97. Bremer Montagsdemo
am 14. 08. 2006  I◄◄  ►►I

 

Es steigen die Gebühren
am laufenden Band

Ursula GatzkeSingt alle mit! Es steigen die Gebühren am laufenden Band, klimbim, klimbim, klimbim! Es klettern die Schulden am laufenden Band, klimbim, klimbim, klimbim! Um Löcher zu stopfen, da braucht man viel Geld, klimbim, klimbim, klimbim! Wer knebelt schon wieder mit gieriger Hand, klimbim, klimbim, klimbim? Die Geier, sie stehlen uns immer das Geld, klimbim, klimbim, klimbim!

Montagsdemo, feiern wir, mit dem großen Roland, auf dem Platz! Schon zwei Jahre, stehn wir hier, kämpfen gegen Armut, und noch mehr! Montagsdemo, soll man hör’n, überall da draußen, in der Welt! Recht und Frieden, wollen wir, wollen keine toten, Menschen sehn!

Ursula Gatzke (parteilos)
 
Unternehmen entziehen sich dem Fiskus: Im vergangenen Jahr
wurden Gewinne von 65 Milliarden Euro ins Ausland
verlagert („Frankfurter Allgemeine Zeitung“)

 

Abtreten! Harte Sanktionen für Regierungsunfähige!

Am regennassen Sommerloch perlen noch die letzten Tropfen des vergangenen Schauers herunter. Wie wunderbar lässt sich da das Halali ins Horn blasen, das mal wieder zur Hatz auf die faulen Arbeitslosen einlädt. Nachdem die Fußballweltmeisterschaft nun fatalerweise vorüber ist, können die Menschen sich nach längerer Zeit wieder auf diesen vertrauten alten Volkssport besinnen.

Elisabeth GrafDa gibt es zum Beispiel den Streit über die Neuregelung zum Einsatz aus- oder inländischer Saisonarbeiter. Jener spitzt sich zu, seit mindestens zehn Prozent von ihnen aus Deutschland stammen müssen. Wenn die Spargelbauern aus Niedersachsen nach deutschen Erntehelfern gefragt werden, fällt ihr Urteil vernichtend aus: „Von den angemeldeten Arbeitslosen erscheint nur die Hälfte, und von denen sind die meisten nach den ersten Tagen weg“ („Weser-Kurier“, 10. August 2006).

Deswegen hält Gerd Müller, parlamentarischer Staatssekretär aus der Fraktion der so ungemein christlichen und sozialen Abgeordneten, „harte Sanktionen gegen Arbeitsunwillige für unumgänglich“. Er verlangt, dass „die Leistungen bei offensichtlicher Arbeitsverweigerung sofort gestrichen werden“ („Süddeutsche Zeitung“, 10. August 2006). Der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums in Hannover, Gert Hahne, erläutert hingegen, dass es „bei der Ernte auf Tempo, Technik und Leistungsfähigkeit“ ankomme, und diese sei „eben nicht aus dem Stegreif erlernbar“ („Weser-Kurier“, 10. August 2006).

Endlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Ungelernte können nicht einfach so als Erntehelfer ihren Dienst antreten, wie es unter Politikern möglich ist! Politiker brauchen lediglich genügend Wähler und Fürsprecher von sich zu überzeugen und dürfen dann einfach so loslegen. Deren Versprechungen werden leider viel zu selten vor Beginn einer Legislaturperiode auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft. Zunge und Kehlkopf sind dabei die einzigen Organe, die Politiker zuvor regelmäßig trainiert haben müssen, denn damit treten sie an die Öffentlichkeit, lassen so von sich hören und sehen.

Inzwischen habe ich auch verstanden, weshalb von der Krankenkasse keine Brillen und vernünftigen Hörgeräte mehr bezahlt werden. Wir sollen allzu Offensichtliches auf keinen Fall sofort mitkriegen! Die verantwortlichen Politiker reformieren die Krankenkassen in der Weise ganz brandaktuell, dass jene ihren Mitgliedern nur noch derart minimalistische Behandlung zukommen lassen dürfen, dass diese – wie der Name „Krankenkasse“ schon sagt – ernsthaft krank werden und es vor allem auch bleiben!

Deswegen lassen viele Politiker sich ihre Reden von Bediensteten schreiben, die auch wirklich etwas von ihrem Fach verstehen. Es hat sich ja längst herumgesprochen, dass die meisten Volksvertreter noch nicht mal die Gesetzestexte gelesen haben, über die sie erstaunlicherweise dennoch abzustimmen vermögen. Eben weil viele Politiker den Kern ihrer eigentlichen Aufgaben an wesentlich klügere Redenschreiber abzutreten belieben, schlage ich vor, sie nicht mehr als „Volksvertreter“, sondern als „Volksabtreter“ zu bezeichnen. Die Ähnlichkeit mit dem Begriff des „Fußabtreters“ ist dabei natürlich nicht beabsichtigt und lässt sich durch den gemeinsamen Ursprung des westgermanischen Verbs „treten“ herleiten.

Unser armer Arbeitsloser hingegen sieht sich plötzlich körperlicher Schwerstarbeit auf dem Feld ausgesetzt, die er nicht mal eben so wegdelegieren kann, wie ein Politiker es mit Unliebsamem zu tun gewohnt ist! Natürlich springt jedem sofort ins Auge, dass hier ein völlig untrainierter Spargelstecher vor ihm steht, dem der drohende Bandscheibenvorfall schon von weitem anzusehen ist. So was können sich natürlich wieder nur wirklichkeitsfremde Politiker ausdenken: erst dem armen Menschen dermaßen wenig Geld zum Leben lassen, dass er sich nicht gesund ernähren, geschweige denn zweimal wöchentlich ins Fitness-Center begeben kann, und sich dann darüber wundern, dass er diesen Strapazen nicht gewachsen ist und die Erntearbeit nicht zu bewerkstelligen vermag.

Doch könnte ich darauf wetten, dass Zunge und Kehlkopf unseres armen Spargelstechers den Sprachorganen der meisten Politiker beziehungsweise Volksabtreter völlig ebenbürtig sind! Dennoch bekommen Parlamentarier, ob nun geeignet oder nicht, als Grundgehalt mindestens ein Zehnfaches dessen, womit ein Arbeitsloser, ob mit oder ohne Saisonarbeit, auskommen muss. Im „Stern“ (Heft 30/2006) bedauert sich der Abgeordnete Michael Roth von den Asozialdemokraten, dass er mit nur 7.009 Euro monatlich eine „arme Sau“ sei. Diese Leute haben offensichtlich jedes normale Maß für die Wirklichkeit verloren.

Mir stellt sich die Frage, ob möglicherweise der Bezug eines hohen Gehalts mit dem Realitätsverlust in einer Wechselbeziehung steht! Irgendwie muss sich dieser Größenwahn doch erklärbar machen lassen! Wann wird endlich die Kaste der Volksabtreter reformiert? Wann werden sie endlich mal zur Verantwortung gezogen, ohne einfach nur abzutreten und weiter ihre Tantiemen zu kassieren? Ich halte harte Sanktionen für Regierungsunfähige für unumgänglich! Hier müssen sofort Leistungen bei offensichtlicher Arbeitsverweigerung gestrichen werden!

Politiker unter sich sehen ja gerne darüber hinweg, schließlich kratzt eine Krähe der anderen kein Auge aus! Deswegen projizieren sie ihre eigene Verweigerungsmentalität, die sich in der Unfähigkeit zeigt, unser Land im sozialen Frieden von Grund auf zu erneuern, bevorzugt auf uns Arbeitslose. Damit bin ich wieder bei meinem ersten Thema angekommen, hat sich der Kreis geschlossen, trete ich das Mikrofon an die Nächsten ab!

Elisabeth Graf (parteilos)
 
Fortschritt zu teuer: Revolutionäre Partei
verstummt im Internet („Rote Fahne“)
 
Bürgerlicher Journalist beäugt marxistischen Parteispender: Ist der
auch wirklich ganz richtig im Kopf? („Süddeutsche Zeitung“)

 

Das nächste Mal mit mehr Verstand

Gudrun Binder1. Frau Merkel ist eine bemerkenswerte Frau, Frau Merkel ist auch ziemlich bauernschlau! Man sieht es ihr nicht an, das ist schon klar, aber es stimmt, es ist leider wahr.

Man kann es wenden, wie man will, und drehn: Es gibt kaum Tage, die vergehn, an denen sie nicht mit gespaltener Zunge zu uns spricht und weiter mit neuen Sanktionen auf uns eindrischt.

Sie ist immer wieder für eine unangenehme Überraschung gut, sie zaubert immer neue Gemeinheiten aus dem Hut. Wir hatten gedacht, das machte schon Gerhard perfekt, aber nun haben wir seine Meisterin entdeckt!

Sie verfeinert, sie vervollkommnet – sie sagt: sie „optimiert“ – und wird dabei von ihrer Ohnmacht dirigiert. Sie muss wissen, was dann passiert, sie kann sich erinnern, wie es funktioniert.

Die Menschen haben Angst, stehen unter Druck, sind in Abhängigkeit. Die Abteilung „Horch und Guck“ wusste über jeden Bescheid! Hat sie das in Gesamtdeutschland vermisst? Ist es möglich, dass frau das vergisst?

Frau Merkel sind diese fiesen Methoden aus der Vergangenheit bekannt. Warum will sie dieses Unrecht einführen in unserem Land? Will sie das alles überbieten? Fehlen ihr Anstand und Moral? Ist ihr um den Preis der Macht alles egal?

Wir haben gewählt – wir hatten es in der Hand. Das nächste Mal wählen wir mit mehr Verstand!

 

2. Warum kein Unterricht an der frischen Luft? Es sind ja zum Glück noch zwei Wochen, bis die Schule wieder beginnt! Aber ich möchte heute Bildungssenator Lemke einen Vorschlag zur Kosteneinsparung in dem von ihm verwalteten Ressort unterbreiten. Die Idee kam mir beim Betrachten eines Fotos mit einem zufrieden dreinschauenden Senator Nussbaum in meinem „täglich-glücklich“-Blatt.

Der Senator kann sich seit kurzem an 50 Informationstafeln im Format 34 mal 55 Zentimeter an 50 bedeutenden Gebäuden der Hansestadt erfreuen, und mit ihm die vielen Touristen, die sich in Bremen aufhalten und für die sie angebracht wurden. Auf diesen Tafeln stehen die wichtigsten Informationen über das entsprechende Gebäude, und man kann sich so im Vorübergehen weiterbilden.

Da dachte ich mir, das kann man doch auch für das Bremer Schulsystem anwenden, nämlich Tafeln mit dem jeweiligen Lehrstoff für die Schulkinder herstellen! An den bedeutenden Gebäuden hängen also schon die wichtigen Informationen. Nun kann man sich doch daranmachen und unter den Straßenschildern Tafeln im Format 34 mal 55 anbringen und auf ihnen erklären, warum die Straße gerade diesen Namen trägt und was er bedeutet.

Handelt es sich beispielsweise um einen Fluss, dann wird darüber informiert, wo er fließt, wie lang, tief und breit er ist und über seine eventuellen Besonderheiten. So kann man dann auch bei anderen Straßen die Namen von Städten, Gebirgen, Tieren, Autofabrikaten, Fußballvereinen und so weiter erklären. Ebenso verfährt man auch mit Bäumen, Pflanzen, Blumen, Materialien, historischen Standbildern, Kunstgegenständen und was sich sonst noch alles so beschildern lässt.

Haben die Schulkinder erst einmal eine Grundbildung erhalten, machen die Klassen jeden Tag eine Exkursion durch die Stadt und bilden sich anhand der vielen schönen Schilder weiter. Sportlich betätigen können sich die Kinder auch unterwegs an der frischen Luft durch Wettläufe zum nächsten Schild. Sie bleiben gesünder und beweglicher.

Es müssen nun weniger Klassenzimmer und Schulgebäude saniert und instandgehalten werden, man spart Strom- und Unterhaltungskosten ein. Es können noch mehr Hausmeisterstellen gekürzt werden. Mit diesem eingesparten Geld können dann viele wichtige und nützliche Dinge angeschafft oder bezahlt werden.

Wie zum Beispiel die immer wiederkehrende finanzielle Unterstützung des Musical-Theaters oder die Beihilfe zum Bau eines weiteren überflüssigen Hotels, der x-te neue Rollrasen auf der Fläche vor dem Überseemuseum oder die Gün­ter-Grass-Stiftung, die außer teuer gerade auch peinlich wird.

Oder, wie auf der Tafel am „Haus des Reichs“ erwähnt, für an diesem Ort sicher sehr wichtige Terrakotta-Skulpturen im Innenhof. Allerdings weiß ich nicht, wie hoch der Betrag der Einsparung ausfallen wird, denn es wird heute ja schon gerade im Schul- und Bildungswesen in großem Umfang auf Kosten der Kinder gestrichen und gekürzt.

Mein Vorschlag ist, am Parlamentsgebäude Tafeln zusätzlich anzubringen, und zwar mit den Namen von SenatorInnen und StaatsrätInnen, die sich um die großzügige Ausgabe nicht vorhandener Gelder verdient gemacht haben. Auf denen können die Bremerinnen und Bremer, die Touristen und die Schülerinnen und Schüler in chronologischer Folge nachlesen, wie viel Steuergelder in welchem Zeitraum diese Damen und Herren ungeniert verschleudert oder in den Sand gesetzt haben.

Ob dazu allerdings Tafeln im Format 34 mal 55 Zentimeter ausreichen, wage ich zu bezweifeln.

Gudrun Binder (WASG)
 
Auf so einen haben wir gehört: Wohlfeiler Unsinn und große Gesten
für jene, die Ursache und Wirkung auf den Kopf stellen und Täter
zu Opfern stilisieren wollen („Spiegel-Online“, „Bild“-Zeitung)

 

Schön ist das Politikerleben

Hans-Dieter Binder1. Kauder-welsch! Wie kann ein Politiker etwas fordern, was es bereits gibt? Kinder und Eltern müssen sich unterhalten – nein, nicht gemeinsam singen, aber das wäre nicht schlecht! So ein Politiker muss nicht berücksichtigen, dass dies bereits durch das Bundesverfassungsgericht entschieden ist: Unterhalt muss nur zahlen, wer so gut verdient, dass dadurch sein Lebensstandard nicht beeinträchtigt wird. Aber das weiß doch keiner mehr!

Es gab in Deutschland sozialen Frieden – dann wurde das SBG II ersonnen, und der soziale Frieden war vorbei. Vielen wurde viel genommen, allein im kleinen Bremen wurden 60 Millionen Euro an den Erwerbslosen gespart. Vorausschauend hatte der Basta-Kanzler festgelegt, dass die Einsparungen den Kindern unter drei Jahren zukommen sollen. Nur ist daraus wenig geworden. Aber das weiß doch keiner mehr!

Die Mehrwertsteuer ist für alle da! Drei Prozent Mehrwertsteuererhöhung sollen wir berappen. Im Jahr 2007 bringt das für Bremen 63 Millionen Euro. Nur freuen wollte sich der Finanzsenator nicht, denn die angekündigte Halbierung der Körperschaftssteuer wird Bremen 90 Millionen Euro kosten! Jeder Einkauf ab 2007 ist inklusive drei Prozent Spende für die Konzerne. Aber das weiß doch keiner mehr!

Politiker müssen sich nicht weiterbilden! Längst ist in jeder Zeitung zu lesen: mehr Gewinn bedeutet nicht mehr Arbeitsplätze, im Gegenteil! Die Hoffnung, Arbeitslosigkeit werde abschmelzen, weil die Bevölkerung schrumpft, ist auch nur ein beliebtes Ammenmärchen: Die Arbeitnehmer werden älter, aber es werden nicht weniger Köpfe! Aber dass weiß doch keiner mehr.

Politiker müssen auch kein Gedächtnis haben, sie hängen die Fahne lustig nach dem Wind! Wenn die CDU die Bausparzulage streichen wollte, hat die SPD „Haltet den Dieb!“ gerufen. Jetzt will die SPD ebendiese Zulage streichen. Was ruft die CDU? „Haltet den Dieb!“ Aber das weiß doch keiner mehr.

Die Krankenkassen sind überschuldet. Na klar, zuvor wurde der Bundeszuschuss gestrichen, aber wer weiß das noch? Die Rentenversicherung wird demnächst überschuldet sein, auch hier hat die Politik die Bundeszuschüsse gestrichen und eine wesentliche Senkung der Beitragseinnahmen verursacht! Aber das weiß doch keiner mehr.

Eine(n) Politiker(in) zum Anfassen habe ich letztens gesehen. Dieser Mensch war traurig: „Seit ich Politiker(in) bin, werde ich scheel angesehen! Dabei bin ich doch ich, und für die vielen Ungerechtigkeiten oder Vergünstigungen kann ich doch nichts!“ Sprach’s und schaute entsprechend! Klar kann jeder Mensch auch freiwillig auf Leistungen verzichten, auch Politiker dürfen dies! Aber das weiß doch keiner mehr.

Am schönsten wären klare politische Aussagen und die Wiederentdeckung der politischen Kultur, damit nicht jeder glaubt, Politiker haben große Taschen und eine gespaltene Zunge! Aber das weiß doch kein Politiker mehr!

Bremen lebt von den Ammenmärchen unserer Senatoren! Wenn wir ungläubig werden, müssen diese Politiker gehen! Es gibt immer wieder einen Hoffnungsschimmer, den Kanzlerbrief, die Klagen. Darum Montagsdemo: Kopf zeigen! Wir schaffen eine Zukunft mit ehrlichen Politikern!

 

2. Es gibt eine Gerichtsentscheidung, auf die ich lange gewartet habe; es geht um Eigenheimer und Besitzer von selbstgenutztem Wohneigentum. Die Regelung der Bagis sieht vor, dass für selbstgenutztes Wohneigentum die Zinsen übernommen werden, aber nicht die Tilgung! Soweit die Handhabung. Das Sozialgericht Oldenburg hat mit Beschluss vom 28. November 2006 (Az. S47 AS 787/05 ER) festgestellt, dass auch die Tilgung zu den Kosten der Unterkunft gehört, weil die Darlehn lange vor dem Bezug der damaligen Arbeitslosenhilfe oder des ALG II aufgenommen wurden. Gleichzeitig hat das Gericht darauf hingewiesen, dass die Höhe der Kosten für Wohneigentum nicht mit den Kosten einer Mietwohnung verglichen werden kann, denn Mieter können einfacher die Wohnung wechseln. Eine Verwertungsforderung für das kleine Eigenheim würde der Sozialpolitik zuwiderlaufen. Dies gilt zwar nur vorläufig bis zur Hauptverhandlung, allerdings zu 100 Prozent wegen der Gerichtsüberlastung (siehe auch Sozialgericht Dortmund, Az. S22 AS 206/05 ER).

Das Sozialgericht Detmold (Az. S8 AS 37/05) und das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Az. L20 AS 39/06 vom 16. Februar 2006) haben ebenfalls Zins und Tilgung beim selbstgenutzten Eigentum zugestanden, denn ohne Tilgung ist kein Eigentum zu erhalten! Der Umstand, dass so Vermögen beim Leistungsempfänger aufgebaut wird, steht dieser Auslegung nicht entgegen. Tilgungsraten fallen ebenso bei einem Leistungsempfänger in einer Mietwohnung an, dort geht dieser Betrag allerdings in den Mietzins mit ein und nutzt so dem Vermögensaufbau des Vermieters. Es macht für die Arge keinen Unterschied, ob Vermögen beim Leistungsempfänger selbst oder bei dem Vermieter gebildet wird. Die Mittel werden also nicht unwirtschaftlich eingesetzt.

Weitere Gesichtspunkte des Gerichts sind: Das SGB II wurde in einem Kurzverfahren verabschiedet, da kann der Gesetzgeber gar nicht alles bedacht haben! Die Zeit bis zur endgültigen Tilgung am 2. November 2008 ist abzusehen, für die Übernahme der Tilgung siehe SGB-II-Kommentar von Eicher und Spellbrink. Altersarmut soll vermieden werden, daher sollen die Vermögenswerte nicht während des SGB-II-Bezugs verbraucht werden. Leistungsempfänger sollen unabhängig von staatlicher Hilfe gemacht werden, somit ist ein Vermögensaufbau beim Leistungsempfänger dem Vermögensaufbau eines Vermieters vorzuziehen. Der Kläger muss auch nicht die vermietete Wohnung zur Entschuldung verkaufen. Allerdings hat dieses Gericht die Kosten mit den angemessenen Kosten für eine Mietwohnung verglichen: Die Höhe passte! –

Die Ein-Cent-Regelung vom Sozialgericht Saarland wurde korrigiert: Der Betroffene erhält den neu eingeführten Zuschuss zur Krankenversicherung. Damit ist die Eilbedürftigkeit entfallen. Alle anderen Fragen – ob überhaupt eine eheähnliche Gemeinschaft besteht et cetera – sind auf das Hauptverfahren vertagt worden (Landessozialgericht Saarland, Az. L9 B1/05 AS). –

Eine Unterfünfundzwanzigjährige hat den Auszug aus der Wohnung der Mutter gewagt und den Antrag vor Gericht durchgesetzt; sie hat allerdings erheblich in der Wohnung der Mutter gelitten (Landessozialgericht Hamburg, Az. L5 B160/06 ER AS vom 2. Mai 2006). –

Renten wegen Erwerbsunfähigkeit, die nach dem 1. Januar 2001 berechnet wurden, sind falsch berechnet worden, wenn die oder der Rentner(in) noch keine 60 Jahre alt war: Bei diesen Renten wurde ein Abschlag je Lebensmonat vorgenommen, obwohl gemäß Gesetz diese Abschläge nur für Menschen über 60 Jahren geregelt sind. Die Jüngeren haben Glück gehabt. Falls der Rentenbescheid noch keine vier Wochen alt ist, Widerspruch einlegen, sonst einen Überprüfungsantrag an den Rentenversicherungsträger stellen. Die Nachzahlung muss vier Jahre zurück erfolgen! –

Die Briefe der Bagis betreffs überhöhter Kosten der Unterkunft sind keine Bescheide, aber mensch sollte antworten, den Fragebogen ausfüllen, alle Besonderheiten aufführen, um Erläuterung der Rechtsgrundlage bitten und gleichzeitig die Kosten für Wohnungssuche und Umzug beantragen. Nach circa einem Monat die Kosten für die Wohnungssuche der Bagis mitteilen, analog zu den Bewerbungskosten, siehe meinen letzten Beitrag zu diesem Thema. Darum Montagsdemo: Kopf zeigen! Wir schaffen eine Zukunft mit ehrlichen Politikern!

Hans-Dieter Binder (WASG)
 
Vollzugsstopp für Zwangsumzüge: Montagsdemonstranten klagen gegen Verwaltungsanweisung von SPD-Sozialsenatorin Karin Röpke („Tageszeitung“)

 

Die Zeit ist reif für den
gemeinsamen Widerstand!

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, wir möchten euch herzlich einladen, weiter mit uns zusammen den Kampf gegen Hartz IV und die ganzen anderen sozialen Ungerechtigkeiten der Bundesregierung zu führen!

Die Einführung von Billiglöhnen und Zwangsarbeit, die Herabsetzung der „Zumutbarkeitgrenze“ praktisch auf Null, die ständige Hetze gegen angeblichen „Leistungsmissbrauch“ und nicht zuletzt die immer widerlicheren Schnüffelpraktiken richten sich im Kern gegen alle Arbeiterinnen und Arbeiter, Angestellte, Intellektuelle, Schüler und Studenten – ob sie nun einen Job haben oder nicht.

Wolfgang LangeBereits vor circa einem Jahr wurde für den 16. September 2006 der 3. Stern­marsch in Berlin beschlossen. Wir glauben, er kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Von der Bremer Montagsdemo werden wir wieder – wie schon am 3. Juni nach Berlin und im Frühjahr nach Straßburg – einen oder mehrere Busse organi­sieren. Bitte teilt uns so früh wie möglich mit, ob und mit wie vielen ihr mitfahren wollt, da wir sonst kaum kalkulieren können. Mich erreicht ihr unter 0421/554 337, Wolfgang.Lange(at)nord-com.net.

Den Aufruf für den Sternmarsch und alle weiteren Informationen findet ihr bei der Koordinierungsgruppe der bundesweiten Montagsdemo. Dort können Plakate und Flyer bestellt werden, kleinere Mengen gibt es auch bei uns. Montags im Seemannsheim besprechen wir nach der Demo ab 19 Uhr die Organisation der Fahrt.

Am Montag, dem 4. September, wie immer ab 17:30 Uhr auf dem Marktplatz, feiern wir die hundertste Montagsdemo. Auch hier würden wir uns sehr freuen, wenn ganz viele kämen und vor allem auch viele Beiträge. Ob Kurzreden, Gedichte, Lieder – alles ist willkommen. Vielleicht ist das ein Anlass für Leute zu erscheinen, die früher mal dabei waren und jetzt länger nicht? Auf antifaschistischer Grundlage: Die Zeit ist reif für den gemeinsamen Widerstand!

Wolfgang Lange (MLPD)
 
„Nationales Spektrum“ befürwortet „bedingungsloses Bürgergeld“: Aber nur,
wenn es von den Massen bezahlt wird statt von den Eigentümern –
und mit einem „Anreizsystem“ gekoppelt ist, das die Menschen „dazu
treibt, ihr Bestes aus sich herauszuholen“ („Deutsche Stimme“)
 
Genervt von den Bürokraten: Delmenhorster Hoteleigner droht mit Schenkung an Nazi-Stiftung („Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Spiegel-Online“)
 
Provokateure: Suchmaschine enttarnt Volksverhetzer-Netzwerk („MSN“)
 
„Extremismus-Skandal“: Christiansen fällt Redner für Arbeiterkämpfe
und echten Sozialismus nicht ins Wort („Rote Fahne News“)
 
„Aufschwung“: Anteil der Langzeitarbeitslosen seit Inkrafttreten
von Hartz IV von 35,3 auf 42,9 Prozent geklettert („Die Zeit“)

 

Lieder, Kabarett, Beifall und Pfiffe
im „Hartz-IV-Festsaal“

Das große Redebuch
Band I (2004/2005):
Schröders Hartz-Attacke und 
seine vorgezogene AbwahlUnsere 97. Montagsdemo wollten wir eigentlich in ein vergnügliches Sommerfest einbetten und mit vollster Überzeugung das dritte Demo-Jahr einläuten. Die Überzeugung ist geblieben, der Rest der Vorbereitungen im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser gefallen. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Am 4. September werden wir unsere 100. Montagsdemo festlich auf dem Marktplatz begehen.

Aber heute hatte Petrus absolut kein Einsehen mit uns und ließ es wie aus Eimern schütten. Um nicht völlig durchnässt zu werden, tauschten wir unseren gewohnten Platz neben dem Roland mit dem Gang unter den wuchtigen Arkaden vor der Bürgerschaft ein. Hier hatten wir wenigstens ein Dach über dem Kopf. Hans-Dieter spottete, dies sei der „Festsaal für Hartz-IV-Empfänger“.

Ursula hatte ihre niedliche Enkelin Ronja aus Syke mitgebracht und Udo seinen Neffen, den Liedermacher und „brotlosen Künstler“ Andreas aus Hildesheim. Trotz des völlig schauderhaften Wetters wuchs unser harter Kern auf bis zu 43 Teilnehmer, die interessiert stehenblieben und auch mitklatschten oder pfiffen, wenn Beiträge kamen. Mit dem Mikrofon waren wir bei der offenen Rathaustür für absolut alle gut hörbar.

Andreas lockerte die Redebeiträge mit selbstgeschriebenen Liedern auf, die er uns zur Gitarre vorsang. Anlässlich unseres zweijährigen Bestehens hatte sich auch Ursula zu einer bekannten Melodie ein Lied ausgedacht, das sie mit uns anstimmte: „Es steigen die Gebühren am laufenden Band, klimbim, klimbim, klimbim!“

Matthias rief alle interessiert Zuhörenden zum gemeinsamen Widerstand gegen Hartz IV auf, gegen Dumpinglöhne, Zwangsarbeit, pervertierte Schnüffelpraktiken und die ständige Hetze gegen uns beim angeblichen Leistungsmissbrauch. Er lud alle Mitstreiter ein, diesbezüglich am 16. September zusammen im Bus der Bremer Montagsdemonstranten zum dritten Sternmarsch nach Berlin zu fahren.

Völlig unabhängig voneinander hatten Gudrun, Hans-Dieter und ich zur Feier des Tages unsere Reden mal nicht nur informativ und anprangernd geschrieben, sondern uns mit diversen kabarettistischen Einlagen auch um die Erheiterung unserer Mitmenschen bemüht. Die Lacher, die wir ernteten, sprechen dafür, dass uns dies recht gut gelungen ist.

Gudrun ließ sich zunächst über die von uns so überaus geschätzte Bundeskanzlerin aus, die immer für unliebsame Überraschungen gut ist: „Sie verfeinert, sie vervollkommnet – sie sagt: sie ‚optimiert‘ – und wird dabei von ihrer Ohnmacht dirigiert“. Weiterhin schlug Gudrun vor, zwecks Kostenersparnis für den arg geschröpften Bremer Landeshaushalt den Schulunterricht doch in Zukunft im Freien abzuhalten.

Das große Redebuch
Band II (2005/2006)Auf einer Exkursion durch die Stadt könnten die Kinder anhand von Lehrtafeln lernen und sich auf den Wegen dorthin auch noch sportlich betätigen. Die zum Beispiel für die Sanierung von Schulgebäuden eingesparten Gelder könnten dann viel sinnvoller für unausgelastete Musicals oder auch mal wieder – ganz aktuell – für die Günter-Grass-Stiftung ver(sch)wendet werden!

Hans-Dieter amüsierte sich am Mikrofon lauthals über das Kauder-welsch, das besagter Politiker nun auch noch zur Unterstützung des Herrn Pofalla bezüglich der gegenseitigen Unterhaltung von Eltern und Kindern zum Besten gegeben hatte, der dabei leider nicht das gemeinsame Musizieren innerhalb der Familie im Sinn hatte.

Es hat in Deutschland sozialen Frieden gegeben, bis das SGB II ersonnen und vielen viel zu viel genommen wurde. Da Politiker sich nicht weiterbilden müssen, dürfen sie auf unsere Kosten Märchen verbreiten, wie zum Beispiel dieses, dass die Arbeitslosigkeit schrumpfen würde, weil die Bevölkerung abschmelze und ähnlicher Blödsinn. Hans-Dieter klärte uns noch über die neuesten Gerichtsurteile auf, die glücklicherweise oft zu unserem Vorteil entschieden werden.

Auch ich machte mich in meiner Rede über Politiker lustig, die, im Gegensatz zu den aufs Spargelfeld geschickten Ungelernten, ohne Vorbereitung sofort ihren Dienst antreten können. Zunge und Kehlkopf sind dabei die einzigen Organe, die Politiker zuvor regelmäßig trainiert haben müssen. Arbeitslose, denen der drohende Bandscheibenvorfall schon von weitem anzumerken ist, sehen sich hingegen plötzlich körperlicher Schwerstarbeit ausgesetzt.

Ja, so was können sich natürlich wieder nur wirklichkeitsfremde Politiker ausdenken: erst den armen Menschen so wenig Geld zum Leben lassen, dass sie sich nicht gesund ernähren können, geschweige denn, um zweimal in der Woche ein Fitness-Center zu besuchen, und sich dann darüber wundern, dass sie diesen Strapazen nicht gewachsen sind und die Erntearbeit nicht bewerkstelligen können!

Elisabeth Graf (parteilos) für dieBundesweite Montagsdemo
 
Größenwahn: Berlusconi ejakuliert Lava („Süddeutsche Zeitung“)
 
Datenschmutz: Bundesagentur verteilt E-Mails („Bild“-Zeitung)
 
Macht: Geil („Süddeutsche Zeitung“)
 
Gefasel vom Bürgerkrieg: SPD-Parteiblatt bietet Forum
für Volksverhetzer („Frankfurter Rundschau“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz