1. In Deutschland sind im Jahr 2016 rund 800.000 neue reguläre Arbeitsplätze entstanden, wie das Statistische Bundesamt mitgeteilt hat, so der „Weser-Kurier“ vom 17. August 2017 (Seite 17). Außerdem erhöht sich die Zahl der atypisch Beschäftigten um 121.000. Im Artikel „Krank zur Arbeit“ vom gleichen Tag (Seite 15) werden die Überbelastung im Job, der Verlust des Vertrauens in die gesetzliche Rente, die Anhebung des Renteneintrittsalters, die Forderung nach einer auskömmlichen Rente sowie die Unterbeschäftigung thematisiert: 18 Prozent der Beschäftigten hätten gern einen Arbeitsvertrag mit mehr Stunden.
Die „Arbeitnehmerkammer“ hat dies und weitere Fakten per Umfrage erfahren. „Der Trend zum Zweitjob hält in Bremen an“, so der „Weser-Kurier“ am Vortag auf der Titelseite. Das ist sicher eine Folge dieser unerfüllten Wünsche nach mehr Arbeitsstunden und mehr Lohn. 24.520 Menschen hatten im Dezember 2016 einen Zweitjob. Im Dezember 2003 waren es knapp 9.800 Personen. „Mehr Erwerbstätige – weniger Arbeit“, betitelt der „Weser-Kurier“ am 18. August 2017 einen Artikel auf Seite 18. Das Statistische Bundesamt meldet 44,2 Millionen Erwerbstätige in Deutschland, so viele wie nie zuvor: „Die vorhandene Arbeit, das sogenannte gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen, wird in der Folge immer stärker aufgeteilt, auch mit einem hohen Teilzeit-Anteil“. Die vorstehenden Fakten werden von den Wahlkämpfern gern vereinnahmt, daher nun ein Quellenwechsel.
Politikberater Stefan L. Eichner schreibt: „Trotz 5,430 Millionen mehr an Erwerbstätigen seit 1991 liegt die gesamte geleistete Zahl der Arbeitsstunden immer noch knapp unter dem Niveau von 1991. Die gesamte Zahl der geleisteten saisonbereinigten Arbeitsstunden sank seit 15,091 Milliarden Stunden im Jahr 1991 um 0,6 Prozent bis zum 2. Quartal 2017 auf 15,031 Milliarden Arbeitsstunden... Während also seit 1991 das insgesamt geleistete Arbeitsvolumen in Stunden um 0,6 Prozent bis zum 2. Quartal 2017 sank, stieg das nominale Bruttoinlandsprodukt im selben Zeitraum um knapp über 100 Prozent, was den Einfluss von Produktivitäts- und Preissteigerungen auf das nominale Bruttoinlandsprodukts dokumentiert, aber auch den stark gewachsenen Außenbeitrag (Nettoexporte) reflektiert.“
Fast nebenbei fällt die Feststellung: „Ein geleistetes Arbeitsvolumen im 2. Quartal 2017 unterhalb von 1991 verdeutlicht auch den irgendwann zum Scheitern verurteilten Versuch, ein Sozial- und Rentensystem ausschließlich auf Erwerbsarbeit abzustellen“. Trotz der Mehrbeschäftigung nach Köpfen liegt die Zahl der Arbeitsstunden insgesamt unter jener im Jahr 1991, daher das Fazit: Alle Umsatz- und Produktionssteigerungen von 1991 bis zum 2. Quartal 2017 haben keinen Mehrbedarf an Arbeitsstunden ausgelöst, aber während das Bruttoinlandsprodukt um fast 100 Prozent gestiegen ist, sind Löhne und Gehälter gesunken! Wo ist das Geld geblieben? Jede(r) Politiker(in) müsste jetzt zusammenzucken und an die ungelösten Folgen der Automatisierung denken!
Gibt es nun ein „Jobwunder durch Hartz IV und Konsorten?“, fragte „Monitor“ am 24. August 2017: „Und jetzt rein in den Wahlkampf. Bei allen Unterschieden zwischen Angela Merkel und Martin Schulz gibt es da ein Thema, wo die beiden sich erstaunlich einig sind. Wenn es um die Bewertung der sogenannten Agenda-Politik von Altkanzler Gerhard Schröder geht. Riesenerfolg, sagen beide, auch wenn es hier und da Kritik gibt. Aber immerhin, durch die Hartz-Reformen hätte sich die Arbeitslosenzahl in Deutschland schließlich halbiert. Supergeschichte – mit einem Schönheitsfehler. Sie stimmt so nicht, jedenfalls dann, wenn man ehrlich rechnet...
Birgit Runge ist sozusagen ein Paradebeispiel für das neue deutsche Jobwunder. Immer wieder schafft sie es, doch noch Arbeit zu finden und nicht in Hartz IV zu landen. Ein Wunder, das die Politik gerne als Folge der Hartz-Reformen von Ex-Kanzler Schröder verkauft. Seine Nachfolgerin feiert sie auch im jetzigen Wahlkampf. Angela Merkel (CDU), 25. Februar 2017, Bundeskanzlerin: ‚Das war das Konzept, das den Menschen mehr Zugang zum Arbeitsmarkt verschafft hat, das es möglich gemacht hat, dass mehr Menschen Arbeit bekommen haben. Und das Ergebnis dieser Politik ist ja bekannt: Die Arbeitslosigkeit ist halbiert.‘
Halbierung der Arbeitslosigkeit? Ja. 2005 gab es in Deutschland eine Rekordarbeitslosigkeit von 4,9 Millionen Arbeitslosen, heute sind es offiziell gerade noch zweieinhalb Millionen. Aber hat das wirklich mit der Agenda 2010 und ihren Hartz-Reformen zu tun? Peter Bofinger ist einer der profiliertesten deutschen Wirtschaftswissenschaftler. Einer der fünf sogenannten Wirtschaftsweisen, die die Bundesregierung beraten. Er hat jetzt untersucht, welchen Einfluss die Hartz-Reformen wirklich auf den Arbeitsmarkt hatten, und kommt zu dem Schluss: Viel weniger als allgemein angenommen!
Professor Bofinger vergleicht deshalb die aktuellen Zahlen mit dem Jahr 2001, vor den Hartz-Reformen. 2001 war die Auslastung der Wirtschaft ähnlich gut - die Konjunktur brummte. Das Ergebnis ist erstaunlich: In Westdeutschland sank die Zahl der Arbeitslosen statt um rund 1,3 Millionen von 2005 zu 2016 nur um 340.000, wenn man 2001 als Vergleichsjahr nimmt. Und in Ostdeutschland verschwand ein Riesenheer von Arbeitslosen in die Rente.“ Weiter werden das persönliche Empfinden, die Sorge, die Spaltung der Gesellschaft und die Armut gut aufbereitet. Bitte nachlesen und ansehen!
Anzumerken ist noch die Wandlung und Veränderung der Begriffe. In der Arbeitslosenstatistik wurden vor den Hartz-Gesetzen die Teilzeitbeschäftigten nicht erfasst und mitgerechnet. Als Vollzeittätigkeit galt eine Beschäftigung mit mindestens 35 Stunden pro Woche. Heute gelten bereits 20 Stunden pro Woche als „Vollzeittätigkeit“. Die Menschen haben schlechte Arbeitsverträge, geringere Entlohnung, Befristung, Verlust des tarifvertraglichen Schutzes und Weiteres akzeptiert, weil die Bestimmungen des ALG II keinerlei Bestandsschutz enthalten. Die Arbeitgeber, insbesondere die Leiharbeitsfirmen (siehe 627. Bremer Montagsdemonstration), haben dies zur umfassenden Absenkung der Löhne und Gehälter und der anderen Rahmenbedingungen genutzt. Hartz IV ist der Turbo der Umverteilung von unten nach oben!
2. Das Bundesverfassungsgericht hat am 1. August 2017 entschieden, dass Jobcenter nicht einfach das Bestehen einer Bedarfgemeinschaft unterstellen und eine Mietkürzung vornehmen dürfen, bis es zur Räumungsklage kommt (Aktenzeichen 1BVR 1910/12). Die Anforderungen an Gründe, mit denen Hartz-IV-Empfänger ihre Notlage glaubhaft machen müssen, dürfen nicht überspannt werden. Diese Entscheidung ist richtungweisend.
Die Ausführungen der Richter sind gut verständlich und lesenswert; sie gehen über den Kommentar der „Zeit“ hinaus. Wer als Leistungsempfänger um seine Wohnung fürchten muss, findet hier Argumente und seine eigenen Ängste. Das Bundesverfassungsgericht bestätigt den Wert der eigenen Wohnung und begründet, warum es diese Wohnung bleiben muss und weshalb das Amt nicht erst nach einer Räumungsklage tätig werden darf. Der Nachteil ist die Zeitspanne: Die Verfassungsbeschwerde wurde 2012 erhoben und erst jetzt entschieden!
Anwendbar sind diese Argumente und Begründungen auch bei ähnlichen Sachverhalten. Mir fallen die Kostensenkungsaufforderungen oder andere belastende Ankündigungen ein, denn sie alle beunruhigen und belasten bereits mit der Ankündigung. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist eine weitere Stärkung zur Rechtsklärung bereits bei der Androhung oder Ankündigung, auch wenn diese für den Betroffenen zu spät kommt. Wer diese Entscheidung zitiert muss wie immer die eigene Betroffenheit darlegen.
Diese Entscheidung, die Fürsprache für Einstweilige Rechtsschutzverfahren, ist hilfreich bei der Erlangung einer Wohnung. Gerade in Bremen hat der Verein „so:leb“ zusammen mit anderen mehrfach bewiesen, dass die Mietobergrenzen zu niedrig angesetzt wurden. Die Zahlen wurden falsch ermittelt und viel zu spät angepasst. Heute werden diese Mietobergrenzen zwar Richtwerte genannt, aber leider unverändert wie Obergrenzen gehandhabt. Aktuell werden noch immer rund 400.000 Euro monatliche Kosten der Unterkunft der ALG-II-Betroffenen nicht vom Jobcenter erstattet. Dazu kommt die Minderleistung bei anderen Leistungsbetroffenen. Dieses Geld fehlt dem Bremer Einzelhandel in der Ladenkasse!
3. Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Wer seine Sozialleistung nicht vollständig oder nur gekürzt erhält, sollte nochmals genau hinsehen. In diesem Jahr kann dies noch rückwirkend zum 1. Januar 2016 beseitigt werden. Wie dies geht? Einfach in den Vorjahren nachlesen, jedoch die aktuellen Begründungen berücksichtigen. Unterstützung gibt es bei den Beratungsvereinen – oder einfach zur Montagsdemo kommen!
Weitere Informationen erhalten Sie durch Nutzung der Suchmaschine auf unserer Homepage, einfach mal ausprobieren! Die Beachtung der sozialen Auswirkungen wird immer zwingender. Wir arbeiten daran! Die Frage „Was kann ich machen?“ ist einfach zu beantworten: Wir haben auf dem Marktplatz noch viel Platz und ein Offenes Mikrofon. Wir sind gespannt auf Ihre Meinung und Erfahrung! Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!
„Unsere Umwelt und damit unsere Zukunft sind in Gefahr“, so heißt es im Aufruf zum Bonner Klimacamp, das letzte Woche stattgefunden hat. Dieses Klimacamp war etwas Neues. Es fand bewusst mitten in der Bonner Innenstadt statt, wendete sich an die Masse der Bevölkerung und hat Bildungs- und Diskussionsveranstaltungen mit Aktionstraining und Kultur verbunden. Ab dem 24. August 2017 verbündeten sich drei Klimacamps zur Aktion „Ende Gelände“ gegen die Braunkohleverfeuerung im Rheinland. Braunkohlekraftwerke gehören zu den größten Dreckschleudern in Deutschland. In einem Flyer des Bonner Camps heißt es: „Etwa 55 Prozent der jährlichen Treibhausgas-Emissionen stammen von Konzernen wie RWE oder Eon“.
„Ende Gelände“ hat völlig berechtigt den Protest mit Aktionen des zivilen Ungehorsams und aktiven Widerstands wie Blockaden verbunden. Die Aktivistinnen und Aktivisten hatten dazu RWE ein Ultimatum für den Stopp des Tagebaus in Garzweiler bis zum 23. August 2017 gestellt. RWE ging darauf mit keiner Silbe ein. Stattdessen hat die Landesregierung Nordrhein-Westfalens ihren Polizeiapparat gegen die Umweltschützer aufgefahren und vor „Gewalt“ gewarnt. „G20“ in Hamburg lässt grüßen! Scheinbar ist es „legal“ und „keine Gewalt“, wenn aus Profitgründen an der Kohleverbrennung festgehalten wird und die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit systematisch zerstört werden. Doch die Umweltaktivisten ließen sich nicht kriminalisieren und nicht aufhalten.
Tausende Kohlegegner blockierten im Rheinland erfolgreich Züge und Bagger. So besetzten sie zum Beispiel die Schienen vor dem Kohlekraftwerk Neurath. Daraufhin stauten sich 13 Züge mit jeweils 1.400 Tonnen Kohle, und der Nachschub konnte unterbrochen werden. Eine Sprecherin von RWE gab zu, dass die Produktion „vorsorglich gedrosselt“ werden musste. Natürlich ist es nur ein „Tropfen auf den heißen Stein“ der gigantischen Kohlendioxid-Verpestung, aber eben auch ein Zeichen des Widerstands, der Mut macht. In einer aktuellen Emnid-Umfrage im Auftrag des BUND sprachen sich 59 Prozent der Bevölkerung dafür aus, Kohlekraftwerke in Deutschland bald stillzulegen. 72 Prozent fordern von der nächsten Bundesregierung einen Fahrplan zum Kohleausstieg.
Dazu wird es aber nur kommen, wenn sich der Widerstand zu einem Massenprotest ausweitet, der Regierung und Energiekonzerne zum Kohleausstieg zwingt. CDU/CSU, SPD und FDP sind mit den Interessen der Kohlekonzerne aufs Engste verbunden und haben sich schon mehrfach schützend vor sie gestellt. Es ist bedauerlich, dass sich Teile der Linkspartei ebenfalls pro Braunkohle entscheiden. So stimmte ihre Fraktion im Landtag von Brandenburg für die Abschwächung der „Klimaziele“ des Landes: Die Emissionen der Lausitzer Braunkohlekraftwerke ließen sich nicht wie geplant senken. In Sachsen-Anhalt spielt sich Ähnliches bei den Grünen ab, die dort mit CDU und SPD die Landesregierung stellen.
Aber es gibt eine linke Alternative: die „Internationalistische Liste/MLPD“. Sie vertritt eine konsequente Politik gegen die Umweltverbrecher in den Monopolzentralen. Sie ruft zum Kampf gegen die drohende Umweltkatastrophe auf und fordert die schnellstmögliche und vollständige Umstellung auf erneuerbare Energie. Eines ihrer Markenzeichen ist der Kampf um die Einheit von Umweltschutz und Arbeitsplätzen. Deshalb fordert sie auch Ersatzarbeitsplätze für den Braunkohletagebau auf Kosten der Profite. Das „Internationalistische Bündnis“ hat sich dem Aufruf des Bonner Klimacamps angeschlossen: „Wir wollen gemeinsam eine Alternative aufzeigen, in der wir auch in 50 Jahren noch saubere Luft einatmen und die Vögel im Wald zwitschern hören. Wir wollen für eine Welt aufstehen, die nicht von Profitgier und Umweltzerstörung, sondern von Solidarität und Umweltbewusstsein geprägt ist!“