41. Bremer Montagsdemo
am 13. 06. 2005  I◄◄  ►►I

 

Jetzt kommt das Merkel-Chaos!

Ursula GatzkeIch bin aufgestanden, um ein Zeichen zu setzen gegen die vielen Ungerechtigkeiten in diesem Land! Die Gerechtigkeit ist auf der Strecke geblieben, weil es nur noch um Macht und Geld geht!

Wer Macht ausübt, denkt erst einmal daran, wie viel Geld er sich in die Tasche schieben kann. Von Rückgrat, Anstand oder christlichem Benehmen in den oberen Etagen ist keine Spur wahrzunehmen!

Wenn ich die Spitzenpolitiker bei einer christlichen Redewendung oder Gebärde sehe oder höre, erscheinen sie mir wie mit einer Maske aus dem Gesicht. Wer nimmt diese Masken noch ernst? Bei Spitzenpolitikern weicht der Verstand, sie haben zu viel Geld in der Hand!

Schröder konnte uns keine menschenwürdige Zukunft schaffen. Nach dem Schröder-Chaos kommt ein Merkel-Chaos! Noch viel größer wird das „Konjunkturjammertal“, doch erst einmal kommen die dicken Lügen vor der Wahl!

Die „Gesundheitsreform“ war solch eine Lüge: Es ist keine Reform, nur eine Abzocke von den Kranken, auch um sich in den Vorständen dickere Gehälter zu geben. Die „Ausgleichszahlung“ von 39 Millionen Euro für die Apotheken ist ein Skandal, denn den Kassen geht es wieder schlechter!

Ulla Schmidt hat uns 2004 belogen: Die meisten Zahnpatienten müssen jetzt viel tiefer in die Tasche greifen. Von 3.452 Euro Gesamtkosten trägt die Kasse gerade einmal 659 Euro, nur noch gut ein Drittel von den 1.830 Euro im Jahr davor! Wer traut sich da noch zum Zahnarzt?

Wir müssten uns vorkommen wie Weicheier: Erst kocht man uns weich, dann schreckt man uns ab! Die kalte Dusche bereiten uns die Kassenvorstände und Ärztefunktionäre: Sie gönnen sich eine Gehaltserhöhung um das Dreifache und mehr! Am meisten zugelangt hat der Chef der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe: Im letzten Jahr verdiente er 49.000 Euro, jetzt kriegt er 221.000 Euro!

Es wird alles so weiterlaufen, das ist unsere „Jahrhundertreform“! Die Rentner kriegen eine Minusrunde nach der anderen: Unten werden alle weiter abgezockt, damit es denen da oben sehr, sehr gut geht! Um solche Missstände anzuprangern, bin ich aufgestanden!

So geht es nicht weiter, Damen und Herren! Wir brauchen eine Reform, sehr dringend sogar, aber erst in euren Köpfen! Nehmt eure Masken endlich ab! Ihr seid miserable Schauspieler!

Ursula Gatzke (parteilos)

 

Die Wendungen
der Prediger des Gegenteils

Hermann SiemeringMorgens Zeitung zur Hand genommen, Augen gerieben, einmal gelesen, nochmals gelesen, nicht für möglich gehalten: Sollte da eine Fälschung vorliegen? Immer wieder auf die Überschrift gestarrt: „Clement: Löhne stärker erhöhen“!

Jetzt angefangen, den Artikel zu lesen. Wollte wissen, um welchen Namensvetter des deutschen Bundeswirtschaftsministers es da ging. Dann wieder die Augen gerieben: Tatsächlich, es ist jener Wolfgang Clement, der jahrelang das Gegenteil predigte!

Gleich noch so eine Überraschung: In Absprache mit Bundeskanzler Gerhard Schröder stimmen auch Finanzminister Hans Eichel und SPD-Chef Müntefering der neuen Forderung zu, die schärfsten Scharfmacher aus der SPD, die uns immer öfter zum Verzicht aufriefen und seit Jahren ermahnten, „den Gürtel enger zu schnallen“ und bei Lohnverhandlungen Zurückhaltung zu üben!

Manche werden sagen: „Endlich haben auch die da oben eingesehen, dass es so nicht weitergeht“. Ich meine: Für wie saublöde halten die uns eigentlich? Da diskutieren zur Zeit einige Leute über ein mögliches linkes Bündnis, schon geht den Herren „der Allerwerteste auf Grundeis“!

Deren Aussagen heute, morgen und bis zur eventuellen Wahl im September sind keinen Cent wert! Es ist die pure Angst vor einer echten Opposition von links! Ich will nur hoffen, dass diese Leute sich einigen und nicht von irgendwelchen „Kleinkarierten“ oder durch von außen reingetragene Anfeindungen leiten lassen!

Hermann Siemering (Verdi)

 

Wo ist Schröder hin?

Wo ist Schröder hin? (Wo ist Schröder hin?) / Auf und schnell davon! / (Auf und schnell davon!) / Was wird Merkel tun? (Was wird Merkel tun?) / Alles wie bisher! / (Alles wie bisher!)

Was bleibt dem Schröder, das Vertrauen ist fort! / Rücktritt? Neuwahl oder Stillstand? / Was tut Frau Merkel, wenn die Wirtschaft es will? / Kürzen? Fordern oder zwingen? / (Fordern oder zwingen?)

Nun sind Kämpfer da! (Nun sind Kämpfer da!) / Für Gerechtigkeit! / (Für Gerechtigkeit!) / Da-seins-sicher-heit! (Daseinssicherheit!) / Arbeit ohne Zwang! / (Arbeit ohne Zwang!)

So sehn die Kämpfer aus, schließt ihnen euch an! / Rausgehn! Montags auf die Straße! / Dort ist der Schröder hin, er rüttelt am Zaun! / Schickt ihn endlich in die Wüste! / (Endlich in die Wüste!) / Weg!

Gerolf D. Brettschneider („Where's your Papa gone?“)

 

Die Märchenstunde

Hans-Dieter Binder1. „Märchenstunde oder neues Finanzloch der Krankenkassen“, so steht es heute im „Weser-Kurier“. Das Märchen von Hartz IV als positiver Reform wird um ein Kapitel bereichert: Erneut lügt die Bundesregierung! Oder ist es Unfähigkeit oder mangelnde Sachkenntnis?

Seit der Einführung des Arbeitslosengeldes II werden für alle ALG-II-Betroffenen Beiträge zur Krankenversicherung und zur Rentenversicherung durch die Behörde bezahlt. Dies wurde speziell für die vorherigen Sozialhilfeempfänger als Verbesserung hervorgehoben. Bezahlt werden diese Sozialversicherungsbeiträge für eine Bemessungsgrundlage von 400 Euro, was zur Deckung der Ausgaben nicht ausreicht. Das liegt aber weder an den Betroffenen noch an den Krankenkassen, sondern an den Rahmenbedingungen von Hartz IV.

Diese Deckungslücke ist dem Gesetzgeber seit langem bekannt: Vor einigen Jahren haben die Krankenkassen im Detail dargelegt, dass sie einen Mindestbeitrag benötigen, um kostendeckend zu wirtschaften. Dieser kommt speziell für Selbständige zur Anwendung und beträgt 1.811,25 Euro als Bemessungsgrundlage für die Beitragshöhe, gut das Viereinhalbfache von 400 Euro. Für Ich-AGs gibt es Sonderregelungen, solange diese Fördergelder von der Behörde erhalten. Es ist etwas zu plump, den Überbringer dieser Botschaft einen „Märchenerzähler“ zu nennen und zu unterstellen, dass dieser eins und eins nicht zusammenzählen kann!

 

2. Ich muss meine Statistikzahlen vom letzten Montag ergänzen, ich habe den „Spiegel“ vom 23. Mai 2005 erst diese Woche gelesen. Ich habe den Erläuterungen der Bundesanstalt für Arbeit zur Statistik entnommen, dass die Arbeitslosenzahlen der Vormonate falsch waren. Dort stand zu lesen: „33.000 Menschen, ehemalige Sozialhilfeempfänger, mussten nacherfasst werden“, sie waren nicht als „arbeitssuchend“ registriert (Seite 6). Aber die Bestandszahlen der Arbeitssuchenden für die Vormonate Februar bis April 2005 haben sich nicht verändert! Verändert hat sich die Angabe „Leistungsempfänger ALG“ (März plus 48.798, April plus 42.690 Menschen), aber nicht die Zahl der arbeitssuchenden Menschen. Ein Taschenspielertrick!

Aber dies ist nur ein Teil der Wahrheit. Im „Spiegel“ steht eine weitere Angabe zu den unerfassten Vorgängen: Es müsse davon ausgegangen werden, dass ein Teil der Anträge von Bedarfgemeinschaften erst mit einer gewissen Zeitverzögerung bearbeitet werde. Dies bedeute nach einer internen Analyse, dass die Ziffer der Langzeitarbeitslosen noch einmal um etwa fünf Prozent nach oben gehen könne. Das entspricht 220.000 Menschen, was bedeutet, dass eine Unterschreitung der Fünfmillionengrenze gar nicht erfolgt ist. Ein Taschenspielertrick!

Wobei die Definition der Statistik „arbeitslos nach den Regeln des Amtes“ bedeutet. Herr Minister Clement versprach: „Wir werden die Fünfmillionengrenze unterschreiten und danach sinkende Arbeitslosenzahlen aufweisen!“ – Na klar, so geht es auch: „Was sagt die Statistik? Leute, wir sind nah dran! Sofort aufhören! Wir machen erst nach dem 15. weiter!“ – Werden so die Zahlen beeinflusst? Oder schafft das Amt einfach Rahmenbedingungen, die diese Auswirkung haben?

Hartz IV ist viel zu teuer, aber das wenigste Geld kommt bei den Betroffenen an, weil die verantwortlichen Minister die Ausgaben schöngerechnet haben und immer noch nicht die Wahrheit sagen. Allerdings konnte der Bund nicht wissen, dass die Gemeinden über 90 Prozent aller Sozialhilfeempfänger auf das ALG II verweisen, dass sie ungeeignetes Personal in die Arbeitsgemeinschaften abstellen, dass sie diese Mitarbeiter zur Erreichung der Zustimmung befördern („Spiegel“ 21/2005), da die Folgekosten die Bundesagentur für Arbeit trägt, und dass diese Gemeinden sich beharrlich weigern, ihre Einsparungen durch weniger Sozialhilfe und Personal zu beziffern, weil der Bund einen geringeren Teil an den Kosten der Unterkunft übernehmen will. Dabei reicht die Rücknahme der Steuersenkungen für sehr gut Verdienende aus, um diese Haushaltslücke zu schließen!

Weiteres Personal in den Ämtern bringt nur eine weitere Kostenerhöhung, Arbeitsplätze werden dadurch nicht geschaffen! Der Ausbau der Ein-Euro-Jobs ist keine Möglichkeit, die Arbeitslosenzahl zu senken, denn jede Maßnahme dauert nur sechs Monate, gefährdet oder vernichtet Arbeitsplätze und kostet inzwischen bis zu 1.000 Euro pro Monat plus Regiekosten im Amt. Ich wünsche mir mehr gesunden Menschenverstand bei den Politikern: Nur eine Korrektur der Verwaltung und eine Abschaffung unsinniger Beschäftigungsmaßnahmen spart Geld und gibt dem Handwerk und den Pflegeberufen die Möglichkeit, sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse zu schaffen!

 

3. Mit der „Gesellschaft für Bildungsinfrastruktur“ ist dem „Weser-Report“ zufolge eine unglaubliche Hauhaltsentlastung gelungen! Gegründet wurde die GmbH vor einem Jahr mit 25 Millionen Euro Startkapital, 16 Mitarbeitern und einem Geschäftsführer sowie dem Ziel, von 2006 bis 2010 jeweils 8 Millionen Euro einzusparen. Für den Geschäftsbetrieb der GmbH hatte Herr Senator Willi Lemke 40 Millionen veranschlagt, davon waren 32 bereits in die Eckwerte des Haushalts 2006/2007 eingeplant. Ich bleibe bei meiner Feststellung, dass ein Senator, der in seinem Haushalt von übrigens 450 Millionen nicht selbst für Ordnung sorgen kann, fehl am Platz ist!

Der Geschäftsführer ist nun gefunden: Er heißt Jürgen Mumdey und ist alleiniger Mitarbeiter der GmbH. Die 8 Millionen will er schon 2006 einsparen, also nach etwas über einem Jahr nach Gründung. Die Mitarbeiter sind noch nicht vorhanden; gewonnen werden sollen sie aus der Behördenstruktur auf freiwilliger Basis. Ihre Zahl ist jetzt variabel, sie hängt von den übertragenden Aufgaben ab. Derzeit erledigen noch Behördenmitarbeiter die Aufgaben, die eines Tages diese GmbH übernehmen soll. Nun zum finanziellen Wunder an der Weser: Im Haushalt 2006/2007 ist der Eckwert gesunken! Eingeplant waren 32 Millionen, erhöht werden sollte auf 40 Millionen, jetzt sind nur noch 350.000 eingeplant, also 2006 und 2007 jeweils 175.000 Euro für die Arbeitsfähigkeit von Geschäftsführer und Vorzimmer.

Es bleiben einige Fragen offen: Wie ist Herr Senator Willi Lemke nur auf die 40 Millionen Euro gekommen? Wieso kann er nicht auch noch diese 350.000 Euro sparen? Auch das Stammkapital der GmbH mit 25 Millionen wäre dann sofort wieder verfügbar, der Schaden begrenzt auf Gründungskosten, bisher angefallene Betriebskosten – und Auflösungskosten. Ein mutiger Schritt in die richtige Richtung! Oder eine Reaktion auf die Rahmenbedingungen?

 

4. Mein einschneidendes Erlebnis mit der Polizei hier in Bremen war 1968 die Erhöhung der Fahrpreise. Im Laufe der 40 Montagsdemos hat sich mein Verhältnis zur Polizei stark verbessert. Bei den Einsparungen wurde auch beschlossen, im Polizeidienst keine Neueinstellungen vorzunehmen und nur einen Teil der Polizeischüler zu übernehmen. Sehr kurzsichtig! Auch die Erhöhung des Rentenalters für Streifenpolizisten ist nicht nachvollziehbar.

Jetzt war die Polizei unter der Überschrift „Wie sicher ist unsere Stadt noch?“ wieder in den Schlagzeilen („Weser-Report“, 12. Juni 2005). Beklagt wurden 183.000 Überstunden, weniger Personal, längere Lebensarbeitszeit und Mittelkürzungen. Leider wurde auf das Schicksal der jetzt fertigen Polizeischüler nicht eingegangen. Ich wünsche mir die vollständige Übernahme aller Polizeischüler, schon um Bremen Schadenersatzansprüche zu ersparen.

Weitsichtig muss das Handeln des öffentlichen Arbeitgebers sein, denn für Fehlentscheidungen hat er bei einer hoheitlichen Ausbildung einzustehen. Jetzt soll die Bereitschaftspolizei um eine weitere Hundertschaft aufgestockt werden. Kann das Prinzip „Günstigkeit vor Qualität“, zu Lasten der Arbeitnehmer, eine Lösung sein?

 

5. Eichel und Clement haben ein neues Thema entdeckt, freiwillig oder als Geschickte wie zuvor Müntefering: Plötzlich ist die Nachfrage wieder wichtig. Sie wird durch eine Erhöhung des verfügbaren Einkommens geschaffen. Lohnerhöhung ist angesagt! Keine Angst mehr vor Betriebsabwanderung, keine Angst mehr um die Produktionskosten in Deutschland!

Dies ist erneut eine Rückkehr zur Wahrheit, nur die Begründung stimmt nicht: Die erhöhten Gewinne der Unternehmen resultieren nicht aus dem normalen Betriebsgeschehen, es handelt sich in der Spitze fast ausschließlich um Sanierungsgewinne aus dem Personalabbau!

Wegen der Leistungskürzungen bei den verbliebenen Arbeitnehmern stehen in den Unternehmen jetzt Gewinne an; bei Siemens 4.000 Euro für jeden Mitarbeiter. Dies folgt aus einer Erhöhung der Regelarbeitszeit auf 40 Stunden, zum Teil nicht einmal mit Lohnausgleich, aus einer Reduzierung der Arbeitszeit auf 30 Stunden oder weniger bei voller Lohnkürzung mit dem gleichen Aufgabenbereich und aus einer Streichung der Zuschläge für Überstunden. Diese Liste lässt sich fortsetzen; selbst im öffentlichem Dienst gibt es befristete Arbeitsverträge. Insgesamt erhöht sich der Leistungsdruck auf die Beschäftigten.

Jetzt verfallen diese Politiker auf die Idee: „Ermuntern wir doch zu Lohnerhöhungen!“. Haben sie nicht berücksichtigt, dass Millionäre nicht mehr Geld ausgeben, wenn sie weniger Steuern zahlen? Ob Herr Ackermann sich schon bei Herrn Schröder bedankt hat? Die Steuersenkungen für sehr gut Verdienende beläuft sich auf über zehn Prozent, für Herrn Ackermann somit circa eine Million Euro pro Jahr. ALG-II-Betroffene wüssten sofort, wofür sie eine Erhöhung des Regelsatzes verwenden könnten; ein Mittelzufluss an die Hedgefonds wäre bestimmt nicht dabei!

Allein die Kaufkraftverluste durch die Einführung des ALG II bedrohen massiv den Einzelhandel und damit die Beschäftigten, auch in Bremen. Dies ist der Bundesregierung bekannt und wurde in den neuen Bundesländern durch Extrazusagen und viel Geld ausgeglichen, sonst hätten diese Länder ihre Zustimmung verweigert!

 

6. Bremen hat die Sanierungszeit beendet: Das Geld ist weg, die Schulden wurden erhöht, allein 2004 erneut um 889 Millionen Euro, obwohl 360 Millionen als letzte Sanierungsrate eingegangen sind. Senator Nußbaum hat den Sanierungsbericht vorgelegt. Er gesteht zu, dass die tatsächliche finanzielle Lage Bremens wesentlich schlechter ist als die gefühlte Situation. Und ich dachte immer, die haben eine Buchführung!

Aber Herr Senator Nußbaum hat ein Ziel: mehr Arbeitsplätze! In der Zeitung stand in den letzten Wochen, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Sanierungszeitraum zurückgegangen ist; dies war eine Anfrage der Grünen. Die Anfrage der CDU hat dann eine fast gleichbleibende Beschäftigung ergeben; hier wurden die geringfügigen Beschäftigungen mitgezählt.

1994 gab es 299.037 Beschäftigte laut Statistischem Jahrbuch 2005 der Arbeitnehmerkammer Bremen, 2005 gemäß Arbeitsamt noch 272.800. Es sind also 26.237 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze trotz des vielen Geldes verloren gegangen. Der Herr Senator hat aber nicht ausgeführt, was er ändern wird. Fest steht: Die Sparbeschlüsse kosten weitere sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze.

Und wir haben immer noch die gleichen Politiker; der Nußbaum ist zwar neu, aber schon gut eingearbeitet. Reaktion der Handelskammer: Bremen müsse selbständig bleiben; es gebe zehn Punkte, die dafür sprächen. Wieso soll ein Mensch in Bremen einen Senat, der total abgewirtschaftet hat, oder ein schlechteres Kultur- und Bildungsangebot akzeptieren? Wie lange kann der Hinweis auf die Selbständigkeit Bremens die schlechteren Lebensbedingungen überlagern? Die Hansestadt hat die meisten Millionäre, und wenn denen an der Selbständigkeit Bremens liegt, sollen diese doch den Fehlbetrag ausgleichen! Oder fehlt auch hier das Vertrauen in den Senat?

Der Länderfinanzausgleich wurde aufgrund der letzen Klage Bremens neu geregelt, mit aktiver Beteiligung von Bürgermeister Henning Scherf, wenn mein Gedächtnis mich nicht täuscht. Wieso ist von ihm eine für Bremen so schlechte Lösung akzeptiert worden? Der Finanzierungsplanungsrat bekommt am Monatsende den Bericht vorgelegt; die Finanzminister der anderen Länder werden die Bremer Sanierungsbemühungen dann verdauen. Mühe allein reicht eben nicht, das Ergebnis zählt!

Der kleine Mann und die kleine Frau in Bremen müssen darunter leiden. Diese Menschen haben keinen Vorteil vom kurzen Weg zum Rathaus oder vom Händedruck des Bürgermeisters. Sie haben kein Interesse an einer Bremer Regelung! Daher Montagsdemo: Kopf zeigen! Wir schaffen eine Zukunft mit neuen Politikern!

Hans-Dieter Binder

 

Delegierte gewählt

Bei sonnigem Wetter waren etwa 50 bis 60 Leute zur 41. Bremer Montagsdemo gekommen. In verschiedenen Beiträgen wurde hervorgehoben, dass die Schröder-Regierung zum Abdanken gezwungen wird, was nicht zuletzt das Verdienst der Montagsdemo-Bewegung ist. Den Herrschenden ist es nicht gelungen, diese selbständige soziale Bewegung kaputtzukriegen oder zu vereinnahmen. Das ärgert sie.

Die eventuell kommende CDU-Regierung braucht nicht zu meinen, dass wir uns von ihr mehr gefallen lassen als von der jetzigen! Die Ankündigungen von Stoiber und Merkel (Mehrwertsteuer rauf, Schnitte ins „soziale Netz“) sind eine Kriegserklärung! Diesen Krieg können sie haben: „Ich bin aufgestanden“ hieß es in einem Beitrag, „wir stehen alle auf“ in einem anderen.

In zwei Reden wurde das neue „Bekenntnis“ von Eichel, Clement und Schröder für höhere Löhne auf die Schippe genommen. Seltsam, was kurz vor der Wahl diesen Herrschaften einfällt, haben sie doch bisher immer gepredigt, der „Standort Deutschland“ müsse durch „Senkung der Kosten für Arbeit“ konkurrenzfähiger gemacht werden! „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und diese Bundesregierung hat uns schon tausendmal belogen! Wir fallen darauf nicht rein! Die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben werden den Kampf um höhere Löhne und Gehälter auch nicht von der gnädigen Zustimmung Schröders abhängig machen!“

Beifall und Anerkennung fand auch ein Beitrag, in dem als Erfolg des von einem Montagsdemonstranten erstellten Mietspiegels herausgestellt wurde, dass definitiv bis September kein ALG-II-Empfänger wegen zu hoher Miete umziehen muss. Bevor die kurze Demo durch die Obernstraße losging, wurden Stimmzettel für die Wahl der Bremer Bevollmächtigten zur bundesweiten Delegiertenkonferenz am 2. Juli in Hannover verteilt. In geheimer Wahl wurden drei Delegierte gewählt und beglückwünscht. Den Abschluss auf dem Marktplatz bildete wieder die „Anti-Hartz-IV-Hymne“, bei der sich alle an den Händen hielten, so wie wir es bei der großen Demo in Gelsenkirchen erlebt hatten. Auch bei uns stärkt das unser Zusammengehörigkeitsgefühl.

Jobst Roselius für dieBundesweite Montagsdemo

 

Eine andere Welt ist möglich

Die Senatspolitik behandelt Bremen als Experimentierfeld einer neoliberalen Globalisierung. Bremen hat so die Funktion eines negativen Vorbilds, eingebunden in einen Prozess weltweiter Ausbeutung. Diese war bisher hauptsächlich auf die Entwicklungsländer konzentriert, zieht nun aber auch in die industriellen Metropolen der bisherigen Wohlfahrtsstaaten ein.

StadtmusikantenDamit einher geht eine Entdemokratisierung der Gesellschaft und eine verstärkte Umverteilung von unten nach oben (Hartz, Agenda 2010, Gesundheitsreform). Auf Bremen bezogen, steckt hinter der gescheiterten Haushaltssanierungspolitik der Großen Koalition ein neoliberales Enteignungsprogramm mit den bekannten Folgen für die Bürgerinnen und Bürger: Vernichtung von Jobs im Öffentlichen Dienst, Verkauf öffentlichen Eigentums, Kürzungen in allen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge, wachsende Armut, Bildung und Kultur in miserablem Zustand bei gleichzeitigen Millionensubventionen für Großprojekte wie den „Space-Park“.

Dem setzen wir entgegen: Eine andere Welt ist möglich, ein anderes Bremen auch! Die Demonstration am Samstag soll allen Teilnehmenden die Möglichkeit bieten, ihre Anliegen auch auf die Straße zu tragen. So wie die Sozialforen einen Ort der offenen zivilgesellschaftlichen Debatte über die zukünftige gesellschaftliche Entwicklung schaffen und damit einen praktischen Beitrag zur Wiederaneignung der Diskussionshoheit leisten, steht auch die Demo im Zeichen symbolischer Wiederaneignung: Holen wir uns zurück, was uns der Neoliberalismus genommen hat! Die Stadt gehört uns!

Unter diesem verbindenden Motto haben alle Teilnehmerinnen die Möglichkeit, ihre Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen, sofern sie nicht in inhaltlichem Widerspruch zur Charta von Porto Alegre stehen. Wie das Sozialforum lebt auch die Demo von den Teilnehmenden, von vielfältiger Aktion, Transparenten und Musik!

Die Demonstration am Samstag, dem 18. Juni 2005, beginnt um 15 Uhr am Lagerhaus in der Schildstraße, erreicht um 16 Uhr den Goetheplatz und führt um 17 Uhr zurück ins Lagerhaus. Zuvor, um 13 Uhr, gibt es dort im Freizeitraum einen Workshop der Arbeitnehmerkammer und der Initiative Bremer Montagsdemo zur Aufklärung über die tatsächlichen Absichten und die Folgen der Hartz-Gesetzgebung; berichtet wird auch über praktische Erfahrungen mit Betroffenen. Darüber hinaus bietet das Sozialforum vom 17. bis 19. Juni ein sehr umfangreiches Veranstaltungsprogramm.

Till Mossakowski und Peter Erlanson für dasBremer Sozialforum
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz