100. Bremer Montagsdemo
am 04. 09. 2006  I◄◄  ►►I

 

Langzeitarbeitslose
als „Servicekräfte“?!

Ursula GatzkeDas Karussell der Langzeitarbeitslosen dreht sich schneller! Sie kriegen für die Fahrt darin sicher nicht einen Heller. Ein halbes Jahr arbeiten für Bus und Bahn, dann kommt schon wieder der Nächste dran! Da fragt sich doch jeder, wie man so nur die Arbeitslosenzahl verringern kann!

Weil Gesetze bloß auf Papier stehen, müssen schon jetzt viele arme Arbeitslose eine zweite Runde drehen. Auch wer ein ganzes Jahr für einen Euro hat geschuftet, ist anschließend nicht aus der Arbeitslosigkeit verduftet!

Warum hackt man immer nur auf den Ärmsten rum? 15.000 Ex-Postbeamte will man mit 55 in Pension schicken, das ist dumm! Den Gesetzentwurf sollte die Bundesregierung schnell in die Tonne werfen und für diese jungen Ex-Beamten die Altersgrenze tüchtig verschärfen!

Warum muss Deutschland sich solche Gesetze gönnen, nach denen Menschen ungerecht behandelt werden können? „Vor dem Gesetz sind alle gleich!“ Ja – aber nur im Himmelreich.

Ursula Gatzke (parteilos)
 
Heuchelpflicht: Bewerber muss Interesse vortäuschen („Süddeutsche Zeitung“)

350.000 „neue“ Stellen durch Kombilohn: Dafür wollen „Sachverständige“
den Regelsatz um 30 Prozent kürzen („Frankfurter Allgemeine Zeitung“)
 
Wirtschaftsweiser fordert Schluss mit Ein-Euro-Jobs: Arbeitseinkommen wären vom ersten Euro an sozialversicherungspflichtig („Spiegel-Online“)

 

Erwerbslose haben es gut

Alle müssen ständig überall hin,
Hetzen sich ab von früh bis spät.
Wir bleiben lieber ganz zu Hause,
So wie die Bagis es uns rät.
/  D  AG  D  –  /  /  /  /
 
(Refrain:)
Hör bloß nicht auf zu leben,
Spür die Kraft, die in dir ruht.
Erwerbslose haben es gut!
/  G  –  /  D  –  /  A  G  D  –  /
 
Alle gehen oftmals zwanghaft shoppen,
Beugen sich dem Geist der Zeit.
Uns können Kaufhäuser nicht mehr locken,
Halten wir dafür kein Geld bereit.
(Refrain)
 
Alle müssen permanent verreisen,
Jetlag und fremde Länder sehen.
Wir wollen Flughäfen lieber meiden,
Uns bleibt die Flugangst so erspart.
(Refrain)
 
Alle rennen immer hin zu Ärzten,
Bezahlen dort Praxisgebühr.
Wir pfeifen auf die Medikamente,
Vom langen Leben sind wir verschont!
(Refrain)
 
Der Reichen Qual müssen wir nicht haben:
Was fang ich an mit zu viel Geld?
Wir leben meist von Luft und Liebe,
Was uns auch selbst erhellt!
(Refrain)

Elisabeth Graf („Bad Moon Rising“)
 
Motivation durch Demütigung: Hartz-IV-Empfänger sollen niedere Dienste
verrichten, um sich ihre Staatsknete zu verdienen („Tageszeitung“)
 
Experten ratlos: Warum sollen Arbeitslose nicht den Alten
beim Einkaufen helfen? („Süddeutsche Zeitung“)
 
Neulich bei der Agentur: Arbeitsverweigerer enttarnt
(„Time4Peace“, GIF-Animation, 834 kB)

 

Der „Bremer Taliban“, nicht
zuletzt ein „Fall deutsche Medien“

Wieland von HodenbergFür mich ist der sogenannte Fall Kurnaz keineswegs abgeschlossen, solange die Staatsanwaltschaft Bremen gegen ihn wegen des „Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung“ ermittelt. Es ist auch nicht ein „Fall Kurnaz“, sondern ein Fall BND, ein Fall Joschka Fischer, Frank-Walter Steinmeier, Henning Scherf und vor allem Thomas Röwekamp. Wie diese Herren sich verhalten haben, als Murat noch in Guantánamo saß, das ist schon ein himmelschreiender Skandal. Es erscheint seltsam, wenn jetzt der Nachfolger Scherfs, Bürgermeister Jens Böhrnsen, ihn in Bremen „herzlich willkommen“ heißt, wo doch die Koalition immer noch dieselbe ist und der Abschiebesenator immer noch Thomas Röwekamp heißt. Ist das jetzt Scheinheiligkeit und Gehorsam gegenüber der Regierung Angela Merkel, oder trennt sich Böhrnsen im Geiste vorsichtig vom tumben, menschenverachtenden Kurs der Bremer Koalition?

Nicht zuletzt ist das Schicksal des Bremer Guantánamo-Häftlings auch ein „Fall deutsche Medien“. Die meisten Zeitungen einschließlich der „TAZ“ sprachen bis vor kurzem noch vom „Bremer Taliban“, wenn von Murat Kurnaz die Rede war. Auch dies ist eine Ungeheuerlichkeit, weil es die Unschuldsvermutung negiert und einer Vorverurteilung gleichkommt. Erst nach Angela Merkels Vorstoß bei Mr. Bush wurde er wie durch ein Wunder zum unschuldigen und bedauernswerten Opfer amerikanischer Verschleppungs- und Folterwillkür. „Untersucht Guantánamo!“, forderten plötzlich selbst erzkonservative Blätter wie die „FAZ“, wobei vorher dieser „Schandfleck“ (Gregor Gysi am 26. August) für fast die gesamte Presse ein Tabu war.

In einer Erklärung des Bremer Friedensforums vom 26. August wird die Freilassung von Murat freudig begrüßt und die Haltung der früheren rot-grünen Bundesregierung und des Scherf-Senats scharf kritisiert. Das Friedensforum forderte für ihn ein dauerhaftes Bleiberecht und die Einstellung der staatsanwaltschaftlichen Verfolgung. Weiter heißt es in der Erklärung: „Gleichzeitig verurteilen wir die Praktiken der US-Regierung, Menschen willkürlich zu verhaften und ohne Anklageerhebung illegal in geheimen Lagern gefangen zu halten und foltern zu lassen. Wir fordern für sie ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren oder die sofortige Freilassung sowie die Auflösung der menschenrechtswidrigen Lager einschließlich Guantánamo.“

Bürgermeister Böhrnsen trat übrigens letzte Woche gemeinsam mit dem Bremerhavener Oberbürgermeister Schulz der weltweiten Initiative “Mayors for Peace” (Bürgermeister für den Frieden) bei. Dieser eher symbolische Schritt war längst überfällig, hatten wir doch jahrelang mit Appellen und Briefen vergeblich darum gekämpft. In einem Lied der Friedensbewegung heißt es: „Das weiche Wasser höhlt den Stein“. Es gibt uns neue Hoffnung, und daher können wir feststellen: Konsequente Friedensarbeit lohnt sich eben doch!

Wieland von Hodenberg („Solidarische Hilfe“)
 
Außer wenn der Magen knurrt: Mein späteres Ich
wird mir helfen („Frankfurter Allgemeine Zeitung“)

 

Organisation B.
und das große Schweigen

Vor einem halben Jahr habe ich hier gesagt, ich bin sehr dafür, dass deutsche Soldaten mein Gold, mein Uran, meine Diamanten, mein Kobalt und meine anderen Bodenschätze in der Demokratischen Republik Kongo schützen! Damals wusste ich noch nicht, dass es eine deutsche Organisation gibt, die das schon für mich und auch für euch organisiert hatte.

Eine Organisation in Deutschland befindet auch darüber, wie viele deutsche Soldaten den Schutz übernehmen müssen. Unabhängig davon, was das deutsche Parlament dazu sagt! Ganz demokratisch, versteht sich. Diese Organisation hat einen ihrer Sitze in Berlin, Unter den Linden 1. Nein, es ist nicht die Bundesregierung, aber ihr kennt sie alle!

Diese Organisation sorgt gegenwärtig auch dafür, dass eure Kinder und Enkel dereinst nicht mehr „normal“, wie wir es kennen, zur Schule werden gehen können. Sie arbeitet gegen das Menschenrecht auf Bildung, denn sie ist ganz entschieden der Meinung, dass Bildung nicht kostenlos sein darf. Dieses kostbare Gut ist zu verknappen, und es muss demnächst kräftig dafür bezahlt werden.

Ein erster Anfang ist mit der Studiengebühr gemacht. Es wird künftig nur noch derjenige gut ausgebildet, dessen Eltern sich das auch leisten können. Wenn er oder sie auf eine gute, das heißt zertifizierte Schule gehen wollen, muss eben das Portemonnaie geöffnet werden. Es ist natürlich klar, wer die Zertifikate für die Schulen erstellt und die Maßstäbe dafür festlegt: Richtig, es ist die bereits genannte Organisation.

Ihre Mitarbeiter arbeiten auch mit an der Abfassung der sogenannten EU-Verfassung, worin es unter anderem um Bildung innerhalb der EU geht und natürlich um eine gigantische militärische Aufrüstung der EU. Es gibt aber Leute, die diesen als „Transformation“ titulierten Prozess als Umsturz bezeichnen. Diese Organisation wäre demnach eine terroristische Vereinigung!

Ich spreche über die weltweit arbeitende Bertelsmann-Stiftung. Sie ist in Deutschland Ideengeber für fast alle politischen Parteien und somit verantwortlich für Schweinereien wie Hartz IV, Agenda 2010, „Bündnis für Arbeit“ oder die Idee des Niedriglohnsektors. Ihre weltweit circa 80.000 Mitarbeiter haben natürlich keinerlei demokratische Legitimation, doch die Politiker sind froh darüber, „richtig gut durchdachte“ Vorschläge nur noch abnicken zu brauchen, ganz demokratisch, versteht sich!

Noch etwas anderes ist mir wichtig. Wir alle erinnern uns daran, was zwei Jahre nach dem von Orwell beschworenen 1984 geschah: die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl. Es gab aber auch einen eklatanten Atomunfall in der Bundesrepublik Deutschland, ganz im Norden, in Schleswig-Holstein, nahe Krümmel und Geesthacht, beim Kernforschungszentrum GKSS. Seither sterben dort weltweit die meisten Kinder an Leukämie, und seit immerhin 20 Jahren vertuscht die Landesregierung gemeinsam mit der Bundesregierung den Atomunfall und den Zusammenhang mit der Leukämiehäufung.

Als Bundesumweltminister der letzten Jahre sind Frau Merkel und Herr Trittin zu nennen und jetzt Herr Gabriel. Sie alle wissen davon nichts. Fordern wir also, ganz demokratisch, Aufklärung und Offenlegung der bisher festgestellten Tatsachen und lassen wir es nicht zu, dass es einen Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Atomenergie gibt und dass die schleswig-holsteinische Landesregierung diese Aufklärung massiv behindert und weiter verhindern möchte!

Roland Springborn (parteilos)
 
Deutschland bleibt Exportweltmeister: Hartz IV
bald auch in England („Linke Zeitung“)

 

Die neue Schwindsucht

Letzten Samstag kam mal wieder die Ernüchterung, wurde mit der Zeitung zum Frühstück serviert: Im reichen Bundesland Bremen grassiert galoppierende Kinderarmut! Das klingt so ähnlich wie Schwindsucht. Nein, es handelt sich hierbei nicht um eine Kinderkrankheit, obwohl Menschen dadurch sehr wohl schwer erkranken können und ihre Chancen auf ein erfüllendes Leben nur so dahinschwinden. Nein, dieses Elend ist hausgemacht! Ja, man glaubt es kaum, es ist durch Hartz IV sogar staatlich verordnet worden. Wie die meiste Medizin muss es natürlich auch bitter schmecken! Bloß sollte eine verordnete Arznei eigentlich den Erkrankten zur Genesung verhelfen.

Elisabeth GrafDie wellenartig auftretende Aufregung über diesen Tatbestand kommt nicht wirklich glaubhaft rüber. Zwei Drittel der Kinder wachsen schließlich in „normalen“ Verhältnissen auf, wo die Eltern arbeiten gehen. Das muss ja auch mal gesagt werden dürfen. Es geht also anders, wenn es denn tatsächlich gewünscht wird! Die angeprangerte Bildungsferne der betroffenen Haushalte ließe sich ganz leicht beheben, wenn Hartz-IV-Kinder öfter mal Diäten einlegten. Was dann an Essen eingespart würde, könnte nun wunderbarerweise für Kino, Schwimmbad und Musikunterricht ausgegeben werden. So einfach lässt sich die Chancengleichheit also wieder herstellen!

Außerdem haben gerade Hartz-IV-Kinder wegen ihrer Fehlernährung überdurchschnittlich oft Übergewicht und sind damit anfällig für Krankheiten wie Diabetes. Da ließen sich also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Man muss nicht immer gleich nach mehr Geld vom Staat schreien, sondern kann selbst auf geeignete Lösungen kommen. Der Staat hat sich schließlich bei der geringen Bemessung der Bedarfssätze auch etwas gedacht: Je niedriger der Satz ist, desto mehr werden die Bezieher von Hartz IV in ihrer individuellen Kreativität gefördert! Die arbeitslosen Eltern erhalten so die Möglichkeit, sich zu wahren Lebenskünstlern zu entwickeln und ihren Kindern darin gute Vorbilder zu sein! Na, das ist doch mal was. Denn der Teufelskreis dreht sich rückwärts!

Sie können immerhin die „Bremer Tafel“ nutzen, Angebote für gebrauchte Kleider und Möbel wahrnehmen, beim Erwerbslosenfrühstück Tipps austauschen wie: „Bei Aldi gibt’s am Soundsovielten das und das“. Und dann fahren sie hin und horten alles wie die fleißigen Eichhörnchen. Das Leben wird anders organisiert und vor allem auch staatlich gefördert. Mit ihrer Karriere zu munteren Spargelstechern, Erdbeerpflückern, Terroristenjägern, vielleicht sogar Blauhelmen im Libanon oder Leihsoldaten im Süden Afghanistans haben die Langzeitarbeitslosen ebenso wenig gerechnet wie mit dem Ausbau der Ein-Euro-Jobs in alle Berufssparten hinein.

Bei derartig vielfältig angebotenen Möglichkeiten für Langzeiterwerbslose, um ihre Beschäftigungskompetenz zu erweitern, kann wohl niemand mehr behaupten, der Staat behandele sie wie unnütze Schmarotzer, denen man als Strafe für ihre bloße Existenz „das Leben auch über die rein materielle Armut hinaus zur Hölle machen“ müsse („Junge Welt“). Auch Vorschläge aus den Reihen der Christdemokraten, Arbeitslosen eine tägliche morgendliche Meldepflicht in kommunalen Sammelstellen aufzuerlegen oder Gemeinschaftsunterkünfte einzurichten statt Mietkosten zu übernehmen, dürfen niemals als gegen Erwerbslose gerichtet verstanden werden!

Dies sind alles nur Maßnahmen, damit Arbeitslose nicht etwa auf die Idee kommen, sich in ihrer Situation bequem einzurichten, und auf diese Weise ihr enormes Energiepotential verlören. Deswegen fordert die CSU auch mehr Eigenverantwortung. Ebenso sprach sich Kurt Beck, SPD, unlängst für eine „gemeinnützige Leistungspflicht“ der Hartz-IV-Empfänger aus. Er hält es generell für zumutbar, ALG-II-Empfänger „Geländer streichen oder Treppen kehren zu lassen“. Wenn der niedersächsische Innenminister Schünemann die elektronische Fußfessel für „gefährliche Ausländer“ ins Gespräch gebracht hat, könnte dies auch demnächst für Arbeitslose erwogen werden, um zu verhindern, dass sie fälschlicherweise der Schwarzarbeit bezichtigt werden.

Bei „Web.de-Gesundheit“ habe ich einen interessanten Beitrag gefunden, der mir das Verhalten mancher Politiker plausibler erscheinen lässt: „Bösartige alte Männer setzen laut einer Studie durch unsoziales Verhalten ihre eigene Gesundheit aufs Spiel. Forscher der Harvard School of Public Health stellten bei dieser Gruppe einen direkten Zusammenhang zwischen dem Maß der Feindseligkeit und der Kapazität der Lungen fest, wie das Fachblatt ‚Thorax‘ der British Medical Association berichtet.

Die Forscher hatten 1986 insgesamt 670 Männer mit einem Durchschnittsalter von 62 Jahren ausgewählt. Deren feindselige Einstellung gegen ihre Umwelt wurde über die sogenannte Cook-Medley-Skala erfasst und ihre Lungenkraft durch das Maß an Luft, das sie in einer Sekunde ausatmen konnten. Ergebnis nach drei Testreihen über acht Jahre: Jeder Punkt mehr an Feinseligkeit entsprach einem Verlust von neun Millilitern Lungenkapazität.“ Wenn diese Erkenntnisse auch auf deutsche Politiker zuträfen, würden einige von ihnen nicht mehr unter uns weilen, weil ihre Lungen wie ein Luftballon zerplatzt wären! Auf munteres Nachdenken hoffe ich, anlässlich der 100. Montagsdemo!

Elisabeth Graf (parteilos)
 
Behördenwillkür und Schikane: Das hat kein Arbeitsloser
verdient („Südwestrundfunk“, „Chefduzen“)
 
Weit weg und fürchterlich: Wie wehre ich Zeitarbeit ab? („Chefduzen“)
 
Hier die Armen, dort die Wohlhabenden: Bremer Arbeiterviertel
verwandeln sich in Arbeitslosenviertel („Weser-Kurier“)
 
Strategie der Verbürgerlichung: NPD freut sich auf Einzug in den
Landtag von Mecklenburg-Vorpommern („Spiegel-Online“)

 

Nazi-Aufmarsch stoppen!

Matthias FeilkeAm 4. November plant die faschistische NPD einen Aufmarsch in Gröpelingen. Das ist eine ungeheuerliche Provokation – nicht nur der Bewohner dieses alten Arbeiterviertels mit dem höchsten Migrantenanteil in unserer Stadt, sondern aller Bremer! Zum ersten Mal seit 1999 wagen es die Faschisten überhaupt, auf stadtbremischem Gebiet eine Demonstration anzumelden. Sie scheinen sich durch die windelweiche „Rechtssprechung“ der bundesdeutschen Justiz ermutigt zu fühlen, die immer wieder solche Aufmärsche genehmigt. Auch dagegen erheben wir Protest und Anklage!

Die Bremer Montagsdemo sollte ein klares Bekenntnis abgeben gegen diese Provokation der Nazi-Mordpest, die mit demagogischen Parolen angeblich gegen Hartz IV auftritt, während sie in Wirklichkeit für einen neuen Reichsarbeitsdienst ist, und die einen Keil zwischen deutsche und ausländische Werktätige und Erwerbslose treiben will. Für die machtvolle Einheitsaktion aller Demokraten und Antifaschisten, um diesen Aufmarsch zu stoppen! Keinen Fußbreit den Faschisten! Für ein Verbot aller faschistischen Organisationen und ihrer Propaganda!

Matthias Feilke (MLPD)

 

Helmut, Gerhard, Angela:
Die Chaos-Praxis

Gudrun Binder1. Es war im Jahre 7 nach Kohl dem Fülligen mit den schwarzen Koffern, da trat ein Gesetz in Kraft, das den leicht zu merkenden Namen Hartz-Gesetz bekam. Das klang ganz lustig, weil es an den gleichnamigen Käse erinnerte, und nicht zu Unrecht! Dieses Gesetz sollte ein Reformierungsgesetz zum Wohle des Volkes sein, und man hatte sich in der Regierung lange Gedanken darüber gemacht.

Die Menschen dachten, Reformierung und Reformation bedeuteten dasselbe, und dass mit diesem Wort ein Auf- und Umschwung, eine Belebung der festgefahrenen Politik gemeint sei. Dass die Politiker eine ganz andere Auslegung dafür hatten, konnte bis dahin niemand ahnen. In Deutschland sollte es nicht so weitergehen wie in den beiden letzten Regierungsperioden von Helmut Kohl. Es sollten wieder Klarheit und Wahrheit in der Politik herrschen. Leider hat dann der Gerhard den Helmut rechts überholt, und die CDU wäre sehr stolz auf ihn gewesen.

Die Vorgeschichte war nämlich, dass anno 1998, nach der Abwahl des großen, dicken Helmut Kohl und der Wahl des viel schickeren, schlanken Gerhard Schröder zum neuen Kanzler dieser kein Parteiprogramm und kein Konzept hatte, mit dem er regieren konnte, denn insgeheim hatte er gar nicht wirklich mit seinem Wahlsieg gerechnet. Am Ende seiner Karriere konnte er den Tatsachen wieder nicht glauben: Er lebte in dem ständigen Irrtum, ein herausragender Politiker zu sein und glaubte das bis zuletzt.

Aber das Fehlen dieser Inhalte war nicht weiter schlimm, da Armani-Gerhard gute Freunde und Berater hatte, die ihm schnell und gern aus der Klemme helfen konnten. Da gab es die bekannte Firma Bertelsmann aus dem Medienbereich und den alten Kumpel Peter Hartz aus guten alten Zeiten in Niedersachsen, als Armani-Gerhard dort Ministerpräsident war. In Verbindung mit Armani-Gerhard kann man auch sagen: Er bekleidete das Amt des Ministerpräsidenten.

So konnte der neue Kanzler also auf ein fix und fertiges, ausgefeiltes Konzept aus der Schublade der Bertelsmann-Gruppe zurückgreifen, und der Hartz Peter machte sich daran, die Lissaboner Verträge für Deutschland zu realisieren. Im Jahre 4 nach der (Ver-)Kohlzeit waren die Vorlagen des Hartz Peter und seines Mitarbeiterstabes fertig. Am 22. Dezember 2003 wurden sie als sogenannte Hartz-Gesetze beschlossen. Damals wird die Namensgebung dem Hartz Peter noch geschmeichelt haben, heute ist er eine traurige Berühmtheit.

Armani-Gerhard wartete vorsichtshalber noch ein ganzes Jahr mit der „1:1-Umsetzung“ und Einführung der Gesetze. Warum? Benötigte er das Jahr, um die Ungeheuerlichkeiten, die in den Gesetzen stecken, zu verdauen und sich zu überlegen, ob das alles zumutbar ist, und vor allem mit der Überlegung: Lassen die Menschen so was wirklich mit sich machen? Dann wurde das Gesetz am 1. 1. 2005 grausame Wirklichkeit.

Anfangs ging der Plan auf. Die zuerst betroffenen Menschen waren die „Randgruppe“ der vier Millionen Arbeitslosen, die mit Hilfe der neuen Gesetze in kurzer Zeit „halbiert“ werden sollte. Heute fragen wir uns: Wie war das damals gemeint? Anfangs waren die vom Gesetz betroffenen Menschen wie gelähmt und fassungslos, dass solche menschenunwürdigen, menschenverachtenden und unmoralischen Regelungen in einen Sozial- und Rechtsstaat Eingang und Umsetzung finden.

Es blieb nicht lange bei der Minderheit, allmählich kamen alle Menschen in den Genuss der neuen Politik, als da sind: alleinerziehende Mütter und Väter, junge Menschen auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz, ausländische Mitbürger, Kleinkinder, Schüler, Studenten, Behinderte, Rentner, Kranke und die arbeitende Bevölkerung, die noch unbefristete sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverträge hat.

Nun werden wir seit dem Jahre 2005 und nach der unrühmlichen Ära Gerhard Schröder mit einem Abgang, der einer beleidigten Diva würdig war, endlich von einer Frau regiert. Das wurde auch langsam Zeit, denn es gibt schon in mehreren Entwicklungsländern Frauen in Spitzenpositionen! Frau Merkel, die Unscheinbare, hatte gegenüber ihren männlichen Vorgängern einige Vorteile in dieser Rolle, die sie gnadenlos verspielt hat. Sie ist eine unserer Schwestern, die aus der 40-jährigen DDR-Diktatur befreit wurden und kann für die Politik der vergangenen Jahrzehnte in der Bundesrepublik gar nichts.

Sie hatte keine „Altlasten“, sie hat die „Gnade der späten Geburt“. Sie hatte die große historische Chance. Sie hätte die Umkehr zu den alten Werten einleiten können. Sie hätte einer sozial gerechten Politik den Vorrang geben können. Sie hätte die Wirtschafts- und Finanzpolitik im Sinne der Bevölkerung reformieren und optimieren können. Sie hätte feststellen können, dass es sehr wohl gute Alternativen zu der jahrzehntelangen, von korrupten männlichen Politikern, Managern und Wirtschaftsbossen gemachten Politik gibt. Sie hätte sich als intelligente Frau outen können, die die Männerriege mit Sachverstand in die Tasche steckt, denn sie ist ja nicht dumm, wie wir inzwischen wissen. Sie hat es verpasst.

Will sie die alte Lebensart eines früher unfreien Teils Deutschlands wieder aufleben lassen? Sie kommt aus einer Diktatur, einem Land, wo Gleichmacherei die Normalität, Bespitzelung eine lukrative Beschäftigung und Diffamierung erwünscht war, wo Denunzierung mit einer Waschmaschine belohnt wurde, wo Menschen nicht denken und entscheiden mussten – das wurde von staatlicher Stelle für sie erledigt. Wir müssen wir uns über Bildungs- und Ausbildungspolitik also keine Gedanken machen, alles wird an uns vorbei geregelt. Am liebsten würde es gesehen, dass wir gar nicht mehr (mit)denken.

In der ehemaligen DDR gab es auch ein paar gute Dinge, zum Beispiel eine genügende Zahl von Einrichtungen für Kinder wie Krippen, Kindergärten, Horte, sodass Frauen berufstätig sein konnten. Das sind Möglichkeiten, von denen vor allem alleinerziehende Mütter und Väter träumen. Darum könnte sich unser erster Frauenkanzler flächendeckend kümmern und bemühen! Aber vielleicht hat sie das als kinderlose Frau nicht wahrgenommen, genauso wenig, wie sie heute die Kinder, Jugendlichen und Heranwachsenden wahrnimmt, deren Zukunft sie zerstört.

Wir stellen also fest, dass drei verschiedene Regierungen nicht für, sondern fleißig gegen das Volk regiert haben. Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als uns zu wehren: Das ist nicht nur unser Recht, das ist unsere verdammte Pflicht. Wir werden deshalb als Montagsdemos weiter kämpfen, in über 120 Städten Deutschlands, und es werden immer mehr werden. Wehrt euch! Sagt nicht: Wir können nichts dagegen tun. Einigkeit und Solidarität machen stark!

 

2. Wir alle freuen uns über die Freilassung von Murat Kurnaz. Wir freuen uns darüber, dass er wieder in Bremen und bei seiner Familie ist, und dass er äußerlich unversehrt ist.

Herr Röwekamp wurde gefragt, wie er heute seine damalige Entscheidung sieht, die in der lächerlichen Stellungnahme ihren Höhepunkt hatte, dass Murat Kurnaz nicht wieder nach Bremen einreisen dürfe, weil er nicht rechtzeitig seine Aufenthaltserlaubnis verlängert habe. Leider war Murat Kurnaz zu diesen Zeitpunkt in Guantánamo „Gast“ des größenwahnsinnigen amerikanischen Präsidenten und hatte keine „Ambitionen“, mal eben bei Herrn Röwekamp vorbeizuschauen.

Herr Röwekamp machte bei der Beantwortung der Frage wieder keine gute Figur. Er konnte lediglich feststellen, dass er damals nach herrschendem Gesetz gehandelt hat und er keine andere Wahl hatte. Es gab keine Spur einer persönlichen Empfindung oder einfach das Eingeständnis, sich nicht besonders einfühlsam verhalten zu haben. Er sollte zur Abwechslung mal zugeben, dass man sich auch anders, nämlich menschlich, hätte verhalten können. Herr Röwekamp hat sich als Hardliner profiliert und bleibt diesem Image treu, auch wenn es noch so lächerlich und unglaubwürdig ist.

Ich denke da an zwei unter unwürdigen Umständen verstorbene Afrikaner, für deren Schuld bis heute anscheinend die Beweise fehlen. Es wurden Geldzahlungen an die Familien „angedacht“, man hat nie wieder etwas davon gehört, und damit war die Tötung von zwei Menschen anscheinend erledigt. Erbärmlich! Er weiß doch als Jurist: im Zweifelsfall immer für den Angeklagten. Murat Kurnaz war noch nicht einmal angeklagt! Da kommt einem die Idee, dass Absicht dahinter stecken könnte.

Wir freuen uns jedenfalls, dass Murat Kurnaz wieder zu Hause ist. Wir wünschen ihm und seiner Familie alles Gute für die Zukunft und dass ihm die Hilfe, die er jetzt nötig hat, auch zuteil wird und dass alles zu einem guten Ende führt.

 

3. Ich möchte mein „täglich-glücklich“-Blatt nicht unerwähnt lassen: Es hat gestern sein 50-jähriges Bestehen gefeiert. Dazu meinen Glückwunsch, und wenn es noch einmal 50 Jahre weiter bestehen will, ein guter Rat: Eine ausgewogene, neutrale Berichterstattung ist der Zeitung dringend zu empfehlen!

Im Sonderdruck zum 50-jährigen Bestehen wird von Seiten des Verlags darauf hingewiesen, die deutsche Nachkriegspresse habe 1945/46 den „gesellschaftspolitischen Auftrag“ erhalten, dass die Berichterstattung „unabhängig, überparteilich, meinungsbildend und demokratiefördernd“ sein soll. Fünfzig Jahre sind eine lange Zeit. Da verschiebt sich einiges, und anderes gerät in Vergessenheit. Den Eindruck habe ich jedenfalls bei meinem „täglich-glücklich“-Blatt.

Warum sonst ignoriert diese Zeitung seit zwei Jahren geflissentlich die Montagsdemo auf dem Marktplatz, also fast unter ihrem Fenster? Verdirbt sie sich den guten persönlichen, intensiven Draht zu unserem verfilzten Senat? Ein Bericht oder gerne auch mehrere über die Aktivitäten der Bremer und bundesweiten Montagsdemo wären sicher meinungsbildend und demokratiefördernd.

Auch würde man den Eindruck erhalten: Das Blatt ist überparteilich und unabhängig. Leider gibt es für mein „täglich glücklich“ machendes Blatt keine wirkliche Konkurrenz in Bremen, was sehr schade ist, denn auch andere wichtige und interessante Meldungen erfahren in diesem Blatt nicht die ihnen durchaus zustehende Aufmerksamkeit.

Ich spiele an auf den klitzekleinen Artikel über die großartigen Qualifikationsspiele und Siege unserer Frauenfußball-Nationalmannschaft für die Weltmeisterschaft: 6 Spiele mit 6 Siegen, ein glatter Durchgang! Wann haben unsere hochdotierten Jungs solch eine Erfolgsbilanz vorweisen können? Dafür werden die Allüren und Skandälchen der männlichen Spieler, Trainer und Funktionäre ausgewalzt. Jeder Pups eines Starfußballers wird ausführlich kommentiert. Wo bleibt die ausgewogene Berichterstattung?

Mir würde es gut gefallen, wenn das „täglich glücklich“ machende Blatt endlich einmal Mut zu fairen Reportagen und Berichten in allen Sparten aufbringen würde, denn wir wissen alle, wie mächtig Medien in der Meinungsbildung sind und was durch sie verhindert oder angezettelt werden kann. In diesem Sinne auch von mir einen Glückwunsch zum 50-jährigen Bestehen! Werdet eurem Auftrag und dem albernen Werbespruch endlich gerecht!

Gudrun Binder (WASG)
 
Gastronomiekolumnist wird Wirtschaftsredakteur beim „Willkür-Kurier“: 21 Redakteure ohne konzeptionelle Begründung versetzt („Tageszeitung“)

 

Die Halbierung der gedrittelten Unternehmensteuer

Hans-Dieter Binder1. Es geht bergauf, die Wirtschaft erholt sich, die Umsätze steigen! Es wird wieder richtig Geld verdient, Klasse! Hoffentlich geht es noch weiter so! Oder ist es nur Wunschdenken, gar Pflichtdenken in den Medien? Der Vertreter des Bremer Einzelhandels musste laut „Weser-Kurier“ jedenfalls feststellen, dass der Bremer Einzelhandel von dem Aufschwung noch nicht erreicht wurde: Er hat einen geringen Umsatzrückgang zu verzeichnen.

Die Steuereinnahmen steigen unerwartet, nur war dieses Geld im Haushalt bereits verplant. Wieso heißt es dann „unerwartet“? Die Steuereinnahmen steigen stärker als geplant! Und keiner sagt, dass die unerwarteten Einnahmen überwiegend durch die Körperschaftsteuer erzielt werden, der Lohn- und Einkommensteuer der juristischen Gesellschaften wie GmbHs oder AGs, also der Konzerne.

Die Körperschaftsteuer wurde vom Kanzler Schröder 2001 von 40 beziehungsweise 30 auf einheitlich 25 Prozent gesenkt. Außerdem wurden umfangreiche Änderungen beschlossen. Die Unternehmen freuten sich gleich zweimal: Erst über die Senkung der Steuersätze und über den Steuersatz null Prozent für die Auflösung stiller Reserven in Unternehmensbeteiligungen, das zweite Mal über die Rahmenbedingungen im Kleingedruckten.

Teilweise konnten die Konzerne die geringeren Steuersätze zehn Jahre rückwirkend geltend machen. Aus der Einnahmequelle Körperschaftsteuer wurde ein Kostenfaktor! Sogar in den Steuerstatistiken wurde vermerkt, dass die Erstattungen und Auszahlungen an die Konzerne berücksichtigt wurden. Sogar die CDU hat dem Kanzler angeboten, gemeinsam diese Rechtslage zu bereinigen! Der Steuerverlust durch die Steuerermäßigung beträgt circa 100 Milliarden Euro!

Durch den Steuersatz null Prozent und die Steuererstattungen konnten gewaltige Rücklagen gebildet werden. Die Anteilseigner hat dies sehr gefreut, doch Arbeitsplätze wurden dadurch nicht geschaffen! Benutzt wurden die riesigen Summen zur Schaffung von Sanierungsgewinnen, sprich Personalabbau mit in der Folge steigendem Aktienkurs. SIe wurden auch benutzt zur Erlangung von Preisgestaltungsmacht, sprich Aufkäufen, verbunden mit Optimierungserfolgen, Personalabbau und steigendem Aktienkurs! Eine freudige Zeit für die Konzerne ist angebrochen.

Inzwischen wurde klotzig verdient, und diese Erträge sind jetzt körperschaftsteuerpflichtig! Doch was plant Kanzlerin Merkel? Die Entlastung dieser Unternehmen um fünf Milliarden Euro. Erreicht werden soll dies durch die Halbierung der Körperschaftsteuer von 25 auf 12,5 Prozent und weitere bereits jetzt sehr umstrittene Änderungen im „Kleingedruckten“, natürlich „zur Sicherung von Arbeitsplätzen“! Die Konzerne könnten Grund zur zweifachen Freude haben.

Am Tag dieser Planverkündigung hat ein Arbeitgebervertreter dies als einen „Schritt in die richtige Richtung“ bezeichnet, dem noch weitere folgen müssten. Im Jahr 2000 hat die Körperschaftsteuer 23,6 Milliarden (23.574.800.000) Euro betragen, 2003 bloß noch gut ein Drittel, nämlich 8,3 Milliarden (8.275.200.000). Die Lohnsteuer hat sich dagegen kaum vermindert, von 135,7 Milliarden Euro im Jahr 2000 auf 133,1 Milliarden 2003.

Wer 2007 einkaufen geht, zahlt bei jedem Einkauf drei Prozent für die Konzerne, Tag für Tag! Bremen erwartet aus der Mehrwertsteuererhöhung 63 Millionen Euro Mehreinnahmen, aus der Körperschaftsteuersenkung 90 Millionen Euro Mindereinnahmen. Die Konzerne werden es uns mit weiterem Personalabbau danken.

 

2. Finanzbeamte sind die Hüter der Steuergerechtigkeit. Als Drohung haben die Kollegen von der Steuerprüfung den Hausbesuch, sprich die Betriebsprüfung! Dem Bremer Finanzamt gehen allerdings die Betriebsprüfer aus, die Planstellen wurden anderweitig gebraucht. Für die interne Prüfung im Finanzamt gibt es Revisoren. Über allem wacht der Bundesrechnungshof. Soweit scheint alles in Ordnung zu sein. Nur der Präsident des Bundesrechnungshofes hat kalte Füße bekommen. Hat es keiner gemerkt?

Aus dem Deutschlandradio habe ich folgende Meldung vom 3. August 2006, 23 Uhr: „Der Präsident des Bundesrechnungshofs, Engels, setzt sich für mehr Effizienz in der Steuerverwaltung ein. In einem Gutachten schreibt Engels, die Verwaltung habe zunehmend Schwierigkeiten, Steuern ordnungsgemäß festzusetzen und zu erheben. Ein vollständiger Steuervollzug sei aber essenziell für die Sicherung der öffentlichen Haushalte. Vordringlich sei die Vereinfachung des Steuerrechts; zur Wiederherstellung der Steuergerechtigkeit bedürfe es aber auch einer effizienten Verwaltung. Engels legte das Gutachten in seiner Funktion als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung vor.“

Diese Kritik stammt von einem, der sich auskennt! Ab Anfang 2005 wurden viele Rentner steuerpflichtig, somit gibt es einen viel höheren Arbeitsaufwand in den Finanzämtern, aber kein zusätzliches Personal! Außerdem lenken diese vielen kleinen Steuerpflichtigen nur von den großen Fischen ab. Leere Kassen entstehen eben auch durch fehlende Einnahmen!

Peer Steinbrück, der die Körperschaftsteuer halbieren will, hat ausgerechnet, dass die Konzerne im Jahr 2005 Gewinne von rund 65 Milliarden Euro ins Ausland verlagert haben und so dem deutschen Fiskus entziehen. Die Studie kommt zu der Feststellung, dass eine Senkung der Steuersätze bei gleichzeitiger Verbreiterung der Bemessungsgrundlage fast nichts bringen wird, um mehr „Substrat“ im Inland zu versteuern!

Eine sehr kluge Feststellung. Peer, lass es sein! Wie schnell wird aus den fünf Milliarden Steuerentlastung ein Totalausfall der Körperschaftsteuer! Wir nehmen auch gerne die Rücknahme der Mehrwertsteuererhöhung in Kauf! Wir gehen zur Wahl! Wir wollen eine andere Regierung! Wir schaffen eine Zukunft mit ehrlichen Politikern! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen!

 

3. Wir sind im Jahr 10 nach der Aufkündigung des sozialen Friedens in Deutschland. Es wurde geladen zu einer Informationsveranstaltung der Bagis. Erscheinen ist Pflicht! Ziel ist es, mehr Zufriedenheit bei den Erwerbslosen schaffen! Seien Sie nachsichtig mit den Mitarbeitern der Verwaltung, sie haben nur einen befristeten Arbeitsvertrag. Es beginnt mit einem Vortrag: Erwerbslose sind glücklich!

Der Ausklang erfolgt am gleichen Ort, ein halbes Jahr später. Veranstalter ist jetzt die Arbeitsverwaltung, geladen sind alle Bewohner der Langenstraße. Es handelt sich um eine Pflichtveranstaltung, Ziel ist die Nachsorge: Sind alle glücklich? Der Mitarbeiter hat inzwischen einen festen Arbeitsvertrag, Aufgabenbereich sind Ruhe, Ordnung und Zufriedenheit im Quartier Langenstraße.

Zur Begrüßung heißt es: „Sind wir komplett? Wessen Nachbar fehlt? Seid ihr alle arbeitslos?“ – Drei melden sich: „Wir arbeiten!“ – „Das kriegen wir auch noch hin! Seid ihr alle zufrieden?“ – Einer meldet sich: „Nein, ich bin nicht zufrieden!“ – „Da müssen wir noch nachfeilen! Ich bin jetzt hier zuständig.“ Die Schirmmütze wird geradegerückt und mit dem Handrücken eingenordet. „Ich bin jetzt hier zuständig. Wir kriegen das hin! Sie melden sich morgen um 8 Uhr in meinem Büro!“

Daher Montagsdemo, Kopf zeigen: Für eine friedliche, weil gerechte Zu­kunftsperspektive!

 

4. Die Schlagzeile zum Monatsende lautete: „Arbeitslosigkeit weiter gesunken“. Der Statistik sei Dank! Es gibt 426.000 Arbeitslose weniger gegenüber August 2005 und 15.000 weniger gegenüber dem Vormonat, dazu mehr Erwerbstätigkeit und mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Nur in Bremen ist letztere gesunken. Es gibt aber immer noch 4.372.000 Arbeitslose nach dieser Statistik.

Demnach war die Zahl der Arbeitslosen in der August-Statistik 2005 zu niedrig angegeben. Im August 2006 waren 4.371.656 Menschen arbeitslos, eine Abnahme gegenüber dem Vorjahr um 425.906 Menschen, als folglich 4.797.562 Menschen arbeitslos waren. Die Angabe in der Statistik von August 2005 beträgt 4.728.325 – somit war die Zahl der Arbeitslosen im Vorjahr um 69.237 zu niedrig geschätzt worden!

Saisonbereinigt haben wir leider eine Zunahme um 5.000 arbeitslose Menschen. Innerhalb der Erwerbslosigkeit ist eine weitere Verschlechterung festzustellen: Die Zahl der ALG-II-Leistungsempfänger ist gegenüber dem Vorjahr um 315.562 gestiegen! Alle Zahlen stehen wieder unter Vorbehalt und sind teilweise von der Bundesanstalt für Arbeit geschätzt worden. Berichtigt wird laufend, still und leise!

Auch deshalb gehen wir zur Wahl! Wir wollen eine andere Regierung! Wir schaffen eine Zukunft mit ehrlichen Politikern! Darum Montagsdemo, Kopf zeigen!

Hans-Dieter Binder (WASG)
 
Strategie der Blamage: NPD will Hartz-IV-Beratungsstellen einrichten
und die Arbeitsagentur „mit Klagen ersäufen“ („Die Zeit“)

 

Was hat diese Regierung
nicht alles versprochen

Ich freue mich über den regen Andrang zur 100. Bremer Montagsdemo! Es ist Zeit, Bilanz zu ziehen. Woche für Woche wird der „Aufschwung“ beschworen, aber wo bleiben die Arbeitsplätze? Was hat diese Regierung nicht alles versprochen! Gemacht hat sie eine Verschärfung beim Arbeitslosengeld II und eine Erhöhung des Rentenalters bei gleichzeitiger Rentenkürzung. Beschlossen wurde auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ab nächstem Jahr. Nach der Gesundheitsreform werden die Kassenbeiträge steigen, die Leistungen sinken. Aber der Gesundheitsfonds wurde jetzt doch erst einmal verschoben: auf die Zeit nach der nächsten planmäßigen Bundestagswahl 2009!

So sind die Weichen gestellt worden für den „heißen Herbst“. Der DGB ruft zu regionalen Protesten auf am 21. Oktober in Berlin, Dortmund, Wiesbaden, Stuttgart und München. Das ist natürlich völlig richtig, doch wie lautet das schläfrige Motto? „Das geht besser, aber nicht allein“! Die Sozialkahlschlagpolitik der Bundesregierung soll also nur „kritisch begleitet“ werden. Notwendig ist jedoch der Kampf gegen diese Regierung, denn die Hartz-Gesetze und die anderen Schweinereien müssen komplett vom Tisch! Dafür steht der Sternmarsch in Berlin am 16. September, dem Vorabend der Landtagswahl!

Ein besonders krasser Ausdruck der Merkel-Müntefering-Politik ist der steile Anstieg der Kinderarmut. Sie hat sich laut Unicef seit Einführung von Hartz IV verdoppelt! 16,2 Prozent der Kinder unter 15 Jahren leben in Armut, in Bremen sind es 33, in Berlin 34 Prozent. Merkel sagt dazu beim Forum für Kinderarmut, Hartz IV habe die Lage durchaus nicht verschlechtert: „Sorge mache ich mir um die emotionale Armut.“ Die kinderlose Kanzlerin fordert mehr Zuwendung und Erziehungsarbeit der Eltern, sie schiebt ihnen den schwarzen Peter zu! Aus diesen Gründen ruft das „Bündnis gegen Kinderarmut“ auf zur Demo in Oldenburg am Samstag, dem 9. September – das ist der Tag vor der Oberbürgermeisterwahl –, um 14:30 Uhr ab Agentur für Arbeit, Stau 70. Wir treffen uns um 13:15 Uhr vor dem Bremer Hauptbahnhof, um gemeinsam mit Wochenend-Tickets dorthin zu fahren. Kommt alle mit!

Wolfgang LangeDer Überschuss der Agentur für Arbeit beträgt nun voraussichtlich neun Milliarden Euro! Woher kommt er? Das ALG I wird nur noch zwölf Monate lang gezahlt, ALG II ausgegliedert, Weiterbildungsmaßnahmen gestrichen. Und was passiert jetzt mit dem Riesenbatzen Geld? Den Unternehmern soll er zugeschanzt werden! Doch die Beitragssätze werden um mehr als zwei, die Mehrwertsteuer sogar um drei Prozentpunkte erhöht. Vor allem werden aber nur noch ganz eingeschränkte Leistungen der Arbeitslosenversicherung gezahlt. Dagegen fordern wir die volle Bezahlung des ALG I für die ganze Dauer der Erwerbslosigkeit!

Der Rückhalt der Regierung schrumpft weiter, die CDU liegt jetzt bei 30, die SPD bei 29 Prozent derer, die überhaupt noch zur Wahl gehen würden! Die Regierung hat Angst vor den Massen: Das ist der Kern der „Terroristenjagd“-Vorschläge, denn gemeint sind wir, die Arbeiter, die Leute auf der Straße! Schon kommt der niedersächsische Innenminister Schünemann mit dem Vorschlag daher, „gefährliche Ausländer, die nicht abgeschoben werden können“, mit elektronischen Fußfesseln zu brandmarken. Bei bloßem Verdacht kann das Telefon überwacht werden!

Dazu passt auch die Bespitzelung von ALG-II-Beziehern oder die Razzia in der Bremer Großdiskothek „Stubu“. Was hat man dort gefunden? Ein halbes Gramm Rauschgift und ein paar Jugendliche, die ins Bett gehörten! So soll die Polizei eingestimmt werden – und die Bevölkerung eingeschüchtert. Von „Terror“ und „Drogenbekämpfung“ wird geredet, „Null-Toleranz-Konzept“ sagt Innensenator Röwekamp. Jeder, der sich mit den herrschenden Zuständen nicht abfinden will, wird zum Kriminellen gestempelt. Doch die Kollegen vom Klinikum Duisburg haben nach ihrem mutigen Streik jetzt auch Erfolg vor dem Arbeitsgericht! Wir lassen es uns im Kampf für ein selbstbestimmtes Leben nicht nehmen, revolutionär zu sein!

Wolfgang Lange (MLPD)
 
Totales Durchregieren: Wird in Berlin oder Mecklenburg-Vorpommern die
Große Koalition gewählt, bekommt sie eine Zwei-Drittel-Mehrheit
im Bundesrat („Süddeutsche Zeitung“)

 

Der Marktplatz gehört
für zwei Stunden uns

Das große Redebuch
Band I (2004/2005):
Schröders Hartz-Attacke und 
seine vorgezogene AbwahlNachdem wir vor vierzehn Tagen den Start ins dritte Demojahr bei strömenden Regen begingen, hatten wir nun breit zur 100. Montagsdemo am 4. September 2006 um 17:30 Uhr auf dem Bremer Marktplatz eingeladen. Mit Sonnenschirmen, Planschbecken, einem kleinen Kinderzelt, Campingstühlen, Biertischgarnituren und „nationalfarbenen“ Sitzkissen (für einen Euro erstanden und zum späteren Beschriften vorgesehen) als weicher Unterlage luden wir zum Verweilen ein. Bei Keksen, Brötchen und Hartz-IV-Saft (denn zum Punsch reichte es dank des fehlenden Alkohols nicht) ließ es sich gut zuhören, da das Wetter angenehm war. Wir zählten ungefähr 65 Teilnehmer.

Der erste Beitrag ging gleich auf die Staatsaffäre um Schröder, Fischer und Steinmeier ein, die nichts getan hatten, um Murat Kurnaz früher aus dem Folter-KZ Guantánamo herauszubringen. Das wirft ein grelles Licht auf die heuchlerische Kriegspolitik dieser Herren. Wir sind jedenfalls froh, dass Murat Kurnaz nun wieder in Bremen und in Freiheit sein kann, wenngleich der deutsche Bürokratismus ihn schon wieder wegen angeblicher Bildung einer „kriminellen Vereinigung“ im Visier hat, nachdem man schon gegen angebliche „Kumpane“ vor Jahren das Verfahren hat einstellen müssen.

Das große Redebuch
Band II (2005/2006)Ansonsten gab es viele, viele Beiträge in den zwei Stunden, es wurde mal wieder ein Lied und später ein Gedicht vorgetragen, es gab karikierende Kommentare, zum Beispiel von einem, der in eine „Findungskommission“ des „Kurtius Sbeck“, seines Zeichens „Parteivorsitzender der Schmierdemokratischen Partei“ berufen zu sein erklärte, mit dem Auftrag, die „Neue Mitte“ um die Gehaltshöhen des Herrn Ackermann herum auszukundschaften.

Es war einfach schön zuzuhören, miteinander zu plaudern und unsere Beharrlichkeit zu feiern. Das nötigte auch einem Herrn, der mit Aktentasche unterm Arm ganz spät noch vorbeikam, als wir unsere Sachen wieder in Autos verpackten, Respekt ab: 100 Mal montags demonstriert! Zweimal hob er den Daumen nach oben und lächelte uns zu. Außerdem wurden die ersten Busfahrkarten nach Berlin verkauft. Der Bus ist voll, was nicht ausschließt, dass eventuell noch der eine oder andere Platz frei wird. Interessenten können sich bis kurz vorher anmelden unter der Telefonnummer 0421-705 687.

Jobst Roselius für dieBundesweite Montagsdemo
 
Leistungsfeindlich: Hinter den Vorschlägen des „Sachverständigenrats“ steckt
kein Kombilohn-Modell, sondern eine Zuverdienstkürzung auf Null bei den
bisherigen Ein-Euro-Jobbern („Süddeutsche Zeitung“, „Tageszeitung“)
 
Perfide: Wenn durch Sozialkürzung der Druck erhöht wird, jede Arbeit anzunehmen, dann sinken die Löhne („Frankfurter Allgemeine Zeitung“)
 
Neonazi-Terror: Vor einem neuen NPD-Verbotsverfahren will die SPD
erst warten, bis alle Richter pensioniert sind, die ein „Abschalten“
der „V-Leute“ gefordert hatten („Spiegel-Online“)
 
„70 Prozent gut“: Mao Tsetung steht für soziale Gleichheit, wenn die
Unterschiede zwischen Arm und Reich täglich größer
werden („Süddeutsche Zeitung“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz