Lovely „Zensursula“ von der Leyen, Spezialistin für verfassungswidrige Gesetzentwürfe, ist im Bundesrat mit ihrer unsäglichen Hartz-IV-Reform gescheitert. Den Betroffenen bleiben mit der Pseudo-Verbesserung um fünf Euro zahlreiche weit gewichtigere Verschlechterungen vorerst erspart. Die Kungelei hinter verschlossenen Türen wird sich aber noch monatelang hinziehen: Katja Kipping schlägt vor, in das Vermittlungsergebnis eine Revisionsklausel einzufügen, wonach eine „Regelsatzkommission“ im ersten Halbjahr 2011 die „Möglichkeiten für eine verfassungskonforme Regelsatzbestimmung ausloten“ solle.
Unsere geplante Massenklage kommt in diesem halben Jahr langsam in Fahrt. Ihr wird nach dem Vorschlag unserer Rechtsanwältin ein gewöhnlicher, schlichter Antrag bei den Sozialleistungsträgern vorgeschaltet. Diesen abzulehnen, dürfen sie sich sechs Monate Zeit lassen. Es wird aufschlussreich sein zu lesen, warum die Behörden des sogenannten Sozialstaats sich weigern, Sozialleistungen in verfassungsgemäßer Höhe zu bewilligen! Vor der Klageflut an den Gerichten erfolgt also eine Antragsflut bei den Sozialleistungsträgern – und das ist durchaus die richtige Adresse. In diesem halben Jahr erhöht sich so der Druck auf die Politik. Sie hat dann immer noch die Möglichkeit, die Überschwemmung der Sozialgerichte mit Klagen zu verhindern.
Brigitte Vallenthin – „Ich bin dann mal Hartz IV“ – rüffelt Aufrufe zu Massenklagen, bezieht sich hierbei aber auf eine Andeutung im Berliner Redebeitrag bei der Bundesratssitzung, nicht auf den ihr bekannten Aufruf der Bremer Montagsdemo, der gerade das Herstellen unhaltbarer Zustände bei den Gerichten empfiehlt, um ein erneutes jahrelanges Vertrödeln von Klagen ums Existenzminimum zu verhindern. Auch die Sprecherin der „Hartz-IV-Plattform“ erwartet, dass der Vermittlungsausschuss weiteren „Gesetzesmüll“ produziert, der dann „vor Gerichten abgeladen“ werden muss. Dankenswerterweise plant sie mit einer sicher auch für uns nützlichen „qualifizierten Musterbegründung“ deshalb selbst eine Massenklage für die Zeit nach der Gesetzesverabschiedung und baut damit weiteren Druck gegen die Regierenden auf.
Außerdem begibt sie sich auf die Suche nach dem erforderlichen „Notausstieg durchs Klofenster“ für die solcherart belasteten Richter – und lässt die Möglichkeit einer unmittelbaren Verfassungsbeschwerde prüfen. Erzwungen durch unsoziale, rücksichtslose Politik, werden Gerichte zum schuldlosen Ersatzziel im Kampf gegen Hartz IV, denn den Bundestag zu umzingeln und zu stürmen – weil Wahlen nichts ändern, solange Rot, Grün, Schwarz und Gelb an Hartz IV festhalten –, das schaffen wir auf absehbare Zeit nicht. Die Herrschenden würden uns mit Wasserwerfern die Augen aus dem Kopf schießen lassen, wie wir seit Durchsetzung von „Stuttgart 21“ wissen!
Unsere Rechtsanwältin empfiehlt für die ersatzweise geplanten Massenklagen gegen den verfassungswidrigen Regelsatz ein klares, einfaches und einheitliches Vorgehen, das allerdings nicht auch noch besonders schnell sein kann. Demnach sollten alle Hartz-IV-Betroffenen ab dem 3. Januar 2011 gegen Eingangsstempel auf Kopie folgenden schlichten Antrag beim örtlichen Sozialleistungsträger zur Bewilligung von SGB-II-Leistungen einreichen: „Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit beantrage ich die Bewilligung von Sozialleistungen in verfassungsgemäßer Höhe. Mit freundlichen Grüßen“, Bedarfsgemeinschaftsnummer und Unterschrift. Wir wollen ab Anfang Januar vor den Jobcentern, „Tafeln“ und Beschäftigungseinrichtungen in großer Zahl dieses Antragsformular zusammen mit einem Info-Flugblatt verteilen.
Wir regen an, eine möglichst um Telefonnummer und E-Mail-Anschrift ergänzte Kopie des eingereichten Antrags beim Moderator der Montagsdemo abzugeben, damit wir Kontakt halten können. Die Behörde darf sich mit der Bearbeitung, sprich: Ablehnung des Antrags bis zu sechs Monaten Zeit lassen, viele Sachbearbeiter sind aber schneller. Wer einen Ablehnungsbescheid erhält oder schon ein halbes Jahr lang darauf wartet, möge zur Montagsdemo kommen. Wir beraten dort das weitere Vorgehen und geben Hilfestellung beim Ausfüllen von Prozesskostenhilfeantrag und Anwaltsvollmacht für das anschließende Verfahren.
Wessen Unterlagen vollständig sind, dessen Klage will unsere Anwältin unterstützen, weil sie annimmt, dass Prozesskostenhilfe gewährt wird, wenn das nach dem Vermittlungsverfahren verabschiedete Hartz-IV-Reformgesetz weiterhin offenkundig verfassungswidrig ist. Um die Sache zu beschleunigen, ist es auch möglich, einstweiligen Rechtsschutz oder Widerspruchsverfahren gegen laufende Bescheide anzustrengen. Hierfür sollte, etwa durch ein Haushaltsbuch, individuell belegt werden, dass der gewährte Regelsatz nicht das Existenzminimum abdeckt.
Ein solches Haushaltsbuch, das bei meiner damaligen Regelsatzklage allerdings nicht mehr zum Einsatz gelangte, habe ich von Mai bis Juli 2008 geführt. An sich genügt es, Belege für sämtliche Ausgaben einzureichen, die innerhalb eines Zeitraums von möglichst drei Monaten anfallen, aber natürlich sollte den Richtern die Auswertung erleichtert werden. Zusammengeheftet habe ich Quittungen für Praxisgebühr, Quartals-Kontoabschluss-Auszüge, Überweisungsbelege (für Riester-Rente, Telefon, Strom-Abschlag sowie halbjährliche professionelle Zahnreinigung), Rechnungen für verbilligten Mittagstisch und jede Menge Kassenbons – getrennt nach Lebensmitteln, Gesundheitspflege, Arznei- und Reinigungsmitteln sowie Haushaltsbedarf –, chronologisch auf Papierbögen aufgeklebt und mit Erläuterungen versehen. Die Auswertung ergab, wenig überraschend: Ich benötige mindestens 80 Euro mehr für Ernährung, sonst bleibt mir nichts für Kleidung, Verkehr oder „gesellschaftliche Teilhabe“!
Ich kann nicht wissen, inwieweit dieses Übereinstimmen mit der bekannten Forderung des Erwerbslosenbündnisses „Krach schlagen statt Kohldampf schieben“ zufällig oder typisch ist, aber sie muss mir ebenso plausibel erscheinen wie die Forderung der Linkspartei nach 500 Euro Regelsatz, wenn ich an die weiteren 50 Euro denke, die als Ansparpauschale statt einmaliger Leistungen notwendig wären. Unplausibel sind hingegen die niedrigeren Forderungen der „Diakonie“ nach 433 beziehungsweise des „Paritätischen Wohlfahrtsverbands“ nach 416 Euro Regelsatz durch ihre willkürlichen Verzichte, also die Akzeptanz mancher Tricks der Regierung. Die Regelsätze sollen aber nicht mehr „ins Blaue hinein“ gegriffen werden: Das Verfassungsgericht hat eine realitätsgerechte und transparente Berechnung verlangt. Über das Gutachten des Sachverständigen Rüdiger Böker, der auf dieser Grundlage einen Regelsatz von 594 Euro ermittelt, ist in den Medien bezeichnenderweise kaum etwas zu erfahren.
Wenn die Bundesregierung sich nicht rechtzeitig mit der Opposition über neue Hartz-IV-Sätze einig werde, hätten wir einen verfassungswidrigen Zustand, meint auch der Berliner Rechtsprofessor Johannes Münder. Dann gelte Richterrecht: Entscheidend sei, was die Richter an den Sozialgerichten im Einzelfall urteilten. Die alten Regelsätze seien vom 1. Januar 2011 an nicht mehr gültig. Wenn dann jemand gegen seinen Bescheid vom Jobcenter klage, sei das Gericht verpflichtet, sich ein eigenes Bild zu machen. Dazu ziehe es üblicherweise einen Sachverständigen heran. Je nachdem, zu welchem Ergebnis dieser komme, lege der Richter den für den Kläger angemessenen Betrag fest. Das entscheide jeder Richter für jede einzelne Klage. Wir könnten unterschiedlichste Ergebnisse bekommen, so Münder.
Im Protokoll des letzten Treffens der Koordinierungsgruppe der bundesweiten Montagsdemo heißt es: „In Bremen hat die Montagsdemo ein hohes Ansehen und großen Einfluss. Diskutiert wurde auch, dass mit der Delegiertenversammlung stärker positive Forderungen der Montagsdemobewegung in den Mittelpunkt gerückt und diskutiert werden sollen, unter anderem die Frage des bedingungslosen Grundeinkommens. Auf Antrag der Bremer Montagsdemo wurde einstimmig beschlossen, eine Sammelklage gegen den Hartz-IV-Regelsatz zu unterstützen und dazu die Details mit der Bremer Montagsdemo zu beraten.“
Wer jetzt – wie im heutigen Berliner Redebeitrag im Bundesrat angedeutet – zu Massenklagen gegen das früher oder später doch abgenickte neue Hartz-IV-Gesetz aufruft, lädt den Gesetzesmüll, der im Hause von der Leyen produziert wurde, bei den Sozialgerichten vor der falschen Tür ab und nicht dort, wo er hingehört, nämlich vor den Füßen der Politik. Anlässlich des bloßen Weiterschiebens eines erneuten Gesetzgeberversagens in Sachen Hartz IV vor dem Bundesrat vermag die „Hartz-IV-Plattform“ nicht dem verbreiteten Jubel über den Umweg durch den Vermittlungsausschuss zuzustimmen. Wer glaubt, dass jetzt der Verfassung Genüge getan wird und die Bedarfe tatsächlich transparent berechnet werden, kennt die Berliner Hinterzimmer-Kungelpolitik nicht.
Ein sogenannter Kompromiss um ein paar Euro rauf oder runter und ein oder zwei Teller mehr aus der staatlichen Suppenkelle anstelle von mehr Geld für den gemeinsamen Familientisch: Mehr kann nach abermals bevorstehendem öffentlichen Politikerschaulaufen niemand erwarten. Von der steigenden Gefahr der Obdachlosigkeit, die mit der neuen Wohnpauschale droht, reden die sich jetzt als Hartz-IV-Retter aufblähenden Hartz-IV-Erfinderparteien – wenn überhaupt jemals – schon lange nicht mehr. Noch weniger von der Willkür per Gesetz, die mit den neuen Sanktionsparagrafen kommt. Auch nicht von der Streichung der bislang einkommensfreien Darlehen, wenn die Behörde wieder mal verzögert gezahlt hat.
Das abgrundtiefe Fass der unzähligen, dramatischen Verschlechterungen, die dieses Gesetz klammheimlich durch die Hintertür mitbringt, wird nach Einschätzung der „Hartz-IV-Plattform“ wie in den Monaten zuvor auch im Vermittlungsausschuss kein einziger Politiker aufmachen. Wir bitten deshalb schon jetzt alle Betroffenen, ihren berechtigten Zorn gegenüber dieser erneuten Hartz-IV-Drangsalierung per Gesetz nicht auf den Richtertischen der Sozialgerichte zu demonstrieren, sondern dort, wo er hingehört: vor den verantwortlichen Politikern. Wir bereiten deshalb bereits jetzt für die Zeit nach der Gesetzesverabschiedung eine neue, qualifizierte Musterklage beim Sozialgericht vor und prüfen die unmittelbare Verfassungsbeschwerde für Karlsruhe. Dafür brauchen wir alle und jede nur mögliche Unterstützung.
Mit ihrer Pressemeldung versucht Brigitte Vallenthin jetzt bei Hartz-IV-Empfängern den Eindruck zu erwecken, die Retter stünden schon in den Startlöchern, um uns mit einer „qualifizierten Musterklage“ erneut bis vor das Bundesverfassungsgericht – und aus der Scheiße heraus – zu ziehen. Aber nicht ein Hartz-IV-Empfänger, der nicht selbst die Zahlung verfassungsgemäßer Regelsätze beantragt, nach negativer Bescheidung durch seine Sozialleistungsbehörde Widerspruch einlegt und vielleicht später auch selbst klagt, hat automatisch Anspruch auf eine eventuelle Nachzahlung von Minderungsbeträgen. Dies scheint die Sprecherin der „Hartz-IV-Plattform“ großzügig zu übersehen.
Nichts spricht in meinen Augen gegen eine gut vorbereitete und qualifizierte Musterklage, aber viel spricht dagegen, von eigenen Widersprüchen, Überprüfungsanträgen, einstweiligen Anordnungen oder notwendigen Klagen durch die Betroffenen abzuraten. Die Hartz-IV-Empfänger müssen sich selbst wehren: mit Anträgen auf der „juristischen Schiene“, durch Abwahl der bürgerlichen Politik – wenn sie sich mit dieser nicht mehr einverstanden erklären können –, und im Protest auf der Straße. Selbsternannten Heilsbringern dürfen die Betroffenen auf keinen Fall mehr vertrauen, selbst dann, wenn es vielleicht gut gemeint ist!
Mein Freund Peter lästerte: „So ungefähr wie bei Hartz-IV-Häuptlingen muss es sich auch bei Debatten der Regierungsparteien verhalten. Es findet kein Kampf mehr statt, die Leute brauchen nichts zu machen – höchstens, wenn die Häuptlinge aufrufen, ihre schwachsinnigen Regeln oder Forderungen zu unterstützen. Wenn das nicht reicht, kann man sich ja noch vom Staat unterstützen lassen, in Form von Diäten oder Aufwandsentschädigungen. Ist es da ein Wunder, wenn die Leute zu Hause bleiben?“ Ich bin der Meinung, die Mitstreiter(innen) der Bremer Montagsdemo brauchen sich diesen Schuh nicht anzuziehen. Sie protestieren auf der Straße. Parallel versuchen sie zu erreichen, dass möglichst qualifizierte Klagen eingereicht werden.
Auch mangelnde Solidarität muss man den Montagsdemos nicht vorwerfen. Jede(r) kann versuchen, etwas zu organisieren, hat aber die Pflicht, die Arbeitslosen auf eventuelle rechtliche Konsequenzen hinzuweisen, damit niemand ins offene Messer der staatlichen Kriminalisierung läuft. Die Mitstreiter(innen) der Bremer Linksfraktion möchte ich eindringlich bitten, die Bremer Montagsdemo bei den Massenklagen solidarisch zu unterstützen: Ihr solltet wirklich alle Hebel in Bewegung setzen und unseren Forderungen öffentlich beitreten! Kein Hartz-IV-Empfänger kann es sich leisten, noch einmal sechs Jahre auf eine wirkliche Hilfe zu hoffen. Meiner Meinung nach müssen jetzt Eilverfahren in Gang gesetzt werden!
Ich möchte hierzu auf die Regelsatzanteile für Ernährung der bis Ende 2004 geltenden Sozialhilfe hinweisen. Zum 1. Januar 1994 betrugen die Regelsätze für Alleinlebende in den Bundesländern durchschnittlich umgerechnet 266 Euro plus einmalige Hilfen, etwa für Bekleidung. Personen über 18 Jahre erhielten als Haushaltsangehörige 213 Euro, 14- bis 18-Jährige und Ehepartner 239 Euro. Von diesen Beträgen holte sich der Staat über die Mehrwertsteuer in der Regel innerhalb eines Monates elf Prozent zurück, unterschiedliche Sätze unberücksichtigt. Für Ernährung waren 50 Prozent des Regelsatzes bestimmt, die sich in die drei Bereiche häusliche Ernährung, Genussmittel und Getränke sowie außerhäusliche Verpflegung teilten. Heute beträgt gemäß SGB II der Regelsatz für Alleinlebende 359 Euro, für 14- bis 25-Jährige 287 Euro. Hiervon holt sich der Staat über die Mehrwertsteuer in der Regel innerhalb eines Monates 19 Prozent zurück, unterschiedliche Sätze unberücksichtigt.
Allerdings sind im Regelsatz nach dem SGB II auch Leistungen in Form einer monatlichen Ansparpauschale enthalten – anstelle der einmaligen Hilfen, etwa für Bekleidung. Deren Anteil liegt bei 16 bis 20 Prozent der Regelleistung, beträgt also zwischen 42 und 56 Euro. Schon wenn wir mit 14 Prozent rechnen, sodass der monatliche Regelsatz bloß noch zu 86 Prozent zur Verfügung steht, bleiben dem alleinlebenden Hartz-IV-Empfänger im Monat nicht 359, sondern nur 309 Euro zum Leben. Hiervon die 38 Prozent für Ernährung zu berechnen, würde bedeuten, dass man 117,43 Euro im Monat zur Verfügung hat und 191,51 Euro für häusliche und persönliche Bedürfnisse. Während also auf Transferleistungen angewiesene Alleinlebende im Jahr 1994 noch 133 Euro im Monat für Ernährung zur Verfügung hatten, bleiben ihnen seit Einführung von Hartz IV 13 Euro weniger – ohne Teuerung und erhöhte Mehrwertsteuer zu berücksichtigen.
Schon 1994 wurde die „Einkommens- und Verbrauchsstichprobe“ durchgeführt. Auch hier wurde bereits, wie heute von der „Linken“ kritisiert, Futtermittel für Haustiere herausgerechnet. Diese Kritik habe ich gleich mit Einführung von Hartz IV geübt und auch beispielsweise Ulrich Schneider vom „Paritätischen Wohlfahrtsverband“ per Fax darauf hingewiesen, dass der Punkt Ernährung um zwölf Prozent gekürzt wurde. Hierzu wurde mir aber keine öffentliche Kritik bekannt außer von Lucy Redler von der damaligen WASG in Berlin, die den Menschen erklärte, wie wenig Geld den Hartz-IV-Empfängern wirklich am Tag für die häusliche Ernährung zusteht.
Der gegenwärtige Regelsatzanteil für Ernährung verstößt in meinen Augen auch deshalb gegen die Verfassung, weil er alleinlebende Grundsicherungsrentner(innen) von der außerhäuslichen Verpflegung ausgrenzt. Mir ist nicht bekannt, wie das Angebot für „Essen auf Rädern“ geregelt wird. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass betroffene Menschen aus dem derzeitigen Regelsatzanteil ein solches Angebot überhaupt noch nutzen können.
Meiner Meinung nach müssen wir die Klage-Interessierten darauf hinweisen, dass sie als Gewerkschaftsmitglieder die Möglichkeit haben, eine rechtliche Vertretung über ihre Gewerkschaft zu bekommen. Ob dann freie Anwaltswahl besteht, ist mir leider nicht bekannt. Selbst wenn wir annehmen, dass Prozesskostenhilfe gewährt wird, sollten wir Spenden sammeln, weil nicht nur Kosten für Anwälte anfallen, sondern auch für Vorbereitung und Organisation. Hierzu müssen viele Flugblätter und Antragsformulare gedruckt werden. Wenn diese Aktion wirklich zu Prozessen führt, sollten wir sie weiterhin politisch und im Protest begleiten. Auch hierfür können erhebliche Kosten auftreten, etwa durch anfallende Fahrtkosten. Wir sollten darauf hinweisen, dass die Spenden nicht für die Bezahlung von Anwälten genutzt werden. So könnte ich mir das vorstellen und wäre es in meinen Augen ehrlich und korrekt.
Wir haben jetzt als Bremer Montagsdemo ausführlich dazu angeraten, dass die Betroffenen vorsichtshalber zu den unterschiedlichsten Punkten Überprüfungsanträge nach SGB § 44 SGB X stellen sollen. Ich selbst habe diese Vorschläge an alle mir bekannten Montagsdemos, anderen Organisationen und Einzelpersonen weitergeleitet. Wir können aber nicht noch jede(n) Einzelne(n) aufsuchen, um ihm oder ihr zu verklickern, dass es ratsam ist, bis zum 31. Dezember 2010 einen Überprüfungsantrag zu stellen. Das darf nicht Hauptaufgabe der Montagsdemobewegung werden, sondern muss ein Teil bleiben. Wir dürfen auf keinen Fall bei den Menschen den Eindruck erwecken, dass es allein durch Nutzung der „juristischen Schiene“ zu weitreichenden positiven Veränderungen für die Menschen kommt!
Der Weg gegen die neoliberale Politik in Berlin muss der aktive Protest und Widerstand auf der Straße bleiben oder besser werden und hoffentlich bald zu besseren und richtigeren politischen Angeboten führen! Beim Treffen der Koordinierungsgruppe am vorletzten Samstag in Kassel habe ich wieder das bedingungslose Einheitsgrundeinkommen angesprochen. Ich hatte den Eindruck, dass hierzu in der bundesweiten Montagsdemobewegung die Notwendigkeit langsam erkannt wird und die Zustimmung wächst, denn es kamen keinerlei Gegenpositionen, auch nicht von bisherigen Kritikern. Ich glaube, dass wir insgesamt in Bremen auf einem sehr guten Weg sind und vielleicht auch eine Art positive Vorreiterrolle einnehmen.
Schon warnt der Hausjurist der Bundesagentur vor Massenklagen und verbreitet, niemand müsse „Widerspruch und Klage gegen das Jobcenter erheben“, als ginge es uns um die Nachzahlung von zehn Euro für Januar und Februar. „Dazu könnte zwar aufgerufen werden. Durch massenhafte Widersprüche und Klagen werden aber keine Leistungsansprüche gesichert, sondern die Jobcenter lahmgelegt. Das beeinträchtigt insbesondere die Vermittlungsarbeit, die so wichtig ist“, barmt der Verwaltungswirt, „weil durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit der staatlichen Hilfe entgangen werden kann. Es ist wohl auch nicht damit zu rechnen, dass ein Sozialrichter auf eine Klage hin das Jobcenter zur Zahlung von 400 bis 500 Euro als monatliche Leistung für den Regelbedarf verurteilt.“
Man muss sich doch überhaupt nicht darüber wundern, dass ein Mitarbeiter der Bundesagentur so argumentiert. Nach meiner Kenntnis sind und bleiben aber Leistungs- und Vermittlungsabteilungen der Argen zwei vollkommen unterschiedliche Schienen, selbst wenn die „Kunden“ in Bremen laut „Weser-Kurier“ nun einen „einheitlichen Ansprechpartner“ bekommen sollen, denn „auch in Zukunft wird ein Teil der Verwaltungsangestellten bei der Bundesagentur angestellt sein, ein anderer bei der Sozialbehörde“. Wenn ein Mitarbeiter der Bundesagentur sich nun als Hellseher betätigt bezüglich der Rechtsauffassungen und Handlungsweisen der Sozialrichter in Deutschland, dann darf man diesen Kommentar doch nicht wirklich ernst nehmen. Meiner Meinung nach ist er vielmehr als Affront gegen jeden ehrlichen und gewissenhaften Sozialrichter in Deutschland zu werten.
In meinen Augen ist es kein Zufall, dass man allein beim Punkt Ernährung immer wieder durch die unterschiedlichsten Berechnungen von Einzelpersonen oder Organisationen auf einen monatlichen Mehrbetrag von 80 Euro für einen alleinlebenden Menschen kommt. Auch unser Mitstreiter Gerolf gelangte mit seiner gewissenhaften dreimonatigen Auflistung aller Ausgaben zu diesem Ergebnis. Bereits 2005 konnte man Angaben zur Verpflegung von Zivildienstleistenden mit mittelschweren körperlichen Belastungen finden, denen für den Punkt Ernährung ungefähr 80 Euro mehr zugestanden wird. Dies lässt sich meiner Meinung nach auch auf die SGB-II-Betroffenen übertragen, weil hier immer mindestens mittelschwere körperliche Belastungen auftreten, und sei es nur bei der Führung des eigenen Haushaltes, beim Einkauf zu Fuß und bei den vielen notwendigen Radfahrten – von den Menschen, die trotz Hartz IV noch einer Lohnarbeit nachgehen, einmal abgesehen.
Arbeitsministerin von der Leyen verkündet strahlend, es gebe weniger Arbeitslose in Deutschland als vor 18 Jahren. Aber ihr Jubel passt nicht zu den Alltagserfahrungen der meisten Menschen: Irgendetwas ist da faul! Wenn man sich nur die Zahl betrachtet – es sind offiziell 283.000 Personen weniger arbeitslos gemeldet als im Oktober 2009 –, dann könnte die Regierung Pluspunkte sammeln. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus!
Erstens hängt der leichte Anstieg der Beschäftigung mit einer massiven Umstrukturierung des Arbeitsmarktes zusammen. In den 420 Tagen seit Amtsantritt der Merkel-Regierung sind 674.940 sozialversicherungspflichtige Vollzeitstellen vernichtet worden. Dafür sind die Zahl der billigen Leiharbeiter um 200.000 auf 855.00 und der Teilzeitstellen um 408.000 auf 12.539.000 angestiegen (IAB-Kurzbericht 18/2010). Immer mehr Menschen, vor allem Frauen, sind gezwungen, sich mit zwei bis drei Jobs an der Armutsgrenze über Wasser zu halten. Mindestens 1,5 Millionen Arbeitslose sind inzwischen zu Ein-Euro-Jobs verdammt. In keinem anderen Land Europas wurden die Löhne in einem derartigen Ausmaß gesenkt wie in Deutschland. Das ist ein Hauptgrund für die wirtschaftliche Belebung durch billige Exporte, bei denen die deutschen Konzerne die Nase vorne haben – den Hartz-Gesetzen sei Dank.
Zweitens werden die Arbeitszahlen von der Regierung und vom Bremer Senat schöngerechnet. Immer mehr Erwerbslose werden aus der Berechnung gestrichen: Arbeitslose, die krank sind, nur einen Ein-Euro-Job haben, an Weiterbildungen teilnehmen, älter als 58 Jahre oder bei privaten Arbeitsvermittlern gelandet sind sowie Hunderttausende, die gern arbeiten würden, sich aber keinerlei Chancen auf dem Arbeitsmarkt ausrechnen und gar nicht erst arbeitslos melden. „Die Linke“ hat die amtlichen Zahlen für das Land Bremen ausgewertet: Die tatsächliche Arbeitslosigkeit liegt demnach im November bei 48.673 Menschen. Offiziell sind es aber nur 37.053, weil 11.620 Arbeitslose, fast ein Drittel, einfach ignoriert werden. Es ist Zeit zu handeln und nicht zu tricksen!
Im kommenden Jahr werden alle europäischen Regierungen noch massiver versuchen, die Folgen der Weltwirtschafts- und Finanzkrise auf die Bevölkerung abzuwälzen. Ab 1. Januar 2011 sollen wir höhere Gesundheitsabgaben berappen, während der Anteil der Unternehmer eingefroren wird. Nicht mit uns! Wir brauchen dringend auch eine breite soziale Protestbewegung, wie wir sie 2010 gegen die Atompolitik und gegen „Stuttgart 21“ erlebt haben und wie sie in vielen europäischen Ländern einen Aufschwung nimmt. Der parallel zum Krisengipfel der 27 EU-Regierungschefs organisierte Generalstreik in Griechenland am 16. Dezember (der siebte in diesem Jahr!) war die richtige Antwort auf die verordneten “harten Sparpläne„. Millionen beteiligten sich in Portugal am 24. November am ersten Generalstreik seit 22 Jahren. Über 100.000 Menschen demonstrierten am 27. November in Dublin gegen das von der EU diktierte Krisenprogramm zur Finanzierung der Milliardensubventionen für Irlands marodes Bankensystem. Am selben Tag gingen 200.000 in Rom auf die Straße mit der Forderung nach Rücktritt des verhassten Berlusconi und seiner reaktionären Regierung.
Die Herrschenden merken, dass die Bevölkerung ihnen immer stärker das Vertrauen entzieht. Andreas Schmitz, der Präsident des Bankenverbandes, hat sich mit einem dramatischen Kommentar in der „Bild“-Zeitung an die Öffentlichkeit gewandt: „Unser Wertesystem droht auseinanderzubrechen. Nur 15 Prozent der Deutschen meinen, dass führende Politiker ihren Aufgaben gerecht werden; Wirtschaftslenker bestehen nur bei 26 Prozent der Deutschen. Es ist bedenklich, dass hierzulande jeder Respekt vor Eliten verloren geht.“ („Bild.de“, 7. November 2010). Während vor 16 Jahren noch 73 Prozent mit der „sozialen Marktwirtschaft“ zufrieden waren, sind es im Oktober 2010 nur noch 48 Prozent. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik hat sich damit für die Mehrheit der Befragten die bestehende kapitalistische Wirtschaftsordnung „nicht bewährt“. Mit einer Beschwörung endet deshalb der Appell des Bankers: „Wir müssen mehr reden, erklären und werben fürs große Ganze: die Demokratie und die soziale Marktwirtschaft.“ Dieses System löst keines der Probleme, die es selbst verursacht hat – da nützt auch die beste Werbung nichts! Es ist Zeit, für neue gesellschaftliche Alternativen zu kämpfen, in denen der Mensch und nicht mehr der Profit im Mittelpunkt steht!
1. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder will Kinder besser vor Missbrauch und Vernachlässigung schützen und legte dafür den Entwurf eines neuen Kinderschutzgesetzes vor, das Ärzte in bestimmten Fällen von ihrer Schweigepflicht entbinden soll. Wenn Mediziner Hinweise auf eine „akute Kindeswohlgefährdung“ haben, sollen sie die Information an Jugendämter weitergeben. Die Situation von Kleinkindern in Problemfamilien soll unter anderem durch den Einsatz von mehr Familienhebammen verbessert werden, die künftig in bestimmten Fällen Familien nach der Geburt eines Kindes ein Jahr lang medizinisch und sozial betreuen sollen. Allerdings ist die Finanzierung für dieses Vorhaben noch nicht ganz gesichert. Schröder nimmt an, dass bei 60.000 Familien in Deutschland ein solcher Hilfebedarf bestehe. Die Sprache verrät manchmal ungewollt, wes Geistes Kind die Macher einer solchen Gesetzesvorlage sind, wenn auch das „Jugendamt-Hopping“ durch ständiges Umziehen erschwert oder verhindert werden soll.
Ärzte und Psychologen sollen zudem künftig von ihrer Schweigepflicht entbunden werden und Informationen an das Jugendamt weitergeben dürfen, wenn sie in Einzelfällen begründete Hinweise auf eine Gefährdung des Kindeswohls haben. Der Hausbesuch von Jugendamtsmitarbeitern zur Einschätzung der Lebenssituation eines Kindes soll künftig grundsätzlich zur Pflicht werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mit diesem Gesetz dafür gesorgt wird, Kindesmissbrauch möglichst zu verhindern, sondern glaube eher an das Bedürfnis nach der totalen Kontrolle, die flächendeckende Schnüffeleien in der Privatsphäre ermöglicht. Nirgends wird beschrieben, wann und wodurch Familien zu „Problemfamilien“ werden: Reicht dazu der Bezug von ALG II oder der Status „alleinerziehend“ aus? Was genau sind „bestimmte Fälle“, und was soll mit den Kindern dann passieren? Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, dass eine Behörde entscheiden kann und darf, dass ein Arzt von seiner Schweigepflicht entbunden ist – ohne Einverständnis und Wissen der Eltern. Ich hätte mir als alleinerziehende Sozialhilfebezieherin die Einmischung und Verfolgungsbetreuung durch wen auch immer verbeten! Die „akute Kindeswohlgefährdung“ findet sich in allen sozialen Schichten, doch gelingt es den finanziell Gutsituierten viel leichter, die Damen und Herren vom Jugendamt vom Hausjuristen abbürsten zu lassen.
Ich glaube nicht, dass solch ein neues Gesetz einen Fall wie „Kevin“ aus Bremen verhindern würde, weil der Ziehvater viel Kreativität bei der Geheimhaltung seines Privatlebens und der Misshandlung Kevins bewies. Da lagen ganz andere Dingen im Argen: So wurde dem Ziehvater zwei Monate lang kein ALG II von der Arge überwiesen, was ihn natürlich in finanzielle Bredouille bringen musste, die er wahrscheinlich an Kevin ausließ! Auch hatten die Ämter Unterlagen, inwieweit Kevins Wohl gefährdet war. Ich finde es unerträglich und nicht hinnehmbar, wenn der Staat massiv ins Familienleben eingreifen darf. Dadurch kann der Staat eine solche Macht erlangen, dass der Kindesmissbrauch in seiner Definition eine ganz neue Form annehmen kann. Wo fängt denn die Kindesgefährdung an: Könnten bereits die Kinder von Anhängern der „Linken“ gefährdet sein? Werden die schon vom Verfassungsschutz beobachtet, wenn sie ihren Nachwuchs nicht neoliberal demütigen, sondern zu einer eigenen Denkweise erziehen? Danke, das hatten wir bereits im Nationalsozialismus und auch in der DDR! Statt immer neue Fälle zu konstruieren, wie erwerbslose Eltern ihren Kindern angeblich das Geld fürs Essen versaufen und wegrauchen und sie schlecht behandeln, sollte die Regierung endlich mal die Tatsachen ansehen, dass nämlich Kinder viel mehr Geld brauchen, um leben und gefördert werden zu können, ohne dass dabei ein hirnrissiger und diskriminierender Bürokratieapparat tausend Einzelanträge der Eltern bescheiden, weiterleiten und delegieren muss!
2. In den vergangenen zehn Jahren sind die Löhne in den meisten Industriestaaten um ein knappes Viertel gestiegen. Nicht so in Deutschland, wo das Durchschnittsgehalt sogar um ganze 4,5 Prozent schrumpfte. Glückwunsch, dank der bescheidenen neoliberalen Politik schaffte Deutschland es bei einem Vergleich der Internationalen Arbeitsorganisation sogar auf den allerletzten Platz! Die Unternehmen werden sich für die Klientelpolitik der Bundesregierung bedanken und im Gegenzug bestimmt viel spenden! Das Minus von 4,5 Prozent wird neben den moderaten Tarifabschlüssen der vergangenen Jahre unter einer „zahnlosen“ Gewerkschaft vor allem in der Ausweitung des Niedriglohnsektors, sowie der Zunahme von atypischen Beschäftigungsformen wie Zeitarbeit und 400-Euro-Jobs, begründet. Ich finde es skandalös, dass die Menschen in diesen prekären Beschäftigungsverhältnissen rund ein Drittel weniger pro Stunde als ein normaler Arbeitnehmer verdienen! Durch eine unfreiwillige geringere Wochenarbeitszeit liegen die Monatsverdienste atypisch Beschäftigter deutlich unter denen von Normalarbeitnehmern und reichen oft nicht aus, um den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die wachsende Zahl dieser Jobs hat dazu geführt, dass der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst 2009 auf 2.154 Euro gesunken ist – zehn Jahre zuvor waren es noch rund 100 Euro mehr. ILO-Generaldirektor Juan Somavia bemängelt, dass stagnierende oder rückläufige Löhne in vielen Ländern die konjunkturelle Erholung behindern, und fordert die Regierungen dazu auf, ihren Schwerpunkt auf Beschäftigung und angemessene Entlohnung zu legen, weil dies auch für die Bekämpfung sozialer und ökonomischer Ungleichgewichte entscheidend sei.
3. Das „Erwerbslosenforum Deutschland“ begrüßt das Scheitern der Hartz-IV-Reform im Bundesrat. Jetzt müsse die Opposition allerdings beweisen, wie ernst ihr das Anliegen der Millionen Hartz-IV-Bezieherinnen und Bezieher wirklich ist. Forumssprecher Martin Behrsing fordert einen „Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik“, der wieder die Interessen der Menschen in den Vordergrund stellt und Abschied von der Büttelpolitik für die Akteure und Profiteure der Finanz- und Wirtschaftskrise nimmt. Union und FDP führten Hartz-IV-Bezieher regelrecht vor, indem sie diese mit Unverschämtheiten wie fünf Euro „Regelsatzerhöhung“ oder „Bildungs(verhinderungs)paketen“ verhöhnten. Es wurde solange getrickst, bis endlich der gewollte Betrag von nur fünf Euro „Hartz-IV-Erhöhung“ heraus kam. Dafür wurde ganz bewusst das Existenzminimum abgesenkt und billigend in Kauf genommen, dass auf diese Weise die Tore für Hungerlöhne weiter geöffnet werden. Es wird allerhöchste Eisenbahn, dass sich die Opposition für eine angemessene Regelsatzerhöhung einsetzt, die sich an den Bedarfen von Menschen ausrichtet! Davon würden auch die Erwerbstätigen profitieren, weil dann endlich nicht mehr an einem vernünftigen Mindestlohn vorbeizukommen ist.
Allerdings vermisse ich in den Medien eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Referentenentwurf der Bundesregierung. Überall wird immer so getan, als ob es dabei „nur“ um eine zu geringe Erhöhung von fünf Euro gehe, die im Machtpoker den armen Erwerbslosen vorenthalten würden. Die finanziell Ärmsten dieser Gesellschaft sind aber keineswegs scharf auf die baldige Umsetzung dieses Gesetzes, das in der vorliegenden Form einer riesengroßen Entrechtung und Verschärfung gleichkommt, die das Leben mit Hartz IV noch bedrückender und beängstigender machen wird! Das SGB II erfährt in weiten Teilen drastische Verschärfungen, so bei Einkommensanrechnung, Darlehensgewährung, Aufrechnen von behördlichen Ansprüchen, bei Sanktionen, Verkürzung der Vierjahresfrist bei Überprüfungsanträgen nach § 44 SGB X auf ein Jahr und vieles mehr. Ohne Not sollen hier die „Daumenschrauben“ noch mehr angezogen werden, beispielsweise ist eine schriftliche Belehrung für die Sanktionierung nicht mehr zwingend erforderlich. Vermutet der Arbeitsvermittler, dass man die Rechtsfolgen kannte, ist eine Sanktion rechtens. Dies dürfte der Willkür weiter Tür und Tor öffnen. Darüber muss jetzt dringend die Debatte losgehen! Es sollte versucht werden, Druck auf Politik, Verbände und Gewerkschaften auszuüben. Die qualitativen Änderungen, die mit dem neuen Gesetz durchgepeitscht werden sollen, sind überhaupt noch nicht bekannt und auch nicht ins Bewusstsein der Fachöffentlichkeit, geschweige der sonstigen Öffentlichkeit vorgedrungen!
4. Eine Woche vor Weihnachten kann, muss doch unbedingt ein neuer Hetzartikel gegen Arbeitslose rausgegeben werden, mit dem unheilvoll dümmlich-populistischen Titel: „Dank Hartz IV sind Geringverdiener die Dummen“. Es folgt die – nett ausgedrückt – euphemistische Behauptung, dass es sich „bei kluger Lebensführung mit Hartz IV sorgenfrei leben“ lasse. Ein großer Teil der Arbeitslosen habe es durch das „Fordern und Fördern“ wieder geschafft, eine Arbeit aufzunehmen. Allerdings habe ein anderer Teil den „Anschluss an den Arbeitsmarkt“ verloren und scheine sich in der vom Staat verbürgten Grundsicherung „wohnlich“ einzurichten. Wenn eine Klassenfahrt anstehe, bekämen die Kinder von Hartz-IV-Beziehern die vollen Kosten der Klassenfahrt „unbürokratisch und problemlos“ von der Arbeitsagentur erstattet, während Eltern, die in niedrigen Lohngruppen arbeiteten, ihre Kinder abmelden müssten, weil sie sich die Fahrt nicht leisten können. Es sei darüber hinaus „auffällig“, dass Kinder aus Hartz-IV-Familien oft „üppig mit den Statussymbolen ausgestattet“ sind, mit denen Jugendliche ihren Rang in der Gruppe definieren: Markenkleidung und neueste Produkte der Unterhaltungselektronik. Das darf ja wohl nicht wahr sein!
Von Hartz IV sorgenfrei leben können und dass ein großer Teil von Arbeitslosen es geschafft habe – ich könnte mich krank lachen, wenn es nicht so traurig wäre! Viele der Erwerbslosen, die nicht mehr in der Statistik auftauchen, machen ein „Bewerbungstraining“, eine Umschulung, ertragen einen Ein-Euro-Job, oder sind krank – alles, aber bestimmt nicht in Arbeit, und werden trotzdem so vorgestellt! Auch verharren Menschen gewöhnlich nicht freiwillig in der Sozialhilfe, sondern werden durch Umstände dazu gezwungen. Kinder von Hartz-IV-Beziehern bekommen keineswegs alles erstattet, höchstens mit hohem bürokratischem Aufwand. Mit Hartz IV lässt sich niemals ein sorgenfreies Leben führen! Die permanenten Unterstellungen, die zu beweisenden Kosten für Energie: Alle Versuche, der Verfolgungsbetreuung zu entkommen, sind lückenlos nachzuweisen! In diesem Artikel ließe sich jeder Satz auseinanderreißen und zerpflücken. Doch das würde hier den Rahmen sprengen. Da der Artikel angeblich von einem Gymnasiallehrer geschrieben wurde, wage ich mir kaum vorzustellen, was sich in dessen Politikunterricht alles abspielen könnte: Eine Prise Sozialdarwinismus gefällig? Schließlich befinden sich dank des dreigliedrigen deutschen Schulsystems kaum Kinder aus dem „abgehängten Prekariat“ am Gymnasium. An dieser Stelle bezweifle ich schlicht, dass der Autor dieses Geschreibsels die notwendige fachliche Kompetenz besitzt!
5. Jedes Jahr dasselbe, das lässt sich gar nicht ernst nehmen: Zur Spargelzeit und im Winter wird der Schrei immer lauter, dass Arbeitslose ran ans Gemüse oder an die Schippe zum Dienst verpflichtet werden sollten. Wenn diese Schwerarbeit auf freiwilliger Basis angenommen werden kann und sie auch entsprechend bezahlt – statt von den ersten hundert Euro zu 80 Prozent vom ALG II abgezogen – würde, dann spräche nichts dagegen. Schließlich sind Langzeitarbeitslose nicht freiwillig oder aus persönlicher Schuld Transferleistungsbezieher, sondern weil es schon lange nicht mehr für alle Arbeit gibt! Warum sollen Erwerbslose für ein gesellschaftliches Problem verantwortlich gemacht und als Sündenbock zum Abschuss freigegeben werden dürfen oder für die Ineffizienz der Kommunen geradestehen? Wird angenommen, dass Erwerbslose mit Schieber und Muskelkraft den Schnee wegräumen und dann auf einmal alles ratzfatz geht? Frei nach Thilo Sarrazin ließe sich auch eine nette Implikation entwickeln, die da lauten könnte: „Wenn euch kalt ist, geht doch Schnee schippen, dann wird euch auch wieder warm!“ Da können wir nur hoffen, dass die argen Argen nicht noch mehr zu Sklaventreibern mutieren, die Leistungskürzungen anordnen, wenn nicht im Akkord eine bestimmte Schneemenge weggeräumt wurde! Erschreckend finde ich das Ergebnis einer Umfrage, wonach 57 Prozent dafür seien, dass Hartz-IV-Bezieher zum Schneeschieben verpflichtet werden.
Über den Verfasser dieses Artikels sollte man Lehrer mit Doppel-e schreiben. Der Dumme ist nämlich, wer als Beamter dem „frischen Wind“ von Krise und Markt nicht ausgesetzt ist und in seiner beamteten Hängematte der weiteren Senkung des Lohnniveaus in Deutschland Vorschub leistet, anstatt den Kindern geringverdienender Eltern durch Anraten zu ergänzenden ALG-II-Leistungen die Klassenfahrt zu ermöglichen. Jedenfalls sollte dieser Leerer seinen Schülern mal erklären, was Schwarzarbeit, zu der er hier öffentlich anzustiften scheint, mit kluger Lebensführung zu tun hat, zumal Schwarzarbeit ja schon „heimliches Arbeiten“ darstellt und „heimliche Schwarzarbeit“ somit einen Pleonasmus bildet.
Wenn Sie dies lesen, ist unsere Weihnachtsfeier bereits gewesen. So läuft die Zeit! Daher umgehend einen oder mehrere Anträge auf Überprüfung nach § 44 SGB X stellen. Mehrere Anträge sind nur notwendig, wenn Sie die Überprüfung auf einzelne Leistungsbereiche wie Kosten der Unterkunft oder Sanktionen beschränken. Im „Weser-Kurier“ vom 20. Dezember 2010 stehen im Bericht über die Umfirmierung der Bagis unter dem Titel „Hartz IV: Service wird besser“ weitere Argumente für den Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X noch in diesem Jahr: „Neu geregelt wird auch die Zuständigkeit, wenn es um Hartz-IV-Einkommen in der Leistungsabteilung geht. ‚Die Kunden werden einen einheitlichen Ansprechpartner haben‘, sagt Hildegard Jansen, Vorsitzende der Bagis-Trägerversammlung. Die bisherige Team-Struktur mit einem Sachbearbeiter und mehreren Assistenten habe sich nicht bewährt. Rechnungshöfe und die Innenrevision förderten abenteuerliche Fehlerquoten zutage“, so der „Weser-Kurier“.
Aus Sachbearbeitern werden Assistenten und aus Teamleitern Sachbearbeiter? Diese Darstellung ist wirklichkeitsfremd, aber bestimmt ein weiterer Grund für den Antrag auf Überprüfung!Weder ist dieser Artikel auf den Zwang zum Sparen eingegangen, um die Zielvorgabe einzuhalten, noch auf den Zwang, auch berechtigte Widersprüche abzulehnen, weil die Quote ausgeschöpft ist. Gemäß Dienstanweisung dürfen höchstens 30 Prozent aller Widersprüche positiv entschieden werden, alle anderen sind abzulehnen. Aber nehmen wir doch das Versprechen zur Besserung als Tatsache! Wir kommen darauf zurück. Die Aussage der Senatorin für Soziales, Frau Rosenköter, ist ebenfalls wirklichkeitsfremd. Es ist dringend anzuraten, die Ergebnisse der Innenrevision durch die Brille der Sachzwänge zu betrachten, denen zufolge Zielvorgaben einzuhalten und Widersprüche überwiegend abzulehnen sind. Frau Rosenkötter wird uns dies erklären müssen! Die Aussage „wenn die (bei der Bagis) etwas anders machen als wir aufschreiben (in der Verwaltungsanweisung), dann können wir dies nicht ändern“ von einem Mitglied der Sozialdeputation stärkt diese „Vogel-Strauß-Haltung“.
Hier ist eine umfassende und richtige Information der Bürgerschaft angeraten und ein fairer Umgang mit den Betroffen sicherzustellen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bagis müssen auch ihre berufliche Ehre zurückerhalten, denn diese Fehlerquote resultiert nicht aus Unwissenheit oder Unvermögen! Nun aber erst einmal fix den Überprüfungsantrag stellen! Wie dies geht? Wir gehen mit! Darum Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft positiv gestalten! Verschleiern und aussitzen ist zukunftsgefährdend! Das gilt auch für die Änderungen in SGB II und SGB XII zum 1. Januar 2011. Die fünf Euro Regelsatzerhöhung sind ein bewusster Streitfaktor, um über die anderen Änderungen nicht zu verhandeln. Das ist sehr kurzfristig gedacht! Auch da gilt es, den Kugelschreiber zu zücken und selber tätig werden! Wir kommen darauf zurück! Nun ein frohes Fest! Wir sehen uns am 3. Januar 2011 um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz wieder, bei der Montagsdemo!
Nach Griechenland und Irland stehen jetzt auch Portugal, Belgien, Spanien und Italien vor Staatsbankrott. Der „Rettungsschirm“ von 750 Milliarden ist längst zu klein. Ratingagenturen werten Staaten ab, und die Zinsen gehen raketenartig in die Höhe. Irland hat 113 Milliarden Euro Schulden bei deutschen Banken, weit mehr als bei anderen. Banken sind daher nicht nur Hauptnutznießer des „Rettungsschirms“, sondern auch Verursacher der Pleite. Ihr Ziel und das des gesamten deutschen Finanzkapitals ist es, die in die Pleite getriebenen Staaten noch abhängiger zu machen. Jetzt schon sind sie nicht mehr souverän. Sie sollen gezwungen werden, ihre Arbeiter- und Volksmassen extrem auszupressen, ihre Löhne drastisch senken, Belegschaften zu entlassen und die Mehrwertsteuer auf 23 bis 25 Prozent hochzuschrauben.
Dann steigen auch die Preise. Gegen diese Abwälzung der Krisenlasten auf die Arbeiter- und Volksmassen, auch hier in Deutschland unter dem Namen „Sparpaket“, gibt es immer mehr Widerstand! Ein Generalstreik ist in ganz Europa notwendig! Auch in Afghanistan geht es um die Interessen der deutschen Monopole. Merkel hat bei ihrem Besuch von Krieg gesprochen, vor acht Jahren hieß es noch Aufbauhilfe. Inzwischen sind 45 deutsche Soldaten tot, Hunderte von Nato-Soldaten, Tausende von afghanischen und Zehntausende der Zivilbevölkerung. Bundeswehr raus aus Afghanistan!
Beim Bremer Standesamt zahlt der Senat 347 000 Euro für ein Gutachten, demzufolge die Renovierung 5,4 Millionen kosten soll. Bauunternehmer und Mäzen Klaus Hübotter schaut sich das einmal an und kommt auf 2,5 Millionen; inzwischen liegt sogar ein Festangebot einer Baufirma unterhalb dieses Betrags vor. Was hat das Gutachten also gebracht? Für 347.000 hätten zehn Leute ein ganzes Jahr lang arbeiten können und dabei mehr verdient als fast alle, die hier auf dem Platz um uns herum stehen! Die es in Auftrag gegeben haben, sicher nicht, aber uns wird immer gesagt: Es ist kein Geld da, Gebührenerhöhung! Und dort? Deshalb die 347.000 Euro zurückfordern oder den Verantwortlichen vom Gehalt abziehen!