168. Bremer Montagsdemo
am 04. 02. 2008  I◄◄  ►►I

 

„Ich bin der Staat“

Info-Michel1. Ich bin der Staat, ich bin im Recht! Du, Bürger, bist nur mein Knecht. Ich sage, wo es langgeht! Deine Meinung ist mir nicht recht, denn du bist nur der Bürger, nur mein Knecht!

Dein Geld will ich haben, an deinem Mammon mich laben. Du hast nur eins zu tun: zu spuren, und ist es dir auch nicht recht! Denn ich bin der Staat, und du bist nur der Knecht.

Ich sage, wo es langgeht, und nehme mir dazu das Recht, denn du bist nur der Bürger, nur mein Knecht! – Und so hört man es immer wieder: „Was soll ich tun? Dem Staat ist es gar nicht recht, denn ich bin nur der Bürger, nur der Knecht!“

Leute, wacht endlich auf, wehrt euch, und das mit Recht! Der Staat sind wir alle und nicht nur jene, die uns befehlen wollen! Darum lasst uns zusammenhalten, und ein jeder möge laut sagen, was er nicht mehr erdulden möchte, mehrmals, und dann wird man nicht mehr hören: „Ich bin der Staat, und du bist mein Knecht.“ Dann hat es sich ausgeknechtet!

 

2. Arme Politiker! Wie las ich doch in der Zeitung: In diesem Jahr werden, so der Fahrplan, in Bremen wieder 50 Millionen Euro mehr für laufende Kosten ausgegeben, 17 Millionen mehr für Personal und unter anderem auch für ein kostenloses Mittagessen. Bei Investitionen werden 39 Millionen Euro abgeknapst. Fällt euch was auf, Leute? „Wir werden“ wurde gesagt, nicht mehr: „wir wollen“, „wir sollten“, „wir möchten“. Nein: „wir werden“. Bravo, ihr seid ja doch lernfähig! Dann tut es jetzt auch, selbst wenn die Wirtschaft wegen der 39 Millionen klagen wird, tut es zum Wohle der Mitmenschen!

Der Wirtschaft sage ich nur: Ihr habt mit euren Hungerlöhnen mit dafür gesorgt, dass die Regierung jetzt so handelt! Um das Ganze zu finanzieren, schlägt der Senat vor, die eine Hälfte in den Ressorts einzusparen und die andere als Kredit aufzunehmen. Eine Frage aber hätte ich noch. Leute, ich kann es einfach nicht verstehen: Wir haben ein Problem der Finanzierung, wir haben ohne Zweifel weniger Steuereinnahmen, das streite ich nicht ab – aber haben wir nicht unsere Politiker gewählt, dass sie so etwas für uns regeln?

Warum bringt es denn niemand fertig, der Wirtschaft klipp und klar zu sagen: „Auch ihr habt eine Verpflichtung, zahlt vernünftige Löhne, schafft Arbeitsplätze, dann sind unsere Probleme viel leichter zu lösen!“? Woher soll denn der Bürger das Geld nehmen? Schafft Sicherheit für die Lebensplanung der Familien! Wir nähern uns schon der Armutsgrenze. Schließlich seid ihr es auch, die davon profitieren, wenn es unseren Kindern besser geht. Warum könnt ihr euch nicht daran beteiligen? Es ist euer Markt von morgen! Wir alle sind die Gemeinschaft, und ihr seid nun mal diejenigen die mehr haben!

Also, Leute, packen wir es an! Ihr armen Politiker, vom menschlichen Standpunkt her würdet ihr vielleicht gerne so handeln, doch dann sind da noch die Zwänge und allgemeinen Wirtschaftsinteressen. Die passen einigen Politikern nicht ganz ins Konzept! Doch was sie dabei alle vergessen, ist die Tatsache, dass in einer Gemeinschaft alle beteiligt werden müssen, erst recht diejenigen, die schon so viel haben. Ja, solche Worte würden euch Politikern wieder Anerkennung verschaffen! Und nicht: „Wir haben kein Geld mehr, darum müssen wir euch Bürgern immer mehr aufbürden!“

Es geht um unser aller Wohl, es ist unsere Zukunft, die wir verspielen, und das nur, weil niemand es fertigbringt zu sagen: Leute, ihr habt eine Verpflichtung! Jetzt erwarte ich von der Wirtschaft Maßnahmen, die mehr sind als nur Gerede. Eine ganz klare Aussage: „Ja, wir helfen, denn wir profitieren, wir bringen das Geld auf, und ihr alle macht mit!“ Das sagen uns auch die Bremer Stadtmusikanten: „Wenn wir zusammenhalten, lösen wir das Problem!“ Und in Zukunft möchte ich von euch Politikern nicht mehr hören: „Wir haben kein Geld!“, sondern: „Wir investieren in die Zukunft, hören auf zu jammern und lösen unsere Probleme!“

Wenn ihr es nicht könnt, so habe ich auch dafür Verständnis, denn nicht jeder kann alles, doch dann seid bitte so fair und macht Platz für andere, die es sich zutrauen und endlich handeln!

Udo Riedel (parteilos)
 
Der Staat sind wir: Nokia verweigert Rückzahlung unrechtmäßig
abgezockter Subventionen („Spiegel-Online“)
 
EU-Zentralbank warnt vor Abschwung: „Ungewöhnlich hohe Unsicherheiten über Auswirkungen der Finanzmarktturbulenzen auf die Wirtschaft“ („Spiegel-Online“)
 
Schönfärberei einer grausamen Wirklichkeit: Das Ergebnis der neoliberalen
„Reformen“ sind 8,6 Millionen Erwerbslose (Montagsdemo Karlsruhe)
 
Sparen ohne Rücksicht auf die Kosten: Der Personalabbau in der
Betriebsprüfung führt zu massiven Steuerausfällen („Die Linke“)

 

Auch der neue Haushalt verletzt die Verfassung des Landes Bremen

Klaus-Rainer RuppIch bin seit dem 8. Juni letzten Jahres Mitglied der Bremischen Bürgerschaft und haushalts- und finanzpolitischer Sprecher der Fraktion „Die Linke“. Sicherlich ist es euch nicht verborgen geblieben, dass wir uns mit der ersten Lesung des Haushalts 2008/2009 in den Verhandlungen um denselben befinden und der Streit ziemlich groß ist, wofür das Geld ausgegeben wird, zumindest vordergründig. Wir haben uns hingesetzt und uns ziemlich lange angeguckt, was da jetzt an Entwürfen auf dem Tisch liegt, und sind zu verschiedenen Schlüssen gekommen, die ich hier kurz erläutern will.

Zunächst einmal haben wir festgestellt: Nimmt man die Bremische Verfassung ernst und liest einmal, was da drinsteht hinsichtlich gleicher Lebensbedingungen, gleicher Rechte, Recht auf Arbeit und vieler anderer Dinge mehr, dann verletzen dieser Haushalt und alle vorangegangenen deutlich die Verfassung des Landes Bremen, weil genau diese Ziele überhaupt nicht erreicht werden.

Das Zweite: Bremen hat mittlerweile unbestritten pro Kopf eine der höchsten Verschuldungen, die es in diesem Bundesstaat gibt. Die Schulden inklusive der Schattenhaushalte liegen mittlerweile bei 14,5 Milliarden Euro. In der Perspektive wird Bremen jedes Jahr, langsam steigend, zwischen 600 und 700 Millionen Euro an Zinsen bezahlen. Dies ist ein Zustand, den man zunächst auch als Linker nicht besonders witzig finden muss, denn es ist natürlich Geld, das den Leuten, die Geld zu verleihen haben, irgendwann zugute kommt. Das ist eine Form der Umverteilung von Reichtum, dagegen muss man auch langfristig auf Bundesebene angehen!

Wir haben aber nun die Situation, hier in Bremen, dass wir einen Haushalt für die nächsten zwei Jahre beraten und nicht auf irgendeine Form von Vermögen- und Erbschaftsteuer warten können. Wir haben es jetzt wissenschaftlich belegt, dass in Bremen ganze Stadtteile nicht nur unter einer Form von Armut leiden, sondern es finden dort, viel schlimmer, mittlerweile sich selbst verstärkende Armutsprozesse statt: Immer mehr Menschen, die vergleichsweise arm sind, sammeln sich in bestimmten Stadtteilen, und Menschen, die weniger arm sind, entziehen sich diesen Stadtteilen. So wird ein Prozess in Gang gebracht, bei dem Menschen, die materiell vergleichsweise arm sind, irgendwann auch arm an Kultur, Bildung, Gesundheitsvorsorge und vielen anderen Dingen mehr sind.

Armut ist nichts Statisches, sondern ein Prozess, der sich mittlerweile in bestimmten Stadtteilen richtig beschleunigt. Vor diesem Hintergrund haben wir ganz deutlich gesagt: Wir müssen gucken, dass dieser Haushalt, so gut es geht, versucht, diese Armutsprozesse zu bekämpfen und zu stoppen. Daran haben wir uns bemüht, den Entwurf zu messen, und mussten feststellen, dass es weiterhin ein Kürzungshaushalt ist: Die konsumtiven Ausgaben, also letztlich auch diejenigen, die möglicherweise dazu dienen könnten, positiv auf diese Prozesse Einfluss zu nehmen, sind zurückgekämmt worden. Sie sinken unterm Strich.

Der rot-grüne Senat hat zwar für bestimmte Bereiche, unter anderem der Bildung oder Kindervorsorge, mehr Geld in den Haushalt eingestellt. Wenn man aber guckt, wo dieses Geld herkommt, stammt es aus anderen teilweise ebenso sozialen Bereichen. Die Decke wird also von den Füßen zur Nase gezogen, und jetzt gucken die Füße unten raus und sind auch noch kalt. Wir haben uns auf den Standpunkt gestellt und sind dafür richtig gescholten worden: Wir sind jetzt in einer Situation, wo man sagen muss, Schulden in Geld sind nicht schön, aber man kann sie möglicherweise irgendwann bezahlen oder in der Perspektive diesen Umverteilungsvorgang durch eine andere Steuerpolitik wieder umkehren.

Was wir aber jetzt machen, ist sozusagen soziale Schulden anzusammeln: Wir schädigen die demokratische, soziale und kulturelle Substanz dieser Stadt in einer Weise, dass wir so etwas wie soziale Schulden aufbauen. Damit meine ich nicht nur den Mangel an Geld, sondern eben auch, weiter gefasst, an Bildung, Kultur und so weiter. In einer solchen Situation muss es vertretbar sein zu sagen: Die Steuermehreinnahmen, die wir konstatieren, im vergangenen Jahr, in diesem Jahr und 2009, darf man nicht ausschließlich verwenden, um Neuverschuldung zu vermeiden. Wir müssen unter Umständen bei der Abwägung „Nehmen wir mehr soziale Schulden in Kauf, oder machen wir noch ein paar andere Verschuldungen in Geld?“ uns dafür entscheiden, soziale Schulden zu bekämpfen.

Das bedeutet natürlich, auf Kredit jene Dinge tun zu müssen, die den Menschen in dieser Stadt helfen. Das ist unsere Position. Dafür sind wir als Linke mittlerweile auch in der Bürgerschaft schon richtig verhauen worden. Ich finde aber, es ist eine notwendige Position, weil die Bekämpfung von Armut und Armutsprozessen in den nächsten zwei Jahren über weite Strecken erste Aufgabe sein wird. Sonst bekommen wir eine Bugwelle von Problemen, die wir nie wieder bezahlen können. Deswegen sagen wir: Die Steuermehreinnahmen, die es gibt, müssen zumindest zum großen Teil auch für soziale und kulturelle Projekte her, für Bildung, für die Versorgung von armen Kindern und so weiter. Dafür werden wir in der Bürgerschaft, in diesen Haushaltsverhandlungen kämpfen!

Je mehr eine solche Position auch von außen in die Bürgerschaft getragen wird, je mehr Unterstützung wir für eine solche Politik auch „von der Straße“ bekommen, desto mehr gerät der rot-grüne Senat unter Druck, der ja auch viel versprochen hat, teilweise nicht völlig unehrlich, und guten Willens war, aber die Umsetzung nicht schafft. Deswegen ist meine Bitte, meine Aufforderung: Organisiert ein Stück weit Politik in diese Richtung! Es wäre auch gut, wenn ihr während der Bürgerschaftssitzung, wenn über den Haushalt verhandelt wird, auch mal hier vor dem Parlament erscheint. Heute ist niemand mehr da, aber am 19., 20. und 21. Februar ist Bürgerschaftssitzung, auch Anfang März ist eine, und der Haushalt wird in zweiter Lesung auf der Aprilsitzung beschlossen.

Damit wir als Linke genug Argumente und auch sehr konkrete Beispiele haben, wollen wir öffentliche Anhörungen durchführen, denn wenn man die Blätter des Haushaltsentwurfs aufeinanderlegt, ist der Stapel ungefähr kniehoch, er umfasst Tausende von Positionen, und es ist uns unmöglich, in der kurzen Zeit jede einzelne zu untersuchen. Um uns für diese Verhandlungen zu präparieren, brauchen wir also nicht nur den politischen Druck von außen, sondern auch die unmittelbare konkrete Unterstützung von Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen, die ganz genau sagen können: Passt mal auf, beim Haushaltsposten sowieso werden noch mal 20.000 oder 500.000 Euro gekürzt, dagegen müsst ihr angehen.

Um das rauszukriegen, veranstalten wir drei Anhörungen. Dazu haben wir Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen eingeladen. Die nächste machen wir an diesem Mittwoch, am 6. Februar 2008, hier in der Bürgerschaft, in Raum 416. Von 10 bis 13:30 Uhr geht es um Soziales, von 15 bis 19 Uhr um den Arbeitsmarkt. Das soll kein Rahmen für politische Proklamationen sein, keine Veranstaltung, bei der wir uns noch einmal gegenseitig erzählen, wie blöde das alles ist, sondern wir müssen gemeinsam arbeiten, uns den Haushaltsentwurf ansehen und ganz deutlich sagen: In Position sowieso auf der und der Seite steht richtig Mist, da wird ganz wenig Geld eingespart, doch dabei bricht ein ganzes Projekt zusammen.

Solche Informationen brauchen wir dringend, um an vielen Stellen immer wieder zu sagen: Da macht ihr etwas kaputt, und dort macht ihr etwas relativ Gutes, aber die Hälfte des Geldes, das ihr dabei mehr ausgebt, ist „für den Arsch“. Solche Dinge müssen wir wissen, damit wir sehr konkret und gezielt in diese Verhandlungen eingreifen können. Deswegen noch einmal meine Einladung, dass ihr daran teilnehmt! Wir machen auch eine zweite Anhörung zu den Themen Stadtentwicklung, Umwelt, Gesundheit und eine dritte zu Bildung, Wissenschaft, Kultur.

Wir fassen die Arbeitsergebnisse natürlich auch zusammen, wir wollen damit selbstverständlich Politik machen. Anfang März gibt es eine große Veranstaltung, bei der wir diesen Haushalt mit Fachleuten öffentlich kritisieren wollen. Dazu seid ihr auch eingeladen! Dann ist der Punkt erreicht, wo wir politisch nach außen wirken wollen. Die ersten drei Anhörungen sind Arbeitssitzungen, bei denen wir uns reinknien in diesen Haushaltsentwurf, um richtig fit zu sein für die Verhandlungen. Ich danke euch!

Klaus-Rainer Rupp („Die Linke“)
 
Böhrnsen rudert zurück: Die Gelder für öffentliche Einrichtungen in den Bremer Stadtteilen sollen doch nicht um 75 Prozent gekürzt werden („Radio Bremen“)
 
Links wirkt: Rote, Grüne und Schwarze nach Wahlniederlagen
total zernagt („Bild“-Zeitung, „Spiegel-Online“)

 

Das Buhlen ganzer Staaten um
die großen Konzerne

Wolfgang LangeIch begrüße es sehr, dass Klaus-Rainer Rupp hier als Vertreter der Linkspartei einen so interessanten Beitrag gehalten hat. Sicherlich haben alle Verständnis dafür, dass die drei­minütige Redezeit überschritten wurde, da es ja nicht so oft vorkommt, dass ein Abgeordneter der „Linken“ auf der Montagsdemo spricht.

Ich denke, es ist wichtig, dass alle, die mit der Politik des sozialen Kahlschlags nicht einverstanden sind, gemeinsam kämpfen – sowohl Parlamentarier als auch wir Montagsdemonstranten und die Kollegen in den Betrieben –, und zwar nicht nur gegen Hartz IV, sondern auch gegen die unsoziale Politik des Bremer Senats, der sich ja nicht hinter „Umsetzungszwängen“ verstecken kann. Was die Bagis macht, wie hier die Leute schikaniert werden oder was mit Ein-Euro-Jobs passiert, dafür sind die Bremer Regierungsparteien verantwortlich. Wenn der Druck von der „Straße“, aus den Betrieben und im Parlament zusammenkommt, können wir etwas erreichen!

Eine Anmerkung habe ich allerdings zu Klaus-Rainer Rupps Aussage, es komme darauf an, dass wir – also die Montagsdemo – sie, die Abgeordneten, unterstützen. Ich denke, das ist einseitig! Hauptsächlich geht es um das genaue Gegenteil: Die Politiker, die den sozialen Kahlschlag ablehnen, sollten uns, die Montagsdemo und die anderen Kämpfe unterstützen, dafür werben, dass ihre eigenen Mitglieder kommen, damit der Druck durch Demos und Streiks erhöht wird! Im Parlament können sie dann „unser Sprachrohr“ sein. Alle wirklichen Veränderungen werden durch den Kampf im Betrieb und auf der Straße erreicht – nicht durch Debatten in der Bürgerschaft!

Hierfür gibt es ein aktuelles Beispiel: Die Pläne für einen privaten Neubau des Klinikums Bremen-Mitte sind vom Tisch! Das ist ein Erfolg der Proteste der Beschäftigten. So oder so muss die öffentliche Hand die Risiken tragen, nun aber kann verhindert werden, dass die möglichen Profite nur in private Taschen fließen.

Der Handy-Konzern Nokia hat im letzten Jahr 7,2 Milliarden Euro Reingewinn gemacht. Günter Verheugen und andere werfen jetzt die Frage weiterer Subventionspolitik auf. Ein Witz! Vor 15 oder 20 Jahren hat man eine grüne Wiese bereitgestellt, heute schafft man Sonderindustriezonen, baut eigens neue Flughäfen und Autobahnen. Ganze Staaten buhlen um die Gunst eines Weltmonopolisten!

Die Entwicklung enthüllt immer mehr das tatsächliche Wesen des staats­monopolistischen Kapitalismus auf der ganzen Welt. Seit Jahrzehnten bereiten sich die Regierenden darauf vor, dass ihre Macht in Gefahr geraten könnte und sie nicht mehr in erster Linie mit dem Mittel des Betrugs zu herrschen vermögen. Das ist der Hintergrund des Abbaus demokratischer Rechte weltweit, wie ihn hierzulande vor allem Innenminister Schäuble vorantreibt, begonnen von seinen Vorgängern mit den „Notstandsgesetzen“ von 1968 bis hin zum weltweiten sogenannten Antiterrorkampf seit 2001.

Erst in den letzten Wochen wurden Pläne sowohl von Russlands Regierung als auch vom NATO-Hauptquartier bekannt, die den atomaren Erstschlag beinhalten. Auch hiergegen müssen die Kämpfe der Volksmassen international koordiniert werden, denn die Monopole und ihre Produktion sind ebenfalls weltweit verwoben. Kämpfe wie jetzt bei Nokia haben, wenn sie konsequent geführt werden, eine internationale Ausstrahlung. Unsere Montagsdemos leisten einen Beitrag dazu!

Wolfgang Lange (MLPD)

 

Die Klinik wird gebaut –
ohne Privatinvestor!

Hans-Dieter Binder1. Bravo! Der „Weser-Kurier“ hat es am 30. Januar 2008 berichtet. Der Widerstand der Belegschaft und des Personalrats haben sicherlich dazu beigetragen. Die Angelegenheit ist reich an Risiken – aber die wollte sich jeder Investor von der Landesregierung abnehmen lassen, durch weitgehende Ergebnisgarantie. Die Gewinne wären privatisiert worden, die Verluste jedoch der öffentlichen Hand geblieben. Das ist, so gesehen, eine ganz normale Entscheidung, eine mit viel Vernunft und zum Wohle der Freien Hansestadt Bremen – aber sie steht gegen den Geist des Lissabonner Vertrages, des neuen wie des alten!

In dem alten Vertrag wurde die Umsetzung der Agenda 2010 (Hartz I bis IV) für alle europäischen Staaten verpflichtend festgelegt. Nur die Ausführung in Länderrecht entsprechend den nationalen Besonderheiten oblag der jeweiligen Landesregierung. Für Deutschland hat Peter Hartz die Umsetzung formuliert, zusammen mit führenden Personalvorständen der Großunternehmen. Immerhin hat Holland sich damals geweigert.

In diesem Lissabonner Vertrag ist auch festgelegt, dass alles, was irgend geht, zu privatisieren ist. Die Bremer Entscheidung stemmt sich somit gegen den Strom! – Nun war „Frau Bertelsmann“ im Bremer Rathaus, der „Weser-Kurier“ hat am 31. Januar 2008 dazu berichtet. Die Chronik des Konzerns ist beigefügt. Der Grund des Besuchs war eine Tagung der BLG, der früheren „Bremer Lagerhaus-Gesellschaft“. Hat Liz Mohn auch mit dem Senat über die Klinikentscheidung gesprochen?

Die „Verbundenheit“ von Bertelsmann mit den Hartz-Gesetzen wird in der Chronik geschildert: Der Konzern hat diese Lissabonner Verträge mitgestaltet. Die „Bertelsmann-Stiftung“ ist die „größte und einflussreichste Denkfabrik Deutschlands“, lesen wir, „Kritikern gilt sie als Ideenschmiede des Neoliberalismus“. Deshalb wünschen wir unserem Senat die nötige Standkraft in dieser Frage!

Und, Frau Merkel – von Bremen können Sie lernen! Ändern Sie die Rahmenbedingungen, den Lissabonner Vertrag, damit auch anderswo wieder sinnvolle Entscheidungen möglich sind, ganz besonders auf Bundesebene, in Ihrem Verantwortungsbereich, Frau Kanzlerin! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

 

2. Auf der 167. Bremer Montagsdemo habe ich aufgezeigt, dass alle Zweige unserer Sozialversicherung nicht zukunftsfest sind. Die jeweiligen Experten raten bei Kranken- und Pflegeversicherung zur Abspeckung des Leistungsumfangs plus privater Vorsorge. Auch die Rentenversicherung könne nicht mehr so viel leisten, private Vorsorge sei nötig!

Keiner der jeweiligen Experten hat gesagt, woher der Mensch dieses Geld nehmen soll, weshalb für die private Vorsorge Extraverträge mit anderen Vertragspartnern abgeschlossen werden müssten und warum die bewährten Sozialversicherungsträger nicht grundüberholt werden könnten, um die Beiträge und Leistungen zukunftssicher zu gestalten. Noch haben wir ein Sozialversicherungssystem, um das uns viele beneiden!

Die Anpassung der Beiträge würde bei Arbeitnehmern bedeuten, dass die Unternehmen an den Mehrkosten beteiligt wären; die „Lohnnebenkosten“ würden damit entsprechend steigen. Die Gewerkschaften sehen in der Durchsetzung dieser Forderung auch nicht so die wahre Bedeutung. Langfristig ist das aber der beste Weg, denn der Arbeitnehmer will mehr in der „Lohntüte“ sehen. Geschuldet ist dies auch der negativen Lohnentwicklung: Unternehmergewinne plus 40 Prozent, Arbeitnehmereinkommen minus zehn Prozent!

Die Menschen mit geringem Einkommen hatten noch größere Einschnitte zu verkraften! Dass bei solcher Geldknappheit nur wenige diesen zusätzlichen Vorsorgempfehlungen folgen werden, liegt auf der Hand – daher wird auch schon die Forderung nach zwangsweiser Zusatzvorsorge laut. Hier läge der Ansatz für die Gewerkschaft, denn jede Erwerbslosigkeit wird den Gedanken an eine Zusatzvorsorge beenden. Ohne Moos nichts los!

Die Riester-Verträge für eine Altersrente werden mit Bonuszahlungen gefördert. Damit, könnte der Mensch meinen, bringt der Staat zum Ausdruck, dass er Wert auf eine vernünftige Absicherung vor Altersarmut lege. Diese Vermutung ist falsch! Warum sonst ist der Rentenversicherungsbeitrag für Hartz-IV-Betroffene halbiert worden? Diese eingesparten Beiträge können nun als Bonus an Riester-Sparer ausgeschüttet werden! Vor den Unwägbarkeiten von Riester-Verträgen schützt nur die Verbraucherzentrale!

Bleibt noch zu hinterfragen, warum keiner der Experten die Anpassung der bestehenden Sozialversicherungszweige empfohlen hat: Weil es „politisch ge­wollt“ ist, alles zu privatisieren!

Über die „Weichenstellung“ der Krankenversicherung durch den Gesundheitsfonds und der Arbeitslosenversicherung durch die Abkopplung vom Bundeshaushalt habe ich auf den vorherigen Bremer Montagsdemo gesprochen. Die „Re­form“ der Pflegeversicherung ist geplant, die Rentenversicherung ist bereits reformiert und ein Auslaufmodell. All dies lässt sich noch reparieren!

Im Wege steht der Lissabonner Vertrag. Darin ist festgelegt, dass alles soweit wie möglich privaten Unternehmen zu übertragen ist. Die Fehlentwicklungen namens „Reform des deutschen Sozialversicherungssystems“ sind dieser Zielrichtung geschuldet. Es ist Zeit umzusteuern! Wir wollen nicht das System der USA!

Frau Merkel, bis zum Bundestagswahlkampf können Sie die Weichen noch umstellen! Sie, Frau Kanzlerin, meinen es nicht gut mit den Menschen, die nicht viel Geld zur Verfügung haben! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
 
Die GEW Bremen ruft insbesondere ihre verbeamteten Mitglieder und Versorgungsempfänger(innen) auf, sich an der gemeinsamen Aktion der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes am Freitag, dem 8. Februar 2008 anlässlich des traditionellenSchaffermahls“ zu beteiligen! Gefordert wird: Erhöhung der Besoldung jetzt! Treffpunkt ist um 12:45 Uhr am Roland bei den GEW-Fahnen auf dem Marktplatz. Auch zahlreiche Vertreter von Montagsdemo und „Friedensforum“ werden anwesend sein, um Ehrengast Wolfgang Schneiderhan, den Generalinspekteur der Bundeswehr, „angemessen“ zu begrüßen – zumal weitere Prominente geladen sind, darunter die Ministerpräsidenten Günther „Blindfleck“ Oettinger („Hans Filbinger war kein Nationalsozialist, im Gegenteil, er war ein Gegner des NS-Regimes“) und „Linken-Entzauberer“ KlausPobereit“, Produzent arschiger Sprüche wie „Hartz-IV-Empfänger lassen sich vielfach vom Konsum berauschen, statt sich um die notwendigsten Dinge zu kümmern, etwa um Essen für ihre Kinder“. Wer nicht in den Zoo kann, hat hier Gelegenheit, „Pinguine“ zu sehen!

 

Der Theaterdonner vor dem
ausgeweiteten Kampfeinsatz

Wieland von Hodenberg„Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“ So heißt es in Artikel 26 Absatz 1 des vielgeschundenen Grundgesetzes. Doch weder Gerhard Schröder noch sein sogenannter Verteidigungsminister zu Zeiten des Jugoslawienkrieges, Rudolf „Badehose“ Scharping, oder die Herren Fischer, Struck, Jung oder Frau Merkel scherten sich darum. Sie alle haben aus der Vergangenheit offensichtlich nichts gelernt, und eine Anklage vor einem deutschen Strafgericht müssen sie ebenfalls nicht befürchten.

Jetzt sollen (und wollen) letztgenannte „Friedensengel“ nach dem Einsatz in Jugoslawien auch in Afghanistan auf Geheiß von USA und Nato verschärft Krieg führen. Diese dem Völkerrecht widersprechenden „Friedensmissionen“ sind auch von keinem UN-Mandat gedeckt und weder von der afghanischen noch von der deutschen Bevölkerung gewünscht. Über 60 Prozent lehnen die Bundeswehreinsätze ab. Die Kampfeinsätze sind also extrem rechtswidrig!

Derzeit bereitet Berlin die Entsendung einer „Schnellen Eingreiftruppe“ in den Norden Afghanistans vor – angeblich auf Bitten der Nato. Vorhersehbar war das alles schon, und keineswegs wird die Bundesregierung nur von harschen Briefen aus Washington dazu getrieben. Wie sagte es der frühere Kriegsminister Struck: „Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt.“ Basta! Das Geschimpfe über die US-Forderung durch Jung, Steinmeier und andere sowie der ganze „Streit“ mit der auch ihrem finanziellen Ende entgegenstrebenden Bush-Administration sind ein gespieltes Ablenkungsmanöver. Trotz des lautstarken Theaterdonners ist sich die Bundesregierung insgeheim schon lange mit den Pentagon-Militärs darin einig, die US-Kriegsführung durch verstärkte „Eigenleistung“ zu entlasten.

Hiergegen ist breiter Widerstand angesagt! Beispielsweise mit Leser(in­nen)briefen an die Presse und Schreiben an die Bremer Bundestagsabgeordneten. Eine hervorragende Gelegenheit zum Protest bietet sich auch auf der Ostermarschkundgebung am 22. März 2008 um 12 Uhr auf dem Bremer Marktplatz!

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)

 

Obdachlosigkeit als Sanktion –
die Beschränkung der Grundrechte

1. Millionensummen zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen werden nach einer Studie des „Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe“ nicht abgerufen. Demnach haben die Arbeitsgemeinschaften und Arbeits­agenturen 2007 von den verfügbaren knapp 4,8 Milliarden Euro etwa 570 Millionen oder rund zwölf Prozent nicht oder für andere Zwecke ausgegeben.

Das für die Wiedereingliederung von ALG-II-Empfängern vorgesehene Geld sei unmittelbar in Arbeitslosengeld II oder unter Umständen auch in Verwaltungsausgaben geflossen, erklärte Paul Schröder vom Bremer Institut Ende Januar. Zudem waren laut der Studie die Länderunterschiede groß: Während man das Geld in Bremen praktisch komplett für Eingliederung in Arbeit ausgegeben habe, sei es in Hessen nur zu rund 77, in Bayern zu 75 Prozent verbraucht worden.

 

Elisabeth Graf2. Rund 60.000 Thüringer Kinder leben in Armut. Das beschäftigt zunehmend auch die Tafeln, die bedürftige Schüler künftig mit Pausenbroten versorgen wollen. Seit der Einführung von Hartz IV ist der Bedarf in allen Thüringer Ausgabestellen enorm gestiegen. Waren es früher vorwiegend Rentner mit zu niedrigem Einkommen für ausgewogene Ernährung, sind es heute immer mehr Familien. Trotzdem können die 520 Mitarbeiter der Tafeln längst nicht alle armen Kinder erreichen, denn manche der Eltern schämen sich für ihre Bedürftigkeit und kommen einfach nicht. Also kommen die Tafeln – in die Schule.

Seit April vergangenen Jahres schmieren die Mitarbeiter(innen) der Suhler Kindertafel täglich um die 60 Pausenbrote. Obst oder Gemüse komplettieren das Frühstück. Auch im Weimarer Land soll den bedürftigen Kindern so geholfen werden. Diesen Kindern könnte es jedoch schwer fallen, Hilfe anzunehmen, weil sie deswegen möglicherweise gehänselt werden. Darum werden nun Sponsoren gesucht, die Frühstück für alle Schüler bieten. Ein symbolischer Preis von 20 Cent könnte die Bedürftigen von einer möglichen Stigmatisierung befreien. Das wäre diskret und wirkungsvoll zugleich.

 

3. Die Strompreise schnellen in die Höhe, immer mehr Menschen können ihre Energierechnung nicht bezahlen und sitzen plötzlich in einer dunklen Wohnung. Von den Versorgungssperren sind vor allem bedürftige Menschen betroffen. Zu ihnen gehört Frau Demirbas. Sie ist alleinerziehende Mutter und lebt mit ihren drei Kindern von Hartz IV. Fünf Tage blieb die Familie ohne Strom, sie konnte weder kochen noch waschen und saß abends im Dunkeln. Die Stadtwerke Lübeck forderten eine Nachzahlung von 1.200 Euro. Dagegen erhob Frau Demirbas Einspruch, der Strom wurde ihr dennoch gesperrt.

So wie ihr ergeht es inzwischen rund 800.000 Haushalten jährlich. Nach Schätzungen von Experten summieren sich die Schulden der Privatkunden bei den Energieversorgern auf mehr als 100 Millionen Euro. Die Unternehmen reagieren mit Mahnbescheiden oder stellen ihre Lieferung ein. In den dafür zuständigen Sozialinstitutionen herrscht kein Problembewusstsein. Wie sonst ist es zu erklären, dass die skandalös hohen Zahlen einfach nicht wahrgenommen werden?

 

4. Nun ist es offiziell: Hartz IV führt zu Obdachlosigkeit! Was bisher von den bürgerlichen Medien immer wieder in Frage gestellt und als „Panikmache“ bezeichnet wurde, was die Politiker von SPD und Grünen wie auch von FDP und CDU/CSU immer wieder bestritten („Niemand braucht wegen Hartz IV zu befürchten, obdachlos zu werden“), ist bereits seit einiger Zeit für manche Realität geworden. Nun wurde auch offiziell von einer Kommune verkündet, dass Hartz IV zu Obdachlosigkeit führt: „Die Stadt Duisburg erklärt, dass es sanktionierten alleinstehenden ALG-II-Beziehern zuzumuten ist, obdachlos zu werden.

Wer nicht jeden der „Arbeitsplätze“, die ihm zugewiesen werden – seien es Ein-Euro-Jobs oder „reguläre“ Billigarbeit – ausfüllen kann, ohne aus persönlichen Gründen entlassen zu werden oder selbst zu kündigen, bekommt Sanktionen oder Streichung. Damit kann er seinen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten, muss Rechnungen unbezahlt lassen und geht den ersten Schritt auf dem Weg ins Elend ohne Wiederkehr.

Alle, die glaubten, es genüge der Versuch, einige wenige Veränderungen an Hartz IV zu erreichen, und es dürfe nicht radikal die völlige Abschaffung gefordert werden, sind von der Wirklichkeit widerlegt! Richtig ist das Motto, das die Montagsdemos noch heute verfolgen: „Weg mit Hartz IV, das Volk sind wir!“ Wie kann man es überhaupt irgendjemandem zumuten, obdachlos zu werden? Das ist menschenverachtend, skandalös, ja kriminell! Das ist dem Absprechen der Menschenwürde, der Grundrechte gleichzusetzen! Aber wen interessiert das in diesem unempathischen Land überhaupt noch? Schließlich hat wieder die weitaus spannendere Bundesliga begonnen – und was sind schon ein paar Obdachlose gegen ein süßes Eisbärenbaby?

Was wird den alleinstehenden, sanktionierten Hartz-IV-Betroffenen als nächstes zugemutet? Erfrieren oder verhungern oder verdursten? Aber eigentlich ist doch alles klar: Wer obdachlos ist, ist auch flexibler. Der muss sich nur in den Zug setzen und kann noch heute am anderen Ende von Deutschland einen Job antreten. Er ist ja nicht ortsgebunden! Billiger ist es außerdem, denn der Staat muss keine Kosten für die Unterkunft übernehmen. Ein dauerhaftes Wohnrecht gibt’s nur im Knast, beispielsweise wegen Begehen eines Kapitalverbrechens. Welche Blüten Hartz IV treibt, werden alle Betroffenen noch erleben. Was Menschen anderen Menschen anzutun in der Lage sind, dafür ist das „Dritte Reich“ das „beste“ Beispiel.

 

5. Im letzten Jahr entschied das Bayerische Landessozialgericht, dass ein ALG-II-Empfänger die Kontoauszüge der letzten drei Monate vorzulegen habe (Az. L7 AS 190/07). Andernfalls sei die Einstellung der Leistung rechtmäßig. Dieser Richterspruch fügt sich im Grunde völlig unspektakulär in eine Reihe verschiedenster Urteile ein, die je nach Sozialgericht auch ganz anders lauten. So haben das Hessische wie auch das Nordrhein-Westfälische Landessozialgericht entschieden, dass die Kontoauszüge nur bei begründetem Verdacht vorzulegen seien. Daher ist hier mit Spannung auf eine Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts zu warten.

Was das Urteil aus Bayern dennoch spektakulär macht, ist ein Satz in der Begründung, der da lautet: „Grundrechte gelten nicht schrankenlos“. Gelten sie für ALG-II-Empfänger also nur begrenzt? Die Betroffenen wären dann auf Gedeih und Verderb der Willkür der Behörden ausgesetzt. Das Gericht manifestiert mit einem solchen Satz, dass Hartz-IV-Betroffene Menschen zweiter Klasse sind! Wenn das Gericht meint, Grundrechte gälten bei der Auslegung des SGB nur eingeschränkt, dann stellt sich hier die Frage, ob die Richter das Wesen eines Grundrechtes verstanden haben: Es bildet die Grundlage des demokratischen Rechtsstaates und ist nicht der Beliebigkeit unterworfen!

Verwundern muss auch der Satz, die Grundrechte seien entweder durch sich selbst oder durch einfache gesetzliche Regelung beschränkt. Im Prinzip sagt das Gericht damit aus, die Grundrechte könnten beliebig durch einfache Gesetzgebung eingeschränkt werden! Wenn die Gültigkeit nur insoweit akut ist, wie sie der jeweiligen Gesetzeslage entspricht, wird das komplette Grundgesetz ad absurdum geführt. Alles Mögliche wäre dann einschränkbar, die Gleichberechtigung, die Religionsfreiheit und vieles andere mehr. Eigentlich dachte ich immer, das Grundgesetz der Bundesrepublik gelte ohne Ansehen der Person für alle in diesem Land lebenden Bürger. Ich scheine mich da ganz gewaltig geirrt zu haben!

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend)
 
Hirnrissig: ARD befragt Bundesbürger, wer Hessen
regieren soll („Frankfurter Allgemeine Zeitung“)
 
Kapitale Müllkippe: Die Strände dieser Welt bestehen teils zu
fünf bis zehn Prozent aus Plastik („Spiegel-Online“)
 
10.000 Stahlwerker im Streik: „Wir verlangen faire Teilhabe
an einem beispiellosen Boom!“ („Spiegel-Online“)

 

Die Verhöhnung der Toten

Hartz IV greift! Dem Kaffesatz eine zweite Chance geben1. Vor 88 Jahren, am 4. Februar 1919, wurde die Bremer Räterepublik – ein erster Versuch der zermarterten Kriegsheimkehrer und der Arbeiterschaft, in Bremen die gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern und den Imperialismus abzuschütteln – im Blutbad der einrückenden Soldateska des Freicorps Caspari und der Reichswehr erstickt. Die Übermacht der Reaktion in Berlin – das Bündnis von Kapital, Militär und willfähriger Mehrheits-SPD – in Verbindung mit dem Bremer Großbürgertum haben den isoliert agierenden Kämpfern in Bremen den entscheidenden Stoß versetzt.

Für nachfolgende Kämpfe wurden Lehren gezogen. Eine der wichtigste daraus ist, in enger Verbindung mit den breiten Massen die gesellschaftliche und politische Offensive zu suchen und in immer breiterer Einheit Forderungen aufzustellen und diese politisch zu erkämpfen und auch durchzusetzen. Das wird, wie die Geschichte leider zeigt, auch in Zukunft nicht ohne Gewalt abgehen, weil die Herrschenden sich nicht freiwillig mit ihrer Niederlage abfinden werden. Darauf muss man sich einstellen, ohne Angst zu machen oder zu haben. Im Vorwärtsgehen lernen wir, mit Angst und Verzagtheit, aber auch mit der Unvernunft Einzelner umzugehen. Wer will uns, die Unterdrückten dieser Welt, aufhalten? Wir wollen eine andere Welt – ohne Kriege, Ausbeutung und Zerstörung unserer natürlichen Umwelt und Lebensgrundlage.

Für mich ist es darum mehr als makaber, dass alljährlich der Toten an der Gedenkstätte auf dem Waller Friedhof gedacht wird – und ausgerechnet ehemalige SPD-Senatoren „ehrende Mahnungen“ sprechen oder gar Texte von Peter Weiss („Ästhetik des Widerstands“) lesen, aber keine praktische Verbindung zum wirklichen Leben und den Kämpfen von heute herstellen. Denn es ist gerade die SPD, die früher wie heute die Politik des Kapitals mit aller Härte durchsetzt und täglich aufs Neue die Ideale der Werktätigen weltweit verrät. Die heutige und zukünftige Arbeiterbewegung in Bremen muss und wird sich einen neuen Zugang zu diesem Teil der Bremer Arbeitergeschichte erkämpfen!

 

2. Hier noch einige Termine: Am 23. Februar 2008 wollen wir in Bremen ein Treffen der norddeutschen Montagsdemos durchführen und dabei unseren Mitstreitern von Göttingen bis Wilhelmshaven und Hamburg etwas von unserer Stadt zeigen, gemeinsam „Kohl und Pinkel“ essen und einen intensiven Erfahrungsaustausch abhalten.

Am 29. März 2008 findet in Brandenburg eine große Demonstration gegen Hartz IV statt, zu deren Unterstützung auch wir aufgefordert sind. Wir wollen gemeinsam mit dem Bus hinfahren.

Am 19. April 2008 ist die jährliche Delegiertenkonferenz der bundesweiten Montagsdemo-Bewegung in Kassel. Nach einem demokratischen Schlüssel können wir dazu Delegierte bestimmen und Kandidaten für die zentrale Koordinierungsgruppe und die Revision der zentralen Kasse vorschlagen. Bremen hat in den letzten Jahren immer aktiv mitgearbeitet. Wir wollen unsere Wahlen auf dem Marktplatz in direkter Demokratie in geheimer Abstimmung durchführen. Die Vorstellung der Kandidaten für Delegation und Koordinierungsgruppe soll am 31. März 2008 erfolgen, die Wahl am 7. April 2008.

Die bundesweite Koordinierungsgruppe der Montagsdemo ruft für den 8. November 2008 zum Sternmarsch in Berlin auf, als nunmehr fünfter bundesweiter Herbstdemonstration unserer Bewegung.

Jobst Roselius
 
Bürgerliche Parteien erleichtert: Betrügerischer Schatzmeister
rettet NPD vor Verbotsverfahren („Die Welt“)
 
GDL plant Urabstimmung: Lohnerhöhung für Rangierlokführer und
in Tochterunternehmen weiterhin umstritten („Spiegel-Online“)
 
Freundliches Schmähwort: Neoliberalismus bezeichnet heutzutage die
Wiederkehr des antisozialen Frühkapitalismus („Spiegel-Online“)
 
Das ist neoliberal: Zahl der Menschen ohne Krankenversicherung zwischen 1999 und 2007 um 45 Prozent gestiegen („Spiegel-Online“)

 

Abbau von 900 Stellen? Lohnraub?
Mehrarbeit? Uns reicht’s!

Die Sache mit dem „gestorbenen PPP-Modell“ für einen Neubau des Klinikums Bremen-Mitte sehe ich viel differenzierter. Klar, dass dies auf den ersten Blick zunächst mal ein Erfolg ist. Nur wird vergessen, dass der Masterplan auch ohne „Public-Private Partnership“ umgesetzt wird. Das bedeutet einen Abbau von 900 Stellen, wöchentliche Mehrarbeit, Lohnraub und mögliche Privatisierungen von Teilbereichen wie Apotheke oder Dialyse. Andere Bereiche wie Labor, Wäscherei, Reinigungspersonal sind bereits in den letzten 15 Jahren ausgegliedert worden.

Diese Punkte hat Jürgen Finsterbusch, der neue kaufmännische Geschäftsführer am Klinikum Bremen-Mitte, in einer Direktionssitzung erwähnt. Alle eventuellen Neubesetzungen von Stellen gehen über seinen Schreibtisch. Dem Pflegepersonal wird von der Pflegedirektion der Vorschlag gemacht, die Patienten aufgrund personeller Engpässe nur noch alle zwei Tage zu waschen! Und was kommt, wenn das Krankenhaus „modernisiert“ und abgespeckt ist? Eine mögliche Privatisierung! Der Bremer Senat hätte ganz gerne den Masterplan durch eine PPP-Finanzierung umgesetzt, doch ein paar Gründe ließen es nicht zu. Unter anderem wollte der Senat Privatinvestoren keine Garantie von 30 Jahren geben. Es gibt dazu noch sehr viel mehr zu sagen!

Zuschrift von Ariane Müller, Kollegin der unabhängigen
BetriebsgruppeUns reicht’s“ am Klinikum Bremen-Mitte

 
Subventionen ausgelaufen: Eine Stadt wird arbeitslos („Spiegel-Online“)
 
Brötchen, Marmelade, Bratwurst: Berliner SPD-Finanzsenator schreibt
Gesundheitskochbuch für Leute mit Hartz-IV-Hintergrund („Die Welt“)
 
Auspeitschen: Erzbischof fordert Einführung der Scharia („Spiegel-Online“)
 
Türken fühlen sich im Stich gelassen: Deutsche Medien berichten ungern
über das Erstarken extrem rechter Bewegungen („Spiegel-Online“)

 

Mit Fahnen bewaffnet

Bettina FenzelFür die Fahrt zur Rosa-Luxemburg-Demonstration in Berlin am 13. Januar 2008 hatte die DKP einen Bus organisiert, der morgens um 4 Uhr am Breitenweg auf uns wartete. In Berlin waren wir um 10 Uhr und beteiligten uns an der Veranstaltung. Ein Demonstrant aus unseren Bus wurde von Polizisten kontrolliert – mit der Begründung, er könne „die Fahne als Waffe benutzen“! Das war eine Schikane der Polizei.

Während des Marsches konnten wir beobachten, wie eine jüngere Frau und ein Mann verhaftet wurden, die sich an der Demonstration beteiligten. In Berlin regiert die SPD zusammen mit der „Linken“. Für uns, die wir Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts gedachten, stellte sich die Frage, weshalb die Polizei so schikanös und brutal mit den Menschen umgeht. Ist das von der SPD und der Partei „Die Linke“ gewünscht?

Auf der anderen Seite ist es mit Hin- und Rückfahrt eine beschwerliche Reise, um an der Luxemburg/Liebknecht/Lenin-Demonstration teilzunehmen. Menschen, die gesundheitlich eingeschränkt sind oder durch das Alter verursachte körperliche Probleme haben, können an solch einer anstrengenden Demo gar nicht teilnehmen. Junge Menschen sind aufgefordert, sich daran zu beteiligen!

Was haben uns Luxemburg und Liebknecht in unserer Zeit noch zu sagen? In dem Buch „Wofür kämpfte Liebknecht?“ (Band 42 ihrer Gesammelten Werke) schrieb Rosa Luxemburg unter anderem: „Mit einen Wort, Liebknecht verkörperte die alte Sozialdemokratie, so wie sie bis zum 4. August 1914 war, wie sie in den Herzen der Massen lebte, stolz, trotzig, rücksichtslos im Kampf gegen die Herrschenden, unerschütterlich in der Treue den Unterdrückten gegenüber. Wie der alte Bebel in Dresden einmal rief: Ich bin und bleibe ein Todfeind der bürgerlichen Gesellschaft! So war und blieb Liebknecht.“

Da sagt ein Heiner Geißler sinngemäß, dass nur junge Menschen linke politische Positionen vertreten könnten – wenn sie älter sind, sei das nicht mehr möglich! Diese Botschaft Geißlers ist falsch. August Bebel blieb bis ins hohe Alter hinein der „Todfeind der bürgerlichen Gesellschaft“. Alle Menschen, die durch die Hartz-Gesetze und die anderen „Reformen“ verarmen, haben genug Gründe, „Todfeind“ dieser bürgerlichen Gesellschaft zu sein, und zwar in jedem Alter!

Für sie standen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht und viele andere, da sie für einen Sozialismus, der demokratisch ist, eintraten. Sie wurden am 15. Januar 1919 grausam ermordet, und Hunderttausende durch den Verrat der rechten SPD-Führung ebenfalls. Noske, Scheidemann und Ebert hatten mit dem Einsatz der „Freikorps“ geholfen, die Arbeiter- und Soldaten-Republiken 1918/1919 und die Novemberrevolution blutig niederzuschlagen. So konnten die Faschisten die Macht ergreifen.

Die heute führenden rechten Kräfte der Sozialdemokratie sind im neoliberalen Geist befangen und helfen, den räuberischen Kapitalismus umzusetzen, der sich unter anderem in den Hartz-Gesetzen widerspiegelt. Sie haben Zwangsarbeitsverhältnisse und Ein-Euro-Jobs eingeführt. „Die Linke“, vormals PDS, ist zu fragen, warum sie in Berlin zusammen mit der SPD eine unsoziale Politik betreibt und die Polizei auf Demonstranten knüppeln lässt!

Für uns gibt es genügend Gründe, im Sinne von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und August Bebel „Todfeind der bürgerlichen Gesellschaft“ zu sein und das neoliberale, kapitalistische System durch eine Globalisierung von unten zu bekämpfen. Darum sind alle Menschen aufgerufen, sich für eine andere Welt einzusetzen, die nötig und möglich ist, und dafür zu kämpfen!

Bettina Fenzel (parteilos)
 
Lichterketten reichen nicht: Dienen symbolischen Aktionen der Mobilisierung
zum Kampf – oder sollen sie davon ablenken? („Rote Fahne News“)
 
Gespenstisch: „Polizistendemo“ beim Bremer Schaffermahl von einem „Bullenspalier“ mehrerer Hundertschaften kaum zu unterscheiden („Radio Bremen“)

 

Auch am Rosenmontag
gibt es viele politische Themen

Das große Redebuch
Band I (2004/2005):
Schröders Hartz-Attacke und 
seine vorgezogene AbwahlKnapp 35 Teilnehmer kamen ab 17:30 Uhr zur 168. Montagsdemo. Nach Rosenmontag ist in Bremen zwar kaum jemandem zumute. Trotzdem eine kleine Büttenrede gefällig? Aber zwei Lieder zur Gitarre wärmten uns auf.

Ein Vertreter des „Bremer Friedensforums“ appellierte an uns, am Freitag, dem 8. Februar 2008 mittags zum Marktplatz zu kommen, um beim Defilee der Schaffermahlzeitsgäste insbesondere auch gegen den Kriegsausweitungskurs der Bundesregierung in Afghanistan – vertreten durch Wolfgang Schneiderhan, den Generalinspekteur der Bundeswehr – zu protestieren.

Der Senat will die Politik der „Private-Public Partnership“ beim Klinikneubau nicht fortsetzen. Da schreien die Protagonisten des „Alles muss privatisiert werden“ natürlich Verrat! Aus vielen Städten sind Beispiele bekannt, was für ein Betrug diese PPP-Politik ist. Natürlich bedeuten das Selbermachen und Kontrollieren auch Risiken, gerade im heutigen Kapitalismus-Betrieb. Aber es ist vom Senat ein richtiger Ansatz.

Ein Vertreter der „Linken“-Bürgerschaftsfraktion bat um Unterstützung, um die wunden Punkte des Bremer Haushalts herauszufinden und mitzuhelfen, Kritik am Entwurf auszuarbeiten. Das ist natürlich ein wichtiger Ansatz. Wir wollen aber darauf hinweisen, dass die „Linke“ nicht nur aus Bürgerschaftsabgeordneten besteht, sondern auch eine Verantwortung hat, die Aktivitäten der außerparlamentarische Opposition zu stärken! Da spielt sich leider immer noch kaum etwas ab.

Jobst Roselius für die „Bundesweite Montagsdemo
 
SPD-Abgrenzung unglaubwürdig: Die Forderungen der hessischen „Linken“
sind ihren eigenen zum Verwechseln ähnlich („Tageszeitung“)
 
Politikwechsel ohne Regierungswechsel: Linke Mehrheit kann geschäfts­führen­den Ministerpräsidenten Koch zwingen, Studiengebühren abzuschaffen („PR-inside“)
 
Preisschock: Discounter verteuerten ihre Waren im Dezember 2007 gegenüber dem Vorjahresmonat um zehn Prozent („Focus“)
 
Wem gehört Deutschland: Das Volksvermögen von neun
Billionen Euro ist extrem ungleich verteilt („Stern“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz