443. Bremer Montagsdemo
am 07. 10. 2013  I◄◄  ►►I

 

Bremen missachtet Gerichtsentscheidungen zur Mietobergrenze

Hans-Dieter Binder1. Die FDP ist raus! Die Öffnung der privaten Krankenversicherung für alle ist damit vom Tisch – aus meiner Sicht: zum Glück. Die CSU allein wird es nicht stemmen. Sie hat übrigens beim Steuervorteil für Hotels mitgewirkt und auch diese Spenden erhalten, siehe vorherige Bremer Montagsdemo. Die private Versicherung bietet den Krankenversicherungsschutz günstiger an als die gesetzliche und noch ein paar Extras obendrauf. Wieso kann die private Krankenversicherung dies? Die gesetzliche versichert Kinder und Partner ohne eigenes Einkommen über die Familienversicherung kostenlos. Zur gesetzlichen Krankenversicherung gehören auch die Ersatzkassen.

Wer aufgrund seines Einkommens in die private Krankenversicherung wechseln kann, sollte sich dies gut überlegen. Dabei können Sie ruhig auf den eigenen Vorteil schauen – für die Solidargemeinschaft sieht es noch schlechter aus. Die private Krankenversicherung garantiert, dass niemand wegen seiner Krankheit benachteiligt wird: Alle zahlen den gleichen Beitrag – alle, die in diesem Tarif sind. Die Neuzugänge sind in der Regel jung und gesund. Nach eigenem Gutdünken, etwa um auf ein Wettbewerbsangebot zu reagieren, schließt die private Krankenversicherung den aktuellen Tarif, und ein neuer wird aufgelegt und angeboten.

Die Versicherten in dem geschlossenen Tarif werden älter und kränker, die Aufwendungen steigen, und die Beiträge werden für alle gleichmäßig erhöht. Die Betroffenen können in der Regel nicht zurück in die gesetzliche Krankenversicherung, auch nicht, wenn der Beitrag für ihre private Krankenversicherung jetzt oberhalb der gesetzlichen liegt. Sie können aber jederzeit in den Grundtarif der privaten Krankenversicherung umsteigen. Der Beitrag dafür ist auf den höchsten Beitrag der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckelt, die Leistungen sind abgeschmolzen.

Sie können sich auch den aktuellen, in der Regel günstigeren Tarif ansehen und den Wechsel in diesen Tarif bei Ihrer privaten Krankenversicherung beantragen. Sind Sie noch „fit“, wird dieser Wechsel in der Regel genehmigt. Sie müssen aber berücksichtigen, wie die angesammelte Altersrücklage bei dem Tarifwechsel behandelt wird. Falls Sie keinen Tarifwechsel mehr genehmigt bekommen (Grundtarif geht immer), können Sie durch Leistungsverzicht (Ausschlüsse von persönlichen Krankheitsrisiken) den Beitrag senken. Ich schlage Ihnen vor: Lassen Sie sich vor dem Wechsel von der privaten Versicherungsgesellschaft die Unterschiede zwischen dem anvisierten Tarif und der gesetzlichen Krankenversicherung auflisten, auch für den Grundtarif, aber bitte nicht vom Außendienstler oder Bezirksleiter, sondern von der Zentrale – rechtsverbindlich und bindend.

Die Aufzählung sollte alle Abweichungen umfassen und dies auch dokumentieren: „Diese Aufzählung ist vollständig gemäß den heutigem Rechtsstand. Weitere Unterschiede bestehen nicht.“ Sie werden mehr als einen Anlauf brauchen, um dies als Vertragsergänzung zu erreichen. Lassen Sie sich nicht auf die Vergleichsseiten im Netz verweisen. Machen Sie die Aufzählung zur Vertragsergänzung! Sie werden erneut Gegenwind spüren. Warum? Ich habe diesen Rat allen Kollegen gegeben, die vor dieser Entscheidung standen. Es hat niemand die gesetzliche Krankenversicherung verlassen. Es hat niemand diese Aufstellung erhalten, höchstens teilweise.

Wenn Sie diese Aufstellung bewerten, denken Sie bitte auch an die Widrigkeiten des Lebens: Wenn Sie ALG II beantragen, fallen Sie sofort in den Grundtarif, weil nur diese Beitragshöhe vom Jobcenter gezahlt wird. Gibt es eine Rückkehr in den vorherigen Vertrag? In die Krankenversicherung der Rentner werden Sie nur aufgenommen, wenn Sie in der gesetzlichen Krankenversicherung sind und „in der zweiten Hälfte der Erwerbszeit mindestens zu 90 Prozent gesetzlich versichert gewesen“ sind.

Die Krankenversicherungspflicht ab 2007 hat sich für viele als Schuldenfalle erwiesen. Rückständige Beiträge und Säumniszuschläge werden für gesetzlich Krankenversicherte erlassen. Neue Säumniszuschläge werden wesentlich geringer ausfallen. Auch für in der privaten Krankenversicherung Versicherte gibt es neue Regelungen. Bitte lesen und umsetzen! Die Frist läuft am 31. Dezember 2013 ab. Wer bereits hohe Säumniszuschläge gezahlt hat, sollte ebenfalls nachlesen.

Für die Weichenstellung der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es im Bundesgesundheitsministerium eine Planungsabteilung. Für die Leitung dieser Abteilung hat Philipp Rösler (FDP) als Amtsvorgänger von Daniel Bahr (FDP) einen Herrn Weber eingestellt. Der war an leitender Stelle Interessenvertreter der privaten Krankenversicherung und ist ebenfalls FDP-Mitglied.

Die Abschmelzung der gesetzlichen Sicherungssysteme auf ein absolutes Mindestmaß und die Stärkung der privaten Versicherungen – das entspricht der Lissabonner Strategie und steht inzwischen im Lissabonner Vertrag. Deutschland hat zugestimmt, die „Linke“ nicht – aber den Vertrag notgedrungen akzeptiert. Diese Klauseln betreffen auch die Renten- und Pflegeversicherung. In diesem Vertrag ist außerdem Hartz IV zementiert. Wie erfrischend ist da die Forderung, die private Krankenversicherung abzuschaffen! Die Versicherungsgesellschaften werden nur sehr ungern auf diese gewinnbringenden Verträge verzichten. Der Lissabonner Vertrag muss somit verändert werden. Die Europawahl ist aufgrund der Aufgabenverlagerung nach Europa mindestens genauso wichtig wie die Bundestagswahl! Wer dieses Thema nachlesen möchte, findet das Wesentliche bei der 51., 108., 111. und 116. Bremer Montagsdemo.

Unter diesen Voraussetzungen ist auch der „Pflege-Bahr“ zu sehen. Die „Verbraucherzentrale“ hat Angebote für die Zusatz-Pflegeversicherung geprüft und rät, diese Verträge nicht abzuschließen, denn die Nachteile im Kleingedruckten fressen den Förderbeitrag mehr als auf. Die fünf Euro monatlich wären zur Ausgestaltung der gesetzlichen Pflegeversicherung besser aufgehoben! Der „Pflege-Bahr“ ist trotzdem ein gutes Geschäft – für die Versicherungsgesellschaften! Die „Verbraucherzentrale“ hat auch festgestellt, dass in den meisten Verträgen zu geringe Leistungen vereinbart wurden. Wer seine Pflege nicht bezahlen kann, beantragt Grundsicherung. Eine Kind muss nur zahlen, wenn es mehr als 100.000 Euro pro Jahr verdient, aber auch hier gibt es Ausnahmen, siehe Bremer Montagsdemo.

Auch die „Riester-Rente“ ist ein gutes Geschäft für die Versicherungsgesellschaften. Der Bundesregierung wurde dies noch mal bewusst gemacht: Wer trotz „Riester-Rente“ auf Grundsicherung angewiesen ist, bekommt die „Riester-Rente“ zu 100 Prozent angerechnet, ohne Freibetrag. Die Grundsicherung fällt entsprechend geringer aus.

 

2. Die Mietobergrenzen und einiges im „Kleingedruckten“ will der Bremer Staatsrat für Soziales ändern. Die von ihm vorgeschlagenen Grenzen wurden aber nicht gemäß den Vorgaben des Bundessozialgerichts ermittelt. Insbesondere fehlt es noch immer an einem schlüssigen Konzept. Sozialrechtsexperte Harald Thomé hat auf ein Urteil des Sozialgerichts Aachen aufmerksam gemacht. Dieses hat seine Haltung zum Thema Kosten der Unterkunft revidiert und erklärt, dass der Rückgriff auf § 12 Wohngeldgesetz nicht mehr angemessen erscheint. Dort reicht „§ 12 WoGG plus zehn Prozent Sicherungszuschlag“ nicht aus. Insbesondere macht das Gericht darauf aufmerksam, dass der Leistungserbringer – das Jobcenter – das schlüssige Konzept vorlegen oder die tatsächliche Miete als angemessen erstatten muss. Dies gilt als Weichenstellung für das Hauptsacheverfahren.

Bremen will die Entscheidungen des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bre­men nicht berücksichtigen. Das Gericht hat die Werte nach §12 WoGG plus zehn Prozent zugestanden. Über einen darüber hinausgehenden Mietanteil wird im Hauptsacheverfahren entschieden. Das Sozialgericht Bremen hat auch die Berichte von „Gewos“ hinterfragt und zerpflückt, insbesondere im Verfahren AS 1/09 ER. Der zweite „Gewos“-Bericht, Gutachten genannt, steht noch am Netz. Allein diese Lektüre zeigt: Das neue „Gutachten“ wird wieder nicht gerichtsfest.

Wie wichtig treffende Mietobergrenzen sind, geht aus folgender Gerichtsentscheidung hervor. Die Bagis, Bremer Vorläuferin des Jobcenters, hat ein vorgelegtes Mietangebot nicht akzeptiert. Die Miete lag zehn Euro oberhalb der Mietobergrenze gemäß Anweisung an die Verwaltung. Die neue Wohnung wurde als unangemessen abgelehnt, obwohl die bisherige Wohnung durch. Schimmelbefall unbewohnbar geworden war. Der Bericht des Gesundheitsamtes über die Begehung der Wohnung und die festgestellten Mängel lag vor. Die Behörde hatte eine Gesundheitsgefährdung festgestellt und daher den umgehenden Auszug aus dieser Wohnung empfohlen. Trotzdem wurde der Umzug abgelehnt.

Die Kurzbeschreibung zum Beschluss der 26. Kammer vom 10. Februar 2009 (Aktenzeichen S26 AS 186/09 ER) lautet: „Eine Zusicherung zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft gemäß § 22 Absatz 2 SGB II ist nicht Voraussetzung für eine spätere Übernahme der Kosten. Gleichwohl kann das Gericht im Interesse der Hilfebedürftigen, die vor unüberlegten Schritten bewahrt werden sollen, auch im Eilverfahren eine entsprechende Zusicherung aussprechen. Nach dem – allerdings bisher nicht rechtskräftigen – Beschluss der 21. Kammer des Sozialgerichts gelten für Bremen die neuen Tabellenwerte der Wohngeldtabelle als Mietobergrenzen. Das ist für Einpersonenhaushalte eine Bruttokaltmiete von 358 Euro.“

Das Gericht hat 2009 entschieden, jetzt haben wir 2013. Das Landessozialgericht Niedersachsen hat diese Werte um zehn Prozent erhöht und ein weiteres Plus offen gelassen. Die Mietsteigerung von 2009 bis heute liegt locker darüber. Umso unverständlicher ist die erwogene Reduzierung der Mietobergrenzen! Die HSH Nordbank hat eine Studie über die Mietentwicklung veröffentlicht: „Die höchsten Mietanstiege bei Bestandswohnungen gab es 2012 in Bremen (plus 8,7 Prozent)“. Es muss nur noch die Preissteigerung für 2009, 2010 2011 und 2013 ergründet werden.

 

3. Die Bremer „Joboffensive“ (siehe vorherige Montagsdemos) hat Geld für Erwerbslose in Verwaltungskosten für 41 befristet eingestellte Fallmanager(innen) „verwandelt“. Eine weitere Million soll aus dem Topf „Erwerbslosenförderung“ in den Topf „Gehälter für Fallmanager(innen) wandern. Gleichzeitig stellt das Jobcenter fest, das Geld für Bildungsgutscheine und Umschulungen sei alle. Davon steht aber nichts in der Vorlage zur „Joboffensive“, auch nichts in dem neuen Antrag auf Umwidmung. Da wäre Bremen übrigens mit weiteren circa 200.000 Euro beteiligt. Wieder zulasten der Haushaltsstelle „Kosten der Unterkunft“? Die „Joboffensive“ wurde bereits zulasten dieses Haushaltspostens vereinbart.

Das IAB, die Wissensschmiede der Bundesagentur für Arbeit, hat erforscht, „wie Langzeitarbeitslose bei den Betrieben ankommen“. Ihre Schlussfolgerung: Mit Bildung, Umschulung, Weiterbildung und durch weitere Fördermaßnahmen – meist ein Zuschuss zu den Lohnkosten – haben Erwerbslose eine Chance. Dieser Bericht ist auch für Erwerbslose interessant, die in ein Vorstellungsgespräch vordringen. Er ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Joboffensive eine Fehlentscheidung war. Darüber soll aber erst im März 2014 wieder berichtet werden!

Der IAB-Bericht zeigt, dass die bisherige Weiterbildungspraxis des Jobcenters geändert werden muss, denn Erwerbslose erhalten keine Möglichkeit, erlernte Kenntnisse „aufzufrischen“ oder an geänderte Techniken anzupassen, jedenfalls nicht ohne Einstellungszusage eines Arbeitgebers. Nehmen wir einmal einen Buchhalter. Er wird arbeitsuchend. Laufend werden Gesetze und Rahmenbedingungen geändert. Er hat während seiner Anstellung zwei Informationsquellen genutzt und Hinweise über Änderungen zum Jahreswechsel über die Krankenkasse und die Industrie- und Handelskammer erhalten. Kosten insgesamt per annum an die 500 Euro. Jobcenter und Arbeitsamt sind nicht bereit, dieses Wissen aktuell zu erhalten oder aufzufrischen. Nur mit einem Arbeitsvertrag ist eine solche Förderung möglich, wenn der Arbeitgeber dies verlangt!

 

4. „Arte“ hat die Frage aufgegriffen: „Wer regiert die Welt?“. Goldman-Sachs war eine Antwort, siehe Bremer Montagsdemo. Am 24. September 2013 hat „Arte“ die Frage „Bank oder Staat“ vertieft. Gezeigt werden Entscheidungsprozesse in Frankreich und auch in Europa zur Zähmung der Banken. Die Dokumentation ist eine gute Begleitung der Entscheidungsprozesse und ihrer Vorbereitungen sowie der versuchten Verhinderung. Sie steht nur sieben Tage im Netz. Es eilt – und es lohnt sich, auch für Finanzminister!

Wir in Deutschland sind mit den Banken im Reinen? Alles gerettet, alles finanziert? In den USA geht es JP Morgan an den Geldbeutel. Diese Bank kann einen Vergleich eingehen, über elf Milliarden Dollar Strafe. JP Morgan soll Hypo­the­ken­pa­piere schöngeredet haben.

Für Minister Friedrich ist die NSA-Affäre beendet. Nur für ihn? Die EU hat noch eine Rechnung mir der NSA offen und droht mit der Aussetzung des „Swift“-Abkommens Die NSA hat auch Kreditkartennutzer und -firmen ausgespäht. Dies wurde festgestellt gemäß den Unterlagen von Edward Snowden. Geprüft und – erschütternd! – für zutreffend befunden.

 

5.Wir dienten Deutschland“ heißt ein weiterer beeindruckender Beitrag auf „Arte“. Ein Mitstreiter hat soeben von der „Jobmesse“ beim Autohaus Weller berichtet: die versuchte Taschenkontrolle, der starke Sicherheitsdienst. Die „Jobmesse“ richtet sich an Erwerbslose. Die Bundeswehr war stark vertreten. Der Mitstreiter hat „Du sollst nicht töten!“ gerufen und damit die Bundeswehr in helle Aufregung versetzt. Der Stand war gut und ansprechend. Die Versuchung ist groß, einen Vertrag mit Ausbildungsplatz und Beförderungsgarantie zu unterschreiben.

Wer sich für die Bundeswehr interessier; kann im Netz viele Beiträge über das Leben nach dem Auslandseinsatz finden. Einer davon ist die Dokumentation „Wir dienten Deutschland“. Er zeigt äußerlich unversehrte Rückkehrer mit ihren Erinnerungen und den daraus entstehenden Problemen. Er zeigt auch den Kampf mit der Bürokratie beim Versorgungsamt – den Kampf um die Anerkennung als Versehrter, um Prozente für die Schwere der Behinderung.

Ich habe einmal in einer Gaststätte ein Gespräch von Sanitätsoffizieren der Marine mitgehört. Es ging um die Rückkehr eines Kampfschiffes aus der „Friedensmission“, um die Einschätzung der zu erwartenden Kranken. Eine Frau brachte es auf den Punkt: „Jeder Mensch auf dem Schiff hat eine Störung oder Schädigung. Ich bin dafür, alle langfristig zu begleiten – nicht nur den Menschen, der seine Beeinträchtigung selbst erkennt.“

Wer über das Jobcenter zu Bundeswehr gekommen ist, kann den Vertrag anfechten. Er wird rückabgewickelt, wenn Nötigung oder die Ausnutzung einer Zwangslage vorlag: „Du gehst zur Veranstaltung und verpflichtest dich, oder ich kürze dir die Leistung!“ Das ist eine klare Sache. Aber auch wer aus eigenem Antrieb zur Bundeswehr gegangen ist, kann kündigen oder seine Entlassung beantragen. Die Kündigung hat viele Probleme zur Folge, aber nicht den Tod, eine Verwundung oder seelische Beeinträchtigung. Die Schadenersatzforderung wegen Vertragsverletzung kann erlassen werden. Es geht im schlimmsten Fall „zurück“ zum Jobcenter, aber nicht in den Auslandseinsatz. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
 

 

Jobcenter wollen Weisungen zur Verfolgungsbetreuung geheimhalten

Elisabeth Graf1. Im nordrheinwestfälischen Goch sitzt eine junge Familie mit einem erst vier Monate alten Baby zu Hause im Kalten. Weil das Geld, das der Vater des Kindes, der sich noch in der Tischler-Ausbildung befindet, verdient, hinten und vorne nicht ausreicht, stellte die damals noch schwangere 21-jährige Frau in Begleitung ihrer Schwiegermutter bereits im Februar einen Antrag auf ALG II. Nachdem wegen der chronischen Geldknappheit weder Miete noch Rechnungen für Strom oder Gas gezahlt werden konnten, sodass Schulden über rund 5.000 Euro aufgelaufen sind, stellte der Energieversorger aufgrund offener Forderungen das Gas ab. So muss die junge Mutter mit dem Zug zu ihren Schwiegereltern fahren, wenn sie ihre kleine Tochter baden möchte.

Die Behörde zahlt keinen Cent und behauptet einfach, keinen Antrag erhalten zu haben. Im Artikel steht, dass die junge Mutter nicht das Gegenteil beweisen konnte, weil ein Stempel auf den Unterlagen fehle. Das verstehe ich nicht, weil sie doch ihre Schwiegermutter als Zeugin dabei hatte! Versucht das Jobcenter, auf diese Weise wieder Geld an den Bedürftigen vorbei einzusparen? Die junge Familie suchte sich Rechtsberatung und kann seit Mitte Juli beweisen, erneut sogar mehrere Anträge gestellt zu haben. Das Jobcenter zahlte aber noch immer nicht und „begründete“ dies damit, dass die Familie nicht hilfebedürftig sei.

Daraufhin reichte die junge Frau Klage beim Sozialgericht Duisburg ein und gewann das Eilverfahren, sodass sie bis zur Hauptverhandlung, in der die Höhe der Leistungen endgültig festgelegt wird, monatlich 191,12 Euro bekommen muss. Leider legte das Jobcenter Widerspruch ein; der Fall wird nun vorm Landessozialgericht Essen verhandelt. Bis das Landessozialgericht entschieden hat, ist die Familie bestimmt obdachlos geworden! Es ist auch eine unzumutbare soziale Härte, wenn einfach die Energielieferung abgestellt werden kann, wie es in diesem reichen Land immer wieder vorkommt.

 

2. Auf der Meyer-Werft in Papenburg sollen die Arbeitsbedingungen der Werkvertragsarbeiter noch weitaus schlimmer gewesen sein als bisher bekannt. Unter anderem wurde massiv gegen Arbeitszeitgesetze verstoßen: Die Werkvertragsarbeiter sollen bis zu 20 Stunden am Stück und bis zu 300 Stunden im Monat gearbeitet haben. Ein Unternehmer aus der Region bestätigt, dass alle Mitarbeiter, auch die der Fremdfirmen, beim Betreten und Verlassen des Werftgeländes registriert und die Daten gespeichert würden. Keinem wollen die massiven Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz aufgefallen sein.

Die Meyer-Werft lehnt eine Stellungnahme ab. Bereits zu Beginn der Untersuchungen waren „Einzelfälle“ registriert worden, in denen Arbeiter ohne Pause von der Tagschicht in die Nachtschicht gewechselt sind. Dies sollte sich als systematischer Missbrauch des Einsatzes von Arbeitern durch die Subunternehmer von bis zu 300 Stunden pro Monat entpuppen. Unabhängig von der systematischen Ausbeutung ist diese Praxis auch deshalb so bedenklich, weil für die Arbeiter, die teilweise mit gefährlichen Schweißgeräten hantieren, das Verletzungsrisiko durch Übermüdung steigt.

 

3. Weil die Jobcenter in Deutschland gern undurchschaubar arbeiten, um bestimmte Strategien nicht offenlegen zu müssen, machte es sich die Piratenpartei in Berlin zur Aufgabe, die Informationsfreiheit mindestens in Berlin durchzusetzen. Wie der Wuppertaler Sozialberater Harald Thomé in seinem aktuellen Rundbrief berichtete, wurden bereits eine Reihe von Jobcenter-internen Weisungen öffentlich, die nun auf den Seiten der Piraten einsehbar sind. Weil sich das Jobcenter Berlin-Neukölln weigerte, die Weisungen herauszugeben, kam es zu einer Klage beim Verwaltungsgericht.

Gerade die so sehr bedeutsamen Weisungen zum Außendienst werden von der Behörde unter den unglaublichsten Begründungen zurückgehalten. Viele Erwerbslose sind betroffen, verängstigt, fühlen sich bedroht und verunsichert, wenn plötzlich und natürlich unangemeldet die Außendienstler an der Wohnungstür klingeln und oft nicht „nur“ Einlass begehren, sondern auch drohen, es werde „Konsequenzen“ haben, wenn sie nicht reinkommen dürften. Diese Konsequenzen bedeuten meist existenzielle Kürzungen der ohnehin viel zu kargen Transferleistung und sind deswegen natürlich gefürchtet. Die wenigsten wissen, dass der Außendienst nur kommen darf, um wichtige Sachverhalte zu klären, die auf anderem Wege nicht einzuholen sind.

Meines Wissens darf dies auch nur nach einer Terminabsprache erfolgen. Im Zuge der einschüchternden Verfolgungsbetreuung wird dies jedoch meist anders gehandhabt, und es verwundert mich nicht, wenn diese Taktik heimlich erfolgen soll! Simon Weiß, Sprecher der Piratenfraktion für Datenschutz und Informationsfreiheit, ist davon überzeugt, dass es nach dem Informationsfreiheitsgesetz einen Anspruch auf Herausgabe der internen Weisungen an die Außendienste gibt und das Jobcenter nicht nach Gutdünken auswählen könne, welche internen Weisungen öffentlich gemacht werden und welche nicht. Mir gefällt der Aufruf Harald Thomés, diese wichtige parlamentarischer Arbeit der Piraten in Berlin als gutes Vorbild für den Rest der Republik zu nehmen.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
„Ich schätze Ihre kritischen Fragen, aber mehr noch brauche ich Ihr Vertrauen“:
Der bischöfliche Atombunker im Limburger Domfelsen hat auch
eine güldene Badewanne („Focus“)

 

Entrechtung beim „Ehrenamt“

Hans-Dieter WegeEine junge Hartz-IV-Bezieherin aus Brandenburg verpflichtete sich zum Bundesfreiwilligendienst – doch das Jobcenter Spremberg zog die Aufwandsentschädigung in Höhe von monatlich 176,40 Euro sogleich vom Hartz IV-Regelsatz ab, obwohl der Frau ein Freibetrag von 200 Euro zusteht. Sie habe schließlich noch einen Minijob als Kellnerin, bei dem sie weitere 50 Euro verdiene. Bei der Kürzung blieb es auch, als die Betroffene das nunmehr faktisch unbezahlte „Ehrenamt“ ablehnte. Das Bundesarbeitsministerium teilte dazu mit, der Bundesfreiwilligendienst sei eben „keine Möglichkeit, die Hilfebedürftigkeit mit Erwerbstätigkeit zu mindern“.

Ein junger Ehrendienstler aus Niedersachsen wartet nun schon fast zwei Monate auf einen Beschwerdebescheid des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen wegen der teilweisen Anrechnung des Verpflegungsgeldes auf den Hartz-IV-Regelsatz. Dabei handelt es sich um ein Eilverfahren, weil der Betroffene seine Gesundheit durch Mangelernährung gefährdet sieht. Es hat den Anschein, als wäre das auch einem Sozialgericht in höherer Instanz irgendwie ziemlich egal. Oder hat es Schwierigkeiten, die Begründung und die hierfür gestellten Beweisanträge zu widerlegen oder zu verhindern? Bei einer Ablehnung wird der Kläger auf alle Fälle vor das Verfassungsgericht ziehen.

Hans-Dieter Wege (parteilos, Gegner unsozialer Politik)
 
Als Reaktion auf die jüngste Schiffskatastrophe vor Lampedusa ruft die Bremer Gruppe von „Afrique-Europe-Interact“ zu einer Kundgebung unter dem Motto „Fluchtwege öffnen“ auf. Sie beginnt am Samstag, dem 12. Oktober 2013, um 13 Uhr auf dem Marktplatz.

 

Ethik hier und dort

Allen Anfang hat das natürliche Grundrecht auf Arbeit und Leben in der Natur, was es auch vor Zeiten erwiesenermaßen schon mal gab. Erst vor gar nicht allzu langer Zeit ergab sich eine Versuchung, ohne Arbeit zu leben, weil irgendwelche Maschinen mal alles abnehmen würden. Den Stummfilm „Metropolis“ haben manche schon mal gesehen: Da wird der Mensch zur Maschine. Irgendjemand ist Erbauer und Herr und steuert das Ganze dann nach seiner Versuchung. Da ist eine Ungleichheit geboren worden, die heute in massenhafter Art und Weise wirkt. Die mit den Maschinen zur Macht gekommen sind, denken noch lange nicht daran, das Elend der Nachteile mit Gewissen zu besetzen und ihr System mal zu reformieren, damit in der Wirkung endlich der Grundsatz der Menschlichkeit – Gleichheit – erreicht wird.

So tierisch, wie Menschen nun mal sind, ist es wieder Zeit, zum Klassenkampf aufzurufen. Das wirkt nur weltweit, denn überall auf dem Globus wird von den Geldmaschinenführern nach Winzig, Billig oder Klein gesucht, und sie rühmen sich mit dem System als Absolutismus. Das ist der moderne ökonomische Absolutismus. Er ist ähnlich dem alten und dem dazugehörigen Elend. Das ist tatsächlich der globale Machtapparat. Einige Beispiele des Elends wurden dank journalistischer Aktivitäten im Fernsehen gezeigt, dieser Geldmarktkampf wie in Indien oder China. Krass zu sehen ist, wie „heilige“ Kühe über Tausende von Kilometern mit reichlich Kohlendioxid in die scheinbare Gewinnzone Bangladesch gefahren und tierunwürdig geschlachtet werden.

Dazu werden Füchse zu Tausenden in Minikisten aufgepäppelt, um sie dann auf dem Gemüsemarkt mit dem Eisenknüppel für schöne Mantelkragen in Deutschland zu erschlagen. Arbeiter macht man beim Gerben mit Chromgift krank, damit hier dickes Geld mit dem Billigen gemacht werden kann. All das ist hier verboten. Was hier eine Sünde und verboten ist, ist nur weit weg – so wie der Bombenschütze damals die Städte zerbombt hat –, versteckt und in arme und gesetzlose Länder verschoben. Damit ist eindeutig zu sagen, dass Deutschland eigentlich ein Unrechtstaat ist und tatsächlich der Wohlstand auf dem Rücken anderer gemacht wird.

Günni, der „Mann mit dem großen Hut“
 
Mit Ryanair nach Rom: Tebartz-van Elster legt sein
Schicksal in Gottes Hand („Spiegel-Online“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz