613. Bremer Montagsdemo
am 24. 04. 2017  I◄◄  ►►I

 

Satte Mehrheiten sehen anders aus

Wolfgang Lange1. International hat ein fortschrittlicher Stimmungsumschwung begonnen, auch wenn das nicht immer leicht zu erkennen ist. Ich will ein paar Beispiele nennen. Es gibt riesige Demonstrationen auf der ganzen Welt gegen die aggressive, offen reaktionäre und kriegstreiberische Politik der Trump-Regierung. Tausende hatten bei den Ostermärschen vor allem Trump im Visier, der kürzlich 59 Marschflugkörper auf Syrien abgefeuert hat, angeblich als Vergeltung für einen Giftgasangriff, dessen Ur­he­ber­schaft nach wie vor nicht bewiesen ist.

Darum ging es Trump auch nicht: Er wollte dem chinesischen Präsidenten, der gerade zum Mittagessen bei ihm weilte, eine Lektion erteilen und gleichzeitig Russland zeigen: Wir können überall auf der Welt zuschlagen. We are the greatest! Als nächstes fiel die „Mutter aller Bomben“ mit zehn Tonnen Sprengstoff auf Afghanistan. Es gab 37 Tote, angeblich Taliban-Kämpfer. Dazu hätte man zwar nicht die größte aller konventionellen Bomben gebraucht, doch auch das sollte der Welt die „Stärke“ Amerikas demonstrieren. Jetzt wird ein US-Flottenverband ins Chinesische Meer gegen Nordkorea beordert, verbunden mit der offenen Drohung, dieses Land nuklear auszulöschen. Das ist vor allem eine Provokation Chinas.

In Wirklichkeit sind das alles jedoch nicht Zeichen der Stärke, sondern der Schwäche. Die USA sind wirtschaftlich zurückgefallen und wurden inzwischen von China als größter Wirtschaftsmacht abgelöst. Besonders die Autoindustrie ist ins Hintertreffen geraten, doch ebenso die Ölindustrie, weil durch die gesteigerte Ölförderung Saudi-Arabiens und Russlands der Ölpreis „in den Keller“ gefallen ist. Diese Monopole sind es, die hinter Trump stehen. Er ist kein „durchgeknallter Verrückter“, sondern vertritt die Interessen des aggressivsten und reaktionärsten Teils des amerikanischen Großkapitals.

Die unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung und das Aufkommen neuer imperialistischer Konkurrenten wie China, Russland, Türkei oder Südafrika sind die Ursachen der sprunghaft gestiegenen Gefahr eines Dritten Weltkriegs. Aber die Völker der Welt können das verhindern! Am Samstag gab es den „Marsch für die Wissenschaft“: In Washington und über 500 anderen Städten protestieren Wissenschaftler gegen die Trump’sche Politik, die Mittel für Forschung, insbesondere Klimaforschung, einzuschränken beziehungsweise ganz zu streichen, und gegen das Verbot, Daten zur Klimabeobachtung zu veröffentlichen, aus denen eine Erderwärmung hervorgeht.

 

2. Noch nie war ein amerikanischer Präsident so schnell so unbeliebt. Aber auch in der Türkei haben nach offiziellen Angaben nur 51 Prozent der Wählenden mit „Ja“ für Erdogans Diktatur gestimmt, trotz mas­si­ver Wahl­ma­ni­pu­la­tion und obwohl Politiker der Opposition wie auch Journalisten in Haft sind und vielfach keine geheime Wahl stattgefunden hat. Es wurden Millionen ungestempelter Wahlzettel einfach untergeschmuggelt. Trotz Bedrohung und Einschüchterung hat in den Großstädten eine Mehrheit gegen Erdogan gestimmt. Am Ostermontag gingen in der Türkei Tausende mit Rufen wie „Dieb, Mörder, Erdogan“ auf die Straße.

In Köln waren es am Samstag Zehntausende, die gegen den AfD-Parteitag protestierten. Allein zur Demonstration „Köln gegen rechts“ kamen mehr als 15.000. Auch wenn sich die AfD noch so sehr als „Alternative“ zu den etablierten Parteien darzustellen versucht, wird das doch von den meisten durchschaut, und sie sagen: Wir wollen keinen Faschismus! Auf dem Par­tei­tag ging die AfD dann noch offener in Richtung Faschismus.

Frauke Petrys Antrag, der AfD zumindest den Anschein einer demokratischen Partei zu geben, wurde vom Tisch gefegt, und die Höckes und Gaulands setzten sich durch. Die AfD ist alles andere als eine „Protestpartei“: Sie ist auf dem Weg, eine offen faschistische Partei zu werden, die sich bereit hält, die Herrschaft der Monopole mit Gewalt aufrechtzuerhalten, wenn diese durch Krisen und Massenkämpfe in Gefahr gerät. Dazu werden sie vom Kapital gebraucht.

Bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich erhielt Sieger Emmanuel Macron, bis vor einem Jahr noch völlig unbekannt, 23,9 Prozent der Stimmen und geht gegen Marine Le Pen (21,7 Prozent) von der französischen AfD-Variante in die Stichwahl. Auch der konservative Kandidat Fillion und Linksreformist Mélenchon erzielten um die 20 Prozent. Satte Mehrheiten sehen anders aus! Am augenscheinlichsten wird das bei den „Sozialisten“, die mit François Hollande bisher den Präsidenten stellten und gerade noch auf sechs Prozent kamen.

Hier wie auch in den USA zeigt sich: Eine wirkliche linke Alternative, die voll und ganz auf der Seite der Arbeiterklasse und der Unterdrückten steht, fehlt noch weitgehend! In Deutschland gibt es jetzt mit dem „Internationalistischen Bündnis“, das als „Internationalistische Liste/MLPD“ antritt, solch eine Alternative. Die MLPD lädt herzlich ein zur Mai-Feier am Sonntag, dem 30. April 2017, ab 18 Uhr in der Gaststätte „Postillion“, Werderstraße 66.

Am kommenden Montag gibt es wegen des 1. Mai keine normale Montagsdemo. Ich hoffe aber, alle Montagsdemonstranten und noch viel mehr kommen zur Mai-Demonstration! Diese führt ab Weserstadion, wo wir uns um 10:15 Uhr versammeln, zum Domshof. Dort beginnt um 12 Uhr die Kundgebung. Wir haben wieder einen Montagsdemo-Stand in der Nähe des Neptunbrunnens angemeldet und werden Flugblätter verteilen und das Transparent aufhängen.

Im Anschluss an die Montagsdemonstration am 22. Mai 2017 findet ab 19 Uhr eine Nachbesprechung im Seemannsheim statt. Als Thema vorgeschlagen ist eine Auswertung der letzten Kundgebungen und des 1. Mai. Wie können wir die Montagsdemo attraktiver machen, insbesondere für junge Leute? Gäbe es bei einem 14-tägigen Rhythmus mehr Teilnehmer? Wir brauchen auch ein neues Flugblatt und wollen Sommerfest und Weihnachtsfeier veranstalten. Die Montagsdemo ist zu wichtig, um sie langsam einschlafen zu lassen!

Wolfgang Lange (MLPD)
 

 

 
„Feenstaub überm Güllekanal“: Wenn Unternehmerinnen arme Frauen ausbeuten, um reiche Frauen zu bereichern, dann herrscht „Feminismus“ („Spiegel-Online“)
 

 
„Joboffensive treibt in den Wahnsinn“: Bremer Jobcenter braucht sich über den Brandanschlag „nicht zu wundern“ („Tageszeitung“)

 

Die Montagsdemo muss sich in der Ansprache weiter öffnen

Liebe unermüdliche Montagsdemo-Aktivist(inn)en und Mitstreiter(innen)! „Die Montagsdemo ist zu wichtig, um sie langsam einschlafen zu lassen!“ Wie wahr! Das sehe ich genau so! Heute mehr denn je! Leider habe ich auch kein Patentrezept, wie „junge Leute“ in der Zukunft für die Notwendigkeit des Widerstands gegen die Agenda 2010 und für die aktive Teilnahme an der Bremer Montagsdemo mobilisiert werden könnten.

Wahrscheinlich aber damit, wenn von uns aufzeigt wird, dass Hartz IV nicht nur sozial ungerecht und menschenunwürdig ist, dass Hartz IV scheinbar nur eine „Randgruppe“ der Gesellschaft betrifft, sondern die Subalternen insgesamt, also nicht nur das klassische Proletariat und seine zig Millionen Erwerbslosen, sondern ebenso den immer mehr bröckelnden „Mittelstand“, das „neue Prekariat“ (Leiharbeiter, unfreiwillige Zeitarbeiter, erwerbslose Facharbeiter, Wissenschaftler, Freiberufler, „Scheinselbständige“ et cetera) sowie das „neue Lumpenproletariat“ (Langzeiterwerbslose, Migranten, sozial Stigmatisierte und so weiter).

Das hieße, die Montagsdemo muss sich irgendwie in der Ansprache weiter öffnen. „Junge Leute“ lassen sich nur gewinnen, wenn deutlich wird, dass es bei dem Widerstand der Montagsdemo-Aktivist(inn)en nicht nur um die Abschaffung des unwürdigen Hartz-IV-Regimes geht, sondern vor allem auch um eine grundsätzlich andere Gesellschaft – eine Gesellschaft frei von Ausbeutung, frei von sozialer Ungerechtigkeit, frei von Rassismus und Sexismus.

Wenn darüber intern Konsens bestünde, könnte ich mir vorstellen, dass auch wieder mehr Menschen (und vor allem auch Hartz-IV-Betroffene) an der Montagsdemo teilnehmen würden. Mit einem entsprechenden Aufruf wäre ich dabei! Solidarische Grüße.

Manfred Steglich („Die Linke“)

 

Für fortschrittliche Wissenschaften!

Harald BraunAm letzten Samstag gingen Hunderttausend Menschen in über 500 Städten auf der Welt für die Verteidigung fortschrittlicher Wissenschaften auf die Straße. In Deutschland beteiligten sich in 22 Städten fast 30.000 Menschen. Sogar auf Helgoland fand ein Marsch statt mit 50 Mitarbeitern und Freunden des „Instituts für Meeresforschung“. Sie alle nutzten den von der Unesco ausgerufenen „Tag der Erde“ um für die Freiheit der Wissenschaft und die Rettung der Erde einzutreten.

Im Aufruf des „March for Science“ heißt es unter anderem „Die gründliche Erforschung unserer Welt und die anschließende Einordnung der Erkenntnisse, die dabei gewonnen werden, ist die Aufgabe von Wissenschaft. Wenn wissenschaftlich erwiesene Tatsachen geleugnet, relativiert oder ‚alternativen Fakten‘ als gleichberechtigt gegenübergestellt werden, um daraus politisches Kapital zu schlagen, gefährdet das nicht nur die Existenzberechtigung der Wissenschaft, sondern die Demokratie insgesamt.“

Das Zentrum der Massenproteste war in den USA und richtete sich gegen die umweltfeindliche Politik des neuen Präsidenten. Inzwischen warnen 98 Prozent der Klimaforscher vor der Erderwärmung. Diese Tatsache ist aber für Donald Trump nur ein „Fake“, eine Lüge. Er erklärt immer wieder aufs Neue, dass „die Erwärmung der Erde eine Einbildung von und für die Chinesen ist“. Es ist aber keine chinesische Erfindung, dass die Menschheit immer schneller auf eine drohende globale Umweltkatastrophe zurast!

Die Unterdrückung der wissenschaftlichen Wahrheit steht in enger Verbindung damit, die bisherigen Auflagen für Umweltschutz, Gesundheitswesen und Arbeitsplätze zu streichen. Ganz im Sinne des amerikanischen Kapitals sieht Trump darin nur „Hemmnisse für die Wirtschaft“. Im jetzt vorgelegten Haushaltsentwurf will er der Umweltbehörde EPA kurzerhand 5,7 Milliarden Dollar – das sind 31 Prozent – streichen und 4.000 Mitarbeiter vor die Tür setzen. Er will sechs Milliarden Dollar weniger an das Nationale Gesundheitsinstitut zahlen und der Klimaforschung bei der Nasa und der Ozeanbehörde komplett den Garaus machen.

Trump und seine Kumpane bezeichnen die Klimaforschung als „weinerlichen Kult“. Deshalb wurde auch der Vorsitzende der Umweltbehörde abgesetzt und der Klimaskeptiker und Ex-Exxon Chef in die Regierung berufen. Diese Maßnahmen sind kein Zeichen der Stärke der neuen Trump-Regierung. Sie zeigen einen Übergang weg von einer sogenannten liberalen Form des Kapitalismus hin zu einer aggressiven, reaktionären und faschistoiden Regierungspolitik gegen viele Menschen und gegen die Natur. Das findet nicht nur in den USA statt, sondern auch in Europa und in anderen Teilen der Welt.

Damit rufen die Herrschenden aber die Kritik und den Widerstand breiter Teile der Bevölkerung hervor. Der vergebliche Versuch, alle Fortschritte von Wissenschaft und Kultur der letzten Jahrhunderte auszulöschen und zur dumpfen wissenschaftsfeindlichen Unwissenheit des Mittelalters zurückzukehren, sind Ausdruck der Krise des Kapitalismus. Das wird die Suche nach einer gesellschaftlichen Perspektive verstärken. Die Zukunft kann nur in einer befreiten und solidarischen Gesellschaft liegen – ohne Ausbeutung und Unterdrückung von Mensch und Natur!

Harald Braun („Umweltgewerkschaft“)
 
Jedes zweite Bienenvolk tot: In zwei Dritteln der Pollenmasse wurden Pestizide und Herbizide wie Glyphosat entdeckt („Tageszeitung“)
 
Die nächste Bremer Montagsdemonstration beginnt
wegen der Demonstration am „Tag der Arbeit“ erst am
8. Mai 2017 wieder um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz.
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz