewerkschaften langsam anfangen, sich den Montagsdemos anzuschließen, zögert die DGB-Spitze vor den Wahlen in Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Sachsen. Offenbar machen die Proteste aber schon jetzt so viel Eindruck, dass sich die Regierung zu Nachbesserungen gezwungen sieht.

Die spontane Massenbewegung in Ostdeutschland findet aber noch keine Entsprechung in Westdeutschland. Hier sind die „Attac“-Gruppen gefordert. „Attac“ hat eine wichtige Rolle als Bindeglied in den sozialen Bewegungen vor Ort und kann Akzente setzen, die über Hartz IV hinausgehen („genug für alle, weltweit“).

Um die Aktivitäten der „Attac“-Gruppen zu unterstützen, wurde ein Aktionspaket an die Gruppen verschickt, dem noch zwei weitere Aktivbriefe folgen sollen. Der 17. November 2004 bietet sich als lokale Perspektive über die Demos hinaus an. Die Montagsdemos sind auch eine Gelegenheit, neue aktive Leute in die Verantwortung bei den „Attac“-Gruppen hineinwachsen zu lassen.

Der Bewegung abträglich sind Versuche von politischen Kleinstgruppen wie der MLPD und anderen, das zarte Pflänzchen Montagsdemo bereits jetzt unter ihre Kontrolle bringen und für eigene Zwecke instrumentalisieren zu wollen. Das überregionale Koordinationstreffen in Leipzig, zu dem ein Teil des Leipziger Sozialforums am 28. August 2004 eingeladen hatte, droht jedenfalls von der MLPD unterwandert zu werden. Ob ein weiteres überregionales Koordinierungstreffen, zu dem die Berliner Demovorbereitung am 28. August einlädt, nützt oder schadet, wird im Koordinierungskreis unterschiedlich beurteilt.

Da viele Leute, die die alten Auseinandersetzung der westdeutschen Linken nicht miterlebt haben, das Problem mit der MLPD nicht verstehen werden, soll ein erklärendes Papier vorbereitet und an die Gruppen verschickt werden. Eine Schlammschlacht über die Presse sollte aber unbedingt vermieden werden. Eine bundesweite Struktur zur Koordinierung der Demos wird nicht für notwendig erachtet und sollte zum jetzigen Zeitpunkt unbedingt vermieden werden.

Eine große Demonstration Anfang Oktober, die von der MLPD unter dem völlig inakzeptablen Motto „Marsch auf Berlin“ ins Gespräch gebracht worden ist, findet gerade in Ostdeutschland großen Anklang. Sie läuft aber auch Gefahr, als Endpunkt der Montagsdemos zu wirken und in den Medien mit dem 3. April 2004 verglichen zu werden.

Protokoll des „Attac“- Koordinierungskreises vom 23. August 2004 (unter den Teilnehmern: Klaus-Rainer Rupp, PDS, und Pedram Shahyar, „Attac“)

 

Donnerstags dann differenziert

Alle sind gegen Sozialabbau. Es kommt aber darauf an, wie man protestiert: Im Angebot sind drei getrennte Montagsdemos und eine DGB-Kundgebung Mitte der Woche in Bremerhaven – mit und ohne geistlichen Beistand.

Gegen Hartz IV demonstrierten gestern auf dem Bremer Marktplatz mehrere linke Gruppen um die „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ (WASG): Teilnehmerzahl rund 250 Bürger(innen). Anschließend gab ebendort die Bürgerinitiative „Aufrechter Gang“ (AGg) kund, mit Hartz IV nicht einverstanden zu sein. Nicht zu vergessen: Der von der „Sozialistischen Wahlalternative“ (SW) veranstaltete Montagsprotest gegen Hartz IV, gestern Abend in Bremerhaven. Dort wird nun auch am Donnerstag demonstriert: Auf dem Fritz-Reuter-Platz tritt die Regionalgruppe des DGB für Nachbesserungen an der Agenda 2010 ein.

Der Grund für die abweichende Terminwahl: „Die allgemeine Kritik an Hartz IV können wir nicht teilen“, erläutert Gewerkschaftssekretär Reinhard Dietrich. „Wir wollen differenzierter vorgehen.“ Der Aufruf zu der Veranstaltung lässt das nicht erahnen: „Jetzt reicht es“, ist er überschrieben, und „Bremerhaven steht auf!“ Immerhin: Man werde „keine Mittwochsdemo dazwischenschieben“, erklärte der parteiunabhängige Bremerhavener Karl-Heinz Hoffmeyer, der auch eine Montagskundgebung in Fishtown geplant hatte. Man werde „schauen, wem man sich anschließen kann“.

In Bremen hatte vergangene Woche das Aufeinandertreffen linker Hartz-Gegner mit den rechtspopulistischen AGglern zu Rempeleien geführt. Auch gestern wurde aufgerufen, über die genehmigte Zeit hinaus „den Markt zu halten“. Es sei „ungeheuerlich, dass die Rechten hier auftreten“, hieß es. Gerügt wurde die Presse dafür, beide Kundgebungen als „gleichwertig darzustellen“. Als dann um 17:45 Uhr der Einsatzleiter der Polizei zum Demo-Mobil schritt, blieb von dem Kämpfer-Gestus wenig – Abmarsch „zur Abschlusskundgebung am Bahnhof“.

Obgleich die Demo-Anbieter sich wenig zu sagen haben, ähneln sich ihre Parolen. Nicht nur, weil auch der AGg-Vorsitzende Matthias Henkel, Ex-CDU-MdBB und Ex-Schillianer die Presse als feindselig empfindet. In Hartz IV sieht er „ein Gesetz gegen die Arbeitslosen und nicht gegen die Arbeitslosigkeit“. Dieselbe Formel benutzt Axel Troost, der bei der WASG den Ton angibt.

Große Bedeutung wird in dieser Gemengelage schwer einschätzbarer Gruppen der kirchlichen Haltung zukommen. So hatten zur links-orientierten Bremer Kundgebung zehn Pfarrer mit aufgerufen – unter ihnen der Friedensbeauftragte der Bremer evangelischen Kirche, Friedrich Scherrer. Die Frage, ob er sich auch eine Teilnahme an der AGg-Demo vorstellen könne, beantwortet der Stephani-Pastor energisch: „Nein, keinesfalls“.

Tageszeitung Bremen“ vom 24. August 2004
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz