92. Bremer Montagsdemo
am 10. 07. 2006  I◄◄  ►►I

 

Der Jubel ist vorbei,
jetzt kommt der Ärger

Ursula GatzkeKaum wurde die verkorkste Gesundheitsreform verabschiedet, gibt es weiter Zoff darüber. Reform? Kann der normale Bürger dieses Wort noch hören? Langsam kriege ich schon eine Gänsehaut, sobald unsere führenden Politiker von „Reformen“ reden! Was sie auch anfangen: Es kommt ständig nur Murks heraus, es geht immer zum Nachteil der kleinen Leute und zum Vorteil der Wirtschaftsbosse!

Statt endlich zu versuchen, dass die Schere zwischen Arm und Reich langsam wieder in die richtige Richtung kommt, lässt man sie mit offenen Augen weiter auseinanderklaffen. Ständig sind unsere Spitzenvolksvertreter bemüht, dass die armen Menschen ärmer und die Reichen reicher werden! Merkel „kann nichts dazu“, nein: Sie muss „die Fehler aus vielen vergangenen Jahren ausbügeln“. So viele Fehler, wie Merkel in kurzer Zeit macht, hat vor ihr wohl kein Bundeskanzler vollbracht!

Es sind keine „Reformen“, es sind Fehltritte. Tritte auf die kleinen Leute! Schon wird Nachbesserung gefordert! Der Gesundheitsmurks kommt wieder die armen Rentner teuer zu stehen: Sie haben schon die dritte Minusrunde, eine Rentenkürzung und jetzt eine erneute Belastung. Unendliche Nullrunden sollen noch folgen! Die Gesundheit wird immer teurer! 2007 kommt noch der Pflegeversicherungsmurks dazu!

Merkel, Merkel, lass deinen „Geier“ auch mal da zuschnappen, wo noch das Geld sprudelt! Den Superreichen würde es nie wehtun, wenn sie etwas mehr abgeben müssten! Die meisten Rentner, Arbeitslosen, Kranken, Behinderten, die meisten Familien überlegen sich schon heute, ob sie ihr knappes Geld zum Arzt oder zur Apotheke tragen, oder ob sie sich etwas zum Essen oder Trinken kaufen!

Unten tappen immer mehr Menschen in die Schuldenfalle! Oben wissen die Superreichen gar nicht mehr, wie sie ihr Geld im Überfluss ausgeben können! Hotels rollen schon rote Teppiche für Hunde aus! Es gibt für sie Massagen, das „Wellenreiterpaket“ und den frisch gebackenen Hundekuchen aus der Fünf-Sterne-Küche! Nur Reiche können sich arme Leute leisten!

Ursula Gatzke (parteilos)
 
Entmündigung: Bundesrat will Behörden erlauben, das persönliche Umfeld von „psychisch Kranken“ ohne deren Wissen und Zustimmung auszuforschen, um eine Betreuung vorzubereiten („Tageszeitung“)
 
Heimarrest: Bremer Behinderte gehen auf die Barrikaden („Tageszeitung“)

 

Erwerbslose haben es gut!

Meine Damen und Herren Erwerbslose,
wir freuen uns, hier zu sein und Sie begrüßen zu dürfen!
Wissen Sie eigentlich, wie gut Sie es haben?
Erwerbslose haben es gut!
 
Jeder andere muss überall hin –
Erwerbslose nicht!
Erwerbslose haben es gut!
 
Kaufhäuser: brauchen sie nicht!
Sie können ihr ganzes Geld behalten!
Erwerbslose haben es gut!
 
Flughäfen: brauchen sie nicht! Fremde Menschen,
fremde Krankheiten und Flugangst bleiben ihnen erspart!
Erwerbslose haben es gut!
 
Medizinische Versorgung: brauchen sie nicht!
Ein langes Leben bleibt ihnen erspart!
Erwerbslose haben es gut!
 
Das Gefühl, zu viel Geld zu haben,
müssen sie nicht ertragen!
Erwerbslose haben es gut!
 
Was ziehe ich an? Diese Entscheidung
brauchen sie nicht zu treffen!
Erwerbslose haben es gut!
 
Kleiderkammer, „Bremer Tafel“, Fallmanager:
Erwerbslose werden rundum versorgt!
Erwerbslose haben es gut –
sie dürfen ihr Geld behalten!

Elisabeth Graf und Hans-Dieter Binder

 

Reform ohne Ende bei Hartz IV

Elisabeth GrafWenn zum 1. August die nächste Hartz-Korrektur in Kraft tritt, gibt es endlich zukunftsweisende Änderungen für Arbeitslose! Zu guter Letzt wird denjenigen, die erstmals Arbeitslosengeld II beantragen, umgehend ein Job- oder Qualifizierungsangebot gemacht, anstatt wie bisher die Arbeitsbereitschaft leichtsinnig unüberprüft vorauszusetzen und die Antragsteller ohne Gegenleistung finanziell abzusichern.

Sanktionen: Es ist mehr als überfällig, dass demjenigen, der ein solches Angebot ablehnt, die Leistungen – neben ALG II auch Wohn- und Heizkosten – stufenweise bis auf Null gekürzt werden. Möglicherweise wird erst wer sein Obdach und das Arbeitslosengeld II verloren hat, die wohltuende Gnade des Optimierungsgesetzes zu schätzen wissen!

Datenabgleich: Der Datenaustausch zwischen Ämtern wird erleichtert. Wer sich erdreistet, von seinen 345 Euro ALG II ein heimliches Vermögen und nicht näher deklarierte Einkünfte im Ausland zu verstecken, kann nun entlarvt werden. Gott sei Dank werden solche brisanten Daten nicht bei den Steuerhinterziehungen, der Korruption im Baubereich und beim Betrug im Gesundheitswesen abgeglichen. So bleibt den Betroffenen eine Menge Ärger erspart!

Außendienstkontrollen: Um weiterem Leistungsmissbrauch auf die Spur zu kommen, führen Kommunen und Arbeitsagenturen einen Außendienst ein. Die Mitarbeiter sollen prüfen, wo die Betroffenen schwarzarbeiten, um das ALG II zum ausreichenden Existenzminimum hin aufzufüllen. Auf diese Weise soll auch falsch dargestellten Wohnverhältnissen auf die Schliche gekommen werden. Letzten Endes muss die Anzahl der auf der Badezimmerkonsole stehenden Zahnbürsten ebenso wie die Zahl der dreckigen Unterhosen, geschlechtsspezifisch in der Schmutzwäsche sortiert, den Daten über die gemeldeten Bewohner entsprechen. Auch gebrauchte Kondome im Papierkorb könnten Aufschluss über ein nicht registriertes und nicht finanziell füreinander aufkommendes Bratkartoffelverhältnis geben.

Natürlich müssen Langzeitarbeitslose jederzeit erreichbar sein und dürfen sich nicht ohne Abmeldung vom Wohnort entfernen. Sonst würde es den Fallmanagern verunmöglicht, ein als Exot eintreffendes Arbeitsangebot auf der Stelle an alle arbeitsfähigen Hilfsbedürftigen weiterzuleiten. Es wäre schön, wenn den Fallmanagern derart ein wenig Stress abgenommen werden könnte, denn dergestalt könnte sich für sie die abwechslungsreiche Möglichkeit herauskristallisieren, mit den zahlreichen Bewerbern virtuell eine „Reise nach Jerusalem“ um jede „Kostbarkeit Arbeitsplatz“ herum zu veranstalten. Auf diese Weise könnte auch die Motivation der Fallmanager gehoben werden, sich im Wettbewerb um die beste Quote bei der Vermittlung aus dem ALG II heraus, und damit auch aus der Statistik, noch mehr angespornt zu fühlen. Da ließen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen!

Lebensgemeinschaften: Bei Partnern, die länger als ein Jahr zusammenleben, unterstellen die Behörden ein eheähnliches Verhältnis mit gegenseitigen Unterhaltspflichten. Trifft die Vermutung nicht zu, müssen die Betroffenen den Gegenbeweis glaubhaft machen. Bisher liegt der Nachweis beim Staat. Es darf nicht länger geduldet werden, dass Einzelne sich dahinter verstecken, angeblich nur in einer Wohngemeinschaft zu leben, die dem Verfall der guten Sitten und jeglicher Zahlungsmoral bisher Tür und Tor geöffnet hat.

Vermögensfreibeträge: Der Freibetrag für Schonvermögen zur Altersvorsorge steigt von 200 auf 250 Euro je Lebensjahr. Der Freibetrag für andere Vermögensarten wird von 200 auf 150 Euro je Lebensjahr gesenkt. Auf diese Weise soll einer Altersarmut vorgebeugt werden.

Renten: Der Bund überweist für ALG-II-Empfänger nur noch 40 statt 78 Euro monatlich an die Rentenversicherung. Damit reduziert sich deren künftiger Rentenanspruch von 4,30 Euro auf 2,20 Euro im Monat. Denn wer nicht arbeitet, der soll auch keinen geruhsamen Lebensabend beanspruchen dürfen!

Junge Arbeitslose: Arbeitslose unter 25 Jahren, die im Haushalt der Eltern leben, erhalten nur noch den um ein Fünftel gekürzten ALG-II-Regelsatz. Hiermit soll verhindert werden, dass ihnen jeglicher Anreiz zur Arbeitsaufnahme genommen wird, weil sie von ihrem ALG II ohnehin kein Kostgeld an die Eltern zahlen müssen. Um unnötige Kosten und wachsende Ansprüche unter den Jugendlichen zu vermeiden, darf ihnen erst ab dem Mindestalter von 25 Jahren ein eigener Haushalt finanziert werden.

Arbeit muss sich wieder lohnen! Darum können wir nur hoffen, dass die in der Luft liegende Kürzungsabsicht des ALG II bald Gestalt annehmen wird. Es wird dringend Zeit, gerade die Langzeitarbeitslosen auf den Pott zu setzen, damit sie aufhören, entgegen ihrer verwertbaren Bedeutung unangemessene Forderungen zu stellen. So ist es nur zu begrüßen, dass die Stadt Hamburg für einen Hund oder eine Katze im Tierheim mehr Geld ausgibt als für einen nutzlosen Langzeitarbeitslosen: Pro Tier zahlt die Stadt monatlich 570 Euro, das sind 125 Euro mehr als die Empfänger von ALG II bekommen („Junge Welt“ vom 3. Juli 2006, Seite 1). Hierbei handelt es sich nicht um eine Ungerechtigkeit, wenn die Verwertbarkeit einmal entsprechend gewürdigt wird. Hunde und Katzen lassen gerade alte und einsame Menschen gesunden, wenn diese sich um sie kümmern können. Bei jenen beliebten Haustieren mit Kuschelfell bewirkt der Streichelfaktor manchmal echte Wunder bei der Steigerung an Lebensqualität. Oder hat etwa jemand schon davon gehört, dass Langzeitarbeitslose zu Ähnlichem imstande gewesen wären? Kein Wunder, sie haben ja auch nicht solch ein weiches Fell.

Elisabeth Graf (parteilos)
 
Arbeitsagentur verweigert Kindergeldzahlung ins Ausland: Superdaddy
droht mit Kinderverschickung nach Deutschland („Spiegel-Online“)
 
Auch das noch: Klinsmann weg („Tageszeitung“)

 

Unter deutschen Dächern

Gudrun BinderHallo, ich heiße Lisa, ich bin sieben Jahre. Ich bin mit Onkel Hartmut hier und mit Tante Petra – das ist Mamas beste Freundin. Onkel Hartmut und Tante Petra wohnen in Oberneuland, wo Mama, Papa und ich auch gewohnt haben, bis vor zwei Jahren.

Wir sind damals weggezogen, weil Mama die Wohnung nicht mehr bezahlen konnte. Ich habe mit Mama alleine in unserer schönen großen Wohnung gelebt, nachdem Papa ausgezogen war. Papa hat seinen Arbeitsplatz verloren, seine Firma ist ins Ausland gezogen.

Mama sagt: „Das konnte Papa auf Dauer nicht verkraften“. Er hat sich bei ganz vielen Firmen immer wieder beworben, aber er hat keine neue Stelle gefunden. Und Papa ist nicht faul gewesen. Erst ist Papa nur ab und zu abends nicht nach Hause gekommen, dann ist er ganz ausgezogen.

Mama hat ihre Arbeitsstelle schon früher verloren, aber sie ist trotzdem bei uns geblieben. Sie hat oft gesagt, dass ihre Arbeit Spass macht und wir uns dadurch auch einiges Schönes leisten können. Inzwischen wissen wir, wo Papa ist. Es geht ihm nicht so gut.

Nachdem Papa nicht mehr da war, musste Mutti für uns beide Geld verdienen. Sie hat sich bei dem Amt arbeitssuchend gemeldet, das für alle Leute einen Arbeitsplatz findet, und sie hat selbst auch nach einer passenden Stelle gesucht. Das hat aber beides nicht geklappt, und Mama war sehr traurig.

Wir mussten aus unserer schönen Wohnung ausziehen und wohnen jetzt ziemlich weit weg von Oberneuland. Ich darf da nicht mehr allein mit dem Fahrrad hinfahren, weil es so weit ist. Darum kann ich meine Freundin Melanie nicht besuchen und Mama sagt, sie soll auch nicht zu uns kommen.

Mama hatte ganz viel Zeit für mich, und wir haben ganz tolle Sachen zusammen unternommen. Wir sind viel Fahrrad gefahren und haben uns unsere neue Nachbarschaft angeguckt. Wir sind im Werdersee geschwommen. Mama und ich haben neue Spielplätze ausgekundschaftet, die etwas weiter weg liegen. Mama ist auch mit mir rodeln gegangen, solange der Schnee lag.

Mama hat oft gemeint, es geht uns jetzt nicht mehr so gut, und das tut ihr weh, und dann hat sie ein bisschen geweint. Aber sie kann es nicht ändern. Der Staat hat sie in seinen unbarmherzigen Klauen und macht mit uns was er will, hat sie mir erklärt.

Wir konnten nicht mehr einfach so in die Stadt fahren zum einkaufen oder einfach mal in die Eisdiele gehen oder für einen Burger zum Drive-In. Mamas Auto war schon lange verkauft.

Wir haben uns langsam an unsere neue Umgebung und an die neuen Menschen gewöhnt. Mama musste öfter zu diesem Amt, bei dem sie sich angemeldet hatte. Sie hat jedesmal gehofft, dass sie eine Arbeitsstelle für sie haben. Und eines Tages war es tatsächlich so. Mama sollte eine Arbeit für einen Euro pro Stunde kriegen.

Das hat Mama abgelehnt. Sie hat gesagt, dass das eine Zumutung und eine Frechheit ist, was man ihr da anbietet. Sie sollte als Kinderbetreuerin in dem Kindergarten unserer früheren Kirchengemeinde in Oberneuland arbeiten. Tante Petra hatte Mutti erzählt, dass da seit einem Vierteljahr zwei Kinderbetreuerinnen eingespart werden.

Als Mama das abgelehnt und sich auch noch darüber aufgeregt hat, hat ihr der Mann auf dem Amt angedroht, dass sie weniger Geld bekommen würde, als wir jetzt von ihm kriegen.

Mama war fix und fertig und musste zum Arzt gehen. Sie hatte Schlafstörungen, Kopfschmerzen und ganz hohen Blutdruck. Der Doktor hat ihr Tropfen und Tabletten verschrieben, die sie regelmäßig einnehmen sollte.

Mama hat dann irgendetwas durcheinandergebracht und neulich zuviel davon eingenommen. Tante Petra hat den Krankenwagen alarmiert, und die haben Mama in das zuständige Krankenhaus gefahren. Tante Petra sagt, sie haben Mama den Magen ausgepumpt, und jetzt geht es ihr auch schon wieder besser.

Onkel Hartmut hat Mama gefragt, ob wir das alles mal auf der Montagsdemo erzählen sollen. Die haben da ein Offenes Mikrofon. Mama hat zugestimmt. Tante Petra hat gemeint, es geht ja nicht nur uns so bescheiden. Und die Leute, die genauso arm dran sind wie wir, die müssen sich zusammentun und sich wehren.

Onkel Hartmut hat gesagt, nicht nur Menschen, denen es geht wie Mama und mir, müssen sich zusammentun, sondern alle anderen auch. Und da hat Tante Petra Onkel Hartmut Recht gegeben – das tut sie nicht so oft.

Mama hat Tante Petra versprochen, wenn sie wieder gesund ist, dann geht sie mit mir jeden Montag zur Montagsdemo, und Tante Petra und Onkel Hartmut wollen auch immer kommen, wenn es mit ihrem Feierabend zusammenpasst.

Sie haben gemeint, sie wollen auch bei ihren Freunden und Bekannten dafür Werbung machen, denn Montag Abend hat man doch meist nichts Besonderes vor und ist bei der Montagsdemo genau richtig. Wir gehen jetzt zu Mama ins Krankenhaus. Tschüß!

Gudrun Binder
 
Das war Mord, Herr Röwekamp: Brechmitteleinsatz
gegen Menschen ist unmenschlich („Spiegel-Online“)

 

Der Hansestadt schwimmen
die Schiffe davon

Hans-Dieter Binder1. Wir sind uns darüber im klaren, dass die Woh­nungs­suche genauso schwierig ist wie die Suche nach einem Arbeitsplatz! Aber nur Überachtundfünfzigjährige können eine Erklärung unterschreiben und brauchen danach keine Bemühungen mehr nachzuweisen. Wohnungssuchende sollten sich daher genauso verhalten wie Arbeitssuchende, denn nur die Verweigerung der Suche kann heute zum Anlass genommen werden, die Leistungen zu kürzen. Sicher kann mensch sich dagegen wehren, aber das kostet Nerven!

„Ach, Sie wollen nach YX umziehen? Außerhalb des Tagespendlerbereichs? Sie haben dort gar keinen konkreten Arbeitsplatz in Aussicht? Dann sollten Sie die Arge in YX fragen, ob Sie dort aufgenommen werden!“ Soweit sind wir in Deutschland nicht: Wenn die Wohnung in YX die dort gültige Miethöhe nicht überschreitet, kann die Arge YX keinen Einwand erheben. Wenn die Wohnung in YX günstiger ist als die jetzige Wohnung und die Bagis eine Umzugsaufforderung oder auch nur den unverbindlichen Hinweis geschickt hat, können die Umzugskosten beantragt werden.

Für einen Umzug nach YX wegen einer Arbeitsaufnahme kann zusätzlich zu den Umzugskosten ein Überbrückungsgeld beantragt werden. Während einer Probezeit zahlt die Bagis auch die alte Wohnung und eine Unterkunft in YX, Reisekosten und anderes. Alles ist verhandelbar, aber ebentuell nur über eine Klage zu erreichen!

Wer dies erst jetzt gelesen, aber die Heiz- oder Nebenkostennachzahlung selbst bezahlt hat, kann unter Hinweis auf das Landessozialgericht den Antrag stellen und die Widereinsetzung in den vorherigen Stand beantragen, auch dann, wenn die Ablehnung dieser Nachzahlung akzeptiert und kein Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid erhoben wurde!

 

2. Zur Begründung der Gesundheitsreform sagte die Bundeskanzlerin, die Krankenkassen hätten einen Fehlbetrag, den sie nicht aus eigener Kraft ausgleichen könnten. Komplett hätte dieser Satz etwa so lauten müssen: Die Bundesregierung hat den Zuschuss für die gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von 4,2 Milliarden Euro ersatzlos gestrichen, außerdem wird den Kassen durch die Mehrwertsteuererhöhung auf Arzneimittel eine weitere Milliarde aufgebürdet!

Ein Fehlbetrag, durch die Bundesregierung verursacht, von 5,2 Milliarden Euro: Dagegen können die Krankenkassen nicht wirtschaften! Jetzt zahlt die Bundesregierung 1,2 statt 4,2 Milliarden, jedoch zweckgebunden, und die Mehrwertsteuer wird für Arzneimittel nicht ermäßigt. Diese Suppe müssen die Versicherten auslöffeln!

Aber es kommt anders, als Frau Merkel denkt: Allein die neue Geldverteilungsstelle namens Gesundheitsfonds wird teurer als die Beitragserhöhung von 0,5 Prozent! Außerdem fehlt die Festlegung aller Rahmenbedingungen: Diese müssen verhandelt werden. Allein die Verhandlungen über den Risikostrukturausgleich für die alte Gesundheitsreform sind noch nicht abgeschlossen. Es wird gezahlt, aber unter Vorbehalt. Klagen und Gerichtsverfahren sind anhängig!

 

3. Unsere Sozialsenatorin Karin Röpke hat keinen Knigge mehr: Er wurde in den einstweiligen Ruhestand versetzt, bevor der Sonderermittler etwas zu diesem Thema sagen konnte. Wahrscheinlich wäre die unehrenhafte Entlassung und die Geltendmachung von Regressforderungen angebracht gewesen! Die Ermittlung wird’s zeigen.

Frau Röpke hat jetzt den Rücken frei, Herr Knigge muss sich nicht wehren und somit auch keine Schuldzuweisung an andere vornehmen. Staatsrat Knigge ist fein raus, oder wurde er etwa unter Vorbehalt in den einstweiligen Ruhestand versetzt? Soweit ich weiß, leider nicht!

Die insolvente Vegesacker Werft BBV hat viele Schiffe gebaut, gefördert durch Herrn Knigge. Für Schiffe gibt es beim Amtsgericht so etwas ähnliches wie ein Grundbuch: das Schiffsregister. Alexander Strübing und ich haben diese Registrierungen beim Amtsgericht eingesehen: Bremen ist demnach nur bei einem Schiff als Eigner registriert! Hier, Frau Röpke, besteht dringend Handlungsbedarf! Nicht dass Ihnen auch noch die Schiffe davonschwimmen!

Die eingetragenen Vereine sind sicherlich stark an einem solchen Kahn interessiert! Herr Knigge beziehungsweise Ihre Dienststelle hat nicht dafür gesorgt, dass alle auf der Vegesacker Werft gebauten Schiffe für die Freie Hansestadt Bremen als Eigner registriert wurden! Wer zahlt, wenn dies nicht mehr nachzuholen ist? Daher Montagsdemo: Kopf zeigen! Für eine friedliche, weil gerechte Zukunftsperspektive!

Hans-Dieter Binder
 
Radfahrer demonstrieren: Die Ampel bleibt rot, bis alle
todesmutig die Straße kreuzen („Tageszeitung“)

 

Haltet den Dieb!

Jens SchnitkerEs klingt nach einem Krimi, der in Deutschland schon viele Jahre andauert, doch auf eine Lösung des Falles kann das Publikum weiter warten – Ausgang ungewiss. Warum ist das Thema Unternehmenssteuer zum Krimi geworden? Aktuell ist von einer Kürzung die Rede, sie soll im Herbst 2006 erneut beraten werden und im übernächsten Jahr erfolgen. Ihr Umfang soll anfangs fünf Milliarden Euro betragen und sich steigern auf acht Milliarden im Jahr. Begründet wird dies damit, die Steuerlast für Unternehmen in Deutschland sei im internationalen Vergleich zu hoch, somit entstehe der deutschen Wirtschaft ein großer Schaden. Die Wirtschaft müsse weiterwachsen, die Konjunktur andauern, um Arbeitslosigkeit zu verringern. Die einfach gestrickte Formel heißt: Boomt die Wirtschaft, bleibt auch genügend in den Taschen der Arbeiter, die Volkswirtschaft wächst weiter, und alles wird gut.

Das ist die offizielle Meinung der Ideengeber. Die Gruppen, die sich das neue Konzept der Unternehmensbesteuerung ausgedacht haben, sind die Stiftung Marktwirtschaft und die Bertelsmannstiftung. Die fünf „Wirtschaftsweisen“ trugen deren Konzept dem Finanzminister Steinbrück vor, am 19. Juni 2006 wurde es auch auf dem Parteitag der SPD vorgestellt. Dabei wurde die Forderung der sogenannten SPD-Linken angenommen, die Steuerreform müsse aufkommensneutral sein. Das bedeutet, die Milliarden, die den Unternehmen gegeben werden, dürften keine neuen Steuerausfälle bewirken. Steinbrück sagte dies zu, mit der Einschränkung, am Anfang würden Verluste entstehen, die sich aber ausglichen, wenn die Wirtschaft durch die Entlastung weiterwachse.

Das ist der derzeitige Stand der Diskussion, so wird sie vermittelt in den Medien, durch die Einflüsterer der Republik. Doch inwieweit entspricht die veröffentlichte Meinung der Wahrheit? Die nun stets in kleinen Stücken bekanntgemachte Reform entspricht einem neoliberalen Geniestreich: Das Thema Steuern ist sehr kompliziert, es wird sich also im Text nur auf die Besteuerung von Unternehmen beschränkt. Im Moment zahlen Unternehmen in Deutschland 25 Prozent Körperschaftssteuer, hinzu kommt die Gewerbesteuer. Beides zusammen soll nach offizieller Lesart 38 Prozent ergeben. Das entspricht aber nicht der Wirklichkeit. Die tatsächliche Steuerlast beträgt nur halb so viel: 17,5 Prozent. Der Fiskus erhält nicht den nominalen Steuersatz, sondern nur das, was man den Unternehmen an Steuerschlupflöchern verweigert.

Wenn jetzt gesagt wird, dass die Steuerlast zu hoch ist und deswegen unter 30 Prozent sinken soll, reibt man den Menschen nur Sand in den Augen. Der neue Satz ist den Unternehmen aber frecherweise immer noch zu hoch. Sie lassen deswegen im Ausland produzieren und versteuern ihre Gewinne dort, zahlen sie aber hier in Deutschland an die Aktionäre aus. Dieser Geldtransfer erfolgt gewinnsteuerfrei hinter der Nebelwand, die einem präsentiert wird. Tatsächlich beträgt die Gewinnsteuer für Unternehmen nur 1,3 Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Damit ist Deutschland Schlusslicht in Europa, die anderen europäischen Länder sollten es eher fürchten, denn durch die Steuerreform von Rot-Grün wurden die Unternehmen um jährlich 50 Milliarden Euro entlastet.

Die Lobby der Wirtschaft ist einflussreich, somit auch überall präsent. So allgegenwärtig, dass aus einer Lüge eine „Wahrheit“ entsteht. Die Unternehmen und ihr Sprachrohr, die Politiker, betreiben dieses Ablenkungsmanöver schon seit 30 Jahren. Eine Volkswirtschaft, die dem Allgemeinwohl verpflichtet war, wandelte sich in eine egoistische Profitwirtschaft, und die Bevölkerung nimmt es den Politikern ab. Deutschland geht es wirtschaftlich so gut wie noch nie. 2002 stand Deutschland auf dem vierten Platz der Direktinvestionen aus dem Ausland, eine Summe von 38 Milliarden Dollar floss.

Der Börsenumsatz lag in den letzten Jahren, auch 2005, immer über drei Billionen Euro, das ist mehr als das Bruttoinlandsprodukt (zwei Billionen Euro). Eine Steuer auf den Börsenumsatz gibt es hierzulande nicht, wohl aber in Großbritannien und anderen EU-Ländern. Von 1960 bis 2003 sanken die Steuern aus Gewinn und Vermögen um 20 Prozent. 1960 betrug die Besteuerung 30 Prozent, jetzt ist sie auf 10 Prozent gesunken. Deutschland ist nach den USA und China weltweit der attraktivste Wirtschaftsstandort.

Das und viele weitere Wirtschaftsdaten sind bestens bekannt. Sie sind jeden Tag zu lesen, kommen aber beim Großteil des Volkes nicht an. Dem sogenannten kleinen Mann hat man das Leben so schwergemacht, dass er nicht mehr die Zeit hat, sich über die Politik zu informieren. Die Arbeitswelt ist aggressiv und prekär geworden. Die Gewinne und das Vermögen nehmen noch nie gekannte Ausmaße an, aber nur für einen kleinen Teil der Gesellschaft. Der größere Teil der Menschen muss sich einrichten in seinen prekären Verhältnissen.

„Globalisierung“ der Wirtschaft ist kein Grund, in einen Steuerwettbewerb nach unten zu treten. Dieses Totschlagargument wird benutzt, da es leicht und einprägsam erscheint. Tatsächlich sind Deutschland und Europa seit mehreren hundert Jahren der Globalisierung ausgesetzt. Dass die Unternehmen an der Stellschraube drehen, davon hört man kein Wort. Dieser Weg führt in den Ruin und zertrümmert alle sozialen und ökologischen Standards.

Ein letztes Beispiel: Der Staat hat im laufenden Haushalt eine Neuverschuldung von 39 Milliarden Euro. Genauso hoch ist die Nettokreditaufnahme. Ende Juli 2007 sind der Bund mit 900, Länder und Kommunen mit 400 Milliarden Euro verschuldet: ein Rekordstand. Der Staat ist der beste Kunde bei den internationalen Banken. Die Defizite des Staates nützen vor allem den Vermögenden: Was sie früher an Steuern zahlen mussten, können sie nun dem Staat gegen Zinsen leihen. Das ist der ungesagte Grund, weshalb den Kapitalgesellschaften ein Steuererlass gewährt wird. Der Staat steht mit dem Rücken an der Wand. Dies alles ist aber kein Naturgesetz, denn eine Steuerharmonisierung kann international wie europaweit greifen. Bisher hatten die Unternehmen in diesem Wirtschaftkrimi den längeren Atem.

Wenn nun gesagt wird, Deutschland müsse sich fit machen für den weltweiten Wettbewerb, ist das eine wohlfeile Lüge. Deutschland ist nicht Opfer, sondern Profiteur der Globalisierung. Deutsche Firmen verlagern Standorte oder investieren verstärkt in Indien und China, wo die sozialen und ökologischen Standards nicht so hoch sind wie daheim. Durch solches Handeln lassen die Firmen aber die Konjunktur heißlaufen. Geholfen ist damit keinem: Sie machen hierzulande die Wirtschaft kaputt, und in China oder Indien werden die Menschen brutal ausgebeutet. Diese beiden Länder sind Deutschlands beste Geschäftspartner.

Müssen in Deutschland die gleichen Verhältnisse herrschen, um attraktiver für die Unternehmen zu werden? Zumindest spricht ihr Handeln eine deutliche Sprache. Dass der Staat sie gewähren lässt, muss international bekämpft werden. Diese Gesetzlosigkeit bedeutet ein Harakiri, den Selbstmord des Staates und seiner Gesellschaft.

Deutschland ist seit mehreren Jahren „Exportweltmeister“. Im letzten Jahr hatten die Ausfuhren einen Umfang von 160 Milliarden Euro. Die aggressive deutsche Wirtschaft erschlägt die ausländische und verursacht Armut und Arbeitslosigkeit in den Ländern, in die Deutschland exportiert. Dies sind vor allem die Länder der EU. Ein besseres Welthandelsgesetz ist Ende Juli 2006 gescheitert, wie die WTO, die den Welthandel gerechter gestalten sollte, in Genf bekanntgab.

Die Gruppe der G6 (Indien, USA, Australien, Japan, EU und Brasilien) machen 75 Prozent des gesamten Welthandels aus. Das restliche Viertel teilen sich 143 übrigen Staaten der WTO, in denen über die Hälfte aller Menschen lebt. Nicht alle Staaten der Erde gehören der WTO an. Diese Länder sind nach Meinung der WTO unbedeutend. Der Status quo entlarvt die Welthandelsorganisation als Raubritter. Gescheitert ist ihre Arbeit insbesondere durch die vehemente Verteidigung der Handelsprivilegien der Industriestaaten. Am Protektionismus der G6, vor allem der USA und der EU, also auch Deutschland, scheiterte ein gerechterer Welthandel.

Jens Schnitker (parteilos)

 

Die Regierung ist jetzt schon
im Rekord-Tief

Wolfgang LangeNach Umfragen lehnen 74 Prozent der Bürger die Regierung ab, über 80 Prozent einzelne Vorhaben wie die Gesundheitsreform. Dabei ist noch längst nicht alles durchgesickert, insbesondere die Steuergeschenke für Unternehmer nicht. Klar ist schon jetzt: Die Körperschaftssteuer wird von 30 auf 12,5 Prozent gesenkt, aber bei 0,5 Prozent Anhebung der Krankenkassenbeiträge bleibt es kaum!

Die Angehörigen der Regierungsparteien streitet sich wie die Kesselflicker, eine Lage wie am Ende der letzten Regierung. Gegen die volksfeindliche Politik der Großen Koalition der Sozialräuber wollen wir mit dem dritten Sternmarsch in Berlin am 16. September ein unübersehbares Zeichen des gemeinsamen Kampfes setzen! Auch der DGB erwacht langsam und ruft auf zu Kundgebungen am 21. Oktober. Das wird ein heißer Herbst!

Wolfgang Lange (MLPD)
 
10 Gründe für die Montagsdemo: Ohne uns mehr Schröder,
aber weniger Nachbesserung („Rote Fahne News“)
 
Städte mit „B“: In Bochum etwa, in Braunschweig, Bremen und Berlin gehören Montagsdemos zum Inventar des öffentlichen Raumes („Neues Deutschland“)

 

Neue Formen der Darstellung
für die Montagsdemo

Im nachweltmeisterschaftlichen Sommerwind fanden sich zur 92. Montagsdemo am 10. Juli 2006 um 17:30 Uhr auf dem Bremer Marktplatz wieder um die 35 Teilnehmer ein. Am Roland-Gitter hingen Kostüme: Schnell angelegt, wurden einige frisch gefertigte Beiträge, inspiriert von einem Seminar, auf dem sich mehrere Mitstreiter neue Ideen geholt hatten, mit theaterhaften und kabarettistischen Formen vorgetragen.

Das große Redebuch
Band I (2004/2005):
Schröders Hartz-Attacke und 
seine vorgezogene AbwahlDies wurde freudig beklatscht, aber das Jubeln mit Frau Merkel ist vorbei! Bevor sie sich mit Herrn Bush in Stralsund und ihrem Wahlkreis neue Terrorakte gegen das Volk im eigenen Land und gegen alle Völker weltweit ausdenkt, stellen wir fest: Wir lassen uns nicht einschüchtern! Die Gesetzesdurchpeitschung in Berlin wird einen aktiven Herbst hervorrufen, die Saat wird reif! Einer der ersten Termine dafür ist der Sternmarsch am 16. September 2006 in Berlin.

Wenn die Regierung meint, mit kleinkarierten Behinderungen – wie Zählappellen bis 50, um einen Lautsprecher benutzen zu dürfen –, die Montagsdemobewegung totkriegen zu können, dann irrt sie sich gewaltig! Schon am 3.Juni musste in Berlin die staatsterroristische Polizei gegen eine bewusste Bevölkerung einen Rückzieher machen. Alle „Vernehmungen“ und nachfolgenden Gerichtsverfahren werden zum Scheitern verurteilt sein wie bisher, siehe Stuttgart, München oder sonstwo!

Nur für eines müssen die Menschen diese Staatsverantwortlichen bald zur Rechenschaft ziehen: für die unnötige, völlig ungerechtfertigte Geldverschwendung durch Polizeieinsätze und nachfolgende Gerichtsverfahren! Jeder Angesprochene unterstützte den Protest gegen die Behinderungen in Hannover und unterschrieb auf der Liste.

Jobst Roselius für dieBundesweite Montagsdemo
 
Apostel warnt vor Müßiggang: „Wer nicht arbeiten will,
der soll auch nicht essen“ („Bibel-Online“)
 
Auch für Jüngere: Münte-Kombi-Schrumpf-Lohn
für Ältere („Spiegel-Online“)
 
Schöngemerkelt: Krankenkassenbeiträge steigen
doppelt so doll („Spiegel-Online“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz