665. Bremer Montagsdemo
am 04. 06. 2018  I◄◄  ►►I

 

Massiver Abbau des Asylrechts
ist der eigentliche Skandal

Harald BraunInnenminister Seehofer (CSU) verbietet der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge weitere Entscheidungen in Asylverfahren. Seit Wochen wird eine rassistische Stimmungsmache gegen Flüchtlinge durch reaktionäre und faschistoide Politiker und Parteien und mit ihnen verbundenen Medien betrieben. Der Bremer Außenstelle des BAMF wird vorgeworfen, zwischen 2013 und 2016 rund 1.200 Asylanträge „zu viel“ bewilligt zu haben.

Gegen die damalige Bremer BAMF-Chefin und fünf weitere Mitarbeiter laufen Ermittlungen wegen Bestechlichkeit und „bandenmäßiger Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung“. Dabei wird von den rechten Hetzern massiv mit Dreck geworfen – in der Hoffnung, dass Solidarität der Bevölkerung mit den Flüchtlingen zerstört wird und die wirklichen Ursachen der Flüchtlingskatastrophe unter den Teppich gekehrt werden können.

Unterstellung 1: Die ehemalige Leiterin Ulrike B. habe sich „bereichert“. Die Korruptionsvorwürfe entbehren bisher jeder Grundlage. Mitarbeiter von Frau B. stellen klar: „;Die hätte eher etwas draufgezahlt, als einem Flüchtling Geld abzuknöpfen“ („Tageszeitung“ vom 23. Mai 2018).

Unterstellung 2: Das BAMF Bremen habe Asylverfahren „unrechtmäßig an sich gezogen“. Tatsächlich hat es 2014 einen Erlass des BAMF-Zentrale gegeben, demzufolge Bremen wegen der gigantischen Flüchtlingswelle auch für Fälle aus Niedersachsen zuständig sei.

Unterstellung 3: Das BAMF Bremen habe viele Jesiden „einfach durchgewunken“. Den Jesiden drohte im Irak ein Völkermord. Fast niemand hat bestritten, dass ihnen das Menschenrecht auf Asyl zustand. Es gab sogar einen Erlass des damaligen Innenministers de Mazière, Verfahren von Jesiden aus dem Irak zu vereinfachen und zu verkürzen.

Ausgeblendet wird mit der rassistischen Kampagne der eigentliche Skandal: Die imperialistische Politik treibt Millionen Menschen in die Flucht – mit Kriegen, mit Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen, mit Unterdrückung und Gewalt, mit Umweltkatastrophen. Und die Bundesregierung rückt mit ihrer menschenverachtenden Flüchtlingspolitik immer weiter nach rechts: Sie behandelt Flüchtlinge als Menschen zweiter und dritter Klasse.

Sie beschneidet das Rechts auf Asyl immer stärker. Dazu gehört die Ausweitung der Gruppe der sogenannten „sicheren Herkunftsländer“, in denen tatsächlich Verfolgung und Krieg auf der Tagesordnung stehen. Die Anerkennungsquote für Asylbewerber ist in den letzten Jahren stark gesunken: 2016 lag sie bei 62,4 Prozent, 2017 bei 43,3 Prozent, und im laufenden Jahr sind es nur noch 32,5 Prozent. Wie Rassismus wirkt, zeigt eine Studie der Universität Konstanz zu den regionalen Unterschieden bei Asylablehnungen: „Die Anerkennungsquoten sind insbesondere in den Bundesländern niedrig, in denen es zu rechter Gewalt und Stimmungsmache gekommen ist.“

Der niedersächsiche Flüchtlingsrat deckte auf, dass es eine „politisch motivierte systematische Absenkung der Zahl positiver Entscheidungen durch eine Änderung der Anerkennungskriterien seit 2015“ gibt. Das hängt mit den Vorgaben der BAMF-Führung und des Bundesinnenministers zusammen: „Obwohl sich die Situation in manchen Staaten verschlechtert hat, bekommen immer weniger Schutz gewährt“ (Geschäftsführer Kai Weber).

SPD-Justizministerin Barley fordert nun bundesweite Kontrollen von Asylbescheiden. Alle 18.000 positiven Bremer Asylbescheide der vergangenen 18 Jahre sollen überprüft werden. So wird eine Stimmung der Angst erzeugt, damit die Bewilligung von Anträgen neu verhandelt werden kann. Der rassistischen Stimmungsmache der AfD wird damit neue Nahrung gegeben. Es dient auch als Rechtfertigung dafür, dass der Familiennachzug auf maximal 1.000 Menschen pro Monat eingeschränkt wurde und dass Abschiebungen im großen Stil durchgeführt werden sollen.

Wieso werden eigentlich nur die positiven Bescheide überprüft und nicht die Hunderttausende Ablehnungen? Kein Wort hört man von der Regierung, dass es 2017 über 300.000 Klagen gegen Ablehnungsbescheide von Asylbewerbern gab, von denen 40 Prozent erfolgreich waren. Es ist ein Skandal, dass 120.000 Flüchtlingen ihr Recht auf Asyl zunächst unrechtmäßig verweigert wurde. Das ist das Hundertfache der angeblich „zu viel“ bewilligten Anträge!

Die rassistische Stimmungsmache dient auch dazu, die geplanten „Ankerzentren“ hoffähig zu machen. Darin würden Flüchtlinge unter unmenschlichen Lebensbedingungen kaserniert, um schnelleren Asylverfahren und Abschiebungen den Boden zu bereiten. Dagegen entwickelt sich breiter Protest. Flüchtlinge in Ellwangen organisierten den gemeinsamen Kampf gegen Abschiebungen und sahen sich danach einem brutalen Polizeieinsatz gegenüber. Verteidigen wir gemeinsam das uneingeschränkte Recht auf Asyl auf antifaschistischer Grundlage!

Meine Solidarität gehört auch der Protestbewegung zur sofortigen Schließung der Unterkunft in der Gottlieb-Daimler-Straße in Bremen. Die minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge wehren sich zu Recht gegen die menschenunwürdige Unterbringung in einem desolaten Camp in Metallhütten bei 40 Grad Hitze und ohne jegliche Privatsphäre. Sie bestehen darauf, als Jugendliche anerkannt und nicht als Erwachsene behandelt zu werden. Ihre persönliche Altersangabe wird jedoch nicht akzeptiert und willkürlich durch ein respektloses und medizinisch äußerst fragwürdiges Altersfeststellungsverfahren ersetzt.

„Wir sind zweimal geboren worden. Einmal an unserem Geburtstag und ein zweites Mal durch die Maschine des deutschen Systems. Die Altersfestlegung hat uns zum zweiten Mal geboren und unseren wahren Geburtstag für ungültig erklärt“, so bringt es ein Jugendlicher auf den Punkt. Das führt dazu, dass die Jugendlichen nicht zur Schule gehen dürfen, keine Chancen bekommen, die deutsche Sprache zu lernen, und ohne jede Perspektive Tag für Tag durchhängen. Schluss mit der mutwilligen Altersfestsetzung! Sofortige Schließung des Camps und menschenwürdige Unterbringung!

Harald Braun

 

Wovon soll ein Hartz-IV-Betroffener leben, wenn alles gestrichen wird?

Wolfgang LangeSeit fast 14 Jahren gibt es Montagsdemonstrationen gegen die Hartz-Gesetze. Jetzt wurde bekannt: Im letzten Jahr wurden 455.000 Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger wegen Verstoßes gegen „Auflagen“ verhängt. Meistens handelt es sich um einen nicht eingehaltenen Termin oder die Ablehnung einer sinnlosen Bewerbung oder eines abermaligen „Bewerbungstrainings“, bei dem nie etwas herauskommt. Von den Betroffenen bekamen 217.000 eine Sanktion, weitere 204.000 bekamen zwei und mehr Sanktionen, sprich: Leistungskürzungen. 34.000 Menschen wurde Hartz IV komplett gestrichen – was sogar gegen die Verfassung verstößt, wonach man niemanden verhungern lassen darf. Wovon soll ein Hartz-IV-Betroffener denn leben, wenn ihm alles gestrichen wird? Soll er klauen gehen, betteln oder doch lieber verhungern?

Unterdessen häuft die Arbeitslosenversicherung zig Milliarden Euro an Überschuss an. Geld ist also genug da – abgesehen davon, dass die reichsten Milliardäre immer noch reicher werden, auf Kosten der Armen. Schluss mit Sanktionen und menschenunwürdiger Behandlung! 1.006.000 Kinder waren zum Schuljahrsbeginn auf deas „Schulstarter-Paket“ angewiesen. Letztes Jahr waren es noch 956.000. Armut sinkt nicht – sie steigt!

Die Rechtsentwicklung der Regierungen und bürgerlichen Parteien hier in Deutschland und in anderen Ländern nimmt zu, ebenso die Hetze gegen Flüchtlinge. Der so­ge­nann­te BAMF-Skan­dal ist in Wirklichkeit der Skandal der Flüchtlingspolitik der Regierung: Immer stärker wird das Asylrecht beschnitten. Jetzt sollen alle 18.000 Asylberechtigungen seit dem Jahr 2000 in Bremen polizei- und geheimdienstlich untersucht werden. Angst und Schrecken werden verbreitet, auch bei jenen, die schon seit Jahren hier sind, die oft schwer traumatisiert hier ankamen – und nun wieder bedroht werden. Nicht untersucht werden die Verfahren, die zur Ablehnung führten. Mit der Propaganda vom „BAMF-Skandal“ sollen „An­ker­zent­ren“ vorbereitet werden, also die Gefangennahme und Abschiebung im größten Stil. Es muss ein uneingeschränktes Asylrecht für alle Unterdrückten auf antifaschistischer Grundlage geben!

Auch die im zweiten Anlauf doch noch gebildete neue Regierung in Ita­lien bedeutet einen extremen Rechtsruck und unsägliche Fremdenfeindlichkeit. So will der neue Innenminister massenhaft Flüchtlinge abschieben und Helfer bestrafen. Aber die Rechtsentwicklung vieler Regierungen ist nicht die Rechtsentwicklung der Bevölkerung – im Gegenteil! In Spanien wurde die extrem reaktionäre Rajoy-Regierung gestürzt. Sie hatte dort ähnliche Gesetze wie die Hartz-Gesetze durchgedrückt und mit einer „Rentenreform“ die Renten massiv gekürzt. Hinzu kommt das brutale Vorgehen gegen die Katalanen und die nach wie vor extrem hohe Arbeitslosigkeit von über 20 Prozent, bei der Jugend 40 Prozent. Die Bevölkerung hat von dieser Politik die Schnauze voll!

In Türkei hat der Faschist Erdogan, der noch für diesen Monat Neuwahlen ansetzen ließ – in der Hoffung, seine Diktatur für lange Zeit zu festigen –, in Umfragen plötzlich keine Mehrheit mehr. Die Wirtschaft geht in den Keller, die Verschuldung ist hoch, die Inflation liegt inzwischen bei zehn, die Jugendarbeitslosigkeit bei 20 Prozent. Trotz faschistischen Terrors gingen am 1. Mai 2018 Hunderttausende in Istanbul gegen das Regime auf der Straße. Der HDP-Vor­sit­zen­de De­mir­tas kandidiert aus dem Gefängnis heraus zur Präsidentschaft. Ich kann alle Mitbürgerinnen und Mitbürger, die einen türkischen Pass haben, nur aufrufen: Wählt HDP und stimmt gegen den Faschismus!

In Thüringen haben sich der ultrarechte Innenminister Seehofer (CSU) und seine Polizei eine Abfuhr beim Versuch geholt, das „rebellische Musikfestival“ und die MLPD zu kriminalisieren: Das Auftrittsverbot für „Grup Yorum“ war rechtswidrig. Der Landkreis Sonneberg übernimmt zwei Drittel der Anwaltskosten des Festivalvereins und wird auch noch 100 Prozent übernehmen müssen. Dirk Löther, leitender Polizeichef in Saalfeld, der die Einkesselung und die Zustellung von „Gefährderbriefen“ persönlich angeordnet hatte, wurde nach Erfurt versetzt. Nicht zuletzt beruht der Erfolg auf dem Verteilen von 100.000 Flugblättern, die den Vorgang bekannt machten. Wenn wir gemeinsam gegen den Rechtsruck in die Offensive gehen, haben wir auch Erfolge und gehen gestärkt daraus hervor!

Wolfgang Lange (MLPD)

 

Eine Anhebung von Hartz IV hieße Steuerersparnis für alle

Hans-Dieter Binder1. Wer ist alles von den Hartz-Gesetzen und der Agenda 2010 betroffen? Die Erwerbslosen! Ja – aber mehr oder weniger auch alle anderen in Deutschland lebenden Menschen. Wie die „Tagesschau“ meldet, wird Hartz IV kleingerechnet, siehe Vorwoche.

Viele ALG-II-Antragstellende werden von den Jobcentern abgewimmelt. Das Jobcenter Braunschweig brüstet sich mit über 30 Prozent, die von der Antragstellung abgehalten wurden. Andere Jobcenter sind nicht so ehrlich. Insgesamt deckt sich die Feststellung der verdeckten Armen mit der Praxis der Jobcenter. Diesen Menschen muss und kann geholfen werden! Das ist in Bremen recht einfach: zu einem Beratungsverein gehen oder einfach bei uns mitmachen.

Warum darf die Behörde einfach die Leistung verweigern? Das Sozialamt musste dem Menschen helfen, sobald es Kenntnis von der Hilfebedürftigkeit hatte. Durch Hartz IV wurde aus dem Hilfebedürftigen ein Leistungsberechtigter. Die Hilfebedürftigkeit ist so unter den Teppich gefallen! Nicht gestellte Anträge hinterlassen keine Spuren. Das Ziel, das Existenzminimum zu errechnen, wurde durch die Kürzungen systematisch unterlaufen, auch weil „verdeckt Arme“ bei den Berechnungen nicht herausgerechnet werden.

„Verdeckt Arme“ sind Menschen, die eigentlich ein Anrecht auf Sozialleistungen haben, aber keine beantragen. Das sind immerhin 40 Prozent aller Menschen, die derartige Ansprüche geltend machen könnten. Durch solche Rechentricks wurde der Regelbedarf weiter abgesenkt. Der Regelsatz ist nachweisbar zu niedrig! Die Berechnungsgrundlagen wurden „passend“ geändert.

Insgesamt belaufen sich die Einbußen für Hartz-IV-Empfänger und Rentner auf rund zehn Milliarden Euro jährlich, wenn man den Betrag von 571 Euro mit dem derzeit gültigen Satz von derzeit 416 Euro monatlich vergleicht. „Diese Zahl ist vorgegeben worden, die wollte man erreichen“, glaubt Sozialwissenschaftler Stefan Sell von der Hochschule Koblenz. Man habe sie „durch die statistischen Manipulationen bei der Berechnung erreicht“.

Die Bundesregierung räumte gegenüber dem ARD-Magazin „Monitor“ ein, die Frage der Höhe des Regelbedarfs und des soziokulturellen Existenzminimums sei „nicht vorrangig eine Frage des Berechnungsverfahrens, sie muss politisch beantwortet werden.“ Die Bundesregierung gibt damit zu, dass die Regelleistung willkürlich festgesetzt wurde. Ob die Bundesregierung damit ihre Regelungsbefugnis überdehnt hat, werden die Gerichte klären. Eine Anhebung von Hartz IV hieße Steuerersparnis für alle! Experten wie Sell vermuten hinter dem Vorgehen der Bundesregierung vor allem die drohenden Einbußen bei der Einkommensteuer.

Da das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, dass der Grundfreibetrag sich direkt aus dem Hartz-IV-Satz ableitet, würde sich der Freibetrag bei jedem Einkommensteuerpflichtigen schlagartig deutlich erhöhen. 155 Euro monatlich mehr Hartz IV hießen 1.860 Euro mehr Freibetrag für jeden Steuerzahler pro Jahr. Der Fiskus würde nach „Monitor“-Berechnungen so automatisch 15 Milliarden Euro jährlich verlieren. Sell hält dies für den zentralen Grund, „warum die Politik eine Anhebung der Hartz-IV-Sätze scheut wie der Teufel das Weihwasser.“ Dieser höhere Steuerfreibetrag kommt allen in Deutschland Steuerpflichtigen zugute, auch den Millionären.

Rentner sind von Hartz IV betroffen, weil in der Agenda 2010 auch die Rentenkürzungen durch die schlechtere Bewertung der Lebensleistung bei der Erstbewilligung der Rente festgeschrieben und umgesetzt wurde, das heißt über 30 Prozent weniger Rente bei gleicher Lebensleistung! Für Rentner fällt die jährliche Rentenerhöhung geringer aus, weil die Androhung von Sanktionen die Arbeitslöhne und Rahmenbedingungen für Lohnabhängige laufend verschlechtert. Dies wirkt auch auf die Prozente für die Rentenerhöhung. Einmal wäre nach dieser Formel sogar eine Rentenkürzung fällig gewesen, was durch Änderungen umgangen wurde.

Arbeitgeber profitieren durch das Überangebot an Arbeitsuchenden und können niedrige Löhne und auch schlechtere Arbeitsbedingungen vereinbaren. Wer Hartz IV bezieht, kann nicht nein sagen, weil er sonst sanktioniert, also bestraft wird. Tarifgeschützt arbeiten immer weniger Arbeitnehmer. Die Arbeitgeberverbände haben Wege gefunden, damit ihre Mitglieder nicht mehr automatisch der Tarifbindung unterliegen. Über 50 Prozent aller Arbeitsverträge sind befristet!

Wer mit einer Abfindung aus dem Arbeitsvertrag geht, leidet unter dem rapide gesunkenen Freibetrag für Abfindungen. Wer die Abfindung als Rücklage nutzt, muss sich rechtzeitig informieren, um eine Kürzung im Hartz-IV-Bezug zu vermeiden. Die Versicherungskonzerne profitieren von Hartz IV, weil die Erwerbslosen unter gewissen Umständen gezwungen sind, ihre Lebensversicherung aufzulösen. Deshalb unbedingt vor dem Antrag auf ALG II zum Beratungsverein gehen oder bei uns mitmachen!

Der Immobilienmarkt profitiert von Hartz IV, weil Erwerbslose unter Umständen gezwungen sind, ihr Haus oder ihre Wohnung zu verkaufen. Aufwendungen für die Tilgung werden meist nicht vom Jobcenter erstattet. Vermieter sollten durch die Mietübernahme zahlungsfeste Mieter erhalten, aber die Jobcenter sehen dies scheinbar anders. Die anerkannte Miete ist oftmals nicht auskömmlich. In Bremen hinkt die Anpassung der Mietobergrenze den Preissteigerungen hinterher und erfolgt nicht einmal fristgerecht innerhalb der vom SGB II vorgeschriebenen Zeiträume.

Dazu kommt das viel zu geringe Angebot auf dem Wohnungsmarkt. Bauwillige sind von der Agenda 2010 durch den Wegfall der Eigenheimförderung betroffen, die gerade wiederbelebt wird, sowie durch die Krediteinschränkungen nach den Vorgaben der Eigenkapitalrichtlinien und Bankenregulierungsvorschriften „Basel I-III“. Für Ältere wird so die „umgekehrte Hypothek“ unerreichbar.

Handel und Dienstleistung leiden unter der niedrigen Kaufkraft. Renten und Erwerbseinkommen sowie die Hartz-IV-Leistungen sind schon an sich zu gering. Per Sanktion wurden im Jahr 2017 in Bremen über eine Million Euro Regelsatz nicht ausgezahlt! Die Kürzung des Regelsatzes durch Mietunterdeckung entzog dem Einzelhandel allein in Bremen im Monat Januar 2017 rund 450.000 Euro Umsatz. Die Erhöhung des Wohngeldes zum 1. Januar 2016 wurde in Bremen erst zum 1. März 2018 übernommen, jedoch ohne die inzwischen gerichtsähnlichen Zuschläge auf die Werte der Wohngeldtabelle.

Diese Aufstellung ist unvollständig. Für viele der hier aufgezählten Faktoren sind mit unserer Suchmaschine weitere Informationen auffindbar. Die Menschen in den anderen Staaten Europas leiden unter unserem Exportüberschuss. Wir exportieren auch Erwerbslosigkeit. Durch die Lohndrückerei in Deutschland, dem größten Niedriglohnsektor, können die Unternehmen günstige Waren und Dienstleistungen anbieten. Dabei drehen die Unternehmen die Kostenschraube noch immer abwärts, auch durch Nichtbeachtung von Anstand und Würde. Der Exportüberschuss wurde von der „Tagesschau“ nachgerechnet. Dabei wurden eine Billion Euro nicht gefunden, siehe 630. Bremer Montagsdemo.

Durch die Gängelung der Erwerbslosen im Jobcenter wird Steuergeld vergeudet. Eine faire Behandlung der Erwerbslosen – ohne Sanktionen und Repressionen – würde die Verwaltungskosten um mindestens 50 Prozent reduzieren. Weitere Einsparungen wären erzielbar, wenn Erwerbslosen ge­glaubt würde: Steuerpflichtigen werden alle Angaben geglaubt, nur in Ausnahmen werden die Unterlagen angefordert. Erwerbslose müssen alles belegen und nachweisen, das Wort der Hartz-IV-Abhängigen reicht nicht. Die Aufzählung ist unvollständig! Gegenwehr ist zu jeder Benachteiligung möglich!

Zurück zum politisch festgelegten Regelsatz. „Monitor“ hat sich an das Berechnungsschema gehalten und folglich einen Regelsatz von 571 Euro ermittelt. Vor der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum ALG II wurde der Sozialhilfesatz nach dem Warenkorb ermittelt. „Die Anstalt“ hat in der Sendung vom 24. April 2018 Hartz IV aufgedröselt. Ergebnis: Um diesen Warenkorb zu füllen, sind heute 730 Euro nötig (siehe „Faktencheck“, Lutz Hausstein, Seite 11).

 

2. Diese ganzen Fakten aus dem wahren Leben finden sich in der WDR-Serie „Ungleichland“ wieder. Hier ein Auszug aus dem Begleittext: „Deutschland ist ein reiches und mächtiges Land. Aber auch ein geteiltes. Die Vermögen hier sind so ungleich verteilt wie in wenigen Industriestaaten. Der Wirtschaft geht es gut. Aber trotzdem ist es der unteren Mittelschicht in den letzten Jahren nicht gelungen, Wohlstand aufzubauen. 50 Prozent der Menschen besitzen weniger als 20.000 Euro, die reichsten Deutschen aber Milliarden. Und während über die Ungleichheit der Einkommen gestritten wird, während der Staat bei den Löhnen kräftig umverteilt, ist die Ungleichheit der Vermögen im Land weitgehend verborgen.

In wenigen Industriestaaten hängt die Frage, wer aufsteigt, so sehr von der Herkunft ab wie in Deutschland. Normalerweise bleibt oben oben und unten unten. Eine neue Studie zeigt: Arme und Reiche bleiben in Deutschland immer mehr unter sich. Und selbst die Mitte – auch davon erzählt der Film – fühlt sich angesichts unsicherer Zukunftschancen immer mehr unter Druck.

Ein kleiner, vermögender Teil der Gesellschaft gibt in der Politik die Richtung vor. Diesen Trend gibt es auch in Deutschland, fanden Wissenschaftler heraus. Deutsche Forscher werteten Hunderte Meinungsumfragen aus zu den Themen Wirtschaft, Umwelt, Außenpolitik, Finanzen. Sie untersuchten dann, was sich Arme zu diesen Themen von der Politik wünschten – und was die Reichen. Die Unterschiede waren deutlich zu erkennen.

Ein offensichtliches Beispiel ist die Vermögensteuer. Da ist ganz klar: Je höher das Einkommen ist, desto skeptischer sieht man die Wiedereinführung der Vermögensteuer. ‚Untere Einkommensgruppen wollen die Vermögenssteuer auf jeden Fall‘, sagt Armin Schäfer, Politikwissenschaftler der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. ‚Bis heute haben wir die Vermögensteuer in der Form nicht wieder bekommen.‘“

Es ist eine sehr gute Serie mit einem positiven Unternehmerbild (keine „Immobiliengeier“). Sie zeigt deutlich, dass die Politik sich dem Reichtum unterordnet und wie dünn das Eis für die ärmeren Menschen ist. Warum ist dies so? Weltweit werden die gesellschaftlichen Verhältnisse beeinflusst vom Schweizer Netzwerk MPS, der „Mont-Pèlerin-Society“, gegründet 1947 von Superreichen. Zugegen waren bereits damals Politiker. Das Mantra ist einfach: keine Vermögensteuer, keine Erbschaftsteuer, überhaupt so wenig Steuern wie möglich und möglichst geringe Sozialaufwendungen.

Der Staat soll sich aus allen Geschäften heraushalten und den Privaten das Feld und die Einnahmemöglichkeiten überlassen. Nachzusehen und nachzulesen ist das alles in der ZDF-Sendung „Die Anstalt“ vom 17. November 2017 mit dem begleitenden „Faktencheck“. In einer Ergänzung sind die Akteure und Institute abgebildet. Ergänzende Bemerkungen stehen auf der Seite zur 659. Bremer Montagsdemonstration.

Auch die gegenwärtige Schrumpf-Großkoalition hat sich dem Mantra des Schweizer Netzwerks MPS untergeordnet. Daher können zehn Prozent der Bevölkerung die Vermögensteuer sowie eine greifende Erbschaftsteuer verhindern. Dies geht bereits aus der Eingangsbemerkung zum Koalitionsvertrag hervor.

 

3.Die Anstalt“ vom 22. Mai 2018 hat sich mit der Macht der Medien beschäftigt, wie immer in 1a-Qualität. Es ging um die Struktur der Rundfunkanstalten und Verlage. Nachstehend zwei Fakten aus dem „Check“. Die Darstellung im Video ist noch einmal eine Qualität für sich. Zunächst zur Forderung der CSU, die Fernsehanstalten müssten schrumpfen („Nur eine für alles!“). Ein Auszug aus dem aktuellen Grundsatzprogramm der CSU:

„Meinungsvielfalt braucht Medienvielfalt. Das öffentlich-rechtliche Medienangebot ist in der veränderten Medienlandschaft unverändert wichtig. Es muss auch auf neuen Ausspielwegen im Internet und für neue Zielgruppen relevant sein und Aufmerksamkeit finden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll sich auf seine Kernaufgaben rückbesinnen. Dadurch kann er Relevanz zurückgewinnen. Wir wollen eine vorurteilsfreie Diskussion über die Neuordnung der öffentlich-rechtlichen Rundfunklandschaft in Deutschland.

Wir streben langfristig die Zusammenlegung von ARD und ZDF unter einem Dach an: Kostspielige Doppelstrukturen sollen beseitigt werden, die Programmvielfalt erhalten bleiben. Bei der Gestaltung der Programme muss die Rolle der vielfältigen und leistungsfähigen deutschen Produktionslandschaft angemessen berücksichtigt werden. Wir treten für gesunden Wettbewerb und auskömmliches Nebeneinander öffentlich-rechtlicher und privater Medien ein. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen privater Medien müssen so sein, dass sie sich im Wettbewerb behaupten können.“

Außerdem hat die Große Koalition für Zeitungszusteller den Beitrag zur Rentenversicherung, den die Arbeitgeber zu tragen haben, für die Dauer von fünf Jahren abgesenkt. Insgesamt geht es um 250 Millionen Euro. „Die Maßnahme sei ein ‚Geschenk an die Verlage‘, heißt es aus Kreisen der Union. Die Verlage rechnen mit Einsparungen im niedrigen zweistelligen Millionenbereich, so beziffert es der ‚Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger‘ gegenüber ‚Panorama‘.

Wird das Vorhaben umgesetzt, bedeutet das für einen Zusteller im Minijob mit 450 Euro Monatsverdienst exakt 45 Euro weniger im Monat für seine Rente. Ob und wie diese Lücke ausgeglichen werden soll, dazu steht nichts im Koalitionsvertrag. Auch ist unklar, auf wie viele der deutschlandweit rund 140.000 Zeitungsausträger im Minijob eine solche Regelung zuträfe, denn nicht alle zahlen auch selbst in die Rentenkasse ein.“

Weitere Informationen erhalten Sie durch Nutzung der Such­ma­schi­ne auf unserer Homepage, einfach mal ausprobieren! Die Beachtung der sozialen Auswirkungen wird immer zwingender. Wir arbeiten daran! Die Frage „Was kann ich machen?“ ist einfach zu beantworten: Wir haben auf dem Marktplatz noch viel Platz und ein Offenes Mikrofon. Wir sind gespannt auf Ihre Meinung und Erfahrung! Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“, „so:leb – Sozialer Lebensbund“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz