509. Bremer Montagsdemo
am 23. 02. 2015  I◄◄  ►►I

 

Wie wäre es mal mit fairem Gehalt für die gesuchten Altenpfleger?

Elisabeth Graf1. Weil im ALG-II-Regelsatz für Woh­nen, Energie und Strom utopische 33 Euro vorgesehen sind, obwohl allein letzterer im wirklichen Leben 43 Euro kostet, müssen alleinstehende Bezieher dieser Transferleistung durchschnittlich 116 Euro zusätzlich aus eigener Tasche aufbringen. Nach Berechnungen des „Paritätischen Wohlfahrtsverbandes“ kann die Unterdeckung im Hartz-IV-Regelsatz bezüglich der Strom­kos­ten je nach Haushaltsgröße sogar bis zu 300 Euro pro Jahr reichen. Fatalerweise haben Arbeitslose kaum Chancen, den teuren Grundtarif zu verlassen, da sie in den meisten Fällen nach der Bonitätsprüfung von den Anbietern abgelehnt würden. Der „Paritätische“ wertet die neue Studie als weiteren skandalösen Beleg für eine verfehlte Grundsicherungspolitik.

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Verbands, fordert eine sofortige und unbürokratische Lösung, weil es nicht angehen könne, dass Strom in Deutschland zum Luxusgut wird und einkommensschwache Haushalte im Dunkeln sitzen bleiben. Energie gehöre zum Existenzminimum wie das Dach über dem Kopf. Der „Paritätische Wohlfahrtsverband“ spricht sich neben der Übernahme der Stromkosten in Hartz IV auch für eine Reform des Wohngeldes aus. Der Posten Strom ist lediglich einer von vielen und muss unbedingt erhöht werden. Ich bin für ein bedingungsloses Grundeinkommen, von dem es sich wirklich auskömmlich und ohne Restriktionen leben lässt!

 

2. Der kleinste Stadtstaat hat die höchste Armutsquote in Deutschland, und Bremen baut diese fragwürdige „Spitzenposition“ weiter aus. Der „Paritätische Wohlfahrtsverband“ zeigt auf, dass die Armutskurve in Bremen seit 2009 im bundesweiten Vergleich außerordentlich steil nach oben geht und die Armutsquote in sehr kurzer Zeit im Jahr 2013 den Rekordwert von 24,6 Prozent erreichte. 2012 habe die Bremer Quote noch bei 23,1 und 2010 bei 21,1 Prozent gelegen. Bundesweit sei die Armut binnen eines Jahres von 15 auf 15,5 Prozent angestiegen, auf 12,5 Millionen arme Menschen im eigentlich reichen Deutschland.

Ulrich Schneider beklagt, die Kluft zwischen armen und reichen Ländern werde zusehends immer tiefer. Die Armut und die regionale Zerrissenheit seien noch nie so groß wie heute gewesen. Er hält eine deutliche Erhöhung der Regelsätze und einen massiven Ausbau öffentlicher Beschäftigung für nötig. Ich finde, dass Hartz IV endlich abgeschafft werden muss und der Niedriglohnsektor in Deutschland schon viel zu hoch ist!

Angesichts der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland fordern Gewerkschaften und Experten zügige Schritte gegen prekäre Beschäftigung und dass fällige Steuern endlich auch tatsächlich effektiv eingetrieben werden. Während die Reichen „da oben“ immer reicher würden, seien acht Prozent der Bevölkerung „da unten“ völlig abgehängt: Zwischen 16 und 20 Prozent „lebten“ unterhalb der Armutsgrenze. Oh ja, nie waren so viele Menschen in Arbeit wie heute, toll, und noch nie waren so viele von ihnen trotzdem so arm, weil sie nämlich vermehrt lausig entlohnte Jobs verrichten und dann auch noch mit ALG II aufstocken müssen, statt vernünftig bezahlte Arbeitsplätze innezuhaben!

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach postuliert, wer Armut bekämpfen wolle, müsse vor allem den Arbeitsmarkt „aufräumen“. Sie verlangt, dass der gesetzliche Mindestlohn nicht mit dem Argument der Vermeidung von Bürokratie unterhöhlt werden darf und dass prekäre Tätigkeiten wie Leiharbeit und der Missbrauch von Werkverträgen zurückgedrängt werden müssten. Der Gießener Politikwissenschaftler und Armutsforscher Ernst-Ulrich Huster warnte vor den Folgen mangelnder Armutsbekämpfung.

Obwohl wir nicht zum Beispiel in der Sahelzone leben, bestehe das konkrete Risiko, dass auch in Deutschland immer mehr junge Menschen ohne Hoffnung nachwachsen. Viele würden gar keine geregelte Beschäftigung kennen, in Kriminalität abrutschen oder sich durch Sucht gefährden. Buntenbach forderte auch wegen gestiegener Mieten gezielte Sozialleistungen für armutsgefährdete Kinder. Wichtig sei zudem die anstehende Neufestsetzung von steuerlichen Kinderfreibeträgen und Kindergeld. Sie betonte, der Staat solle beachten, dass alle Kind gleich viel wert seien.

Es sei ungerecht, reichere Eltern durch Freibeträge überproportional besserzustellen, und in Zeiten knapper Kassen überdies erst recht nicht vertretbar. Ja, der Staat unterschreibt zwar Kinderrechte, nimmt dann aber die Kinder von Erwerbslosen praktisch davon aus: Sie können eben nicht wirklich teilhaben und fühlen sich dadurch vom Staat als nicht ebenbürtig gesehen. Wieso gibt es noch immer ein Ehegattensplitting und noch immer kein Familiensplitting, von dem auch Alleinerziehende mit ihren Kindern profitieren könnten? Es darf ja wohl nicht sein, dass Alleinerziehende mit ihren Kindern wie Alleinstehende besteuert werden, während ein kinderloses Ehepaar in den Genuss enormer Steuervergünstigungen kommt!

 

3. Das Projekt „Pro Pflege“, bei dem Langzeitarbeitslose einen Einblick in die Altenpflege gewinnen sollten, muss als gescheitert betrachtet werden, weil das Jobcenter keine acht Erwerbslosen zur Teilnahme bewegen konnte. Da es in Bremen jedoch 23.400 Hartz-IV-Bezieher gebe, hagelt es nun Kritik für die Arbeitsvermittler. Auch bei den Partnern der „Bremer Pflegeinitiative gegen den Fachkräftemangel“ stoße das Aus auf totales Unverständnis: Da waren bereits Flyer gedruckt, Räume angemietet, Dozenten verpflichtet, Altenpflegeschulen auf mögliche Neuzugänge vorbereitet, Praktika organisiert und die Finanzierung gesichert worden.

Immerhin wird aber wohl auch wahrgenommen, dass sich nicht jede(r) für die Ausbildung als Pflegekraft eignet. Die Sprecherin des Jobcenters, Katrin Demedts, versichert, das Jobcenter in Bremen habe den Bedarf für die Altenpflege seit Jahren im Blick und unternehme große Anstrengungen, Erwerbslose für diese Aufgabe zu begeistern. Allerdings seien die Anforderungen an die Bewerber (Schulabschluss, Deutschkenntnisse, Gesundheitszustand) und die Rahmenbedingungen von Berufen in der Pflege (Arbeitszeit, Einkommen, Fluktuation) hoch und lösten kein sehr großes Interesse aus.

Wäre ich nicht schon in Lohn und Brot, so hätte das Jobcenter auch mich nicht anwerben können. Grundsätzlich interessiere ich mich sehr für soziale Arbeit mit sehr jungen bis sehr reifen Menschen. Aber alles, was vom Jobcenter kommt, würde bei mir nur auf großes Misstrauen stoßen. Ich hätte dann befürchtet, dass ich für immer auf eine bestimmte Tätigkeit festgelegt werden soll, wenn ich einmal den kleinen Finger in diese Richtung ausstrecke. Dann vermute ich, dass ohnehin nur zur Altenpflegehelferin ausgebildet wird, was bei fast gleicher Anforderung und Schichtdienst noch viel schlechter bezahlt würde als ohnehin schon.

Wie wäre es mal mit fairem Gehalt und zumindest ansatzweise annehmbaren Arbeitsbedingungen? Ich persönlich lernte das Jobcenter als eine Behörde kennen, die mich zum Beispiel daran hinderte, mein Studium zu beenden, ohne im Gegenzug eine Stelle für mich zu haben. Ich erlebe es bei Bekannten, dass alle ihre Bestrebungen und Anstrengungen, ihre Situation als ältere Langzeiterwerbslose durch Zusatzqualifikationen und Ausbildungen zu verbessern, regelmäßig abgebügelt werden. Stattdessen sollen sie sich in massenhaften sinnlosen Bewerbungen und ebensolchen Maßnahmen üben.

 

4. Ist es nicht wundervoll? Deutschlands „bestes Jobcenter“ liegt in Neumünster und wird für sein „bundesweit überragendes Integrationsergebnis“ ausgezeichnet. Seit 2005 sei die Zahl der sogenannten Bedarfsgemeinschaften um 5,5 Prozent, die der so erfassten Menschen sogar um sechs Prozent gesunken. Das derart gehuldigte Jobcenter dürfe sich kurze Bearbeitungszeiten und die geringsten Widerspruchsquoten im Norden auf seine Fahnen schreiben. In Neumünster werde sich Zeit für gute Beratung genommen. Mit der Satzung für Obergrenzen bei den Kosten für Miete und Heizung sei Neumünster Vorreiter in Schleswig-Holstein gewesen. Die „Bildungskarte“ habe die Stadt sogar bundesweit als „Pionier und Vorbild“ bekannt gemacht.

Wahrlich toll! Sollte da etwa Selbstbeweihräucherndes durch das bestausgeklügelte Nichtmitzählen bestimmter Gruppen aus der so euphemisierten Arbeitslosenberechnung aufgelistet werden? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Arbeitssuchenden für diese überaus löbliche Bewertung (natürlich nur tatsächlich anonym) für die Bewertung mit herangezogen worden sind. Kann es sich dann wirklich um eine repräsentative Bewertung handeln? Komisch, irgendwie fühle ich mich hier an die Propagandamaschinerie im „real existierenden Sozialismus“ erinnert. Wann werden „Deutschlands beste Arbeitslose“ ermittelt und gekürt?

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
Zusatzbeitrag wird von 0,9 auf 0,4 Prozent gesenkt: Aber nicht für ALG-II-Bezieher oder Menschen mit Behinderung (HKK-Rundschreiben)

 

Mein Opfer für die Meinungsfreiheit

Helmut MinkusHeute freue ich mich, wieder hier zu sein und mein Recht auf Redefreiheit nutzen zu dürfen. Das ist nicht überall auf der Welt so einfach möglich wie hier. Deshalb ist es sehr wichtig, dass es viele Mitbürger auch wahrnehmen, und so vorbeugen, dass es für immer möglich bleiben wird. Unter anderem will ich einen Beitrag leisten herauszufinden, wer hinter den Verbrechen in der Welt steht, und die Verursacher mit Namen nennen.

Ich möchte meine Meinung trotz Überwachung und möglicher Unterdrückung sagen und schreiben dürfen, selbst auf die Gefahr hin, dass mich einige Leute vielleicht falsch verstehen. Das ist mein persönliches Risiko, und ich muss mich dazu selbst immer neu motivieren, alles so zu vermitteln, dass es keine Missverständnisse gibt. Doch es wird immer Menschen geben, die etwas nicht tolerieren, bewusst verdrehen oder falsch weitervermitteln.

Dagegen kann man sich auch durch Gesetze, Polizei oder Versicherungen nicht schützen, wie zum Beispiel die Morde in Paris zeigen. Dem französischen Schriftsteller Voltaire (1694–1778) wird häufig der Satz zugeschrieben: „Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“ Das ist für mich nicht akzeptabel. Deshalb kann ich mich nicht mit Helden solidarisieren, die sich dafür opfern, dass ich meine Meinung frei äußern kann, in jeder beliebigen Form.

Das ist mir zu viel. Ich möchte nicht, dass sich jemand für mich und meine Redefreiheit in Gefahr begibt, sich sogar umbringen lässt. Das möchte ich schon selbst machen. Wenn jeder einzelne Mensch selbst seine Meinungsfreiheit wahrnimmt und sich selbst um seine Freiheit kümmert, brauchen wir keine Helden mehr, die sich für uns hinrichten lassen. Es ist für mich ein Widerspruch, größtmögliche Freiheit für alle zu fordern, und wenige beteiligen sich daran.

Jeder sollte selbst verantworten, was er für seine Freiheit opfern will. Doch ich habe Hilfe, auch wenn es momentan wenige Gleichgesinnte gibt, die zum Teil seit vielen Jahren Montag für Montag bei jedem Wetter hier dabei sind. Nur jeder für sich selbst kann sich daran beteiligen und seinen persönlichen Beitrag leisten. Gehen wir also weiterhin gemeinsam und zahlreich auf die Straßen und Plätze der Welt, um mitzuteilen, was wir wollen!

Helmut Minkus (parteilos)
 
Regierung bricht höchstes Richterrecht: „Nach den vom Bundesver­fassungsgericht in seinem jüngsten Urteil aufgestellten Maßstäben
dürfte der erkennende Senat damit die Grenzen einer zulässigen verfassungskonformen Auslegung überschritten haben“ (BMAS)
 
„Vielgewandter Mann“: Den Deutschen dämmert langsam, wie
wacker sich die griechische Linksregierung im Streit mit
den Eurostaaten geschlagen hat („Spiegel-Online“)
 
„Rettet den Kapitalismus vor sich selbst“: „Marxistischer Humanismus ist
ein ständiger Kampf gegen das, was wir werden“ (Yanis Varoufakis)
 
Mit Maschinenpistolen vor der Bürgerschaft: Polizei warnt vor
gewaltbereiten Islamisten in Bremen („Spiegel-Online“)
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