1. Ich weiß ja nicht, ob zu Beginn des ausbrechenden Spätlings in der Zeitung „Die Welt“ bereits eine Art von Sommerloch ausgebrochen ist, oder warum uns jetzt eine Serie oder mindestens eine Trilogie zum Thema Hetze gegen vermeintlich arbeitsunwillige, faule Arbeitslose zugemutet wird. Den Auftakt gab vor einer Woche der Artikel „Warum sich jemand bewusst für Hartz IV entscheidet“. Darin lesen wir, wie und warum die jetzt 42-jährige Susanne Müller dies getan haben soll und deswegen im Oktober 2004 ihre feste, mit monatlich 2.290 Euro netto dotierte Arbeitsstelle als Betriebswirtin gekündigt hat.
Obwohl sie sich einen Pagenschnitt für 15 Euro beim Friseur leisten kann, nur im Bioladen einkauft, sich im Café ein französisches Frühstück für 3,50 Euro gönnt, ihren Freund bekocht, keine Kleidung von H&M kauft, sondern einen Shell-Parka, Doc-Martens-Schuhe und Kaschmir-Schals besitzt und teure Marken bevorzugt, schafft sie es, noch 21 Euro vom letzten Monat übrig zu haben. Susanne lacht und sagt, dass sich ihr Leben seit der Kündigung wohl verändert, aber nicht verschlechtert habe. Für 28 Pfandflaschen, die sie in den letzten Tagen gefunden und mitgenommen hat, bekommt sie bei Aldi einen Bon im Wert von 7,50 Euro, für den sie dort gleich einkauft.
Vom Gang zur Bank, zum Friseur und dem Einkauf ist Susanne so erschöpft, dass sie sich auf dem Sofa ausruhen muss. Vier Mal in Monat spendet sie Blutplasma, wofür sie 15 Euro bekommt, um sich davon ihre „Luxuswünsche“ wie teure Kleidung und zweimal jährlich eine Zahnprophylaxe leisten zu können. Im Gegensatz zu anderen Hartz-IV-Beziehern bekommt sie mit 372 Euro Arbeitslosengeld II Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts am Buchungstag des 1. März 2013 komischerweise zehn Euro weniger. Bei der Überweisung der Miete ist mal von 379 Euro und mal von 410 Euro die Rede. Sie vermisst es zwar zu reisen, will aber nicht mehr arbeiten. Das Jobcenter bekommt die verlangten Bewerbungsnachweise, denn Susanne weiß ganz genau, wie eine Bewerbung aussehen muss, die jeder Arbeitgeber ablehnt.
Spätestens nach diesem Abdruck würde Susanne Müller kein ALG II mehr bekommen, weil sie bei Beantragung der Transferleistung unterschrieben haben muss, dass sie alles tun werde, um ihre Hilfsbedürftigkeit zu beenden, sprich: zu arbeiten. Auch wenn seit Jahren weder Kosten noch Mühe gescheut werden, die schwer schuftende Volksseele durch Menschen mit ausgeprägter Arbeitsallergie zum Kochen zu bringen, existiert nur in der Fantasie der Leute, dass ein „Hartz-Leben“ erstrebenswert sein könne. In meinen Augen liegt hier ein glasklarer Fall von Hetzkampagne vor, und die beschriebene Frau ist natürlich ein Fake! Nicht arbeiten wollen ist das eine, sich aber dann der „Freiheit“ durch Verfolgungsbetreuung auszusetzen – diesen Dummfug tut sich niemand an!
An diesem Wochenende erschien dann die Fortsetzung „Sozialbetrüger genießen das wahre Leben“. In diesem Artikel erfahren wir, dass sich die Arbeitsmoral des Abendlandes mit den Jahrhunderten verändert hat und aus Almosenempfängern „Kunden“ der Jobcenter wurden. Dies sei ein materieller Fortschritt, der zugleich moralisch fragwürdig ist. Der Satz aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher, wer nicht arbeiten wolle, der solle auch nicht essen, sei von August Bebel als „Grundsatz des Sozialismus“ bezeichnet, von Adolf Hitler für den Nationalsozialismus beansprucht worden und unter Josef Stalin in die Verfassung der Sowjetunion gelangt.
Auch wenn Jesus es „heidnisch“ genannt haben soll, sich um materielle Dinge zu kümmern, seien seine ersten Jünger hart arbeitende Familienväter gewesen, die ihre Arbeit und ihre Familie aufgaben, um dem „Menschenfischer“ zu folgen. Auch zu Martin Luthers Zeiten habe eine Schar bettelnder Mönche und eifriger Ablassverkäufer den Zorn des hart arbeitenden Bürgertums erregt, das den Luxus der Päpste und Kardinäle ebenso verachtete wie die angebliche Faulheit der Mönche und Nonnen.
Nach einem Exkurs durch die Jahrhunderte wird immerhin festgestellt, dass die meisten Erwerbslosen gar nicht so leben wie Susanne Müller und die allermeisten sogar unfreiwillig arbeitslos sind. Es sei ein großer zivilisatorischer Fortschritt, dass die Erwerbslosen Sozialleistungen nicht als Almosen empfinden müssten, sondern sie als ihr Recht reklamieren könnten. Mir würde es gefallen, wenn die Mitarbeiter der Jobcenter dies genauso sähen! Ein Heer von Beamten soll nun denjenigen nachschleichen, die das Arbeitslosengeld erschleichen.
Last not least bekommen wir drittens „Das Märchen vom faulen Hartz-IV-Empfänger“ serviert. Jeder dritte Deutsche glaube, dass sich Bezieher von Hartz IV vor der Arbeit drücken würden. Heinrich Alt von der Bundesagentur sagt zwar, hier werde über ein Randphänomen geredet, denn es gebe nur wenige Menschen, denen es ohne Arbeit gut gehe. Dagegen, dass sie alle nur Einzelfälle seien, spreche aber die hohe Zahl von Sanktionen, die die Jobcenter gegen unwillige Hartz-IV-Bezieher verhängten.
Nach einer Studie des „Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung“ seien zwei Drittel der Hartz-IV-Bezieher gar nicht untätig, denn 30 Prozent arbeiteten zumeist als Minijobber, jeweils zehn Prozent machten eine Ausbildung, absolvierten eine Maßnahme des Jobcenters oder kümmerten sich um ihre kleinen Kinder, und weitere fünf Prozent pflegten Familienangehörige. Der überwiegende Teil der Hartz-IV-Bezieher sei daher gar nicht zur Arbeitssuche verpflichtet. Die Arbeitsmotivation unter den Leistungsbeziehern sei sogar höher als in der übrigen Bevölkerung.
Obwohl gerade noch gesagt wurde, dass der überwiegende Teil der Transferleistungsbezieher gar nicht zur Arbeitssuche verpflichtet sei, wird nun angeprangert, dass nur knapp zwei Drittel in den letzten vier Wochen nach Arbeit gesucht hätten. Aber die rund 350.000 Hartz-IV-Bezieher, die dies nicht tun, seien keinesfalls als der „harte Kern der notorischen Arbeitsverweigerer“ zu bezeichnen, die es sich in der „sozialen Hängematte“ bequem gemacht hätten, sondern es handle sich um ältere und kranke, chancenlose Arbeitslose, die resigniert auf die Rente warteten. Natürlich ist dauerhafter Transferbezug entwürdigend, und umso klarer tritt Susanne Müller als Fake hervor! Gibt es in der „Welt“-Redaktion vielleicht ein Kompetenzgerangel?
2. Vor fünf Wochen berichtete ich von der erfolgreichen Verhinderung der Zwangsräumung der 67-jährigen Rosemarie F. in Berlin. Nun ist die schwerbehinderte Frau nur zwei Tage nach der dann doch erfolgten Zwangsräumung ihrer Wohnung gestorben. Wie konnte es zur Räumung kommen? Warum hat ihr keine Behörde geholfen? Das Sozialamt, von dem Rosemarie F. eine Grundsicherung erhielt, beendete die Mietzahlungen, nachdem die Rentnerin den Kontakt zur Behörde eingestellt habe. Zum Gerichtstermin erschien Rosemarie F. nicht, schickte auch keine Entschuldigung. Sicherlich wusste sie nicht, dass die Zivilprozessordnung vorschreibt, dass den Prozess automatisch verliert, wer vor Gericht nicht erscheint.
Allerdings hatte Rosemarie F. von dem Verfahren gar nichts gewusst, weil sie ihre Post nicht mehr öffnete, was bei Personen, die überfordert sind und den Überblick verlieren, häufiger vorkommt. Leider interessiert das juristisch offenbar niemanden. Obwohl sich im Februar Mitglieder des Bündnisses „Zwangsräumung verhindern“ darum gekümmert haben, dass das Sozialamt die Mietschulden übernimmt, bestand die Vermieterin weiterhin auf der Räumung der Wohnung.
Das Attest ihres Hausarztes, wonach durch die Räumung eine konkrete Verschlechterung ihrer Gesundheit drohe, reichte nicht aus, weil es kein fachärztliches Attest ist. Dabei wurde ihr auch im Krankenhaus bescheinigt, dass die Wohnungsräumung aus medizinischer Sicht nicht zumutbar sei. Aber dann findet die Zwangsräumung doch statt, kommen 150 Polizisten, eine Gerichtsvollzieherin, sind nach 20 Minuten sind die Schlösser ausgetauscht, Rosemarie kommt in eine Obdachlosenunterkunft, wo sie dann stirbt. Wenn Menschenleben auch juristisch so viel wert wären wie Mietschulden und Geld, dann hätte dieser Tod verhindert werden können!
Das soziale Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ schrieb in einer Pressemitteilung, man sei fassungslos, dass der Tod von Rosemarie F. von den Behörden und Vermietern „zumindest billigend in Kauf genommen“ wurde. Angeblich seien es nicht nur die Schulden, weswegen die Vermieter die 67-Jährige aus der Wohnung werfen wollten, sondern sie soll ihre Nachbarn „tyrannisiert“ haben und durch „aggressives Verhalten“ aufgefallen sein. Die Wohnung der 67-Jährigen sei „völlig zugemüllt“ gewesen und habe „bestialisch gestunken“. Aber wer alt und krank ist, bewältigt möglicherweise nicht mehr alles allein und lässt aus unguter Erfahrung auch kein Amt mehr herein.
Meine Meinung hierzu, auch wenn sie nicht so nett rüberkommt, aber es muss sich endlich mal was ändern: „Und wenn in mir die Wut aufsteigt, dann setze ich mich ganz schnell wieder hin“, nachdem Tausende von Kerzen entzündet wurden. Das wäre dann die x-te Wiederholung des moralischen kleinbürgerlichen Protestes innerhalb dieses abzulehnenden Systems. Was sind wir nur alle für gute Menschen, wir sind ja alle so traurig!
Die „schönste“ Blüte im Sumpf der „Aufklärung“ der „Welt“ über „Sozialbetrüger, die das wahre Leben genießen“ – womit natürlich nicht jene gemeint sind, die mit Koffern voller Schwarzgeld zur Steueroase reisen – ist wohl diese hier: „Vielen macht ihre Arbeit Spaß, ist sie sogar ein ‚Lebensbedürfnis‘. Anders als die Sklaverei, der Feudalismus oder der Sozialismus braucht die kapitalistische Konsumgesellschaft keinen Zwang, um die Leute zum Arbeiten zu bringen. Auch deshalb ist er“ – gemeint ist: sie – „diesen Gesellschaftsformen überlegen“.
„Genießen“ wir demzufolge – angesichts millionenfach verhängter Sanktionen gegen „Drückeberger“, die nicht pünktlich zur Vermittlung von keiner Arbeit antreten – mit Hartz IV bereits die „materielle Vorbereitung des Sozialismus“, da doch schon im „Kommunistischen Manifest“ ein „gleicher Arbeitszwang für alle“ gefordert wurde? – Karl Marx hatte darin allerdings die reichen Erben und Ausbeuter im Blick, die sich den Mehrwert aneignen, den andere schaffen.
Schlimm, dass nun ausgerechnet die heutigen Verfechter des echten Sozialismus – ohne es zu wollen, aber weil sie sich eben nicht ernsthaft mit diesem Problem befassen – die neoliberal-spätkapitalistische Umwendung des Arbeitszwanges gegen die Habenichtse mitmachen, wenn sie zwar „Weg mit Hartz IV!“ rufen, aber auf wiederholte Nachfrage damit herausrücken, dass sie keineswegs das spalterische Gegeneinanderausspielen von Kurz- und Langzeiterwerbslosen beenden wollen, das dadurch entsteht, dass die einen Arbeitslosengeld, die anderen bloß eine Sozialunterstützung beziehen. Dafür sind ja nicht die Genossen verantwortlich. Verkehrte „Welt“!
Na ja. Es ist die „Welt“, und die wird nicht gerade von Friseuren oder Penny-Markt-Kassiererinnen gelesen. Es ist keine Kunst, bei der Zielgruppe der eigenen Weltanschauung ohnehin schon offene Türen einzurennen. Saublöd ist immer diese fabulöse Vermenschlichung von Tieren: Ein männlicher Löwe ist kein Pascha – ein Pascha ist ein männlicher Homo sapiens in einer Machtposition. Und zu der überkommenen Vorstellung des 19. Jahrhunderts, der Mensch unterscheide sich vom Affen durch „Arbeit“, lässt sich sagen, dass spätere Forschungen an den „höheren Primaten“, unter anderem durch Dian Fossey oder Jane Goodall, ein ganz anderes, viel ausdifferenzierteres Bild ergeben haben. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass der genetische Unterschied nicht allzu groß ist.
Es kommt natürlich immer darauf an, welcher Definition von „Arbeit“ gefolgt wird. Klettert ein Affe auf einen Baum, pflückt eine Banane und kommt wieder herunter, wird physikalisch dieselbe Arbeit verrichtet, als wenn ein Mensch das tun würde. Im Arbeitsrecht ist Arbeit als wertschöpfende, fremdnützige Tätigkeit definiert – abhängige Erwerbsarbeit also. Da käme ein Affe niemals auf die blöde Idee, seinem Oberaffen von zehn gepflückten Bananen neun abzugeben, damit dieser die Wertschöpfung einheimst.
Wenn wir Arbeit jedoch als schöpferische Tätigkeit definieren, hat Marx natürlich absolut recht. Jedoch muss dabei berücksichtigt werden, dass die schöpferische Tätigkeit, aus einem Stapel Holz einen Stuhl herzustellen, ökonomisch quantifizierbar ist – das Geigenspielen jedoch nicht. Es sei denn, das Geigenspielen wird im Sinne des Arbeitsrechtes vermarktet, also im Dienste eines Konzertveranstalters, der den Gewinn einheimst.
Letztendlich denke ich jedoch, dass mit dieser „Welt“-Kampagne der Schuss nach hinten losging, denn gut 90 Prozent der 90 Kommentare zu diesem Artikel lauten ungefähr so oder ähnlich: „Das ‚Einkommen ohne Leistung‘ betrifft nicht nur die Sozialhilfeempfänger, sondern in viel größerem Maße diejenigen, die ohne Wertschöpfung enorme Summen kassieren. Wer gibt Menschen das Recht, ein leistungsloses Einkommen von Hunderttausenden oder Millionen im Jahr einzustreichen? Zu diesen Leuten zähle ich nicht nur Spekulanten und Bankster, sondern auch Labertaschen, die solche Investitionsruinen wie den Berliner Großflughafen fabrizieren.“
Solche Kampagnen zünden nicht mehr im digitalen Zeitalter. Wenn dadurch ein paar CDU-Wähler(innen) bei der Stange gehalten werden, ist das nicht weiter schlimm. Wir kriegen eh die Regierung, die wir verdienen.
Die gute Nachricht zuerst: Die Bundesagentur für Arbeit kann einen „gelben Schein“, also eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genauso wie ein Arbeitgeber überprüfen lassen. Damit sind die Sonderwünsche „Liegendbescheinigung“ als Ergänzung und die Einschaltung des hauseigenen Medizinischen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit endgültig vom Tisch (siehe auch meinen Beitrag zur 308. Bremer Montagsdemo, Abschnitt 2). Negativ verändert wurden aber die Maßstäbe für eine Arbeitsunfähigkeit von Erwerbslosen, insbesondere für Kranke im ALG-II-Bezug.
Erst einmal der normale Ablauf: Der Kranke muss der Bundesagentur für Arbeit, dem Jobcenter oder dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung innerhalb von drei Tagen vorlegen, auf Verlangen auch schneller. Weitere Nebenpflichten können im Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung. stehen. Es ist nur das kleinere Blatt zu übersenden. Das größere Blatt mit der Diagnose soll die Krankenkasse erhalten.
Der „gelbe Schein“ kann der Briefpost anvertraut werden, weil ein Verlust durch Vorlage einer Bescheinigung der Krankenkasse „geheilt“ werden kann. Sollte auch der Brief an die Krankenkasse verlorengegangen sein, so bestätigt die Arztpraxis der Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeit. Die dann nachträgliche Vorlage „heilt“ die Fristversäumnis. Eine Kündigung oder Sanktion wegen unentschuldigter Arbeitsversäumnis ist zurückzunehmen, doch natürlich ist entsprechende Gegenwehr nötig.
Die Bundesagentur für Arbeit, das Jobcenter oder der Arbeitgeber können bei berechtigten Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit bei der Krankenkasse die Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung beantragen. Die Zweifel sind zu benennen. Die Krankenkasse prüft diesen Antrag aufgrund der bekannten vorliegenden Diagnose und eventuell weiterer Unterlagen. Falls die Krankenkasse die Zweifel nicht ausräumen kann, wird der Medizinische Dienst von der Krankenkasse beauftragt, den Kranken zu begutachten.
Der Kranke erhält eine schriftliche Einladung zum Untersuchungstermin beim Medizinischen Dienst, meistens mit der Anmerkung, dass der Begutachtungstermin entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit beendet wurde. In diesem Fall reicht ein Anruf beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen durch den Genesenden. Ein Nichterscheinen zum Untersuchungstermin möchte die Bundesagentur für Arbeit oder das Jobcenter sanktionieren, so schreibt zum Beispiel die „Welt“. Eine Grundlage dafür ist mir nicht bekannt, aber ausprobieren sollte dies niemand. Falls es doch ein Kranker aus einem wichtigen Grund nicht schafft, zum Termin zu kommen, gibt es für eine Sanktionierung meines Erachtens keinen Grund.
Das Gutachten des Medizinischen Dienstes erhält die Krankenkasse. Falls darin die Arbeitsunfähigkeit bestätigt wurde, teilt der Krankenkasse dies der Bundesagentur für Arbeit, dem Jobcenter oder dem Arbeitgeber mit. Das Gutachten wird nicht weitergegeben, auch die Diagnose nicht. Die Diagnose darf nur weitergegeben werden, wenn der Versicherte dies erlaubt. Falls der Medizinische Dienst der Krankenversicherung die Arbeitsunfähigkeit nicht mehr feststellt, wird der betroffene Mensch zur sofortigen Arbeitsaufnahme aufgefordert. Die gleiche Aufforderung erhält er auch schriftlich von seiner Krankenkasse. So weit wie schon immer – für Arbeitnehmer!
Geändert wurden die Rahmenbedingungen für die Krankschreibung der Erwerbslosen. Die neue Regelung für ALG-II-Berechtigte vom 21. Juni 2012 lautet: „Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende – „Hartz IV“) beantragt haben oder beziehen, sind arbeitsunfähig, wenn sie krankheitsbedingt nicht in der Lage sind, mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten oder an einer Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen.“
Die Regelung für ALG-I-Berechtigte lautet nun: „Bezieher von Arbeitslosengeld sind arbeitsunfähig, wenn sie krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage sind, leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den sie sich bei der Agentur für Arbeit zur Verfügung gestellt haben.“ Dies ist die Änderung. Die Unterteilung der Erwerbslosen ist die wesentliche Verschärfung.
Für die Menschen in Lohn und Brot sieht die Regelung von Arbeitsunfähigkeit wie gewohnt aus: „§ 2 Definition und Bewertungsmaßstäbe. (1) Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte aufgrund von Krankheit seine zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen kann. Bei der Beurteilung ist darauf abzustellen, welche Bedingungen die bisherige Tätigkeit konkret geprägt haben. Arbeitsunfähigkeit liegt auch vor, wenn aufgrund eines bestimmten Krankheitszustandes, der für sich allein noch keine Arbeitsunfähigkeit bedingt, absehbar ist, dass aus der Ausübung der Tätigkeit für die Gesundheit oder die Gesundung abträgliche Folgen erwachsen, die Arbeitsunfähigkeit unmittelbar hervorrufen“
Dies ist mit dem Arzt zu besprechen und die eigene Lage schonungslos zu beschreiben. Bei Erwerbslosen kommt zum körperlichen Krankheitsbild fast immer der Druck hinzu, sich zu bewerben und Termine einzuhalten, für die es keine „zweite Chance“ gibt, von den besonderen Belastungen eines Termins beim Fallmanager ganz zu schweigen. Mit dem Arzt das „Leben“ während der Arbeitsunfähigkeit zu besprechen (Besorgungen, Spazierengehen, Auflagen der „Eingliederungsvereinbarung“, Termine, Ansteckungsgefahr et cetera) ist eigentlich etwas Normales, aber für eine eventuelle Überprüfung der Bundesagentur für Arbeit, des Jobcenters oder des Arbeitgeber etwas Klarstellendes.
Zusammenfassend heißt das: Der Bundesagentur für Arbeit, dem Jobcenter oder dem Arbeitgeber den „gelben Schein“ übersenden und in Ruhe gesund werden. Falls noch etwas unklar ist, hilft die Bremer Montagsdemo. Wir gehen mit! In der Zeitung „Die Welt“ ist auch von möglichen Hausbesuchen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse die Rede. Dafür muss es zwingende Gründe geben. Der Kranke muss unangemeldeten Besuch nicht in die Wohnung lassen. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen muss sich anmelden. Es ist somit immer ein anderer Ort für die Untersuchung vereinbar, weil es auf das häusliche Umfeld nicht ankommt.
Es gibt aber noch eine weitere Besonderheit: Die Bundesagentur für Arbeit oder das Jobcenter müssen den Krankenkassen die Kosten der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen bezahlen, die Arbeitgeber hingegen nicht. Warum diese Unterscheidung? „Bild“ weiß: Es wird kontrolliert! Wird durch die Kostenbelastung der Bundesagentur für Arbeit die Überprüfung als Regelfall verhindert?
Das Gespräch mit den „persönlichen Ansprechpartnern“ ist leider oftmals sehr banal, was die Perspektive auf dem Arbeitsmarkt angeht. Es ist aber oftmals sehr belastend durch die „persönliche Ansprache“ des Amtsinhabers. Selbst ein Anschreien des Erwerbslosen wird als „Aktivierung“ von den Mitarbeitern des Jobcenter praktiziert. Über 700.000 Mal haben die Jobcenter allein im Jahr 2012 Erwerbslose sanktioniert, weil diese zu einem solchen Termin nicht erscheinen sind.
Solche Sanktionen sind per Widerspruch anfechtbar. Notfalls muss die Hilfe des Gerichts erbeten werden. Auch eine zehnprozentige Kürzung und das Fehlen von Rücklagen rechtfertigen eine Eilbedürftigkeit des Gerichtsverfahrens. Im März 2013 waren über 60.000 Erwerbslose krank.An den Zähltagen liebt jeder Fallmanager die „Gelben Scheine“, denn diese Erwerbslosen gelten nach den Rahmenbedingungen der Statistik nicht als erwerbslos. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!
Es ist wieder fürchterlich zu sehen, wie Behördenvertreter nicht genug kriegen können. So wie zwei aus Wildeshausen, wo der eine meint: „Das habe ich alles erarbeitet“. Ex-Ordnungsamtsleiter Herbert Weitz, der sich den Neubau einer Villa an der Hunte genehmigen ließ, hat aber nur über diese unsozialen Gesetze seinen Wohlstand gemacht. Arbeitnehmer im System Leiharbeit machen die Dicken immer reicher! Dieser Herr hat durch den Fleiß von Arbeitermassen seinen Luxus erreicht. Das riecht doch nach NS-Partei-Bonzentum!
Was in den Behörden läuft, kann man als falschen Kommunismus bezeichnen. Dazu gehört eine etablierte Korruption. Es gibt Tausende Posten im Amt, die wir eigentlich gar nicht brauchen, und Arbeit, die unnötig ist, aber einen Riesenteil der Steuern wegnimmt, die für richtige Arbeit für Arbeiter da sein müssten. Es gibt fast unverändert seit Jahrzehnten über drei Millionen Beamte, und das Amt wird von ihnen selbst gemacht, ohne Rationalisierung – was Arbeiter schon lange gar nicht dürfen. Wir dürfen nur billig sein, um das Amt auch noch reich zu machen!
Es steckt immer beides drin in Behörden: ein Stück private Bankfinanzen und Unternehmen, die Hand in Hand ihren Reichtum machen. So läuft das schon seit Jahren, und mit Hartz IV wird uns immer das Geld und die Lobby gestohlen. In dem Artikel „Zwei streiten um eine Villa“ in der „Nordwestzeitung“ können Sie sehen, wie das jetzt ausartet. Das ist die tatsächliche Dekadenz aus der Römerzeit! Im Gegensatz meinen diese Amtsunternehmer jetzt: „Ich habe mir das alles ehrlich erarbeitet“. Es wird Zeit, dass alle mal mit Kampfdemos diesen Rotztypen den Wind von links geben!
Mit der Beantwortung dieser Frage haben sich schon viele Leute beschäftigt. Auch ich habe sie in meinen Beiträgen zur 343., 411. und 415. Montagsdemo behandelt. Einige Antworten habe ich dort mitgeteilt, die ich für mich gefunden habe, sodass ich damit klar Stellung beziehen kann. Eine Antwort von mir lautet: Ein AKW ist so sicher, wie Sie selbst es machen. Ich könnte auch sagen: wie wir alle es machen.
Nach allem, was die Menschheit bisher mit Atomkraft erlebt hat, kann eine simple Folgerung gezogen werden: Das beste und sicherste Atomkraftwerk ist jenes, welches es gar nicht gibt. Wer das erkennt, wird persönliche Konsequenzen ziehen und aktiv werden. Jeder kann seinen persönlichen Beitrag leisten, und wenn man sich einig ist, werden auch die Atomkraftwerke bald sicher sein – durch Verschwinden.
Das ist die einzige wirkliche Lösung, denn es ist normal, dass immer nur das zur Katastrophe führt, womit niemand rechnet: etwas Unglaubliches wie ein Tsunami, Terroranschlag, Flugzeugabsturz. Oder etwas Alltägliches, mit dem heute jeden Tag gerechnet werden muss: menschliches oder technisches Versagen, Softwarestörungen, Hackerangriffe, dass jemand einfach hineinspaziert in ein Atomkraftwerk und einen Anschlag durchführt.
Wie leicht zum Beispiel das Hineinspazieren überall und zu jeder Zeit möglich ist, hat „Greenpeace“ mehrere Male gezeigt: Im Februar 2000 kletterten 14 Aktivisten auf den Kühlturm des AKW Philippsburg. Es gehört dem Groß-Stromer EnBW, für dessen Tochterunternehmen der Billigstrom „Yellow“ erzeugt wird.
Am 26. April 2002 besetzte „Greenpeace“ zum Tschernobyl-Jahrestag den Atommeiler im südspanischen Zorita, den ältesten in Spanien. Im Oktober 2002 trafen 140 Aktivisten, verkleidet als „Homer Simpson“, nur auf geringe Sicherheitsschranken: Sie brachen lediglich die Grenzumzäunung auf und besetzten die Dachspitze des AKW Sizewill B in England.
Am 13. Januar 2003 stürmten 19 „Greenpeace“- Aktivisten das Atomkraftwerk Sizewell B ein zweites Mal. Die Umweltschützer wollten mit der Aktion auf die gravierenden Sicherheitsmängel im angeblich „sichersten Atomkraftwerk Großbritanniens“ hinweisen. Ohne größere Probleme gelang es ihnen, in das Atomkraftwerk hineinzuspazieren und sogar Zugang zum Kontrollraum und zum Reaktorblock des Meilers zu erlangen.
Am 22. Juni 2009 schafften es gleich 22 Kletterer, die 60 Meter hohe Kuppel des Eon-Atomkraftwerkes Unterweser in Rodenkirchen/Esenshamm zu besetzen. Am 15. Februar 2011 besetzten „Greenpeace“-Aktivisten den Kühlturm des 29 Jahre alten Atomkraftwerkes Cofrentes in der spanischen Provinz Valencia.
Am 28. Februar 2011 besetzten 28 Frauen und Männer von „Greenpeace“ vorübergehend den Kühlturm des zweitältesten deutschen AKW von 1976, Neckarwestheim, und entrollten mehrere Transparente. Auch im Atomstaat Frankreich gelang es sechs „Greenpeacern“ am 5. Dezember 2012, die Atomanlage Nogent-sur-Seine hundert Kilometer südöstlich von Paris zu besetzen.
In Schweden gibt es drei AKW-Standorte mit insgesamt zehn Atomreaktoren. In ihrer Aktion „Stresstest“ drangen Aktivisten am 10. Oktober 2012 in das Reaktorgelände Forsmark von Eon ein und blieben dort unbemerkt für 38 Stunden, bis sie sich selbst stellten. Im schwedischen Atomkraftwerk Ringhals von Vattenfall fuhren sie mehrere Stunden ungestört mit Fahrrädern auf dem Gelände herum.
Am 11. März 2013, dem zweiten Jahrestag von Fukushima, besetzten 40 „Greenpeace“-Aktivisten das Atomkraftwerk Embalse in Argentinien. Wenn es alles tatsächlich Sicherheitslücken waren, die das ermöglichten, dann brauche ich dazu keinen weiteren Kommentar zu geben. Wenn es nur geduldete Aktionen gewesen sein sollten, wie manche vielleicht glauben, dann kann ich für die Zukunft nur hoffen, dass niemals ein echter Terrorist mit einem braven „Greenpeacer“ verwechselt wird.