1. Es ist nicht wirklich eine neue Erkenntnis, dass seltener wählen geht, wer arm ist. So verwundert es denn auch niemanden, dass die Wahlbeteiligung im vermögenden Bremen-Borgfeld, in dem es so gut wie keine Hartz-IV-Bezieher gibt, mit 86,2 Prozent am größten war, während in Bremen-Tenever, wo mehr als jede(r) Dritte von staatlichen Transferleistungen vegetieren muss, nur jede(r) Zweite wählen ging. Nach dem Bremer Parteienforscher Lothar Probst gebe es einen „ganz deutlichen“ Zusammenhang zwischen der Wahlbeteiligung und dem sozialen Status, also dem Einkommen oder dem Bildungsstand – die Spaltung in Bremen sei „ganz ausgeprägt.“
Schon wieder werden Erwerbslose praktisch als ungebildet und bildungsfern diskriminiert, obwohl die meisten Erwerbslosen über eine Ausbildung verfügen! Wer mit Interesse am politischen Zeitgeschehen leider bemerken muss, dass seine oder ihre Interessen nicht von den Politikern vertreten werden, wird sich dann eben von der Politik abwenden. SPD-Landeschef Andreas Bovenschulte spricht sogar von „einer Art Klassenspaltung unserer Demokratie“, wogegen keine Aufklärungskampagnen helfen, sondern nur „konkrete, vertrauenswürdige Politik“.
Ich finde, es klingt ziemlich abwertend, wenn Probst davon spricht, dass es gerade der SPD nicht gelungen sei, Menschen mit niedrigem sozialen Status für sich zu mobilisieren. Nur die Linkspartei, die in Bremen ihr im Westen der Republik bestes Wahlergebnis erzielte, habe „eher Zugang zu Leuten aus diesen Milieus“. Meiner Meinung nach erschiene es eher als ein Zeichen von mangelnder Intelligenz und Kompetenz, wenn gesellschaftlich völlig Ausgegrenzte, Beschimpfte, ständig Entwertete noch Parteien wählten, die an ihrer gesellschaftlichen Stellung nicht das Mindeste – im Positiven – zu ändern gedenken! „Linken“-Sprecher Christoph Spehr findet die „zunehmende Entfernung“ vieler Benachteiligter von der Politik „sehr besorgniserregend“. Allerdings!
2. Angesichts der steigenden Lebenshaltungs- und Energiekosten und explodierenden Mieten klingt es geradezu grotesk, wenn Forscher nach einer Studie des „Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung“ behaupten, ein Mindestlohn von 8,50 Euro sei zu hoch. Die Forscher widersprechen auch der gängigen Ansicht von Mindestlohnbefürwortern, dass dann immerhin 17 Prozent der Arbeitnehmer unmittelbar einen höheren Stundenlohn erhielten, der nicht nur Armut und Ungleichheit reduziere, sondern auch die Wirtschaft ankurbeln könne. Nach Meinung der Wissenschaftler sinkt weder die aktuelle Armut nennenswert noch die Einkommensungleichheit insgesamt, da die Lohnsumme alles in allem nur um drei Prozent anstiege und somit kaum einen Kaufkraftschub nach sich zöge.
Selbst die von den „Linken“ geforderte Lohnuntergrenze von zehn Euro verringere die Einkommensungleichheit demnach nur um gut ein Prozent. Weil nicht alle Bezieher von Niedriglöhnen auch in einkommensschwachen Haushalten lebten, da ein Partner besser verdient, die Steuerbelastung steigt oder der Anspruch auf Sozialleistungen wegfällt, dürfte nur etwa ein Viertel der zusätzlichen Lohnsumme in den Haushaltskassen ankommen. Zudem müssten nicht etwa Großkonzerne mit internationalen Wettbewerbern künftig in erster Linie höhere Löhne zahlen, sondern Gastwirte, Friseure oder Bäcker. Die Forscher sprechen sich keineswegs grundsätzlich gegen Mindestlöhne aus, da es keine eindeutigen Belege dafür gebe, dass ein Mindestlohn zu Arbeitsplatzverlusten führte. Sie plädieren dafür, mit einem Mindestlohn von sieben Euro zu beginnen und ihn dann ganz langsam zu erhöhen.
Wenn sich schon die Armut nicht spürbar verringert, scheint es wohl egal zu sein, dass der Stundenlohn nicht zum Leben ausreicht? Oder sollte jeder für seine Pflicht zur – oder sein Recht auf – Arbeit demnächst selbst Geld mitbringen müssen, damit man auch wirklich arbeiten darf? Was denken sich diese Forscher mit ihrem bestimmt exorbitant guten Gehalt eigentlich bei ihren Aussagen? Sollen wir die Alternative zwischen Hungerlohn und Arbeitslosigkeit vielleicht noch weiter ausbauen, damit Deutschland wettbewerbsfähig bleibt?
Ich finde, dass ein Betrieb, der es sich nicht leisten kann, einen anständigen Mindestlohn zu zahlen, in der Versenkung verschwinden oder sein Inhaber allein arbeiten soll! Dabei reichen meiner Meinung nach weder zehn, geschweige denn 8,50 Euro als Mindestlohn aus. Komisch, dass die Forscher nicht auch zu dieser Schlussfolgerung kommen! Kann es wirklich Zufall sein, wenn nur zwei Tage nach der Bundestagswahl die Katze aus dem Sack gelassen wird? Auch wenn auf der Regierungsbank mit viel Getöse so getan wird, als ob noch über Koalitionsmöglichkeiten nachgedacht werde, wissen wir doch schon seit langer Zeit vor der Wahl, dass es auf eine Große Koalition hinauslaufen wird.
3. Letzte Woche berichtete ich von einer 27-jährigen Mutter, die vom Jobcenter Siegen absurderweise zum Ausbildungsabbruch aufgefordert wurde. Der Fall der alleinerziehenden Carina Grigoleit machte glücklicherweise ordentlich Wind im Internet, weil ihre Ausbildungskanzlei sich juristisch für sie einsetzte. Ohne die Unterstützung durch die Medien hätte die Arbeits- beziehungsweise No-Job-Behörde ihren unsinnigen Kurs sonst vermutlich bis zum bitteren Ende durchgezogen. In einem Schreiben des No-Job-Centers hieß es wörtlich: „Drohende Konsequenz des Leistungsausschlusses von Frau Grigoleit ist es zwar unter Umständen, dass sie die vor kurzem begonnene Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachgehilfin abbrechen muss. Genau dieses Ergebnis ist vom Gesetzgeber aber beabsichtigt und bewusst gewollt.“
Zu guter Letzt darf die junge Mutter ihre Ausbildung nun doch beenden: Sie erhält eine staatliche Aufstockung ihrer Ausbildungsvergütung. Doch ALG II wird sie nach wie vor nicht erhalten, wenn sie aufgrund der Härtefallregelung Berufsausbildungsbeihilfe bekommt, da der Bezug von ALG II immer nachrangig ist. Ich finde es unglaublich, wie hier versucht wird, auf Kosten derer, die es am dringendsten brauchen, Geld einzusparen, indem sich keiner für zuständig erklärt, aus „seinem“ Topf die notwendige Finanzierung zu gewährleisten! Bekommt sein Recht immer mehr nur noch, wer sich zuvor juristische Hilfe holen oder bezahlen kann? Dennoch gilt immer wieder: Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt!
4. Leider profitieren Arbeitslose gar nicht davon, wenn 2014 in Deutschland, wie vom „Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung“ vorhergesagt, Hunderttausende Stellen geschaffen werden, weil Arbeitssuchende und die angebotenen offenen Stellen oftmals nicht zusammenpassen. Auch wenn es unter den Arbeitslosen viele Geringqualifizierte gebe, steige die Erwerbstätigkeit wegen der hohen Zuwanderung von Arbeitskräften aus Süd- und Osteuropa sowie der steigenden Erwerbsquoten von Frauen und Älteren dennoch. Um den „harten Kern“ der Arbeitslosigkeit zu erreichen, seien individuelle Lösungen und intensive Betreuung gefragt. Für die Menschen in kurzen und schlecht bezahlten Jobs seien vor allem Betreuung und Weiterbildung wichtig.
Wodurch qualifiziert sich eine Altenpflegerin aus China höher als eine Deutsche? Ach ja, klar: Sie ist nicht nur billiger, sondern mangels Sprach- und Rechtskenntnissen leichter zu handhaben. Oftmals wollen die (No-)Job-Center gar nicht wirklich qualifizieren, weil das Geld lieber in sinnlosen Maßnahmen verfeuert werden soll. Echte Qualifizierungen kosten eben mehr Geld als sinnentleertes Rumsitzen, Spazierengehen und Puzzeln! Mir fällt inzwischen immer öfter auf, dass eigentlich der Arbeitsmarkt viel zu unqualifiziert für die Erwerbslosen ist.
Am Freitag legte der UN-Klimarat IPCC den ersten Teil seines fünften Weltklimaberichts vor. Die neuesten Prognosen machen deutlich, dass sich der Übergang zu einer globalen Klimakatastrophe beschleunigt. Für diesen Weltklimabericht wurden über drei Jahre 9.200 wissenschaftliche Studien durchgeführt und ausgewertet. Die international erklärte Obergrenze für eine bedrohliche Erwärmung von zwei Grad kann nicht mehr gehalten werden: Dazu müssten die Emissionen sofort um zehn Prozent pro Jahr sinken – im Augenblick steigen sie weltweit jedes Jahr um drei Prozent!
Die internationalen Großkonzerne denken nicht daran, aus der fossilen Verbrennung auszusteigen. Die deutschen Kohlekraftwerke durften 2012 sogar vier Prozent mehr Kohlendioxid ausstoßen. Die notwendige Energiewende wird von der Bundesregierung sabotiert. Setzt sich der momentane Ausstoß von Treibhausgasen ungebremst fort, werden wir 2100 voraussichtlich 3,7 bis 4,8 Grad höhere Temperaturen und einen 63 bis 97 Zentimeter höheren Meeresspiegel auf der Erde haben.
Begierig greifen die Verharmloser der Gefahr einer globalen Umweltkatastrophe aus der Industrie und den ihnen dienenden Regierungen eine Passage des Klimaberichts heraus: Im letzten Jahrzehnt stieg die Erwärmung nicht mehr so schnell wie in den beiden Jahrzehnten zuvor. Schon ist von einer „Erwärmungspause“ die Rede. Die Begründung des Weltklimaberichts für dieses Phänomen interessiert sie überhaupt nicht – Hauptsache, es sind keine Sofortmaßnahmen notwendig, und mit dem rücksichtslosen Raubbau an der Natur können auch weiterhin Höchstprofite gescheffelt werden!
Der Bericht selbst führt dieses Phänomen darauf zurück, dass tiefere Schichten der Ozeane mehr Wärme aufgenommen haben. An den beiden Polen der Erde wird seit Längerem ein vermehrtes Abschmelzen „von unten her“ beobachtet. Forscher des „Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung“ in Bremerhaven haben festgestellt, dass sich das Tiefenwasser der Grönlandsee nach Jahrtausenden weitgehend gleich bleibender Temperatur innerhalb der letzten 30 Jahren um 0,3 Grad – das heißt zehn Mal stärker als der Durchschnitt aller Ozeane – erwärmt hat. Durch die erhöhte Temperatur wurde dort so viel Energie gespeichert, wie sie einer Erwärmung der gesamten Atmosphäre über Europa um vier Grad entspreche, so die Forscher.
Der grönländische Eisschild verliert jährlich rund 227 Gigatonnen an Eis. Die Antarktis am Südpol schmilzt einer neuen US-Studie zufolge durch warmes Meereswasser „unten“ noch schneller ab, als sie durch das Abbrechen einzelner Eisberge verliert. Die Schmelze von unten ist für 55 Prozent der Verluste des Schelfeises verantwortlich. Wenn der Punkt erreicht ist, an dem die Ozeane so viel Wärme gespeichert haben, dass sie diese wieder an die Atmosphäre abgeben müssen, wird sich die Lufterwärmung enorm verstärken.
„Es ist sehr wahrscheinlich (zu 95 Prozent), dass der menschliche Einfluss den Hauptgrund für die globale Erwärmung darstellt“: Damit erteilt der „Weltklimarat“ verschiedenen Märchen der Klima-Skeptiker eine Absage, zum Beispiel dass angeblich die Sonne an allem schuld sei. Aber nicht der Mensch an sich ist Hauptverursacher der Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundgrundlagen, sondern die kapitalistische Profitwirtschaft. Viele Menschen lehnen Atom- und Kohlekraftwerke ab, wünschen sich das Ende der fossilen Verbrennung und der Abholzung der Regenwälder, die Umstellung auf erneuerbare Energie und eine nachhaltige Landwirtschaft.
Der neue Weltklimabericht macht den Aufbau einer weltweiten aktiven Widerstandsfront zur Durchsetzung wirksamer Sofortmaßnahmen für die Rettung der natürlichen Umwelt umso dringlicher. Macht euch nicht die Illusion, es werde schon nicht so schlimm kommen – werdet aktiv für den Aufbau einer kämpferischen Umweltgewerkschaft! Deshalb möchte ich euch einladen zu einem ersten Treffen der Bremer Initiator(inn)en und aller am Aufbau einer Umweltgewerkschaft Interessierten am 26. Oktober 2013 um 14 Uhr im Raum von „Greenpeace“ in der Neustadt (Pappelstraße 35).