191. Bremer Montagsdemo
am 28. 07. 2008  I◄◄  ►►I

 

Herr Loske und das Sommerloch

Jens SchnitkerSelbst während der Sommerpause fallen wegweisende Entscheidungen! In Bremen versuchen Monopole, Einfluss auf die Politik auszuüben. Sieht man genauer hin, tun sie das sogar erfolgreich, über Jahre hinweg. Die Politik, die eigentlich verpflichtet wäre, solchem Spiel ein Ende zu bereiten, sieht von außen zu. Indessen steigt die Unzufriedenheit vieler Bremer wegen dieser Gleichgültigkeit ganz enorm.

Nun hat das Vergabeverfahren für das S-Bahn-Netz ein Ende gefunden. Die Entscheidung fällte das Landesgericht in Celle: Den Zuschlag bekam die Nordwestbahn. Im Sommer hatte der Vergabeausschuss in Bremen die Entscheidung getroffen, der Nordwestbahn den 500 Millionen Euro schweren Auftrag zu geben. Dagegen klagte die DB-Regio erfolgreich. Doch kurz vor der Bekanntgabe zog die DB-Regio die Klage zurück. Die Nordwestbahn wurde vom Bremer Senat wegen des günstigeren Angebotes hofiert. Herr Loske, Senator für Verkehr, aber auch seine Partei, die Grünen, bezeichnen das Ergebnis als das Beste überhaupt. So weit, so gut – doch die Geschichte hat ein Nachspiel.

Der Monopolist Deutsche Bahn gab nun bekannt, den Kündigungsschutz für das Ausbesserungswerk in Bremen lockern zu wollen: Es sollen bis 2010 um die 300 Arbeiter entlassen werden. Dies teilte die Bahn zeitgleich mit der Aufgabe der Klage vor dem Celler Landesgericht mit. Beides, sagt die Bahn, habe aber nichts miteinander zu tun. Damit holt die Bahn den großen Colt aus der Tasche und zielt scharf auf die Politik. Die nun bestätigte Wahl für das Angebot des kleineren Konkurrenten, einer Tochter des französischen Konzerns Veolia, erfolgte gemäß der Vorgabe der „Tariftreue“. Das heißt in Geld ausgedrückt: Die Kollegen bekommen 200 Euro weniger.

Wenn die Nordwestbahn also von „Tariftreue“ spricht, bedeutet das nicht etwa bessere Konditionen für die Kollegen: Gemeint ist die „Treue“ zum Haustarif. In Deutschland haben immer weniger Manteltarifverträge Gültigkeit, die autonome Tariflandschaft gleicht einem Flickenteppich. Die Bahn hat ihren Arbeitern wohl einen alternativen Arbeitsplatz angeboten. Der liegt aber in Süddeutschland. Also müssen die Kollegen, die hierbleiben wollen, die Kröte schlucken und für 200 Euro weniger im Monat arbeiten. Das ganze Geschäft wird im Sommerloch unter dem Motto von Senator Loske abgewickelt, endlich sei klar, dass Bremen „ab 2010 ein leistungsfähiges S-Bahn-Netz“ habe. Es folgt ein weiterer Abbau von Arbeitsplätzen zugunsten des Lohndumpings auf der Schiene, und Pate war Herr Loske.

Die Deutsche Bahn zieht aus dem Verlust der S-Bahn-Strecke die Konsequenz, ihren Betrieb zu „deregulieren“, also weiter zu privatisieren. Sie hat schon mehrere Streckenausschreibungen verloren, und diese wird nicht die letzte gewesen sein. Zu befürchten ist, dass hier in Deutschland, wenn weiterhin der Privatisierungswahn grassiert, künftig Zustände wie in England herrschen. Dort ist die Bahn total privatisiert worden. Dies führte zu schweren Unfällen auf der Strecke, mit vielen Toten und erheblichem Sachschaden. Außerdem war der Service unter der Gürtellinie. Der Staat hat sich daher dazu entschlossen, die Privatisierung zurückzunehmen und kauft Stück für Stück Anteile am Bahnverkehr zurück.

Jens Schnitker (parteilos)
 
Schröder und Sarrazin bitte auch – und Münte: SPD will
Clement (vielleicht) ausschließen („Spiegel-Online“)

 

Die BAG-SHI ist pleite!

Wieland von HodenbergWas sich schon seit längerer Zeit abgezeichnet hatte, ist nun eingetreten: Die BAG-SHI ist pleite! Der Verein hatte stets – gemessen an den immensen Aufgaben als Frankfurter Dachorganisation der bundesdeutschen Erwerbsloseninitiativen – trotz einiger Fördertöpfe relativ geringe Finanzmittel zur Verfügung. Es gab natürlich auch kein Eigenkapital, und daher konnten für Krisenzeiten kaum Rücklagen gebildet werden.

Für neue Projekte wurden zum Beispiel stets Mittel beim Bundesministerium beantragt und meistens auch bewilligt. Der größte Batzen kam also ausgerechnet aus dem Haushalt der Bundesregierung und bewirkte bei der BAG-SHI ein schleichendes politisches Anpassungsverhalten. Hieß es beispielsweise während der Schröder-Ära noch, dass die Hartz-Gesetze wieder abgeschafft werden müssen, stand später unter anderem nur noch die „Milderung der schlimmsten Auswüchse“ auf der Tagesordnung.

Die „Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfe- und Erwerbsloseninitiativen e.V.“ wurde 1991 von Betroffenen, unabhängigen Initiativen, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen gegründet. Arbeitsschwerpunkte waren Rechtsdurchsetzung, Vernetzung, Öffentlichkeitsarbeit und politisch motivierte Selbstorganisierung. Die Mitglieder und Aktiven bildeten lokale Selbsthilfeinitiativen, leisteten Aufklärungsarbeit, engagierten sich mit Rat und Tat für Sozialleistungsbeziehende und gaben entsprechende Leitfäden heraus. So heißt es in der Selbstdarstellung des Vereins.

Wie sich jetzt herausstellt, ging die BAG-SHI jahrelang sehr leichtsinnig und leichtfertig mit den Finanzen um. Es waren Belege nicht mehr auffindbar, oder es wurden nicht unerhebliche Beträge innerhalb des Vereins dorthin verschoben, wo Löcher zu stopfen waren. Dann wurden auch Mittel für Projekte beantragt, die Vereinsangaben zufolge aus Zeitgründen oder Personalmangel nie stattfanden. Schließlich stand die BAG-SHI beim Bund mit einem Fehlbetrag von 43.000 Euro inklusive Zinsen in der Kreide.

Alles in allem hat der gemeinnützige Verein – das muss hier unbedingt gesagt werden – in den 17 Jahren seines Bestehens sehr gute politische Arbeit geleistet, und eine Betrugsabsicht darf den Vorstandsmitgliedern, die allesamt über große sozialpolitische und menschliche Kompetenz verfügen, auf gar keinen Fall vorgeworfen werden. Für die vielen in der BAG-SHI organisierten Initiativen ist die Insolvenz allerdings eine Katastrophe! Die „Junge Welt“ schrieb am 24. Juli 2008: „Die Schwachen und Ausgegrenzten dieser Gesellschaft verlieren so ein wichtiges Instrument im Kampf um ihre Rechte. Und das nicht etwa durch staatliche Repression, sondern durch individuelles und kollektives Versagen einiger Akteure.“

Wenn auch nicht direkte Repression im Spiel war, so dürfte die BAG-SHI-Insolvenz der CDU in Nordrhein-Westfalen jetzt mehr als gelegen kommen, um sämtlichen unabhängigen Initiativen zur Beratung von Arbeitslosen in diesem Bundesland ab Oktober den Geldhahn zuzudrehen. Diese zutiefst unchristliche, schäbige und politisch wahnsinnige Handlungsweise wird völlig unabsehbare Folgen für die Betroffenen und die gesamte Gesellschaft haben! Andererseits werden für neue Awacs-Einsätze und Truppenverstärkungen in Afghanistan Milliardensummen ausgegeben! Hiergegen ist breitester Widerstand angesagt, und den wird es ohne jeden Zweifel geben!

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)
 
Hertie ist pleite: Kaufhauskette von Heuschrecke
„massiv geschröpft“ („Financial Times“)
 
Planlos in die Turbulenzen: Mit Fehlinformationen und Stimmungsmache versucht die Lufthansa über die bürgerlichen Medien, die Bevölke­rung gegen die Streikenden aufzubringen („Rote Fahne News“)
 
Das Riesengeschäft mit den Lebensmittelabfällen: Die „Tafeln“ sind Teil des
Vernichtungskonzepts der Sozialstrukturen („Frankfurter Allgemeine)

 

Wir brauchen einen Zuschlag zur Lebenshaltung um 50 Euro!

Jobst RoseliusDie 191. Montagsdemo begrüßt alle Bremer, Urlauber und Feierabend-Sehnsüchtigen auf dem Marktplatz! Wir freuen uns, dass Sie hier sind, denn viele Menschen sind jetzt fort. Frau Merkel war erst bei Wagners „Parsifal“ in Bayreuth, dann ist sie ab in den Urlaub. Sie will mal ausschlafen und nachdenken. Das wäre ihr auch anzuraten. Hoffentlich – aber wahrscheinlich nicht – zieht sie die richtigen Schlüsse aus ihrer Politik gegen die Menschen im Land.

Die Preise steigen weiter und weiter. Die Montagsdemo fordert einen Zuschlag für die Lebenshaltung um 50 Euro. Unter Kollegen in den Betrieben wird beraten, was man gegen die Preistreiberei tun kann. Gerade wenn es so heiß ist, die Klima- oder Lüftungsanlagen nicht funktionieren und auch die Versorgung mit kaltem Wasser nicht organisiert wird, nimmt der Unmut zu. Viele Kollegen diskutieren da einen Teuerungszuschlag.

Das Warten auf die Tarifrunde bei der IG Metall ab Herbst und im nächsten Jahr löst die Inflationsprobleme jetzt nicht. Hinweise auf die „Friedenspflicht“, wie selbsternannte Berater den Kollegen warnend entgegenhalten, sind doch der falsche Schluss aus dem Krieg, den die Unternehmer mit ihrer jeweils sofortigen Erhöhung aller Preise gegen uns ziehen!

Wir werden hartnäckig für unsere Ziele beim Hungerzuschlag und beim Teuerungszuschlag kämpfen müssen, denn gerade jetzt, wenn in manchem Betrieb aufgrund vom Urlaub anderer Kollegen zusätzlich eine angespannte Situation herrscht, sind viele Kollegen auch aufgeschlossen, sich über die eigene Lage Gedanken zu machen.

Bei einem Münchner Gericht wurde heute der erste Siemens-Schmiergeldfall entschieden: Ein „mittleres Schaf“ aus der Konzernspitze ließ man laufen, bei zwei Jahren Haft auf Bewährung und rund 108.000 Euro Geldstrafe. Das Urteil war so sanft, weil der ehemalige Siemens-Direktor ein umfassendes Geständnis abgelegt und vier Koffer mit Betriebsunterlagen bei der Verhaftung übergeben, also „mitgearbeitet“ hatte.

Der „Chefberater“ von Frau Merkel, unser „ehrenwerter Herr von Pierer“, und der Herr Kleinfeld, mittlerweile in die USA abgesetzt, hüllen sich in Schweigen. Der Siemens-Aufsichtsrat will die Herren auf Schadensersatz verklagen. Wenn das mal gut geht! Vielleicht ist Herr von Pierer dann schon sonstwohin getürmt, und man findet nur noch leere Schubladen vor? Aber vielleicht können ja die „CSU-Connections“ à la Strauß noch helfen.

Die Kollegen sollen die Zeche zahlen: erst die Leiharbeiter, deren Zahl sich im Jahr 2007 um 90.000 erhöht hat, dann die Stamm-Kollegen, die sich neuen Erpressungen gegenübersehen. Bei Opel in Bochum musste jetzt der Leih-Konzern Adecco den ersten Rückzieher machen, weil die Kollegen dagegen geklagt hatten – unterstützt von einer Welle der Solidarität. Auch bei Daimler in Hamburg-Harburg sollen Leiharbeiter rausfliegen. Ein Kollege, der das öffentlich machte, wurde abgemahnt wegen „Störung des Betriebsfriedens“. Letzte Wochen haben wir schon davon gehört. Heute schlage ich vor, dass wir auf einer Liste des Solidaritätskreises unterschreiben und sie dann nach Hamburg schicken!

Jobst Roselius
 
Lieber Thilo: Mit dicken Pullis und bei 15 Grad Raumtemperatur
haben wir schon die letzten Winter durchzittert („Focus“)

 

Gregor Gysi befürchtet Kältetote

Elisabeth Graf1. Der DGB schlägt wegen der stark gestiegenen Energiekosten Alarm und befürchtet, nun stehe der erste Winter seit Langem bevor, in dem Zehntausende Deutsche frieren müssen. Wieso überhaupt nur Zehntausende? Da muss – wie in der Nachkriegszeit – wohl eher von den Millionen Armen gesprochen werden, die in diesem eigentlich so reichen Deutschland davon erheblich betroffen sind! Von Rechts wegen müssten Hartz-IV-Bezieher die tatsächlichen Heizkosten von der Behörde bezahlt bekommen. Doch halten sich viele der argen Argen nicht daran, und etliche Betroffene kennen ihr Recht nicht!

Gregor Gysi befürchtet sogar Kältetote. Bei den in Wirklichkeit steigenden Obdachlosenzahlen und der beängstigenden Zunahme finanziell schwacher Menschen und ihrer Familien ist dies leider zu erwarten! Sommer forderte die Große Koalition zu schnellem Handeln auf und bekundete, dass Frieren ebenso schlimm sei wie Hungern. Er meinte, dies könne keine Regierung hinnehmen. Vernünftige Sozialtarife für den häuslichen Bedarf an Strom und Heizung seien längst überfällig geworden. Schon jetzt zeige sich, dass ein Großteil der in staatlich verordneter Armut gehaltenen Bürger ihre Energiekosten nicht mehr bezahlen kann, denn in unserem reichen Land wird über einer Million Bundesbürgern pro Jahr zeitweilig Strom und Gas wegen Zahlungsrückständen gesperrt.

Der Wiederanschluss an die Energien ist dazu auch noch mit erheblichen Mehrkosten verbunden, die von den schmalen Haushaltskassen gar nicht mehr getragen werden können. Die Versorger müssten gerade wegen ihrer unersättlichen Profitmaximierung dazu verpflichtet werden, eine festgelegte Menge an Strom und Gas zu einem niedrigeren Preis an jeden Haushalt abzugeben. Selbst die SPD erinnert sich mal wieder daran, dass sie sich ja „Sozialdemokraten“ nennen, und das Vorstandsmitglied Hermann Scheer kündigte an, eine Initiative seiner Partei wolle erreichen, dass Bundestagsfraktion und Bundespartei ab September einen Gesetzentwurf für Sozialtarife bei Strom und Heizung ausarbeiten.

Wie wenig die meisten Politiker von ihrer Bevölkerung wissen, sich gar um deren Wohlergehen kümmern, das bewies ausgerechnet Bundeskanzlerin Angela Merkel, als sie mehrfach behauptete, Transferleistungengsbezieher seien von der Energiekostenexplosion nicht betroffen, da alle entstehenden Kosten für sie von der Behörde übernommen würden. Wie ich die Einsatzfreude unserer Bundesregierung kenne, wird es statt der dringend benötigten Sozialtarife in Zukunft sicher nicht nur „Tafeln“ geben, sondern auch „Wärmestuben“. Die Räume werden dort durch die ausgestrahlte Körperwärme von selbst und ganz kostenneutral beheizt. Na, dann „Gute Nacht, armes Deutschland!“

 

2. Das „Erwerbslosenforum Deutschland“ reagierte mit scharfer Kritik auf eine Erklärung des arbeits- und sozialpolitischen Sprechers der CDU-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen, Norbert Post. Dieser hatte die Streichung der Mittel für die Arbeitslosenzentren damit begründet, es könne nicht Aufgabe eines Bundeslandes sein, Arbeitslosenzentren zu fördern, die Bescheiden der staatlichen Argen widersprächen. Martin Behrsing, der Sprecher des Forums, warf Post vor, dass er mit der CDU in Nordrhein-Westfalen eine „lex specialis“ für Erwerbslose schaffen wolle. Er sagte, dass dann ebenso gut in Zukunft auf die Gehälter der Richter an den Sozialgerichten verzichten werden könne, da auch diese immer öfter gegen staatliche Argen entscheiden.

Hier zeige die CDU ihr wahres Gesicht, dass nämlich nicht die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit Priorität habe, sondern die Bekämpfung der Arbeitslosen und deren faktische Ausgrenzung! Das „Erwerbslosenforum“ wies darauf hin, dass immer noch drei Viertel aller Bescheide bei Hartz IV falsch sind. Ebenso machten die zahlreichen erfolgreichen Widersprüche und gerichtlichen Auseinandersetzungen deutlich, dass die staatlichen Argen keineswegs im Sinne der Betroffenen arbeiten. Das „Erwerbslosenforum“ wird sein Informationsangebot ausweiten und so aufbereiten, dass Betroffene in der Lage sind, sich zur Wehr zu setzen und notfalls eine gerichtliche Auseinandersetzung selbst durchzuführen.

Viele Menschen sind durch die Arbeitslosigkeit und den perfiden Hartz-IV-Wahnsinn der Behörden psychisch kaputt gemacht worden. Es ist wahrlich sehr christlich, wenn die CDU diesen Druck, der oft mit nackter Existenzangst gepaart ist, nun auch noch verstärken will! Mit legalen Mitteln kann wohl nicht gefordert werden, dass quasi per blinder Auslieferung an die Verfolgungsbetreuung aus Erwerbslosen rechtlose Parias gemacht werden, die sich gegen erlittenes, bewusst herbeigeführtes Unrecht (um fünf Prozent Kosten einzusparen) nicht mehr zur Wehr setzen dürfen! Dies alles nur, um den Profit der grenzenlos raffgierigen Unternehmer durch immer mehr Niedriglöhner und faktische Zwangsarbeiter ins Unermessliche zu steigern? Das ist schon wieder ein Bruch des Grundgesetzes, eine Menschenrechtsverletzung! Ich kann mir die anvisierte „unabhängige“ Beratung für Erwerbslose in den Argen selbst leibhaftig vorstellen! Da laufen mir kalte Schauer den Rücken herunter.

 

3. Wegen der steigenden Lebensmittelkosten sinkt die Spendenbereitschaft, und so geht den „Tafeln“ das Essen aus! Die wachsende Armut in Deutschland bringt diese Einrichtungen zunehmend in Bedrängnis, denn während die Zahl der Hilfsbedürftigen zunimmt, stagniert die Menge der gespendeten Waren. Dabei werden immer mehr Menschen durch die Verteuerung der Lebensmittel zu den „Tafeln“ getrieben.

Da auch der Einzelhandel wegen des Kostendrucks inzwischen schärfer kalkulieren muss, wird es vor allem in ländlichen Regionen und strukturschwachen Gebieten zunehmend schwieriger, Spenden für die „Tafeln“ zu organisieren. Es liegt also nicht an weniger Hilfsbereitschaft, wenn nicht genügend gespendet wird, sondern weil wegen der explodierenden Energie- und Rohstoffpreise zunehmend schärfer gerechnet werden muss. Da auch längere Strecken abgefahren werden müssen, um die gleiche Menge wie vorher zu bekommen, werden zunehmend Kühlfahrzeuge gebraucht.

Der „Hauptverband des deutschen Einzelhandels“ sieht zwei Gründe für den Rückgang der Lebensmittelspenden: Zum einem habe die Einführung der elektronischen Warenwirtschaft dazu geführt, dass genauer geplant wird und weniger übrig bleibt. Zum anderen seien die Händler durch die zurückliegenden Gammelfleischskandale möglicherweise verunsichert und trauten sich nicht mehr, Lebensmittel mit fast abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum an die „Tafeln“ zu geben.

Wenn Erwerbslose ein menschenwürdiges Existenzgeld erhielten, müsste es so etwas wie die „Tafeln“ gar nicht geben! Wir wollen uns nicht immer weiter ausgrenzen lassen, in Sozialkaufhäusern einkaufen, unser Gemüse von den „Tafeln“ oder die Klamotten aus der Kleiderkammer holen müssen. Wir wollen so wie alle anderen auch für den täglichen Mindestbedarf sorgen können!

 

4. Diese Platte scheint auf ewig einen „Sprung“ zu haben: Es gebe „kein Recht auf ein Leben mit Sozialgeldern“. Im Moment will die britische Regierung den „Sozialstaat“ umkrempeln und droht den Opfern, also den Arbeitslosen, mit „eskalierenden Sanktionen“! Nicht nur in Deutschland wird über „Aktivierungsstrategien für Erwerbslose“ nachgedacht, nein, auch in Großbritannien wird das gesellschaftliche Problem, dass es keine Vollbeschäftigung mehr gibt, den Erwerbslosen als deren Einzelschicksal aufgebürdet und vorgeworfen.

Wachsende Arbeitslosenzahlen sind der Grund für eine „Aktivierungsstrategie für Arbeitslose“, wonach Langzeitarbeitslose oder Sozialhilfeempfänger nach zwei Jahren ohne Arbeit nur noch Geld erhalten sollen, wenn sie dafür „soziale Dienste“, also Zwangsarbeit leisten. Nach Minister James Purnell soll der Sozialstaat damit tiefgreifend verändert werden. Was daran noch sozial ist, müsste zwingend neu definiert werden! So sollen etwa Personen, die aufgrund von Arbeitsunfähigkeit soziale Leistungen erhalten, ab 2013 noch einmal medizinisch untersucht werden, um diejenigen herauszufischen, die nur zeitweise arbeitsunfähig seien. Nur noch Schwerbehinderte müssen dann nicht mehr nach Arbeit suchen.

Ahnungslose wollen Drogenabhängige dazu verpflichten, an einer Drogenentwöhnungstherapie teilzunehmen, obwohl sich solch ein Verzicht nie erzwingen lässt und bei gesellschaftsfähigen Alkoholikern immer munter toleriert wird, weil Alkohol nicht als Droge gilt. Wer sein Drogenproblem nicht meldet, kann, wenn es später entdeckt wird, wegen Betrugs bestraft werden oder muss das erhaltene Geld zurückzahlen. Was soll es denn bewirken, wenn immer nur der Druck auf die Arbeitslosen erhöht wird und zum Beispiel Alleinerziehende mit Kindern über sieben Jahren zur Arbeit verpflichtet werden? Waohh, echt ein tolles Konzept – als ob dadurch auch nur ein einziger Arbeitsplatz entstünde! Durch Druck auf Erwerbslose entsteht nur eine zunehmende Gruppe von verarmten und existenzbedrohten Menschen, ob mit oder ohne Arbeit.

 

5. Auch gut einen Monat vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres ist die Situation auf dem Lehrstellenmarkt angespannt! Nach den Statistiken der Arbeitsämter sank die Zahl der offenen Stellen von 155.000 im vergangenen auf 146.000 im laufenden Jahr. Das sind 9.000 weniger! Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbock spricht von Hunderttausenden von Jugendlichen aus den vergangenen Jahren, die weiterhin auf einen Ausbildungsplatz warten.

Nele Hirsch, die bildungspolitische Sprecherin der Linkspartei, meint, dass einige Tausend freie Ausbildungsplätze nicht über die immer noch bestehende Ausbildungslücke hinwegtäuschen können. Selbst die SPD verwies auf bis zu 80.000 Schulabgänger ohne Abschluss, denen sie künftig den Rechtsanspruch auf einen kostenlos nachzuholenden Hauptschulabschluss zugestehen möchte. Schade, die SPD hat noch immer nicht begriffen, dass die Hauptschule abgeschafft werden muss!

 

6. Auch der Kriminologe Christian Pfeiffer forderte in der letzten Woche die Abschaffung der Hauptschulen. Er hält den Ausbau von Ganztagsschulen zur Eindämmung von Jugendgewalt für dringend notwendig. Je sinnvoller die Nachmittage von Schülern genutzt werden, desto besser gelinge die Integration von Migranten und sozialen Randgruppen. Der Kriminologe berichtete von einer neuen Studie des „Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen“, die gezeigt habe, dass die Hauptschule sich zu einem „eigenständigen Verstärkungsfaktor“ der Jugendgewalt entwickelt habe.

Dort ballten sich „hoch belastete“ Jugendliche immer stärker, und dies führe zu negativen „Ansteckungseffekten“. Damit Jugendliche ihre Nachmittage nicht sinnlos mit Computerspielen verplemperten, müsse es Alternativen geben, sagte Pfeiffer. Er plädierte für „Ganztagsschulen für alle“, die „Lust auf Leben wecken durch Sport, Musik, Theater und soziales Lernen“. Ferner sei die Zivilgesellschaft gefordert, mit Engagement von der Hausaufgabenhilfe bis zur Leseförderung Jugendliche zu unterstützen.

 

7. Immer mehr junge Leute verzichten auf ein Studium. Zwar gab es im vergangenen Jahr mehr Schulabgänger mit Abitur oder Fachhochschulreife, doch gegenüber dem gleichen Jahr sank die Zahl der Studienanfänger um fünf Prozent. Dieser Verzicht geschieht sicherlich nicht immer ganz freiwillig.

Als Gründe dafür gelten die erheblich ausgeweiteten Zulassungsbeschränkungen an den Hochschulen, die vermaledeiten Studiengebühren, die Unklarheit, wie das Studium finanziert werden kann, sowie ein bürokratischer Wirrwarr bei der Studieneinschreibung seit Inkrafttreten des neuen Studentenauswahlrechtes der Hochschulen.

Wenn dann in einer betrieblichen Ausbildung ganze 28 Prozent mehr Abiturienten registriert werden, lässt sich unschwer vorstellen, wie die Anforderungen an die begehrten Lehrstellen ansteigen und die Jugendlichen mit einem niederen Schulabschluss immer schlechtere Chancen bekommen, sich dort erfolgreich bewerben zu können.

 

8. Vom Richter des Mendener Amtsgerichtes wurde ein angeklagte Hilfsarbeiter vom Vorwurf des Sozialbetrugs freigesprochen. Der Familienvater verdient im Monat 800 bis 900 Euro netto und bekommt noch 1.000 Euro aufstockendes ALG II von der Arge bezahlt. Bisher hat er immer alles offen dargelegt. Weil seine 17-jährige Tochter den Führerschein machen will, hat sie sich in den Ferien etwas dazuverdient.

Was der Hilfsarbeiter nicht wusste, war, dass er der argen Arge diesen Hinzuverdienst seiner Tochter hätte mitteilen müssen, um es dann wieder abgezogen zu bekommen. Der Richter glaubte den Beteuerungen des Angeklagten, dass er es angegeben hätte, wenn ihm dies bekannt gewesen wäre, und sagte, „dass wir uns durch diesen Paragrafendschungel bei der Arge ein Volk von Vorbestraften heranzüchten“.

Die besondere Schweinerei liegt in meinen Augen darin, dass die Tochter sich selbst Geld verdienen wollte, um den Führerschein zu machen. Wie bitter ist das denn, und was wird sich wohl bei ihr einprägen? Dass sie doppelt ausgegrenzt ist und nun auch noch das sauer verdiente Geld wieder abgeben muss! Mal wieder werden Kinder von Hartz-IV-Beziehern bestraft, müssen leer ausgehen. Das scheint staatlich so gewollt zu sein. Die Freunde bekommen den Führerschein von ihren Eltern bezahlt, müssen meist nichts dafür tun. Das ist so hundsgemein! Ansonsten ist es ein ungewöhnlich gerechtes Urteil.

 

9. China wird Adidas zu teuer! Was gestern noch ein Niedriglohnland war, scheint nun für die armen Produzenten nicht mehr genügend Erträge zu erzielen, weil die von der Regierung festgelegten Löhne allmählich zu hoch werden. Der Konzernchef sagte der „Wirtschaftswoche“ in einem Interview, dass derzeit in China 50 Prozent der Schuhe gefertigt werden, dieser Anteil jedoch zurückgehen werde. Die Sportschuhproduktion will aus dem „Reich der Mitte“ möglicherweise nach Laos, Vietnam, Kambodscha oder Indien umziehen. Auch in europäische Schwellenländer, in die GUS-Staaten und Osteuropa, wird Produktion zurückkommen. Es sei nicht zu glauben, aber ein in Deutschland produzierter Sportschuh würde im Laden 500 Euro kosten!

Mir persönlich ist es auch völlig unverständlich, dass Adidas-Schuhe für viele – vorwiegend junge – Menschen ein Prestigeobjekt sind und sie sich damit zum unbezahlten Werbeträger machen. Oder soll die vielgereiste Bundeskanzlerin die Unternehmensleitung von Adidas beschwören, auch in Deutschland eine Produktion aufzubauen? Subventionen gäbe es ganz bestimmt. Außerdem wartet hier eine Armee von Tagelöhnern, die sonst niemals einen Adidas-Schuh aus der Nähe sehen könnten! Lohnkosten kämen auch nicht auf den Konzern zu, weil diese bereits von den argen Argen übernommen würden, auf Kosten der Steuerzahler. Für Adidas wie ein schlecht bezahlter Chinese arbeiten zu dürfen, muss dann als Lohn wohl reichen! Schließlich ist Adidas einer der größten Sponsoren der Olympischen Spiele in der Hauptstadt Peking im August. Na, das ist doch auch was!

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
Lieber Gregor: Wann ruft „Die Linke“ auf zur Montagsdemo –
und zur Großdemo am 8. 11. in Berlin? („Rote Fahne News“)
 
Zwei Drittel der Hartz-IV-Empfänger fehlen in der Arbeitslosenstatistik:
Seit Ende 2005 sind durchgehend mehr als sieben Millionen
Menschen von staatlicher Hilfe abhängig („Junge Welt“)
 
Schluss mit Karriere auf Parteiticket: Clement betrieb stets nur Lobbyismus unter dem Deckmantel innerparteilicher Wahrheitsfindung („Tageszeitung“)
 
Auch wenn der Anlass traurig ist: Münte hat wieder Zeit für die Politik („Bild“)
 
Über den Tisch gezogen: Verdi-Spitze stimmt Abschluss zu, der nicht einmal die Hälfte der Forderungen erfüllt („Spiegel-Online“)
 
Bsirske muss weg: Wie kann sich ein Gewerkschaftschef, wenn die Kollegen
9,8 Prozent mehr Lohn fordern, rechtzeitig vor Streikbeginn per Lufthansa
gratis erster Klasse zu den Hula-Girls nach Hawaii ausfliegen lassen, um
dann vom Palmenstrand eine SMS zu schicken: „4,2 Prozent sind eigentlich
auch genug, die schmieren doch bloß Brötchen und Flügelklappen“? („Bild“)

 

Der Kampf für eine Belegschaft in den Betrieben muss zunehmen!

Das große Redebuch
Band I (2004/2005):
Schröders Hartz-Attacke und 
seine vorgezogene AbwahlEs war knallig heiß auf dem Marktplatz. Zum Glück warfen aber die alten Gemäuer des Schütting – der Handelskammer – so viel Schatten, dass sich die 191. Montagsdemo in Bremen am 28. Juli 2008 um 17:30 Uhr darin versammeln konnte. Wegen der Hitze war die Stadt nicht so besucht, und auch von unseren Mitstreitern waren einige in Urlaub oder auf schweißtreibender Arbeit. Trotzdem fanden sich 23 Teilnehmer und Zuhörer ein.

Es gab wieder einen bunten Strauß von Redebeiträgen, besonders zu den Preissteigerungen. Erhoben wurden Forderungen nach einem Hungerzuschlag für die ALG-II-Betroffenen, nach einem Teuerungszuschlag für die Arbeitenden und dass der Kampf für eine Belegschaft bei den Kämpfen in den Betrieben zunimmt. Diese Einheit ist im Vorfeld einer kommenden Überproduktionskrise von besonderer Bedeutung. 23 Kolleginnen und Kollegen gaben ihre Unterschrift für die Forderungen nach Rücknahme der Kündigungen von Leiharbeitern bei Daimler in Hamburg-Harburg und nach Rücknahme einer Abmahnung, weil ein Kollege diese Kündigungen öffentlich gemacht hatte.

Ein Kollege warb erneut für den Widerspruch gegen die Gaspreiserhöhungen und erklärte, wie das über die Verbraucherzentralen in die Wege geleitet werden kann. Auch wenn Frau Merkel behauptet, dass die Heizkosten der ALG-II-Betroffenen von den Argen übernommen würden, ist das in Bremen nicht so. Die „vielgeliebte“ Bagis weigert sich einfach, und nicht jede(r) hat den langen Atem, den Kampf dagegen bis zum Ende durchzustehen. Alles in allem war es auch diesmal ein lebendiger Nachmittag.

Jobst Roselius für die „Bundesweite Montagsdemo
 
Ypsi-Püppsi nimmt Rache: Fast-Königin von Hessen lässt Ex-König von
Nordrhein-Westfalen beinahe ermeucheln („Süddeutsche Zeitung“)
 
Was für ein Mann: Piesepampel stemmt 32-Kilo-Hantel
ohne zu schwitzen („Spiegel-Online“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz