691. Bremer Montagsdemo
am 07. 01. 2019  I◄◄  ►►I

 

Die Auseinandersetzung
geht erst noch richtig los

Jobst RoseliusNieselregen und unfreundliches Wetter begleitete die kleine Schar von Mon­tags­de­monst­ran­ten beim Start ins Jahr 2019. Einer meinte: „Die Menschen gucken ja nicht einmal hoch, wenn sie über den Hanseatenhof eilen!“ Nach Weihnachten gibt es auch keine Weihnachtseinkäufer mehr.

So gab es denn auch nur wenige Beiträge. Wir sprachen uns dafür aus, doch ab sofort wieder zum Marktplatz umzuziehen und den Antrag dafür beim Ordnungsamt zu stellen. Obwohl so viel im Argen liegt und die Menschen den Mund aufmachen könnten, passiert das so wenig, und man lässt sich von den Medien einlullen.

Genau in diesen Tagen vor 100 Jahren war das ganz anders: Am 10. Januar 1919 wurde die „Sozialistische Republik Bremen“ ausgerufen. Das bewegte die Menschen, und die beiden Bilder aus dem Staatsarchiv, die „Buten un binnen“ unter anderem gezeigt hat, bezeugen, dass die Menschen die Rote Fahne am Rathaus wehen sehen wollten.

Dahin ist der Weg noch weit, oder? Die Anzeichen von Krieg und zunehmender Zerstörung der Umwelt und was wir Menschen eigentlich brauchen und was nicht, darum geht die Auseinandersetzung erst noch richtig los. Da müssen alle, die sich zur persönlichen Aktivität entscheiden, dabei sein. Kopf hoch! Für eine andere Welt kämpfen!

Jobst Roselius

Die Menschen standen weit bis in die Obernstraße hinein (Quelle: Staatsarchiv Bremen)

Sie wollten die rote Fahne am Rathaus wehen sehen (Quelle: Staatsarchiv Bremen)
 
100 Jahre Frauenwahlrecht: Aber die Bremer Eiswetter machen
diesen Gendergaga“ nicht mit („Spiegel-Online“)

 

Weg mit Hartz-IV-Sanktionen, weg mit unwürdiger Behandlung!

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, ich wünsche euch und uns allen ein gutes, gesundes und kämpferisches Neues Jahr 2019! Nächste Woche, am 15. Januar, wird sich das Bundesverfassungsgericht mit der Klage gegen die Hartz-IV-Sanktionen befassen. Mit einem Urteil ist nicht so schnell zu rechnen. Deshalb sind wir sicher gut beraten, im Kampf gegen die Hartz-Gesetze auch im 16. Jahr der Montagsdemonstrationen nicht locker zu lassen!

Wolfgang LangeNach unserer letzten Montagdemo am 17. Dezember konnten wir in gemütlicher Atmosphäre unsere Weihnachtsfeier abhalten und feiern, dass wir schon so lange durchhalten und unseren Beitrag dazu geleistet haben, dass die Kritik an den unsozialen Hartz-Gesetzen niemals verstummt ist. Dass die SPD jetzt so am Boden liegt, ist nicht nur Folge der besonders von ihr verschuldeten Hartz-Gesetze, sondern vor allem auch des anhaltenden Kampfes dagegen. Weg mit den Hartz-Gesetzen! Weg mit Sanktionen! Weg mit der unwürdigen und diskriminierenden Behandlung!

Inzwischen fordert der Deutsche Landkreistag die Abschaffung der verschärften Sanktionen für Unterfünfundzwanzigjährige. Zu hoffen, dass die SPD und die Grünen das jetzt „kapiert“ hätten und wieder „sozialer“ würden, bringt dabei reichlich wenig! Mit Haut und Haaren vertreten diese Parteien die Interessen des Großkapitals, ganz wie die CDU/CSU und die FDP, auch wenn sie verbal versuchen, anders zu erscheinen. Nachdem Andrea Nahles kürzlich so klang, als ob sie Hartz IV „überwinden“ wolle, hört sie sich jetzt schon wieder ganz anders an. Lediglich die Bezugsdauer von ALG I will sie verlängert haben, aber keinesfalls ein „bezahltes Nichtstun“ haben. Welche Frechheit gegenüber all jenen, die nie eine Chance bekommen haben, dazu mit unüberhörbarem Unterton, Hartz-IV-Abhängige seien faule Nichtstuer!

Noch-CSU-Chef Seehofer, der „deutsche Trump“ und leider noch Innenminister, setzt seine rassistische Hetze vor allem gegen Flüchtlinge fort. „Sündenböcke“ wurden schon früher gern aufgebaut, um die Wut von sich selbst auf andere abzulenken! Nach dem faschistischen, rein rassistisch motivierten Mordanschlag in Essen/Bottrop war seine erste Reaktion nicht etwa dagegen gerichtet, sondern eine Forderung, die Gesetze weiter zu verschärfen, um Asylbewerber schneller abschieben zu können. Als Anlass nahm er die Schlägerei von besoffenen Ausländern in Cottbus. Diese will ich in keiner Weise rechtfertigen. Aber kann man das mit einem gezielten Mordanschlag vergleichen, bei dem jemand mehrfach in voller Fahrt in eine Menschenmenge rast, nur weil er darin Personen mit dunkler Hautfarbe erblickt?

Und die Medien? Im Fall des faschistischen Attentäters von Bottrop wird sofort darüber sinniert, ob er vielleicht „krank“ sei oder „Probleme“ habe, und es wird von einer „Amokfahrt“ gesprochen. Wäre der Täter Syrer oder Marokkaner gewesen, lautete die Sprachregelung sicherlich „islamistischer Terrorist“. So wird mit zweierlei Maß gemessen und der Rassismus institutionell gefördert, vor allem von Horst Seehofer. Deswegen ist die Forderung nach wie vor aktuell: Sofortiger Rücktritt von Seehofer als Innenminister!

Die rassistische Hetze wird besonders von der „Bild“-Zeitung gefördert. In „Stürmer“-Manier hetzt sie gegen Alassa Mfoupon, einen Asylbewerber aus Kamerun. Weil er eine Christin geheiratet hatte, musste er fliehen. Auf der Flucht ertrank sein Sohn. Er kam in das Lager in Ellwangen. Dort fand vor ein paar Monaten der brutale Überfall der Polizei statt auf Befehl von Grünen-Ministerpräsident Kretschmann und CDU-Innenminister Strobl. 500 Polizisten stürmten mit Hunden die Unterkunft und traten Türen ein, die gar nicht geschlossen waren. Sie verletzten und traumatisierten die Bewohner, die schon durch Verfolgung und Flucht traumatisiert waren.

Dagegen beteiligte sich Alassa an einer Demonstration. Er nahm sein demokratisches Recht wahr und klagte gegen das Land Baden-Württemberg. Kurz darauf wurde er abgeschoben. Kurz vor Weihnachten, als die sechs Monate Einreisesperre abgelaufen waren, kam er nun zurück nach Deutschland, um hier erneut seinen Asylantrag zu stellen. Dagegen hetzte die „Bild“-Zeitung mit reißerischem Artikel auf Seite 1 und behauptete, ein „krimineller“ abgeschobener Ausländer sei „illegal zurückgekehrt, um hier Stütze zu kassieren“. „Sofort hinter Gitter!“ titelte „Bild“ und veröffentlichte in Großformat das Bild von Alassa, was schon einer Art Steckbrief gleichkommt und Faschisten auf den Plan ruft. Solidarität mit Alassa Mfouapon! Schluss mit der rassistischen Hetze! Zusammenschluss aller Unterdrückten, gleich welcher Hautfarbe!

Am kommenden Wochenende, am Sonntag, dem 13. Januar 2019, findet in Berlin die alljährliche Demonstration zu Ehren von Lenin, Liebknecht und Luxemburg statt. Diesmal jährt sich zum 100. Mal die Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Es wird wieder die größte Demonstration europaweit für eine andere Gesellschaft werden: den Sozialismus. 100 Jahre ist es auch her, dass in Deutschland Revolution war. Sie wurde brutal auf Befehl der SPD-Regierung niedergeschlagen. Eine Lehre aus ihrem Scheitern ist: Die Arbeiter und ihre Verbündeten brauchen ihre eigene Führung – keine SPD, die sich im Zweifel den Kapitalinteressen unterordnet. Die Gründung der KPD kam objektiv zu spät. Eine weitere Lehre ist: Es darf nie wieder vorkommen, dass eine Revolution oder andere Befreiungsbewegung scheitert, weil sie isoliert und alleingelassen ist. Aktuell heißt das zum Beispiel: Unterstützen wir den kurdischen Freiheitskampf gegen die drohende Invasion in Nordsyrien gegen das faschistische türkische Erdogan-Regime. Hände weg von Rojava!

Wer mitfahren will zur „LLL-Demo“ in Berlin, kann sich uns gern anschließen. Ich fahre schon am Samstag, dem 12. Januar 2019, zusammen mit Freunden mit dem Wochenendticket nach Berlin. Wir treffen uns um 8:15 Uhr im Hauptbahnhof am „Infopoint“. Nachmittags und abends findet eine MLPD-Veranstaltung zum Thema „100 Jahre Novemberrevolution – 50 Jahre Parteiaufbau der MLPD“ statt. Am Sonntag beginnt dann um 10 Uhr die Demo zum Friedhof in Lichtenberg. Wieder zurück in Bremen sind wir um circa 21.30 Uhr. Wer mit will, muss pünktlich sein! Wer noch einen Schlafplatz im Hostel braucht (ab zwölf Euro), kann sich an mich wenden.

Wolfgang Lange (MLPD)
 
Erst Bankenrettung, dann Sozialkürzung: Und in der Folge
sind die Rechten auf dem Vormarsch („Spiegel-Online“)
 
Politische Dummheit: AfD-Magnitz redet furchtbares Zeug
und wird niedergeschlagen („Spiegel-Online“)
 
Am Montag, dem 14. Januar 2019, will um 18 Uhr auf dem
Goethe-Platz die AfD eine Kundgebung unter dem Motto
Demokraten gegen Gewalt“ abhalten.
 
Die nächste Montagsdemo mit Offenem Mikrofon beginnt am 21. Januar 2019 wieder um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz. Die nächsten Termine sind 4. und 18. Februar sowie 4. und 18. März, also immer in den geraden Wochen.

 

Fake News aus Nürnberg

Man sollte den monatlichen Fake News aus Nürnberg über den Endsieg gegen die Arbeitslosen nicht unbesehen glauben. Sehen wir doch mal in die Daten von De­sta­tis für das letzte angegebene Jahr, aktuell 2017: „Atypische Beschäftigung, ‚Kernerwerbstätige‘ nach Erwerbsformen und sonstige Erwerbstätige, Ergebnisse des Mikrozensus, in 1.000“.

Das sind ja sehr viel weniger Erwerbstätige, als es die Bundesagentur damals vermeldete! „Sonstige Erwerbstätige“ in den beiden Spalten ganz rechts sind minijobbende Rentner (1,181 Millionen), Schüler und Studenten (3,301 Mio.). Zieht man diese 4,482 Mio. Nichterwerbspersonen von den 41,641 Mio. aller Erwerbstätigen ab, so hatte man 2017 nur noch 37,158 Mio. erwerbstätige „Kernerwerbspersonen“.

Aber wie viele Erwerbspersonen haben wir? Die Differenz wäre die Arbeitslosigkeit. Dazu wird uns unten auf der Seite ein Link in die Genesis-Datenbank angeboten. Wir brauchen die Tabelle „13321 Employment accounts“, auf Deutsch: Erwerbstätigenrechnung in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (national).

Wir haben die Auswahl zwischen zwei Berechnungsmethoden, einmal monatlich und einmal pro Quartal: „13321-0005 Economically active population (incl. rates of change): Germany, months, original / seasonally adjusted values“ sowie „13321-0006 Economically active population (incl. rates of change): Germany, quarters, original / seasonally adjusted values“.

Im Dezember 2017 gab es etwa 45,616 Mio. Erwerbspersonen, von denen aber nur 37,159 Mio. ein Einkommen hatten. Die Differenz von 8,457 Mio., rund 8,5 Millionen, hatte kein Erwerbseinkommen, ist also erwerbslos und muss daher als Arbeitslosenzahl im landläufigen Sinn betrachtet werden.

Die Bundesagentur berichtete doch etwas anderes? Schauen wir mal ins Ar­chiv und vergleichen: „Arbeitsmarkt-Jahreszahlen (AMA) – Deutschland“. Man wähle 2017, lade die PDF-Datei runter und staune:

„1.2 Entwicklung der Erwerbstätigkeit. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts hat die Erwerbstätigkeit (nach dem Inlandskonzept) im Jahresdurchschnitt 2017 um 653.000 oder 1,5 Prozent auf 44,29 Mio. zugenommen, nach +569.000 oder +1,3 Prozent im Jahr 2016. Damit erreicht die Erwerbstätigkeit ihren höchsten Stand seit der Wiedervereinigung.“

Destatis fand aber nur 41,616 Mio.? Was ist mit dem 2,67-Mio.-Plus in den Zahlen der Bundesagentur? Das sind erwerbslose Erwerbspersonen, die keine Arbeitslosen nach SGB III sind und daher umgebucht werden. Eine Erwerbsperson, die nicht arbeitslos ist, muss doch erwerbstätig sein, oder? So ist die Logik dahinter. Diese müssen auf die Zahl der registrierten Arbeitslosen nach SGB III aufgeschlagen werden.

„4.1 Arbeitslosigkeit im Bund und in den Ländern. Im Jahresdurchschnitt 2017 waren in Deutschland 2.533.000 Menschen arbeitslos gemeldet, 158.000 oder sechs Prozent weniger als vor einem Jahr. Weil insbesondere für geflüchtete Menschen mehr entlastende Arbeitsmarktpolitik eingesetzt wurde, ist die Unterbeschäftigung (ohne Kurzarbeit), die solche Effekte berücksichtigt, weniger gesunken als die Arbeitslosigkeit; im Jahresdurchschnitt 2017 hat sie sich um 61.000 oder zwei Prozent auf 3.517.000 verringert. Für Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung werden die niedrigsten Stände seit der Wiedervereinigung ausgewiesen.“

Damit waren in den Datenbanken der Bundesagentur 5,2 Mio. erwerbslose Erwerbspersonen registriert. Das sind die 2,533 Mio. registrierten Arbeitslosen nach SGB III und die 2,67 Mio. kreativ umgebuchten Arbeitslosen. Damit diese nicht in der Unterbeschäftigung auftauchen, gibt es viele Möglichkeiten, sie aus den Zahlen zu werfen. Kein Anspruch auf ALG I oder II ist da eine Möglichkeit. Die restlichen 3,5 Mio. sind dann so etwas wie eine „stille Reserve“.

Das Buzzword Digitalisierung ist auch nur eine Umschreibung für Rationalisierung. Diese frisst jedes Jahr rund 4,5 Prozent aller Arbeitsplätzchen. Demgegenüber entstehen durch Wirtschaftswachstum im sehr langen Schnitt so irgendetwas um die zwei bis 2,5 Prozent. Bleibt also eine Lücke von mindestens zwei Prozent. Die demografische Entlastung des Arbeitsmarktes liegt die letzten Jahre irgendwo zwischen einem halben und und einem Prozent, wenn die geburtenstarken Jahrgänge aus dem SGB II (Hartz IV) in das SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit) abgeschoben werden.

Zuschrift von Uwe Borchert, Karlsruhe

Der gloriose Sieg von Hartz IV einmal anders betrachtet: Wissenschaft gegen die besten Statistiker der Bundesregierung in Gestalt der Bundesagentur für Arbeit. Aus fünf Millionen Arbeitslosen 2005 sind anscheinend acht Millionen 2017 geworden, die nun kreativ auf 2,5 Millionen „entlastet“ werden. Viel Spaß beim Nachrechnen in stillen Stunden! Vom gleichen Autor gab es 2008 den Aufsatz „Kreatives Zählen“, der die Methoden anschaulich macht. Möglicherweise sollte mal im Bundestag nachgefragt werden, wozu die Bundesagentur so viel Geld an Leute ausgibt, die nicht einmal richtig rechnen können oder wollen.

Michael Waldmann, Karlsbad
 
CDU-Harbarth stimmte als Abgeordneter für Sanktionen: Und leitet jetzt als Verfassungsrichter die Verhandlung darüber („Neues Deutschland“)
 
Steht das Recht auf menschenwürdige Existenz allen Menschen zu:
Oder nur jenen, die sich demGrundsatz des Förderns und Forderns
fügen? („Legal Tribune Online“)
 
Über zehn Prozent Kürzung reden wir nicht, aber: „Was ist denn
der Unterschied zwischen dem Existenzminimum und dem
unerlässlichen Existenzminimum?“ („Die Welt“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz