81. Bremer Montagsdemo
am 03. 04. 2006  I◄◄  ►►I

 

Blinde Herrscher

Ursula GatzkeImmer mehr Arme, immer mehr Reiche, auf dass die Mittelschicht sich von dannen schleiche! Wo steuern wir hin, mit weniger Mittelschicht? In ein Wunderland, das bald auseinanderbricht?

Arm und ohne Hoffnung sind viele Enkel schon. In unserer Gesellschaft herrscht ein rauer Ton! Die Gewalt im Lande nimmt ständig zu, an den Hauptschulen gibt es heute kaum noch Ruh!

Die Hoffnungslosigkeit hat sich breitgemacht! Wer hat an Hilfe für die armen Kinder gedacht? Im Stich gelassen wurden viele Menschen schon: Wer unten arbeitet, kriegt einen Hungerlohn!

Das Getränk im Supermarkt wird bereits zu teuer! Bekämpfen wir jetzt das Ausgrenzungs-Ungeheuer! Viel zu viele Sorgenkinder gibt es schon im ganzen Lande! Taub und blind sind unsere Herrschenden, das ist eine Schande!

Die Armentafel kriegt nicht mehr genug zum Essen rein, im Supermarkt schmeißt man Lebensmittel in den Abfall hinein! Ohne die Tafel sähe das Elend noch weit größer aus! Wann kommt ihr Leute zum Protestieren aus dem Haus?

Ursula Gatzke (parteilos)
 
Bitte unterschreiben: Der ALG-II-Regelsatz von 345 Euro muss
nach oben angepasst werden, weil er nicht zum Leben reicht
(An den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages)

 

Gibt es wirklich weniger
Raubüberfälle als im Vorjahr?

Vorige Woche sprach ich davon, dass Polizeireviere geschlossen wurden und die Bürgerinnen und Bürger nun weite, unbekannte Wege in Kauf nehmen müssen, wenn sie mit einer Polizistin oder einem Polizisten Kontakt aufnehmen wollen oder müssen. Es gab einen Fall, von dem ich weiß, und es ist sicher kein Einzelfall, bei dem geschah folgendes: Ein älteres Ehepaar, das Opfer eines Raubüberfalles geworden war, machte sich auf den Weg zum Polizeirevier. Es kam dort an und stellte fest: Das Polizeirevier ist abgeschlossen. Dafür fanden sie den schriftlichen Hinweis, wohin sie sich bei Bedarf oder im Notfall wenden können. Sie machten sich also mit Bus und Bahn auf den Weg dorthin.

Gudrun BinderMan stelle sich die folgende Situation vor: Da sind ein Mensch oder mehrere überfallen, geschlagen und beraubt worden. Sie benötigen Hilfe, sie müssen eventuell ärztlich versorgt werden, sie wollen eine Personenbeschreibung abgeben, sie wollen Anzeige erstatten. Und dann die Perversion: Das bislang vorhandene, zuständige Polizeirevier gibt es nicht mehr. Eine schnelle Weitergabe der Personenbeschreibung ist nicht möglich. Dadurch sinkt die Chance, den oder die Täter möglichst schnell oder überhaupt zu fangen. Eine schnelle ärztliche Versorgung ist nicht möglich, sie muss ja auch erst angefordert werden. Eine Geschichte, wie von einem kranken Hirn erfunden!

Es ist sicher nicht normal, dass man/frau nach solch einem Erlebnis oder einer ähnlich schrecklichen Situation und in dem Zustand, in dem man sich befindet, erst in benachbarte Stadtteile fahren muss, um Anzeige erstatten zu können. Da klingt der Spruch „Wir sind ganz in Ihrer Nähe“ wie blanker Hohn! Ich kann mir gut vorstellen, dass sich nicht unbedingt jeder so verhält wie eben beschrieben, sondern dass es auch Menschen gibt, die nach solchen oder ähnlichen Erlebnissen erschreckt, entmutigt und betroffen einfach nur nach Hause gehen und die Welt nicht mehr verstehen.

Diese Fälle fehlen Herrn Röwekamp dann leider in seiner feinen Statistik. Aber das stört ihn nicht besonders, denn er sprach ja von „registrierten“ Straftaten. Und wo nichts registriert wurde, da gibt es auch nichts zu erfassen. Im Falle der Raubtaten bedeutet das einen Rückgang um 10,7 Prozent, bei Diebstählen um 3,2 und bei Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen um sagenhafte 16,1 Prozent.

Herr Röwekamp glaubt selbst nicht, dass diese Zahlen mit der täglichen Realität übereinstimmen! Im Umkehrschluss weist er nämlich darauf hin, dass der „registrierte“ Anstieg bei Körperverletzungen gestiegen ist, und erklärt das mit gestiegener Präsenz der Polizistinnen und Polizisten vor Ort; gemeint ist die „Disko-Meile“ am Hauptbahnhof. Ja, wie denn nun? Wenn Polizei „ganz in unserer Nähe“ ist, dann ist es ein leichtes, sie anzusprechen und um Hilfe zu bitten. Ist sie nicht präsent, dann kann sie es auch nicht sein: „Unser Freund und Helfer“!

Wir haben gehört, was Polizeipräsenz bewirkt. Gefährliche Einsätze in schwierigen Situationen, bei denen Menschen und Orte gefährdet sein können, sind ein Fall für die speziell dafür ausgebildete Bereitschaftspolizei. Diese Polizistinnen und Polizisten verfügen über eine besonders gute Ausrüstung, die sie bei Gefahr auch körperlich schützt – haben wir uns so gedacht.

Wir haben gelesen, dass sich bei der Anprobe von schusssicheren Westen bei Polizistinnen in Südafrika ein Problem ergab: Man hatte die Proportionen der Frauen nicht berücksichtigt und wurde tatsächlich davon überrascht, dass der Oberkörper einer Polizistin nicht zum Schnitt einer Weste für männliche Kollegen passt. In Bremen hat man diese Schwierigkeiten nicht: Es wurden keine schuss­sicheren Westen bestellt, nicht für Frauen und nicht für Männer! Damit ist das Problem der Größe und Passform erledigt und gelöst.

Wir kommen nun wieder auf die Bereitschaftspolizei zurück. In diesen Zügen befinden sich sehr viele junge Polizistinnen und Polizisten, die der Bremer Senat nach Beendigung ihrer Ausbildung trotz Zusage nicht in den Polizeidienst übernehmen wollte. Diese jungen Menschen erledigen nun eine gefährliche Arbeit für Herrn Röwekamp, ohne Schutz, der dafür dringend nötig und wichtig ist! Wir wollen hoffen, dass sich nicht eines Tages eine fatale Situation ergibt, für die Herr Röwekamp dann wieder mal verantwortlich ist.

Ich weiß von einer Bereitschaftspolizistin, die aus Selbstverantwortung und Vorsicht privat diese wichtige Anschaffung vorgenommen hat. Fragen wir uns nun, ob das die vielgelobte und vielgepriesene sogenannte Polizeireform sein soll! Sie greift, das kann man sagen, denn sie spart: Sie spart überall da, wo sie dringend investieren müsste.

Gudrun Binder

 

Wie einer dem Abstellgleis Hauptschule entkam

Elisabeth GrafGanz Deutschland ist in Aufruhr, weil ein Lehrerkollegium in Berlin-Neukölln das Handtuch geworfen hat, der Schülerschaft nicht mehr Herr werden kann, normaler Unterricht unmöglich geworden scheint. Schnell rufen einzelne Politiker nach einer „harten Hand“, fordern gar die Abschiebung von Schülern, die sich nicht integrieren lassen wollen. Dabei werden in Deutschland schon lange leistungsschwache und/oder schwierige Kinder abgeschoben, und zwar auf die Hauptschule. Wer hier heute landet, weiß ganz genau, dass er keine Chance hat, jemals an der Gesellschaft wirklich teilhaben zu können, denn nach der Schule wird sich keine Lehrstelle finden lassen, für eine weiterführende Schule reichen weder die Noten, noch die Motivation aus.

Stattdessen kommt dann die Arbeitsagentur und stopft diese Jugendlichen in sinnentleerte „Maßnahmen“, die derart konzipiert sind, dass sie von mindestens einem Drittel nicht durchgehalten werden. Für diese folgt der Ausschluss vom Leistungsbezug und aus der Arbeitslosenstatistik. Es werden nur noch Lebensmittelgutscheine ausgeteilt, was dann fast einer Aufforderung gleichkommt, sich illegal die Dinge zu beschaffen, die nun einmal gebraucht werden. Dieses Bewusstsein erzeugt Unzufriedenheit und Wut: Es kann so kaum zum Lernen motivieren.

Mit einem Hauptschulabschluss lässt sich kein Blumentopf mehr gewinnen. Warum sollten sich SchülerInnen noch anstrengen, überhaupt einen zu erreichen? Da nützt es rein gar nichts, wenn nur einige Polizisten die Schüler am Eingang nach Waffen durchsuchen und den LehrerInnen ein paar Sozialpädagogen und Psychologinnen zur Seite gestellt werden. Das sind alles bloß einzelne Tröpfchen auf einen siedendheißen Stein. Zisch! Was diesen Jugendlichen fehlt, ist eine Perspektive, die ihnen Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht und nicht immer nur das Gefühl vermittelt, von ihr ausgeschlossen zu sein! Eine andere Bildungspolitik ist dringend erforderlich!

Es ist schon lange überfällig, die Hauptschulen, das dreigliedrige Schulsystem überhaupt, endlich abzuschaffen. Außerdem brauchen wir dringend kostenlose Kindergärten, damit die Kinder von ALG-II-Empfängern davon nicht länger ausgeschlossen bleiben. Wir benötigen diese Kindergartenplätze, um schon die ganz Kleinen spielerisch an die deutsche Sprache heranführen zu können: Dann kommen sie später in der Schule leichter mit. Wie sollen Kinder lernen, mit Worten ihre Konflikte zu lösen, wenn sie einer allen verständlichen Sprache nicht mächtig sind? Auch müssen dringend die Bedarfssätze vom ALG II erhöht werden, weil ausgelatschte Turnschuhe, ein tintenbekleckstes Federmäppchen und ein abgewetzter Ranzen der dritten Generation kaum zum Schulbesuch ermutigen können. Armut allein grenzt schon aus, ob mit oder ohne Sprachdefizite!

Es erinnert auch an Heuchelei, wenn einzelne Politiker der vorgeblich christlichen und/oder angeblich sozialen Partei fordern, den Jugendlichen müssten wieder Werte wie Sitte und Anstand vermittelt werden. Viele dieser honorigen Politiker leben den Jugendlichen das genaue Gegenteil vor, indem sie sich ganz unanständig nur selbst die Taschen vollstopfen. Dabei bedienen sie sich natürlich vorzugsweise am Portemonnaie derer, die sowieso schon zu wenig haben. Während die ohnehin fetten Diäten der Abgeordneten ständig steigen, demnächst automatisch an die Inflation angepasst werden sollen, wird zum Beispiel den Behinderten in Bremen ein Teil ihres Fahrgeldes gestrichen.

Ein Beispiel der besonderen Art liefert im Moment auch Altbundeskanzler Schröder: Wo ist denn sein Ehrenkodex geblieben, bei seinem allzu flotten Wechsel in die Privatwirtschaft? Mutierte der vermeintliche Sozialdemokrat zum Genossen der Bosse? Durch die Annahme des süßen kleinen Pöstchens als Aufsichtsratschef der NEGP Company, besser bekannt als „Russland-Pipeline“, hat er einen klaren Seitenwechsel vollzogen, der ihm schlappe 250.000 Euro jährlich garantiert. Die NEGP Company ist eine Tochter von Gasprom (51 Prozent), BASF und EON (je 24,5 Prozent). Was genau macht eigentlich so ein Aufsichtsratschef? Muss er wirklich nur zweimal im Jahr durch Matsch gehen? Braucht man dazu keine besondere Ausbildung? Kann das jeder, oder benötigt man dafür lediglich die richtige Dosierung von „Vitamin B“?

Als in den Nachrichten bekannt wurde, dass die rot-grüne Bundesregierung ganz zum Schluss ihrer Amtszeit ausgerechnet für jene NEGP Company eine Bürgschaft über eine Milliarde Euro übernommen hat, kam in mir natürlich die Frage auf, wer sich da wohl wen eingekauft hat. Das soll angeblich nicht üblich sein? Und der Name von Herrn Schröder ist inzwischen wohl „Hase“, denn er weiß von nichts! Komisch, ich habe immer gedacht, Demokratie sei die Regierung des Volkes, durch das Volk, für das Volk.

Elisabeth Graf (parteilos)
 
Rektorin verdammt „Schulsystem aus dem Kaiserreich“: Im letzten Jahr hat kein einziger Abgänger einen Ausbildungsplatz erhalten („Tagesspiegel“)
 
Chaos in Frankreich: Chirac unterschreibt Hire-and-Fire-Gesetz für Jugendliche, setzt es angesichts der Proteste aber zugleich aus („Spiegel-Online“)

 

In der Presse Verachtung
statt Interesse

Wie in jeder anderen Gruppierung gibt es auch auf der Montagsdemo skurrile Typen. Tendenziös aber ist es, sich auf diesen Personenkreis zu beschränken, um die Bewegung der Montagsdemos zu denunzieren. Gleichzeitig pflegt J. M. Gutsch im „Spiegel“ (Heft 13/2006, Seiten 56–62) einen abfälligen Sprachstil, der menschenverachtend, wenn nicht sogar ekelhaft klingt. Damit wird die eigentlich interessante Frage des Redakteurs: „Wohin laufen diese Montagsbürger? Und: warum?“ nicht beantwortet. Thema verfehlt: Ungenügend!

Initiative Bremer Montagsdemo
 
Kostensenkungsaufforderung: „Wir behalten uns vor, Sie
in einem Dreivierteljahr verbindlich aufzuforden, in eine
preislich angemessene Wohnung umzuziehen“ (Bagis; PDF, 249 kB)

 

325 Euro Miete sind angemessen,
denn ohne Mietspiegel gilt die
rechte Spalte der
Wohngeldtabelle

Am 14. März 2006 habe ich ein Schreiben bezüglich meiner Unterkunftskosten von der Bagis erhalten. Sie teilt mir hierin mit, dass die zur Zeit bewilligten Unterkunftskosten nur bis zum Ende des Jahres bewilligt würden, da sie nach ihrer Berechnung den zulässigen Betrag von 245 Euro um 43 Prozent übersteigen würden. Weiterhin werde ich zur Senkung der Unterkunftskosten aufgefordert durch Untervermietung oder Senkung der Miete, was wohl ziemlich unrealistisch ist, bei einer Zweizimmerwohnung von 40 Quadratmetern.

Gegen dieses Schreiben habe ich einen Widerspruch eingelegt. Obwohl dieses Schreiben der Bagis rechtlich einem Bescheid gleichkommt, wurde der Widerspruch abgelehnt, da es sich laut Bagis um ein Schreiben „informeller Art“ handle. In meinem Widerspruchsschreiben habe ich um eine ausführliche Darlegung der Berechnung der 245 Euro gebeten, worauf mir lediglich eine Kopie bezüglich der Tabelle zum Wohngeldgesetz zugeschickt wurde. Jedes Bundesland legt das ALG II so aus, wie es lustig ist!

In Bremen gibt es keinen Mietspiegel, zumindest keinen offiziellen. Im SGB II ist jedoch geregelt, dass die Quadratmeterzahl der Wohnung mit dem Mietzins zu multiplizieren sei oder dass die marktüblichen Mieten heranzuziehen seien. Bei der Durchsicht der verschiedenen Handhabungen innerhalb der Bundesländer ist mir schwindelig geworden! Die Bremer Tabelle beinhaltet weder eine Quadratmeterangabe, noch wird ein Mietzins erwähnt, was die Sache nicht leichter macht. Es ist mir ebenfalls nicht gelungen, ein Mietniveau oder Vergleichbares in die Hände zu bekommen. Dass die 245 Euro nicht realistisch sind, sei hier nur am Rande bemerkt.

Nach dem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Az. L19 B21/05 AS ER) und des Sozialgerichtes Aurich (Az. S15 AS 159/05) gilt: Prinzipiell können für die Beurteilung der Angemessenheit von Mietkosten die Höchstbeträge für Mieten nach dem Wohngeldgesetz herangezogen werden. Besteht ein Mietspiegel, hat dieser Vorrang vor den Höchstmietbeträgen nach dem Wohngeldgesetz.

Das Problem besteht in der nicht einheitlichen Regelung: Jeder macht, was er will. Das erwähnte Urteil ist lediglich eine Kann-Regelung und nicht verbindlich. Das Sozialgericht Osnabrück (Az. S22 AS 243/05 ER vom 1. August 2005 und S22 AS 332/05 ER vom 23. Juni 2005) besagt: Bei der Angemessenheit von Mietkosten können die Höchstgrenzen nach § 8 des Wohngeldgesetzes herangezogen werden. Auch in diesen beiden Urteilen handelt es sich um eine Kann-Regelung.

Das Landessozialgericht Celle (Az. L8 AS 181/2005 ER vom 28. November 2005) schreibt hierzu: Bei der Angemessenheitsprüfung von Unterkunftskosten hat ein örtlicher Mietspiegel Vorrang vor der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz (Miethöchstbeträge). Ist ein örtlicher Mietspiegel nicht erstellt, kann der Oberwert der nach dem SGB II zu berücksichtigenden Unterkunftskosten aus der rechten Spalte der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz entnommen werden.

In einer Entscheidung des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen (Az. L8 AS 427/05 ER vom 15. Dezember 2005) wird genauer Stellung genommen und der Beschluss gefällt: „Dieser Tabellenwert in der rechten Spalte (Wohn­geldtabelle) wird regelmäßig zugrunde zu legen sein, auch um Leistungsempfängern und den Sozialleistungsträgern zur Bestimmung des Begriffs der Angemessenheit klare und eindeutige ‚Richtlinien‘ an die Hand zu geben.

Die Höhe der laufenden Kosten für Heizung ergeben sich entweder aus dem Mietvertrag oder aus den Vorauszahlungsfestsetzungen der Energie- beziehungsweise Fernwärmeversorgungsunternehmen. Für diese monatlich bestimmten Heizungskosten spricht zunächst eine Vermutung der Angemessenheit, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte für ein unwirtschaftliches und damit unangemessenes Heizverhalten vorliegen. Der Wärmebedarf ist von verschiedenen Faktoren abhängig, und allein die Überschreitung von Durchschnittswerten kann die Unangemessenheit der Heizkosten nicht ohne weiteres begründen.“

Neben diesen Faktoren ist auch die Verfügbarkeit von „angemessenem Wohnraum“ zu beachten. Ohne entsprechende Wohnungen gilt die Wohnung des Leistungsbeziehers automatisch als angemessen. Hierzu habe ich Anfragen an verschiedene Wohnbaugesellschaften verschickt, um mir einen Überblick über das durchschnittliche Mietniveau und die Verfügbarkeit „angemessenen“ Wohnraums zu verschaffen. Nachrichten aus der Presse sind nicht repräsentativ, Mitteilungen von Wohnungsbaugesellschaften allerdings schon.

Sollte die Bagis auf das obige Urteil hin nicht einlenken, wird jeder betroffene Leistungsempfänger vor dem Sozialgericht auf die Anwendung des Urteils (rechte Spalte § 8 WoGG) klagen müssen, bis eine rechtliche Grundlage für Bremen geschaffen wird. Dies wird erheblich höhere Kosten durch Bemühung des Sozialgerichts verursachen, als die Anwendung der rechten Spalte selbst: In Bremen gilt Mietstufe IV, das entspricht 325 statt 245 Euro.

Bei den 245 Euro handelt es sich bereits um die Kaltmiete inklusive der Nebenkosten, bis auf Heizung und Strom. Geht man von 50 Euro Nebenkosten aus, dürfte die Kaltmiete lediglich 195 Euro betragen. Gemäß dieser Milchmädchenrechnung werden sehr viele betroffene ALG-II-Empfänger umziehen müssen. Es gilt, die Anwendung der rechten Spalte des § 8 WoGG durchzusetzen, um den Menschen dieses Leid zu ersparen!

Holger (parteilos)

 

Unsere Zukunft kann nur gewährleistet werden durch gesellschaftliche Akzeptanz von Arbeitslosigkeit

Hans-Dieter BinderDie Statistik für März ist vorzeigbar! Es wurde vollbracht: „Nur“ noch 4.975.758 Arbeitslose werden gezählt, ein Rückgang um 71.906 Menschen! Wie viel Druck lastet auf dem einzelnen Fallmanager, damit dies als Erfolg dargestellt werden kann? Einen Menschen aus der Statistik entfernen, um fast jedem Preis: Dies wird teilweise offen als Ziel benannt und soll teilweise mit Sauerfahren, pardon „Aktivieren“, erreicht werden.

Nicht umsonst ist die Krankheitsquote bei den Fallmanagern so hoch! Es gibt viele positive Mitarbeiter bei der Bagis. Leider wird die Erfolglosigkeit per Statistik weggeredet! Ohne Arbeitsplätze gibt es keine Vermittlung, sondern nur eine Mangelverwaltung, mit entsprechendem Druck auf alle Beteiligten und viel Geld für die Arbeitgeber.

Ein kleiner Haken auf der Stammkarte kennzeichnet, wer arbeitslos ist, nach den Grundsätzen dieser Statistik. Hat jemand die 58er-Regelung unterschrieben: Weg mit dem Haken! Wurde ein Ein-Euro-Job angetreten: Weg mit dem Haken! Gibt es Kinder unter drei Jahren: Weg mit dem Haken! Wurde ein gelber Schein vorgelegt: Weg mit dem Haken! Besteht kein Anspruch auf Leistung: Weg mit dem Haken!

Falls kein Haken vorhanden ist, wird der Betreffende nicht mitgezählt. Ein Kontrolllauf zur Überprüfung oder ein Gegenfeld zur Kontrolle ist mir nicht bekannt! Hoffentlich gibt es diese automatische Logikprüfung, denn vor gar nicht langer Zeit war das Arbeitsamt über die Vermittlungsstatistik kopflos geworden!

Als Buchhalter weiß ich: Wer kein Geld erhält, schreit; somit hat die Spalte Leistungsempfänger für mich die größte Aussagekraft in der Statistik. Es sind beim ALG I 1.802.492 Menschen, beim ALG II 5.208.145, also insgesamt 7.010.637 Menschen. Es gibt aber noch weitere Arbeitslose ohne jeglichem Leistungsbezug. Auch hier ein Erfolg: Man zählt 11.100 Leistungsempfänger weniger.

Der größte Rückgang liegt aber nach wie vor bei den sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen: minus 165.000 Stellen! Dieser Wert wurde geschätzt; zu den Anmerkungen siehe meine früheren Beiträge zu diesem Thema.

Die Angaben der Bundesagentur für Arbeit für Bremen habe ich nicht gefunden. Geändert wurde die Adresse bereits mehrfach. Der Bericht „Informationen zum Arbeitsmarkt des Landes Bremen“ ist leider nicht mit diesen Informationen bestückt, dafür kann mensch zum Beispiel die Arbeitslosenquote von Portugal nachlesen. Herausgegeben wird dieser Bericht von Senatorin Röpke.

Überfällig ist die gesellschaftliche Akzeptanz der Arbeitslosigkeit. Auch die meisten heute noch arbeitenden Menschen werden von den Unternehmen demnächst nicht mehr gebraucht. Vollbeschäftigung, auch nur annähernde, gehört endgültig der Vergangenheit an. Damit ist die Ausrichtung von Bagis und Arbeitsagentur falsch! Der (Unternehmens-)Zweck dieser Behörden muss neu definiert werden! Dies muss die Politik zugeben!

Augenblicklich wird mit viel Steuergeld Sand verstreut, und Leidtragende sind die betroffenen Arbeitslosen und Behördenmitarbeiter gleichermaßen! Hoffnungslosigkeit wird als solche mit Gewaltbereitschaft kompensiert. Fehlende Bildung trägt dazu bei, wobei das Vorurteil, nur Ungebildete seien arbeitslos, ein der Gesellschaft sehr genehmes Ammenmärchen ist!

Wir pressen die Jugendlichen unter Androhungen in „Maßnahmen“, wir verhindern die Selbständigkeit, verweigern Bildung, vernichten Ausbildungsplätze. Wir verweigern Jugendlichen ohne Arbeit die soziale Anerkennung, erwarten aber pünktliche Rentenzahlungen! Wie soll dies gehen? Unsere Zukunft kann nur gewährleistet werden durch gesellschaftliche Akzeptanz von Arbeitslosigkeit, Verringerung der Arbeitszeit und eine Grundsicherung für alle. Den Weg dorthin können wir nutzen mit Bildung, durch Schaffung eines sozialen Miteinanders.

Doch in Bremen ist Schützenfest! Senatoren-Schießen und -Hauen ist erlaubt, aber nur mit Worten und nur durch Senatoren! Davon wird zur Zeit reichlich Gebrauch gemacht. Senatoren schießen Senatoren, die anderen blockieren, und Leidtragende sind die Bremer Bürger. Darum Montagsdemo: Kopf zeigen! Wir schaffen eine Zukunft mit ehrlichen Politikern!

Hans-Dieter Binder
 
Anreize: Wie viel Aufwandsentschädigung ist angemessen
für eine ordentliche Schlägerei? („Spiegel-Online“)
 
Volkspädagogisch wertvoller Versöhnungsfilm: Schnüffelschwein vollbringt
Menschwerdung durch Kulturgenuss („Das Leben der Anderen“)

 

Der Aktienboom hat ein Nachspiel

Der DAX, das deutsche Börsenbarometer, hat am 3. April 2006 mit 6.009,83 Punkten abgeschlossen. Der Höchststand von genau 8.064,9 Punkten wurde Anfang 2000 erreicht. Danach platzte die „Spekulationsblase“ und schrumpfte auf 2.202,96 im Jahr 2002 zusammen.

Die großen Kursstürze verursachte vor allem die “New Economy”, in der zumeist Jungunternehmer tätig waren. Das Geschäftsmotto der jungen Bosse lautete, schnell möglichst viel Geld zu verdienen. Dies ging anfangs auf, doch nach kurzer Zeit erwies sich das Fundament der “New Economy” als sandig und sackte ein. Der Kurszähler bei der Börse in Frankfurt, der TecDax, wurde aufgelöst. Über 300 Milliarden Euro wurden „verbrannt“.

Seit Anfang 2006 steigen die Aktienkurse wieder schwindelerregend in die Höhe. Wer sich für Wirtschaft interessiert, will wissen, ob eine neue „Spekulationsblase“ über die Börse hereinbricht: Wie lassen sich diese explosiven “Hypes” erklären? Im DAX sind die 30 größten deutschen Firmen aufgelistet. Sie sind international vernetzt und besitzen Unternehmensanteile in der ganzen Welt.

Jens SchnitkerGewinne, die in Deutschland erwirtschaftet wurden, versteuern diese Firmen in sogenannten Steueroasen wie Monaco oder Liechtenstein. Sie brauchen nur ein kleines Büro dort zu haben, um ihre „im Ausland“ gemachten Gewinne mit annähernd null Prozent zu „versteuern“. Seit Jahren versucht die internationale Politik, auch die EU-„Steueroasen“ trockenzulegen, ohne Erfolg. Die Firmennamen sind jedem bekannt: Siemens, Daimler-Chrysler, Deutsche Bank...

Die Gesetzlosigkeit der Finanzströme lässt sich klar erkennen, die deutsche Börse wird schon lange vom Ausland aus kontrolliert. Den größten Anteil haben daran die USA. Deutschland muss sich dieser absurden Logik unterwerfen. Es ist letztes Jahr abermals „Exportweltmeister“ geworden: Waren im Wert von über 700 Milliarden Euro sind vor allem in die EU ausgeführt worden. Der große Export macht deren Wirtschaft kaputt. Arbeitsplätze vernichtet man dadurch! Von den einseitigen Gewinnen profitieren nur wenige.

Die Gewinne fließen aber nicht ins Land hinein: Sie werden entweder in Steueroasen gewinnbringend angelegt oder fließen ins Spekulationskapital. Zwischen 1980 und 2000 wuchs das Weltsozialprodukt um 20, das spekulative Kapital um 80 Prozent. Es ist weitaus mehr Geld im virtuellen Kreislauf als in der Volkswirtschaft. Pro Tag werden 700 Milliarden Dollar spekulativ um den Erdball gejagt, das Weltsozialprodukt beträgt nur 120 Milliarden.

Zwei verschiedene Welten! Demgegenüber ist die deutsche Politik machtlos. Auch in den deutschen Konzernen wird verfahren, als wären die nächsten fünf bis zehn Jahre das alleinig Wichtige; kurzsichtiges Verhalten hat sie in Beschlag genommen. Langzeitstudien zur Nachhaltigkeit sind auf dem Müll gelandet. Es heißt wieder: „Wir wollen alles, jetzt und sofort!“

Der Aktienboom in Deutschland entsteht durch die günstigen Voraussetzungen im Land, durch ständig niedriger gedrückte Löhne, Steuergeschenke und Steuersenkungen. Die Löhne werden schon lange von der jährlichen Inflation angefressen. Deutschland ist innerhalb der EU ein Niedriglohnland. Es gibt keinen Mindestlohn hier, wohl aber in anderen EU-Ländern. Arbeitsminister Müntefering will auch im Herbst keine Gespräche über einen Mindestlohn führen.

Stattdessen soll das Entsendegesetz ausgeweitet werden. Von dieser Vorlage profitieren aber nicht die im Niedriglohnbereich Arbeitenden. Also alles für die Katz! Dieses Phänomen kennt man aus Schwellenländern, genannt wird es “Working Poor”: Man arbeitet Vollzeit, also 40 Stunden und mehr in der Woche, bleibt aber weiter arm. Nach einem UN-Bericht arbeiten 88 Prozent der Beschäftigten in Südasien unter solchen Bedingungen, in Ostasien 50 Prozent. Sie verdienen durchschnittlich nur 1,65 Euro pro Tag!

Armut in Deutschland und in der Welt hat also einen Grund. Er besteht nicht darin, dass der Mensch dumm oder faul sei. Gefräßigkeit, Gier und Hunger eines Raubtiers sind die Ursachen: Ein gefährliches Spiel um Ressourcen, Geld und Macht!

Jens Schnitker (parteilos)
 
Zu wenig dazugelernt: Elbe übersteigt bei Lauenburg den Pegel der „Jahrhundertflut“ 2002 um weitere 36 Zentimeter („Spiegel-Online“)

 

Wir kämpfen gegen das fragwürdige System, wo man uns nach Belieben auf die Straße wirft!

Wolfgang LangeÜber drei Millionen Menschen letzten Dienstag beim Generalstreik in Frankreich! Die Kämpfe gehen weiter, und zwar längst nicht mehr nur gegen das Gesetz, wonach Untersechsundzwanzigjährige keinen Kündigungsschutz mehr haben sollen, sondern gegen die ganze Regierung: „Villepin zurücktreten, Chirac in den Knast“, so lautet inzwischen die Parole!

In Deutschland will Angela Merkel jetzt nach den Landtagswahlen alle Hemmungen fallenlassen: Eine „Reformoffensive“ ist angekündigt! Dieses Wort jagt einem seit den Hartz-Gesetzen und der Gesundheits-Reform eine Gänsehaut über den Rücken. Im Gesundheitswesen soll die Kopfpauschale eingeführt werden, sie beträgt zunächst 15 Euro. Dazu wird die Praxisgebühr auf 20 Euro verdoppelt, aber die Unternehmerbeiträge sollen eingefroren werden!

Gegen die Rentner wird ein Raubzug geführt: Auf 38 Prozent des Durchschnittslohns werden die Renten bis 2035 gesenkt. Beim Arbeitslosengeld II wird radikal gekürzt, um vier Milliarden Euro einzusparen; die Senkung bei den Unterfünfundzwanzigjährigen auf 269 Euro ist erst der Anfang! Schmerzhaft werden gerade die Ärmeren auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer verspüren.

Die Körperschaftssteuer hingegen wurde von 25 auf 19 Prozent gekürzt. Die Unternehmerverbände haben gepfiffen, und die Kettenhunde in Berlin laufen los! Aber das würde das Verhältnis noch nicht ganz richtig erklären: Die führenden Politiker sind aufs Engste mit den Konzernen verwandt und verwoben!

Beispiel Schröder: Als Kanzler war er nicht nur für den Bau der Erdgaspipeline von Russland nach Deutschland politisch verantwortlich, sondern wie jetzt bekannt wurde, auch für einen Milliarden-Kredit an Gasprom – und von eben diesem Unternehmen übernahm er letzte Woche den Aufsichtsratsvorsitz, mit einem offiziellen Jahresgehalt von 250.000 Euro! Von Ringier bekommt er nochmals 100.000 im Jahr, dazu ein Häuschen in der Schweiz, und vom Bankhaus Rothschild weitere 50.000 als Berater.

Das sind natürlich Peanuts gegenüber dem, was sich ein Herr Ackermann einsteckt: 12 Millionen war letztes Jahr sein offizielles Gehalt, ohne Tantiemen und Aktienbesitz, eben mal eine Million im Monat! 20 Prozent Lohnerhöhung bekam er letztes Jahr. Insgesamt um 11 Prozent stiegen die Managergehälter im selben Jahr, als wegen „leerer Kassen“ Hartz IV und „Gesundheitsreform“ eingeführt wurden.

Im Klinikum Duisburg gab es jetzt sechs fristlose Entlassungen. Geschäftsführer Isenberg läuft Amok: Er bezeichnet Verdi-Vertrauensleute als kriminell, als Terroristen. Es gab auch zwei weitere Abmahnungen, eine wegen des Plakates „Weine nicht, wenn der Isenberg fällt“ auf der Demo. Herr Isenberg sprach auch von einer „fundamentalistischen Gruppe, die ein überlebtes Gesellschaftssystem anstrebt“. Was er meinte: Es sind Vertrauensleute dabei, die beispielsweise bei der letzten Betriebsratswahl auf der Liste der MLPD kandidiert haben und sich zum echten Sozialismus bekennen. Zukunftsträchtig ist für Isenberg wohl ein System, wo man die Leute beliebig auf die Straße werfen kann!

So rückt hierzulande immer mehr die Frage in den Mittelpunkt: Was ist das für ein System, wo sich Unternehmer und Regierende so schamlos bereichern und das Volk immer mehr in die Armut gedrückt wird? Die Kämpfe in Frankreich sind daher viel mehr als nur Widerstand gegen ein Gesetz: Sie können der Auftakt werden für einen europaweiten Aufschwung der Kämpfe. Das ganze staatsmonopolkapitalistische System gerät dabei ins Visier! Montagsdemos und Tarifrunden reihen sich hier ein: Das ist erst der Anfang!

Wolfgang Lange (MLPD)

 

Einmal ohne Schwerpunkt

An unserer 81. Montagsdemo in Bremen auf dem Marktplatz nahmen am 3. April 2006 um 17:30 Uhr circa 40 Mitstreiter teil. Am offenen Mikrofon wurden allerlei interessante Themen angesprochen und persönliche Beiträge vorgebracht. Auch falls wir selbst von den Folgen betroffen sein sollten: Die Bremer Montagsdemo ist solidarisch mit den Streikenden von Verdi!

Jobst Roselius für dieBundesweite Montagsdemo
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz