1. Trotz des „Wirtschaftsaufschwungs“ haben es Langzeitarbeitslose weiterhin schwer, eine feste Anstellung zu bekommen. Nur knapp 15 Prozent von ihnen konnten 2011 in Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden. Praktischerweise zählte die Bundesagentur für Arbeit damit gleich 85 Prozent der Betroffenen nicht mehr als langzeitarbeitslos, obwohl sie nicht sofort den Sprung ins normale Erwerbsleben schafften. 35 Prozent wurden aufgrund von „Arbeitsunfähigkeit“ nicht mehr als langzeitarbeitslos registriert. 11,1 Prozent galten aufgrund „fehlender Verfügbarkeit oder Mitwirkung“ nicht mehr als langfristig Jobsuchende. Weitere 23 Prozent waren nicht mehr langzeitarbeitslos, weil sie von einer arbeitsmarktpolitischen Wie-auch-immer-Maßnahme „profitieren“ dürfen.
Laut der BA-Sprecherin gelinge es, 50 bis fast 70 Prozent der Teilnehmer dieser „Förderungen“ in den Arbeitsmarkt zu „integrieren“. Von denjenigen, die 2011 weniger als zwölf Monate erwerbslos waren und ebenfalls ihre Arbeitslosigkeit beendeten, erhielt gut jeder Dritte einen richtigen Job. Die BA erfreut sich daran, dass ihre adrett frisierten Zahlen mit dem Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Erwerbslosen von 35 Prozent unter dem EU-Durchschnitt von 42 Prozent läge. Deswegen will die BA nicht „noch mehr“ für Langzeitarbeitslose tun, also Fördergeld weiter kürzen, weil angesichts einer Million offener Stellen die Chancen, eine Arbeit zu finden, „so gut wie nie“ seien. Dass es sich bei diesen offenen Stellen mit großer Wahrscheinlichkeit um Dumpinglohn- oder 400-Euro-Jobs handelt, von denen niemand vegetieren, gar leben kann, scheint dabei nicht zu interessieren – Hauptsache, die Frisur sitzt!
2. Weil beim abgehängten Prekariat massiv gespart werden soll, droht nun selbst Ein-Euro-Jobs das Aus, da sie privaten Unternehmen keine Konkurrenz machen dürfen. Grund ist die sogenannte Instrumentenreform in der Arbeitsförderung, die zum 1. April 2012 wirksam wird. Sie verschärft die gesetzlichen Vorschriften für Ein-Euro-Jobs zusätzlich, indem die umstrittene Maßnahme seltener bewilligt werden soll. Künftig müssen die Anbieter gewährleisten, dass die Arbeitsgelegenheit nicht nur von „öffentlichem Interesse“ und „zusätzlich“ ist, sondern auch „wettbewerbsneutral“. Nun schlagen Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände Alarm und prophezeien einen drastischen Rückgang der sogenannten Förderungen für Langzeitarbeitslose. Wenn jetzt viele soziale und kulturelle Einrichtungen, die auf Ein-Euro-Jobber angewiesen sind, um ihre Existenz bangen müssen, dann ist das in meinen Augen ein deutliches Indiz dafür, dass es hier um ganz normale Arbeitsplätze geht, die eben weder „zusätzlich“ noch „von öffentlichem Interesse“ oder gar „wettbewerbsneutral“ gewesen sind!
Obwohl eine Studie des „Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung“ deutlich aufzeigt, dass Ein-Euro-Jobber schwerer eine neue Stelle finden, weil zum Beispiel die durch den Billigjob erworbene „Qualifikation“ völlig an den Erfordernissen des ersten Arbeitsmarktes vorbeigeht, oder weil Ein-Euro-Jobs Langzeitarbeitslose stigmatisieren, woraus Arbeitgeber diese Tätigkeit als Indiz für eine mangelnde Beschäftigungsfähigkeit ansehen könnten, behauptet nun eine andere Studie des Nürnberger „Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung“, dass Ein-Euro-Jobs den Aufstieg in den regulären Erwerbsmarkt begünstigen, weil sie „mehr mit echter Arbeit zu tun“ haben als manch andere Fortbildung. Wenn wir wissen, dass das Nürnberger Institut 1967 als Forschungseinrichtung der Bundesanstalt für Arbeit gegründet wurde, ahnen wir jedoch, welche Interessen hier vertreten werden müssen.
Ich finde, die Fachleute von DGB und Wohlfahrtsverband sollten nicht darüber jammern, dass es für die wegfallenden Maßnahmen keinen Ersatz gebe. Sie sollten sich vielmehr dafür einsetzen, dass hier anständig bezahlte sozialversicherungspflichtige Stellen geschaffen werden! Ich bin jedenfalls froh darüber, dass die ausbeuterischen, reguläre Arbeitsplätze vernichtenden Ein-Euro-Jobs immer weiter abgebaut werden. Diese Jobs brachten den Langzeiterwerbslosen null Chancen, auf den ersten Arbeitsmarkt zu kommen, im Gegenteil, und sie füllten bloß den Leuten auf den Chefsesseln der Trägergesellschaften die Taschen!
3. Im Schleswig-Holsteinischen Kappeln wollte beziehungsweise musste der ALG-II-Bezieher Thomas Rudolph mit einem Lebensmittelgutschein in Höhe von 30 Euro einkaufen gehen. Bei Lidl wurde sein Gutschein zwar akzeptiert, doch wurde ihm mitgeteilt, dass er nur hauseigene Artikel, keine Markenprodukte einkaufen könne. Diese unangemessene Einschränkung wurde ihm quer durch den Supermarkt von der Kassiererin zugerufen, nachdem sich diese offenbar Instruktionen vom Filialleiter bezüglich des Lebensmittelgutscheines geholt hatte. Dieser beschämend entwürdige Umgang machte Thomas Rudolph ebenso zu schaffen wie der Umstand, dass Lidl-Mitarbeiter sich augenscheinlich zu entscheiden erdreisteten, was er zu essen bekomme und was nicht.
Tatsächlich gibt der Lebensmittelgutschein im Din-A4-Format „nur“ drei Einschränkungen vor: Der Nutzer muss sich ausweisen können, und es dürfen an ihn keine Zahlungen (also auch kein Wechselgeld) geleistet werden. Außerdem wird er wie ein Kind bevormundet: Er darf mit dem Gutschein weder Tabak noch Alkohol erwerben. Auch wenn Lidl den Vorfall bedauert, der natürlich nicht legitim war, bleibt bei mir die Frage offen, was da gegenüber einem heutigen Ausgegrenzten, einem „Paria“, abgelaufen ist: ob in vorauseilendem Gehorsam über die Stränge geschossen wurde – bei der Erfüllung der vermeidlich notwendigen Beschämung und Drangsalierung, im Sinne von Abwertung eines Erwerblosen gegenüber einem Jobinhaber –, und ob die eigene Aufwertung dabei geglückt ist?
4. Immer mehr Firmen versuchen neue Tricks, um Lohndrückerei zu vertuschen. Nachdem nun gesetzlich der Missbrauch von Leiharbeit mehr und mehr eingedämmt wurde, suchen Unternehmen, die den Hals nicht voll genug bekommen können, nach neuen Wegen, den Grundsatz Equal Pay, also gleichen Lohn für gleiche Arbeit, bei der Zeitarbeit zu umgehen. In einer neuen Kombination von Leiharbeit mit Werkverträgen soll hier eine Möglichkeit gefunden werden, ohne lästigen Betriebsrat die Profitgier zu befrieden. In einem Billiglohnmodell sollen sich mit den Werkverträgen Menschen nur noch als „Sachausgaben“ verbuchen lassen, als Zahlen und Nummern. Da werden zum Beispiel 150 Leiharbeiter bei Siemens mit der Zusage eingestellt, nach 18 Monaten als Festangestellte mit vollem Lohn übernommen zu werden. Nur werden sie dann leider ausgerechnet ganz kurz vor der Festübernahme gekündigt.
Parallel schließt Siemens neue Verträge mit dem Logistikunternehmen Simon Hegele, nämlich Werkverträge. Nun leiht sich Hegele die Leiharbeiter aus, die Siemens zuvor ausgeliehen hatte, und schickt sie wieder zurück zu Siemens. Trotz des Herumgeschiebes auf dem Papier bleiben die Leiharbeiter zwar im gleichen Job, werden aber um ihren Lohn geprellt: Sie haben nach wie vor bis zu 40 Prozent weniger in ihrer Lohntüte als die Festangestellten. Anders als Leiharbeiter lassen sich Werkarbeiter wie Material be- und abbestellen. Kritiker bezweifeln die Rechtmäßigkeit dieser windigen Praxis. Wenn in der ersten Schicht eigene Leute arbeiten, in der zweiten jedoch fremde Leiharbeiter, dann muss überprüft werden, ob es sich hier um einen Scheinwerkvertrag handelt. Mit diesen kalten juristischen Winkelzügen werden immer neue Tricks gesucht, niedrigste Billiglöhne zu zahlen, Löhne, von denen viele Menschen nicht mehr leben können.
5. Ich begrüße es sehr, dass die Bremer Straßenbahn AG erst mal bis zum 29. Februar 2012 Obdachlose zum Aufwärmen von der Eiseskälte kostenlos in ihren Bussen und Bahnen mitfahren lässt. Dazu können Wohnungslose das gesamte Streckennetz nutzen und sich im hinteren Teil der Fahrzeuge aufhalten. Allerdings müssen die Obdachlosen an den Endhaltestellen kurz wieder aussteigen. Sie dürfen, wie alle anderen auch, in den Fahrzeugen weder essen noch trinken. Die Busse und Bahnen fahren sowieso, und die BSAG kann ein bisschen Reklame für sich als Unternehmen von Gutmenschen machen, die ein Herz für Obdachlose gefunden haben. Wenn es ohne Ausgrenzung gegangen wäre, die an frühere amerikanische Rassengesetze und deutsche Zustände im Jahr 1933 denken lässt, wäre einfach kritiklose Freude möglich gewesen. Aber die BSAG muss ja an ihre zahlenden Fahrgäste denken, die sich möglicherweise belästigt und beeinträchtigt fühlen könnten. Doch dies kann auch ein Vorurteil sein, weil sich Obdachlose gar nicht unbedingt von anderen Menschen äußerlich unterscheiden müssen oder gar unangenehm riechen. Schwarze Schafe gibt es überall.
An das „Bremer Friedensforum“! Sehr geehrte Damen und Herren, ich erlaube mir Ihnen vorzuschlagen, neben Ihrem Logo der „Bremer Stadtmusikanten mit Friedenstaube“ auch das „Universal Logo For Human Rights“ auf Ihre Website und in Ihre Publikationen aufzunehmen, denn Frieden und Menschenrechte sind untrennbar, denke ich. Dann noch eine Frage: Sie verwenden auf Ihrer Website die Bremer Stadtmusikanten quasi als Ihr Logo. Warum haben Sie Ihre Friedenstaube nicht auf den Hahn der Stadtmusikanten gesetzt? Warum haben Sie den Hahn „weggemobbt“? Beim Anblick des „Bremer-Friedensforum“-Logos stellt sich – gewiss nicht nur hier in Berlin – die Frage: Wurde der eine Vogel zugunsten des anderen „abgeschossen“?
Überall auf der Erde gehört der Hahn zu den Bremer Stadtmusikanten wie der Esel, der Hund und die Katze. Warum also fehlt hier ein Original? Der Verdacht kommt auf: Die Friedenstaube hat den Hahn verjagt. Doch nein, das kann nicht sein: Das macht eine Friedenstaube nicht! Sollte etwa die Katze... oder der Hund... oder der Esel...? Auch das sollte man nicht annehmen, war doch jeder von den Vieren ein Opfer der Vertreibung. Deshalb wollte man zusammenhalten und nach Bremen gehen. Warum also fehlt jetzt der „Vierte im Bunde“? Mein Vorschlag aus Berlin: Liebe Mitglieder im „Bremer Friedensforum“, holt den armen Hahn wieder zurück und setzt auf ihn die Friedenstaube! Freue mich auf Ihr Feedback, mit freundlichen Grüßen.
Nachdem die ersten vier Tiere der Bremer Stadtmusikanten gestorben waren, setzten die Nachkommen der Bremer Stadtmusikanten deren Tradition fort. Viele Generationen später begab es sich aber, dass eine große Wirtschaftskrise das Land erfasste. Da den Menschen das Geld nun nicht mehr so locker in der Tasche lag und eine Teuerung die Bürger beschwerte, konnten die Nachfahren der ersten Bremer Stadtmusikanten ihr Nötigstes bald nicht mehr durch das Musizieren bestreiten.
Die vier Tiere mussten daher ergänzende Hartz-IV-Leistungen beim Arbeitsamt beantragen. Nun begab es sich, dass das Militär in den Arbeitsämtern für seine Auslandseinsätze Soldaten anwarb. Die Sachbearbeiterin des Hahns dachte nun bei sich: „Das ist doch ein prachtvoller Hahn. Wir wollen einen Kampfhahn aus ihm machen!“ Sie schickte ihn unter Androhung von Sanktionen zum Militär, wo man ihn zum Kampfhahn ausbilden wollte.
Der arme Hahn jedoch, im Herzen doch kein Kampfhahn, sondern ein lustiger Musikant, wollte gar nicht kämpfen und wünschte sich aus vollem Herzen, doch lieber eine Friedenstaube anstatt eines Kampfhahns zu werden. Da begab es sich, dass ihm eine gute Fee erschien: „Lieber Hahn, da du so ein guter Hahn bist und dir inständig gewünscht hast, eine Friedenstaube zu sein, will ich dir diesen Wunsch erfüllen“. Und schwups! verwandelte sich der Hahn in eine Friedenstaube.
Das Militär konnte nun den Hahn nicht mehr finden, und der Hahn wurde von dem Auslandseinsatz verschont. Einige haben ihn sagen hören, dass er sich erst dann wieder zurück in einen Hahn verwandeln wird, wenn die Menschheit eingesehen hat, dass es keinen Sinn macht, gegeneinander Krieg zu führen, und wenn arme Hähne nicht mehr dazu gezwungen werden, aufgrund ihrer Armut Dinge zu tun, die gegen die Nächsten-Tier-Liebe verstoßen.
Doch dann geschah das Furchtbare. Das Militär fing den in eine Taube verwandelten Hahn und bildete ihn zur Meldetaube aus. Da beim „Bremer Friedensforum“ alle mit der Gestaltung der schönen Homepage sowie von Pressemitteilungen und originellen Märchenabwandlungen beschäftigt waren, rührte dort niemand auch nur einen Finger für die arme Taube, die sich zu Tode ängstigte.
So wurde die Meldetaube schließlich bei einem riskanten Auslandseinsatz von einer Drohne abgeschossen. Die anderen armen Hähne, die derweil darauf gewartet hatten, dass eine Fee kommt oder alle Menschen eingesehen haben, dass Kriege sinnlos sind, wurden aufgrund ihrer Armut in Kriegseinsätze gezwungen, weil sich niemand dafür einsetzte, ihre Armut zu beseitigen. Sie ruhen nun auf dem Soldatenfriedhof.
Ihnen zu Ehren wurde ein Heldendenkmal errichtet. Das setzt Patina an, und die Tauben scheißen drauf. Davor steht das „Bremer Friedensforum“ und demonstriert für den Frieden. In Frieden ruhen sie auch, doch die Armut bleibt. Und die Moral von der Geschicht’: Visionen schützen Arme nicht! Du musst die Armut erst besiegen, willst du ew’gen Frieden kriegen.
Epilog: Die Fee wird wegen Beihilfe zur Fahnenflucht steckbrieflich gesucht. Es ist anzunehmen, dass sie auch die Katze und den Hund in Tauben verwandeln wird, die sich hervorragend für die militärische Aufklärung eignen, sodass das „Bremer Friedensforum“ künftig nur noch mit dem Esel dastehen wird. –
Die in dieser Märchenabwandlung sehr ernst zu nehmende Problematik möchte ich jetzt gern einmal auf eine ernst zu nehmende Schiene stellen. Es gibt nämlich keine Feen und auch keine Friedenstaube. Meldetauben sind jedoch Realität, und dass Tauben auf Denkmäler scheißen, ist uns auch bekannt. Es wäre vielmehr wünschenswert, wenn sich Aktivist(inn)en und Helfer(innen) fänden, um von ALG II betroffenen Menschen, die unter Sanktionsandrohungen in den Militärdienst gezwungen werden sollen, vor der Behörde oder dem Sozialgericht helfend zur Seite zu stehen.
Wer bereits bei der Bundeswehr ist und diese vorzeitig verlassen möchte, um das eigene Leben nicht in Auslandseinsätzen zu riskieren, braucht nicht auf eine Fee zu hoffen. Ihm oder ihr braucht mensch in unserem Rechtssystem auch nicht zur sogenannten Fahnenflucht anzustiften. Es genügt, wenn der Soldat oder die Soldatin beim Kompaniefeldwebel (Heer), beim Staffelfeldwebel (Luftwaffe) oder beim Inspektionsbootsmann (Marine) anklopft und dort eine schriftliche Erklärung abgibt, den Wehrdienst aus Gewissensgründen zu verweigern, und schon wird die vorzeitige Entlassung aus dem Militärdienst abgewickelt.
Es lassen sich aber auch andere Gründe angeben, beispielsweise familiäre, gesundheitliche oder berufliche. Das Problem ist nur, dass vorzeitig entlassenen Soldaten keine „Übergangsgebührnisse“ ins Zivilleben und keine Abfindungen mehr zustehen. Sie haben während ihrer Dienstzeit nicht in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt. Darum besteht in solchen Fällen kein ALG-I-Anspruch, sondern es muss beim Jobcenter ALG II beantragt werden. Hier droht eine dreimonatige Zahlungssperre, da das Jobcenter mit hoher Wahrscheinlichkeit „selbstverschuldete Arbeitslosigkeit“ unterstellen wird. Auch hier wäre es wünschenswert, wenn fach- oder sachkundige Helfer(innen) aus Friedensaktivist(inn)enkreisen unterstützen würden.
Es hätte dem „Bremer Friedensforum“ sicherlich gut angestanden, bei solch ernst zu nehmender Problematik sachlich und vernünftig zu informieren, statt mit einer trivialen Märchenabwandlung aufzuwarten, die ich alles andere als originell finde und die das Problem banalisiert. Auch religiöse Friedensvisionen, wie die der „Schwerter zu Flugscharen“ des Herrn Jesaja aus der anachronistischen Bibel, die der Friedensbeauftragte Martin Warnecke so gern heraufbeschwört, werden nichts zum Frieden beitragen, denn die Realität sieht anders aus. Im alten China wurden Dreschflegel zu Waffen zweckentfremdet. Im Dreißigjährigen Krieg wurden Kirchenglocken eingeschmolzen und zu Kanonen gegossen.
Das ist die Realität. Nach Clausewitz ist der Krieg „eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“. Er ist die Folge verfehlten sozioökonomischen Handelns, geopolitischer Hegemonialbestrebungen um Rohstoffe und Handelswege, sozialrassistischer Ideologien oder religiöser Wahnvorstellungen. Der Krieg dient heute einer neoliberalen Politik, die im Schnellfeuertempo freie Marktwirtschaft, Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen wie Bildung, Krankenversorgung, Energie und Transport sowie Deregulierung und tiefe Einschnitte bei den Sozialausgaben fordert.
Es bedarf schon mehr als origineller Märchenabwandlungen oder religiöser Friedensvisionen, um dieser Raub- und Kriegspolitik, die uns unserer Lebensgrundlagen beraubt, entgegenzutreten. Hier ist Sachlichkeit, Zusammenschluss, Solidarität und Vernetzung aller Kräfte gefordert und vor allen Dingen ein Denken in komplexen Zusammenhängen. Einen isolierten Frieden ohne soziale Absicherungen wird es nicht geben, denn wer – wie in dem Gedicht von Wolfgang Borchert – Nein sagen will, muss materiell dazu in der Lage sein.
Nichts gegen das „Bremer Friedensforum“ und die Zielsetzungen, die es verfolgt. Ich freue mich auch über den Erhalt der Zivilklausel der Uni Bremen, zu dem das „Friedensforum“ beigetragen hat. Bei Lösungsansätzen der „sozialen Frage“, die erheblich zum Frieden beitragen würden, sollte es aber dringend an sich arbeiten. Ich bin zuversichtlich, dass dabei zur konstruktiven Mitarbeit und Vernetzung viele Mitstreiter(innen), Gruppen und Parteien bereit wären.
Es ist absolut legitim, Kritik am „Bremer Friedensforum“ zu üben, wenn sie berechtigt ist und fair und sachlich geäußert wird. Dies ist bei Franks ironischer Fortsetzung der Stadtmusikanten-Märchenabwandlung nicht unbedingt der Fall. Es scheint mir ohnehin nicht sehr zielführend zu sein, sich jetzt an der originellen Geschichtsneudeutung unserer Webmasterin Frauke festzubeißen. Zumal ihre Geschichte als nicht ganz ernst gemeinte Replik auf eine genauso wenig bierernste Anfrage an das „Friedensforum“ gemeint war.
Der Beitrag von Frank suggeriert, wir hätten keine wichtigeren Themen und keine anderen Sorgen. Um diesen falschen Eindruck zu widerlegen, genügt ein Blick auf die Homepage, wo sich auch zahlreiche Berichte zu kürzlich stattgefundenen Protestaktionen sowie Hinweise auf kommende Veranstaltungen finden. Daher weisen wir die in Franks Beitrag enthaltenen Belehrungen zurück, denn was dem „Friedensforum“ „gut ansteht“ und was nicht, das diskutieren und entscheiden wir in unseren monatlichen Sitzungen stets mit sehr viel Verantwortungsbewusstsein, und nicht ohne Grund erhalten wir für unsere Arbeit viel Lob und Anerkennung. Es sei übrigens auch betont, dass die Stadtmusikantengeschichte inzwischen nicht mehr auf der Friedensforumsseite sichtbar ist. Das „Corpus delicti“ im Logo ist ebenfalls verschwunden. Übrig geblieben ist, wie früher schon, Pablo Picassos Friedenssymbol aus der Ostermarschbewegung.
Zweifellos trifft die Feststellung zu, dass die soziale Frage nicht ausreichend berücksichtigt ist, was auch mich als Mitglied im Sozialberatungsverein „Solidarische Hilfe“ bekümmert. Allerdings würde dies viele von uns in der Friedensbewegung, die zusätzlich noch in anderen Zusammenhängen und Politikfeldern aktiv sind und außerdem einem Beruf nachgehen, deutlich überfordern. Natürlich ist uns bewusst, dass Kriegspolitik und Sozialkahlschlag in engstem Zusammenhang zueinander stehen und entsprechend gewertet werden müssen, und deshalb weisen wir in unseren Aktionsflugblättern auch immer wieder darauf hin. Viel mehr können wir beim besten Willen kaum leisten. Mit der Forderung, das „Friedensforum“ möge Solidarität, Vernetzung und vor allem ein „Denken in komplexen Zusammenhängen“ praktizieren (wozu wir selbstverständlich in der Lage sind!), rennt Frank bei uns ohnehin offene Türen ein. Ich habe im Sinne des „Friedensforums“ in Montagsdemo-Redebeiträgen schon oft darauf hingewiesen, dass es ohne soziale Sicherheit keinen wirklichen Frieden geben kann.
Die Bremer Stadtmusikanten mussten schon viele Bearbeitungen und Interpretationen überstehen. Da wollte der umstrittene Regisseur Volker Lösch nicht zurückstehen. Dass er aber dafür das Schicksal der älteren Arbeitslosen mit teilweise schlimmen populären Plattitüden benutzt, ist mehr als ärgerlich. Echte Anteilnahme über die Schilderungen der Betroffenen entsteht weder im Tragischen noch in den Momenten, die komödiantisch angelegt sind. Wer wie im Märchen nur Gut und Böse kennt, der betrachtet Theater nicht als Ort der Auseinandersetzung. Den chorisch – von überwiegend Laien – vorgetragenen schwierigen und sperrigen Text von Heiner Müller dürften die meisten Besucher weder inhaltlich noch akustisch verstanden haben.
Auf der Website des „Bremer Friedensforums“ findet sich noch eine weitere Bearbeitung des Stadtmusikanten-Themas: Dort wünscht sich der unter Hartz-IV-Sanktionsandrohung zum Militärdienst verpflichtete Hahn, doch lieber in eine Friedenstaube verwandelt zu werden, bis die Menschheit eingesehen habe, dass es „keinen Sinn macht“, gegeneinander Krieg zu führen. Und weil im Märchen das Wünschen noch stets geholfen hat, ist sogleich eine gute Fee zur Stelle, die dem Hahn diesen etwas feigen Fluchtwunsch erfüllt. Solch eine Pointe trifft vielleicht eher den Geschmack braver Bremer Bürger vom Schlage eines Herrn Herrmann, die Rebellionsaufrufe gegen Räuberherrschaft „mehr als ärgerlich“ finden. Eine Begleiterin und ich haben jedenfalls „echte Anteilnahme“ empfunden und unsere Schicksale in der Lösch-Inszenierung klar wiedererkannt. Deren Kernintention lag sicher nicht im Verständlichmachen „schwieriger und sperriger“ Heiner-Müller-Texte.
Seit Monatsbeginn ist es klirrend kalt. Angemessenes Heizen bedeutet nicht frieren! Wer noch den Ratschlag des (No-)Job-Centers „Heizen Sie einfach ein Zimmer nicht“ im Ohr hat, sollte dies schnellstens vergessen, denn Sie tragen das Risiko für einfriedende Heizkörper und eventuelle Gebäudeschäden. Vermieter sind da sehr einfallsreich. Das (No-)Job-Center wird diese Kosten nicht zahlen wollen. Was „angemessenes Heizen“ heißt, ist auf Beamtendeutsch in der Verwaltungsanweisung nebst ergänzenden Hinweisen zu § 22 SGB II nachzulesen. Daraus ergibt sich, dass ab einem bestimmten Betrag pro Quadratmeter die Angemessenheit im Einzelfall geprüft werden muss. Die angedeutete pauschale Kürzung ist nicht gerichtsfest.
Diese Verwaltungsanweisung hat keine Rechtskraft. Sie ist kein Gesetz, sondern nur eine Anleitung für die Verwaltung, ohne Außenwirkung. Sorgen Sie daher für das nötige Wohlbehagen in Ihren vier Wänden. Das ist angemessen! Es schützt auch vor Schadenersatzansprüchen des Vermieters. In den meisten Mietverträgen ist eine Mindesttemperatur für die Heizperiode vorgeschrieben! Leider hat das Amt, jetzt das (No-)Job-Center, Heizosten teilweise nicht in voller Höhe anerkannt. Falls Sie davon betroffen sind, machen Sie die besonderen Umstände geltend. Erinnern Sie daran, weil das Amt eigentlich alle Angaben und Unterlagen hat. Legen Sie Widerspruch gegen den Bescheid ein. Falls die Frist verstrichen ist, stellen Sie einen Antrag auf Überprüfung. Wie dies geht? Wir gehen mit!
Wie vielen Kunden der SWB oder anderer Energielieferanten ist derzeit der Strom, das Gas oder das Wasser abgestellt? Die SWB hat circa 10.000 Energieunterbrechungen pro Jahr. Da eine Liefersperre oftmals länger als einen Monat dauert, ist von gut 1.000 Haushalten mit aktueller Strom- oder Gassperre auszugehen. Dieser Skandal ist ein gutes Geschäft für die SWB-Netze. Gut 500.000 Euro bleiben per Anno durch die überzogenen Pauschalen in der Kasse. Liebe Mitmenschen, macht euer Leid öffentlich! Geht zu den Beratungsstellen und regelt mit ihrer Hilfe die Wiederaufnahme der Versorgung! Eventuell stellt sich dabei heraus, dass Sie trotz Arbeit Anspruch auf ergänzendes Arbeitslosengeld II haben, siehe vorherige Bremer Montagsdemo.
Ihre Zahlung an die SWB sollte unter Vorbehalt erfolgen, weil deren Forderung in diesen Fällen nicht unbedingt richtig ermittelt wurde. Dies kann auch an den Zahlungen der Sozialleistungen liegen. Nach längerer Versorgungsunterbrechung verlangt die SWB unter Umständen eine Prüfung des Anschlusses durch eine Fachfirma. Ist das zulässig? Macht es öffentlich, wenn die Wiederanstellung nicht prompt erledigt wird!
Die Deputation für Arbeit tagt am Mittwoch, dem 8. Februar 2012 ab 16 Uhr in Raum II der Bremischen Bürgerschaft. Vorher tagt dort der Hafenausschuss, es kann zu Verzögerungen kommen. Die Anfrage der Linksfraktion zu den „Aufstocker(inne)n“ (siehe Vorwoche) steht nicht auf den Tagesordnungen der städtischen beziehungsweise staatlichen Deputation. Es fehlen auch weitere angekündigte Themen. Die Sitzung ist öffentlich.
Die „Tageszeitung“ meldet, das „Amt für Soziale Dienste“ werde aufgelöst. Vor der Wahl hat Staatsrat Joachim Schuster diese Auflösung des Sozialamts und die Eingliederung in die senatorische Dienststelle in einer Sitzung der Sozialdeputation angekündigt. Die Doppelstrukturen sollten abgebaut, die Abläufe einfacher werden. Inzwischen ist Herr Schuster im Bildungsressort für Gesundheit zuständig, und Dr. Karl Bronke aus dem Sozialressort braucht sich nicht mehr um das (No-)Job-Center zu sorgen. Allerdings besteht jetzt die Möglichkeit, dass die Handhabung beim Sozialen eine andere wird als im (No-)Job-Center. Letzteres wollen wir etwas dazu anregen, den Pfad der Tugend zu finden. Es steht nicht im SGB II und zum Glück auch nicht im SGB XII, dass den Menschen nicht wertschätzend zu begegnen sei!
Griechenland ist so nah! Die Auflagen der EU zeigen die Ansprüche des Kapitals. Die Rechte der Arbeiter, Angestellten und Rentner werden gebrochen. So geht es nicht! Wir sind solidarisch mit den Griechen! In Bremen haben es die Arbeiter mit der Räterepublik anders versucht. Sie sind im Kugelhagel gestorben. Im Gedenken daran erfolgt am Sonntag, dem 12. Februar 2012, um 11 Uhr auf dem Waller Friedhof die Trauerfeier einschließlich Rahmenprogramm. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!
Mit Meldungen, die offizielle Arbeitslosigkeit in Deutschland sei so niedrig wie seit 21 Jahren nicht mehr, wird immer wieder versucht, die Wirklichkeit zu beschönigen. Die „Internationale Arbeitsorganisation“ (ILO) in Genf, eine Institution der Uno, hat in ihrem am 23. Januar veröffentlichten „Jahresbericht über globale Beschäftigungstrends 2012“ berichtet, dass weltweit 197 Millionen Menschen arbeitslos sind und 900 Millionen unterhalb der sogenannten Armutsschwelle leben, also weniger als zwei Dollar pro Tag zum Leben haben. Diese Zahl stützt sich auf die von den 183 ILO-Mitgliedsstaaten offiziell registrierten Arbeitslosen, die tatsächliche Zahl dürfte also erheblich höher liegen. Es sind dennoch 27 Millionen mehr registrierte Arbeitslose als 2007, dem Jahr vor Ausbruch der Weltwirtschafts- und Finanzkrise. „Jeder dritte Arbeitnehmer auf der Welt ist arbeitslos oder lebt trotz Arbeit in Armut“, erklärte ILO-Generaldirektor Juan Somavia.
In Europa ist infolge der Weltwirtschafts- und Finanzkrise die Arbeitslosigkeit auf den höchsten Stand seit 13 Jahren gestiegen. Die ILO beklagt vor allem die hohe Jugendarbeitslosigkeit in den südeuropäischen Ländern, die unter anderem am stärksten von der Krise betroffen sind. In Spanien sind zum Beispiel 48,5 Prozent der Unterfünfundzwanzigjährigen ohne Arbeit. Dass in Deutschland, anders als in den meisten anderen Ländern, die offizielle Arbeitslosigkeit in dieser Zeit gesunken ist, hat mehrere Gründe. Zum einen profitierte die exportabhängige deutsche Wirtschaft stark von dem spekulativen, mit Auslandsinvestitionen und staatlichen Subventionen angeschobenen zeitweiligen Wirtschaftswachstum in Ländern wie China, Indien, Russland oder Brasilien. Vor allem wurde die offizielle Arbeitslosigkeit aber zugunsten eines starken Anstiegs der Unterbeschäftigung reduziert.
Immer mehr Niedriglohn-Arbeitsplätze, Leiharbeit und Teilzeitjobs führen dazu, dass viele Menschen von einer Arbeitsstelle überhaupt nicht mehr leben können. Sie sind gezwungen, mehrere Jobs anzunehmen oder mit Arbeitslosengeld II aufzustocken. Die „Arbeitnehmerkammer Bremen“ hat letzte Woche eine Studie über die Zahl der „Aufstocker“ veröffentlicht. 2007 waren es in Bremen 15.000 Menschen, die nicht von ihrer Arbeit leben konnten. Diese Zahl ist in den letzten Jahren kontinuierlich angewachsen, auf 18.000 im Jahr 2010 und 19.000 im Mai 2011. Auch die Statistiktricks zur Manipulation der offiziellen Arbeitslosenzahl werden ausgebaut. Aus der offiziellen Statistik sind über eine Million Menschen „verschwunden“. Im Dezember 2011 gab es bundesweit mindestens eine Million nicht gezählter Arbeitsloser, darunter 163.842 Ein-Euro-Jobber und 359.190 Arbeitslose über 58 Jahren.
In den letzten Wochen bahnt sich eine neue Vertiefung der Weltwirtschafts- und Finanzkrise an. Es ist zu erwarten, dass auch die offizielle Zahl der Arbeitslosen wieder kräftig steigen wird, wenn verstärkt Arbeitsplätze vernichtet und Massenentlassungen als Folge eines erneuten Krisenabsturzes nicht mehr so gut durch Maßnahmen wie Kurzarbeit abgedämpft werden können. Vergangenes Jahr gab es über 30.000 Firmenpleiten, darunter die des weltweit führenden Druckmaschinenherstellers Manroland, bei dem einigen Tausend Kollegen gekündigt wurde. Nokia-Siemens Networks will 2.900 Beschäftigte in Deutschland entlassen und weltweit 17.000 Arbeitsplätze vernichten.
Auch von den circa 30.000 Beschäftigten der Drogeriekette Schlecker dürften viele nach Ablauf der dreimonatigen Zahlung von Insolvenzgeld vor der Arbeitslosigkeit stehen. Thyssen-Krupp hat seinen Edelstahlbereich an den finnischen Weltmarktführer Outokumpo verkauft, der sofort angekündigt hat, vier Werke zu schließen und Tausende Arbeitsplätze zu vernichten. Die Stahlarbeiter des Thyssen-Edelstahlbereichs haben mit ihren tagelangen selbständigen Streiks und Protestaktionen im Kampf um jeden Arbeitsplatz eine richtungweisende Entscheidung getroffen: Angesichts der weltweit ansteigenden Arbeitslosigkeit und Armut ist das ein ermutigendes Signal zur Offensive gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf den Rücken der Werktätigen!