40. Bremer Montagsdemo
am 06. 06. 2005  I◄◄  ►►I

 

Die „Familien-Falle“

Ursula GatzkeEs wird gespart! Einige Maßnahmen aus dem Hause von Sozialsenatorin Röpke (SPD) wurden schon umgesetzt. Junge Menschen bis zum 25. Lebensjahr mit Behinderung, die daheim ausziehen wollen, werden darin von der Behörde, anders als bisher, nicht mehr unterstützt. Erwünschte Wirkung ist eine Vermeidung von „Fallzahlensteigerungen“!

Liebe Mitmenschen, setzt euch ganz in Ruhe hin! Ich habe nur eine Minute nachgedacht über „Fallzahlensteigerungsvermeidung“, und mir ist ganz schwindelig geworden! Unsere Politik fährt Karussell, und ich sitze da mit drin!

Erst das Gejammer unserer Volksvertreter, die Babys fehlen in Deutschland! Dann das sehr ungerechte Zwangsgeld von Kinderlosen! Nun das „Zwangsaussitzen“ im Elternhaus bis zu 25 Jahren für Behinderte! Ich bin nicht davon betroffen, aber es macht mich immer wieder sauer, das Abzocken bei den Ärmsten und Hilflosesten, um das eingesparte Geld oben zu verteilen!

Es ist erst 27 Wochen her, dass der „Weltgeist“ Günter Grass zu Gast in Bremen war und 500.000 Euro aus einer „Geisterschatulle“ geschenkt bekam, ein Geldgeschenk, dass er nicht hätte kriegen dürfen!

Man holt das Geld unten wieder rein, das nennt man dann „Sparen“! Und das ist erst der Anfang! Unsere Volksvertreter bestimmen die „Zukunft“ der Kinder und Eltern: Sie kann grausam werden! Diese Zukunft heißt auch: mehr Elternangst, es könnte ein behindertes Kind werden! Arme Eltern! Armes Kind! Arme Zukunft! 2010 werden Behinderte, wenn sie zu Hause ausziehen wollen. dann wohl bis zum Alter von 30 Jahren von den Behörden nicht unterstützt!

Wird Ihnen schwindelig? Mir schon! Wo bleibt der Anreiz, in Deutschland Kinder zu bekommen? Das ist eine „Familien-Falle“! Angst und Wut kriegen heute alle! Ich bedaure schon jetzt meine Enkel, die in so eine Zukunft müssen, wegen totaler Versager in der Politik!

Ursula Gatzke (parteilos)

 

Die größte Monarchie der Welt...

Hermann SiemeringEs hat alles seinen Zusammenhang: Kriegsminister Struck räumt ein, es können auch deutsche Soldaten bei militärischen Einsätzen ums Leben kommen. Für diese müssen Voraussetzungen durch neue Technik geschaffen werden. Die ganze Welt wird Einsatzgebiet der Bundeswehr! Das kostet die Steuerzahler 30, 40 oder mehr Milliarden Euro pro Jahr. Die Schulden des Bundes werden 2005 auf circa 860 Milliarden steigen!

Jeden Werktag gehen 2.000 versicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren. Hartz IV ist der größte Flop! Immer mehr Menschen werden in die Armut gedrängt. Nach verlogener Statistik gibt es fünf Millionen Arbeitslose – alles „Kunden“ nach dem neuesten Sprachgebrauch. Wie heißt ein Sprichwort so schön: „Der Kunde ist König“. Da haben wir in Deutschland mit fünf Millionen Königen wahrscheinlich die größte Monarchie der Welt!

Beispiele für neuen Sprachgebrauch gibt es inzwischen ein Dutzend: Ich-AG, Personal-Service-Agentur, ALG II, Fallmanager, In-Jobs und so weiter, alles zur Vernebelung in den Köpfen der Menschen. Entlassungen heißen dann „Freisetzung“ oder „Betriebsverschlankung“. Und wenn eine Regierung dann merkt, jetzt kommt das Ende, wird noch mal schnell zugeschlagen fürs eigene Wohlergehen!

Ich sah wieder die krankmachende Ministerin Schmidt in der Flimmerkiste: In ihrem Sozialministerium werden schnell vor dem Untergang noch mehr als hundert Mitarbeiter befördert. Natürlich wird beteuert, das habe mit den kommenden Neuwahlen nichts zu tun, es hänge mit der Zusammenlegung von Gesundheits- und Arbeitsministerium zusammen. Aber andere Ministerien folgen!

Eigentlich verbietet mir meine Erziehung, Kraftausdrücke zu benutzen. Doch man kann wirklich nicht so viel essen, wie man kotzen möchte! Sicher wird über Wahlen noch einiges zu sagen sein, aber längst ist klar: Ob SPD, Grüne, CDU oder FDP, sie alle verdienen keine Stimme der zig Millionen Betroffenen!

In einem Land, wo Wissenschaftler und Kulturverantwortliche, wie „Pisa“ gezeigt hat, nicht in der Lage sind, unsere Kinder und Kindeskinder richtig lesen und schreiben lernen zu lassen, in solch einem Land ist es auch möglich, dass Großkapitalisten und regierende Politiker mit dem Volk machen können, was sie wollen – auch wieder Soldaten in den Tod schicken. Aber nur so lange, wie wir uns das gefallen lassen!

Hermann Siemering (Verdi)

 

Die Vorratswirtschaft

Hans-Dieter BinderDie Statistik der Bundesregierung wurde veröffentlicht, und kaum einer hat es gemerkt: Die Zahl der Arbeitslosen ist weiter gesunken, aber Herr Wiese mahnt, es gebe keine Entspannung. Als Ursache nennt er saisonbedingte Auswirkungen. Der weitere Grund, die Ausweitung von Ein-Euro-Jobs und Ich-AGs, fehlt in dieser Begründung.

In Bremen gibt es immer noch 75.443 arbeitssuchende Menschen, davon 53.976 Arbeitslose nach den Vorschriften der Statistik. Vorhanden sind aber nur circa 2.485 sofort zu besetzende Stellen und etwa 880 Ein-Euro-Jobs. Der Rückgang an Arbeitslosen beträgt laut Statistik 1.238, derjenige an sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten 1.700 Menschen, wobei diese Angabe für den Vormonat nachträglich um 1.000 nach unten korrigiert wurde! Nehmen wir die Aussagen dieser Statistik, haben wir keine stimmenden Zahlen!

Es werden 4.806.589 Arbeitslose gezählt, dazu 229.568 Menschen, die die 58er-Regelung unterschrieben haben, sowie 1.319.507 in Maßnahmen Beschäftigte, das sind insgesamt 6.355.664 Menschen. Hinzu kommen jene, deren Arbeitsplatz in Gefahr ist. Alle diese Menschen haben Sorgen! Und unser Herr Bundeskanzler sorgt sich um seinen Rücktritt: So etwas kostet schließlich viel Geld, nicht nur das Überbrückungsgeld, das auch beim erzwungenen Rücktritt gezahlt wird. Anders bei der Bundeswehr, dort entfallen alle Versorgungsansprüche bei unehrenhafter Entlassung.

Doch die falschen Zahlen sind gemäß den Erläuterungen der Bundesagentur für Arbeit vorläufig und mit all den Bedenken wie in den Vormonaten behaftet. Nur teilweise gab es brauchbare Zahlenmeldungen aus den Städten, aber eine Besserung ist in Sicht, denn auf Seite 12 heißt es: „Durch den Abbau von Bearbeitungsrückständen kommt es zu umfangreichen Nacherfassungen für die ersten vier Monate des Jahres, die dazu führen, dass Eintritts- und Bestandszahlen rückwirkend nach oben korrigiert werden. In welchem Umfang der aktuelle Monat untererfasst ist und in den kommenden Monaten nach oben korrigiert werden muss, ist im SGB-II-Bereich zur Zeit nicht abschätzbar“. Natürlich erfolgt die Änderung ohne besondere Erläuterung.

Außerdem habe ich den Eindruck, dass auch diesmal die textliche Erläuterung, also die Erklärung am Anfang, nicht mit dem reinen Zahlenwerk übereinstimmt: 33.000 Menschen, ehemalige Sozialhilfeempfänger, mussten nacherfasst werden. Sie waren nicht als arbeitssuchend registriert (Seite 6), aber die Bestandszahlen der „Arbeitssuchenden“ für die Vormonate Februar bis April 2005 wurden nicht korrigiert. Verändert hat sich die Angabe „Leistungsempfänger ALG“ (im März plus 48.798 Menschen, im April plus 42.690), aber nicht die Zahl der arbeitssuchenden Menschen. Ein Taschenspielertrick!

In diesem Zusammenhang wird vom „Bestand“ an Arbeitslosen und offenen Stellen geredet. „Bestand“ ist ein Begriff aus der Wirtschaft: Nur mit angemessen Beständen kann ein Betrieb effektiv arbeiten. Es wäre schön, wenn die Bundesagentur für Arbeit sich von der Vorratswirtschaft auf das Just-in-Time-Prinzip umstellen würde: Jeder Arbeitssuchende erhält sofort ein Angebot oder erleidet nur einen Einkommensverlust von zehn Prozent wie in Dänemark. Der Arbeitsplatzverlust hätte seinen Schrecken verloren, und die Menschen könnten zuversichtlich handeln!

Das ALG II lässt sich nicht ohne weiteres abbestellen: Im „Hamburger Abendblatt“ stand, Ich-AGs erhielten ALG II zusätzlich, ohne Antrag. Erst massiver Protest beim Sachbearbeiter soll jetzt die Zahlung versiegen lassen. – Herr Schneider von der Bagis Bremen schilderte im „Weser-Kurier“ den umgekehrten Fall: Zahlungen bleiben unerklärlicherweise aus, die Betroffenen stehen bei der Bagis Schlange. Schuld ist nur die EDV!

Herr Wiese aus Nürnberg hat geklagt, er halte nichts mehr von den gemeinsamen Ämtern: Strittige Entscheidungen werden ausgewürfelt, es kann keiner entscheiden. Und wir wundern uns über das Ergebnis! Die Rückversetzungsanträge aus diesen gemischten Ämtern häufen sich: Ohne klare Verhältnisse kann keiner vernünftig arbeiten, und die Richtlinie, so wenig wie möglich auszahlen, kann nicht jeder Mitarbeiter durchhalten. Daher Montagsdemo! Kopf zeigen: Wir schaffen eine Zukunft mit neuen Politikern!

Hans-Dieter Binder

 

...wenn der Kunde König wäre
bei der Agentur für Arbeit

Zu unserer 40. Montagsdemo in Bremen mit Kundgebung um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz, mit Hallo und Beifall begrüßt, war leider wieder nur ein kleiner Kreis gekommen: Wir zählten circa 50 Teilnehmer. In mehreren Beiträgen wurde das „Schmierentheater“ in Berlin durchgenommen.

Die ganzen Beschuldigungen und gegenseitigen Rechtfertigungen sind nur noch auf nicht mehr prüfbaren Zahlen aufgebaut. Mit permanenter Trickserei an der Statistik versucht die Regierung, ihr absolutes Versagen zu kaschieren, aber ohne Erfolg bei den Massen. Die Menschen haben es satt!

Die Abstimmung der Niederländer über die sogenannte EU-„Verfassung“ schickte nach der deutschen und der französischen die dritte Regierung in die politische Krise. Und daran haben wir ganz schön Anteil!

Auch wenn die Montagsdemobewegung kleiner geworden ist, ihr harter Kern ist nicht klein zu kriegen. So ist es das erste Mal nach dem Krieg, dass die Regierung den aktiven Widerstand nicht brechen, einlullen oder neutralisieren kann!

Andere Beiträge befassten sich mit der Mietsituation, den Halbwahrheiten, die die „Bagis“ ausstreut, und damit, dass intensiv gegen alle Einschüchterung vorgegangen werden muss. Aus der gegebenen Amtsführung durch „Bagis“ und Sozialsenator kann es nur eine Forderung geben: Der abgewirtschaftete Bremer Senat soll mit der Berliner Regierung zugleich abtreten! Meine Damen und Herren, machen Sie den Weg frei!

Jobst Roselius für dieBundesweite Montagsdemo
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz