619. Bremer Montagsdemo
am 19. 06. 2017  I◄◄  ►►I

 

Die Tories in England und die Massenverbundenheit

1. Am Freitag ist der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl mit 87 Jahren gestorben. Die bürgerlichen Politiker von Merkel über Gabriel bis zu Juncker und Trump würdigen den großen Staatsmann, Europäer und Wiedervereiniger. Auch Gorbatschow stimmt dem zu. Die meisten Linken und auch wir von der Montagsdemo haben keinen Grund, in diese Beweihräucherung mit einzustimmen. Natürlich sprechen wir den Angehörigen unsere Anteilnahme aus, aber es spricht schon für sich, wenn ein Sohn bekundet, dass es auch im Familiären nicht zu einer Aussöhnung gekommen sei.

Jobst RoseliusKohl war ein absoluter Machtmensch, der in enger Verbindung zum deutschen Monopolkapital stand und stets dessen Interessen durchzusetzen suchte. In der Frage der Durchsetzung der sogenannten Wiederverneigung hat er einen „guten Riecher“ gehabt und die Sache angepackt – aber nicht in erster Linie für die Menschen, sondern für das Kapital. Die Menschen in der ehemaligen DDR haben mit ihren Demonstrationen und ihrem Zusammenhalt ihr Regime, das schon längst den Anspruch verwirkt hatte, das Volk zu vertreten, ins Wanken und dann zu Fall gebracht.

Kohl hat sich auf die Bewegung oben drauf gesetzt und von künftig „blühenden Landschaften“ gefaselt, die nun kommen sollten. Real hat jedoch seine „Treuhand“ alles zerschlagen und zum Schrottpreis weiterverkaufbar gemacht, wovon seine CDU/CSU auch noch so manche Summe als Parteispenden für Wegbereiter verbuchen durfte. Da hat er mitgeteilt, dass er per Ehrenwort die Spender nicht preisgeben werde. Das hat er durchgehalten bis zu seinem Tode.

Mit der Arbeiterschaft und den Arbeitslosen hatte er es schon früh verscherzt. Er wollte unter anderem die lange erkämpfte Lohnfortzahlung im Krankheitsfall rückgängig machen – zur Erhöhung des Gewinns der Unternehmer. Manch älterer Kollege wird sich noch erinnern, wie hier in Bremen bei Mercedes „die Tassen hoch gingen“ und es zu einem selbständigen Streik kam. Kurze Zeit später waren es die Bergleute im Ruhrgebiet, die der weitverbreiteten Forderung „Der Dicke muss weg!“ einen wesentlichen Schub gaben. Kohl hatte in der Bremer CDU starken Rückhalt, aber sonst hatte die CDU ja auch kaum etwas zu bieten.

Kurz und gut, die reaktionäre „Vaterlandsfreundschaft“ auf den Gräbern der Toten in Sachen Frieden, die Fortsetzung der Atomraketenstationierung, die reaktionäre Familienpolitik, das sind alles Punkte, die bei vielen Menschen die Ablehnung von Kohl verfestigt haben. Seine pfälzische „Saumagen“-Volks­fest­fröh­lich­keit hat hier im Norden sowieso nicht verfangen. Getoppt wurden später die Angriffe von Schröder mit seiner „Curry-Wurst mit Hartz-IV-Auflage“, aber dafür steht die Abrechnung noch aus!

 

2. Die englischen Kapitalisten und Investoren sind so wenig an den Menschen interessiert, dass sie gar nicht merken, welche Verbrechen sie in ihrer Geldgierigkeit alle begehen werden. Das britische Klima hat nach alten Wärmeschutzanforderungen fast keine Gebäude-Isolierung erfordert. Dann aber, oh böse EU, wurden deren Dämm­vor­schrif­ten auch in Großbritannien fällig. Deshalb sollte nachgerüstet werden, so billig wie möglich, um die EU-Normen einzuhalten.

Also nehme man Styropor statt Steinwolle. Die Sandwich-Elemente sind ähnlich, nur dass bei Styropor entsetzliche Brände entstehen können, wie jetzt in einem Hochhaus in London. Die gesamte Verkleidung des Grenfell-Towers mit feuerfesten Platten wäre nur etwa 5.700 Euro teurer geworden. Baumaterialprüfungen scheint es nicht zu geben, oder sie werden so lax gehandhabt, dass sie umgangen oder unterlaufen werden können.

Melderegister gibt es anscheinend auch nicht. So kann niemand sagen, wie viele Tote es bei dem Hochhausbrand gewesen sein werden, weil niemand weiß, wer da alles gewohnt hat – Hauptsache, die gigantischen Mieten werden bezahlt. Bisher war England dafür bekannt, dass die Menschen alles mit Ruhe und Fassung hinnehmen. Das hat schon Friedrich Engels in seiner Studie über die Lage der arbeitenden Klassen festgestellt. Nun haben aber erstmals die Bürger von Kensington ihr Bezirksrathaus gestürmt.

Frau May hat es nicht für nötig gehalten, auf die Menschen zuzugehen. Das durfte mit ihren 91 Jahren die Queen tun, die ein Krankenhaus besuchte. Da sind die „Edel-Staatsmänner und -frauen“ wie May oder George W. Bush, der die Hochwassergebiete von New Orleans nicht besuchte und nur darüber hinwegflog, sich gleich: nur nicht den Massen und ihren Problemen zu nahe kommen. „Man muss global denken und lieber Kriege vom Zaun brechen.“ Stärken wir die Kräfte, die einen Zusammenschluss mit anderen anstreben und den Weg der Selbstbefreiung gehen wollen!

Jobst Roselius
 
„Mehr Zeit für Gerechtigkeit“: Schulz, wenn er nicht weiter weiß,
gründet einen Arbeitskreis („General-Anzeiger Bonn“)

 

Der kriminelle Betrug
darf nicht durchgehen!

Harald BraunWir fordern die strafrechtliche Verurteilung der Verantwortlichen in den Vorständen der Autokonzerne! Die Dokumentation des ZDF „Geheimakte VW – Wie die Regierung den Konzern schützt“ von Hans Koberstein vor zwei Wochen war äußerst aufschlussreich. Der Autor hat Hunderttausende Seiten geheimer Akten und Unterlagen von VW und staatlichen Behörden ausgewertet. Umweltrechtler Professor Martin Führ von der Hochschule Darmstadt ist entsetzt: „Eine solche Strategie, konsequent das Recht zu missachten, ist mir in dieser Deutlichkeit noch nicht begegnet“.

Statt den Volkswagen-Konzern für seinen kriminellen Betrug zur Verantwortung zu ziehen und die betrogenen Käuferinnen und Käufer zu entschädigen, ließ sich Verkehrsminister Alexander Dobrindt im Interesse von VW darauf ein, dass die 2,4 Millionen betroffenen Fahrzeuge bei einer Rückrufaktion eine neue Software aufgespielt bekommen. Das Ganze kostet VW nicht mehr als circa 60 Euro pro Auto. Die Dokumentation enthüllt, dass VW gar nicht die Absicht hat, mit dem neuen Update die Stickoxidemissionen drastisch zu senken: Als „Zielwert“ wird das Drei- bis Fünffache des Grenzwertes von 180 Milligramm Stickoxid pro Kilometer angegeben.

In einem weiteren Dokument stellt VW selbst fest, es gebe „keine ernsthaften Unterschiede bei der Straßenmessung beim Audi A4 zwischen den beiden Softwarebeständen“. Das Kraftfahrtbundesamt genehmigte das Update trotzdem. Ein Verantwortlicher der Qualitätssicherung bei VW bricht in einer E-Mail vom 27. April 2017 in Jubel aus: „Halleluja, danke, ich gebe einen aus!“. Mit den neuen Enthüllungen vertieft sich die VW-Krise. Wie unter einem Brennglas spiegeln sich hier die Diktatur der internationalen Monopole wie VW und die vollständige Unterordnung der Regierung unter die Interessen der Konzerne wider.

Dabei steht VW längst nicht mehr allein da. Am 30. Mai 2017 hat eine Großrazzia des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg mit 230 Kräften bei Mercedes stattgefunden. Es ist zu begrüßen, wenn die Staatsanwaltschaft endlich in Richtung strafrechtlicher Verfolgung der Umweltverbrecher tätig werden will, doch laut „Stuttgarter Zeitung“ vom 1. Juni richten sich sämtliche Ermittlungen „nicht gegen Vorstände des Autokonzerns“. Es waren jedoch der Vorstand und seine Hauptaktionäre, die auf die Dieselkampagne gesetzt haben, um Mercedes zur Nummer 1 im internationalen Premium-Pkw-Bereich und bei den Profiten zu machen.

Dazu mussten allerdings Öffentlichkeit und Belegschaft mit falschen Abgasemissionswerten getäuscht werden. Diese „feinen Herren“ waren und sind es, die bis heute Strafvereitelung betreiben, wenn sie kritische Stimmen in der Belegschaft oder bei den Kräften der Umweltbewegung einschüchtern und kaputtmachen wollen. Sie sind die Hauptverursacher der kriminellen Abgasmanipulation! Ihre Anweisungen an Ingenieure oder Marketingleute müssen im Zentrum der Ermittlungen stehen.

Sie müssen für die Verbrechen an der Umwelt und der Gesundheit der Menschen sowie den angerichteten gesellschaftlichen Schaden persönlich haften und von der Justiz zur Rechenschaft gezogen werden! Das kann jedoch nur unter dem Druck der Arbeiter- und Umweltbewegung und durch die demokratische Öffentlichkeit durchgesetzt werden. Deshalb werden auch wir als bundesweite Montagsdemo immer wieder die Umweltverbrecher beim Namen nennen und die Bestrafung nach dem Verursacherprinzip einfordern.

Harald Braun („Umweltgewerkschaft“)
 
Eine Menschenkette von über 90 Kilometern Länge, die sich noch dazu über drei Länder erstreckt und für deren Gelingen sich mehrere Zehntausend Menschen zeitgleich die Hand geben müssen, ist eine gewagte Aktion. Doch wie kaum ein anderer steht der Rissreaktor Tihange 2 symbolisch für die vielen maroden Atomkraftwerke in Deutschland, Belgien, den Niederlanden und Frankreich und bewegt die Menschen weit über die Region des Dreiländerecks hinaus. Die Gefahr, die von solch einem Meiler ausgeht, kennt keine Ländergrenzen! Zusammen zeigen wir am 25. Juni 2017 mit der Menschenkette von Aachen über Maastricht und Lüttich bis nach Tihange, dass auch der Anti-Atom-Protest sie nicht kennt.
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz