1. Eigentlich sollten wir davon ausgehen können, dass wir in Deutschland medizinisch gut versorgt sind, zahlen wir doch jeden Monat einen stattlichen Betrag in unsere Krankenkasse ein. Uneigentlich sorgt jedoch ein beständig steigender sogenannter Eigenanteil dafür, dass sich immer mehr Menschen kaum noch einen Zahnersatz leisten können, weil ihnen dafür schlicht das Geld fehlt. Rein rechnerisch zahlt jeder Deutsche monatlich im Schnitt über 60 Euro für Zahnersatz, Tendenz steigend.
Nach dem „Zahnreport“ der Barmer GEK mussten die Versicherungsnehmer für Kronen, Brücken oder Implantate etwa 776 Euro aus der eigenen Tasche bezahlen. Ich frage mich immer öfter, wieso wir eigentlich in eine Krankenkasse einzahlen, wenn Versicherte inzwischen mehr als die Hälfte draufzahlen müssen, nämlich 56 Prozent der durchschnittlichen Gesamtleistungen in Höhe von 1.382 Euro. Zwischen 2005 und 2009 stiegen die Eigenleistungen für Zahnersatz um 18 Prozent. Unverkennbar ist ein schleichender Trend zu höheren Privatkosten, der die Basisversorgung durch die Kassen langsam, aber sicher aushöhlen soll.
Die Hartz-Gesetze bestrafen und verarmen nicht nur Erwerbslose, sondern fast alle Bürger, die nicht vermögend und privat versichert sind, also nicht in die Kasse einzahlen müssen und trotzdem eine erheblich bessere medizinische Behandlung bekommen! Mit den menschenverachtenden Hartz-Gesetzen wurde 2005 das bescheidene sogenannte Festkostenzuschusssystem eingeführt, wonach die Versicherung bei Zahnersatz nur noch eine bestimmte Summe zuzahlt, während der Rest vom Versicherten getragen werden muss. Ich sehe immer öfter Menschen mit Zahnlücken beziehungsweise ganz ohne Zähne, weil Zahnersatz für immer mehr Menschen in diesem eigentlich reichen Deutschland den puren, schlicht nicht bezahlbaren Luxus bedeutet!
2. In keinem Land der Europäischen Union sind die Arbeitslosen so arm wie in Deutschland. Ich verstehe nicht, warum nach einer Studie des „Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts“ der Gewerkschaften von 2010 nur 67,7 Prozent der Arbeitslosen von Armut bedroht sein sollen. Es betrifft doch hundert Prozent, weil sich die Grundsicherung nur in der blühenden Fantasie zu vieler Einheitssoßen-Politiker im neoliberalen Elfenbeinturm zur einer realen Existenzsicherung euphemisieren lässt. Aber selbst diese Quote von 67 Prozent liegt weit über dem EU- Durchschnitt von rund 46 Prozent, was natürlich auch wieder den Hartz-Gesetzen zu verdanken ist.
Während in der Schweiz Arbeitslosen 80 Wochen lang, in Frankreich und Dänemark zwei Jahre und in Belgien sogar unbefristet ein einkommensabhängiges Arbeitslosengeld gezahlt wird, stürzen in Deutschland Erwerbslose meist schon nach einem Jahr in das viel zu niedrige, einkommensunabhängige Hartz IV ab. Klar, dass vom „Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit“ in Bonn vor einer Verlängerung der Anspruchsdauer „gewarnt“ wird, „weil Arbeitslose bei längerer Zahldauer des Arbeitslosengeldes auch länger arbeitslos bleiben“. Angeblich verliere ein Erwerbsloser nach einem Jahr Arbeitslosigkeit deutlich an Qualifikationen, und seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zurückzukehren, sänken erheblich. Danach schlage die lange Zahldauer in ein „Hemmnis“ um.
Genau, da macht es dann plötzlich piff!, und auf einmal ist plötzlich jeder zu blöd, sich auch nur die Schuhe eigenhändig zuzubinden. Auch soll ja nach zwölf Monaten Erwerbslosigkeit automatisch ein unbändig starkes Verlangen nach Alkohol und Tabak entstehen. Was für ein Konstrukt! Wir wissen doch, dass es die Flop-, Mob- und (No-)Job-Center sind, die den Erwerbslosen nach einem Jahr die erworbenen Qualifikationen absprechen. Dann lässt sich wieder so wunderbar von „Bildungsferne“ und mangelnder Ausbildung der Erwerbslosen labern und schwafeln und dass bei uns der „Fachkräftemangel“ herrsche. Tja, Fachkräfte müssen auch als solche bezahlt werden, was unbedingt vermieden werden soll.
3. Auf den Fähnchen des Deutschen Gewerkschaftsbundes, die am ersten Mai wieder zahlreich flattern werden, steht „Gute Arbeit für alle“. Sollte der DGB da nicht mindestens mit gutem Beispiel vorangehen? Wie kann es sein, dass Gefangene der Justizvollzugsanstalt Willich in Nordrhein-Westfalen jene Fähnchen mit einem Tagespensum von 1.600 Stück für einen Tages-„Lohn“ von ungeheuerlichen 11,16 Euro zusammenkleben? Direkter Auftraggeber ist die Firma Suthor Papierverarbeitung GmbH & Co KG in Nettetal, die mit einer vom DGB beauftragten Werbeagentur zusammenarbeitet.
Der Pressesprecher des DGB wusste natürlich gar nicht, dass diese Winkefähnchen im Gefängnis produziert werden. Was Gewerkschaften in freier Wildbahn als grob sittenwidrig ansehen würden, ist in Haftanstalten schlicht „im Rahmen der Gesetze“, da die „Vergütung“ der Gefangenen sich bundesweit nach dem § 43 Strafvollzugsgesetz richtet, wonach den Gefangenen nur satte neun Prozent des deutschen Durchschnittslohns im vorvergangenen Kalenderjahr zustehen. Verarschung ist ja wohl nichts dagegen!
4. Künftig sollen finanziell schwache Autofahrer eine höhere Kfz-Versicherung zahlen. Bis Ende des Jahres sollen entsprechende Tarife eingeführt werden. Die Anbieter „rechtfertigen“ diesen Schritt damit, Menschen mit einer schlechten Bonität bauten häufiger Unfälle, ohne dass sie diese diskriminierende Behauptung begründen würden. Die meisten Versicherer hätten bisher vor Spezialtarifen für Kunden mit schlechten Bonitätswerten zurückgeschreckt, weil sie Ärger mit der Finanzaufsicht Bafin wegen des Vorwurfs der Diskriminierung befürchteten.
Der Direktversicherer Admiral Direkt etwa arbeitet mit dem Bonitätsprüfer Arvato Infoscore zusammen, der die Zahlungsmoral in drei Kategorien einteilt. Wenn jemand eine eidesstattliche Versicherung in Bezug auf eine Vermögensauskunft abgegeben hat, wird er wohl der schlechtesten Klasse angehören, wo der teurere Tarif fällig werden soll. Ich wüsste gern mal, wie und wodurch eine eindeutig belegbare Korrelation zwischen der Bonität eines Kunden und dessen Schadensaufwänden kreiert wurde. Die einfache Behauptung darf doch wohl nicht ausreichen!
5. Die Bundestagswahlen rücken näher, und so muss die Bundesarbeitsministerin lovely Zensursula von der Leyen wieder einmal mehr so tun, als ob die Politik des schwarz-gelben Horrorkabinetts christlich und sozial sei. Deswegen feiert sie das „Bildungspaket“ als Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht urteilte 2010, dass Armut der Eltern nicht zu Bildungsarmut bei Kindern führen dürfe. Statt demzufolge logischerweise wenigstens den Regelsatz für Kinder angemessen zu erhöhen, wurde das unsägliche „Bildungspaket“ eingeführt, das mit monströsem bürokratischen Aufwand unter zusätzlicher Diskriminierung gesondert beantragt werden muss.
Lachhafte zehn Euro sollen monatlich für den Besuch eines Kindes im Sportverein, für Musikunterricht, für Nachhilfe ausreichen. Ich freue mich, dass sich die Sozialverbände und Gewerkschaften mit scharfer Kritik zur Bilanz der Arbeitsministerin äußern. „Pädagogischer Unsinn“, „Bürokratiemonster“, „Flop“ und „fern der Lebenswirklichkeit der betroffenen Kinder“, lauteten einige Formulierungen der Kritiker. Das Bildungspaket bleibe eine „soziale Mogelpackung und bürokratische Stümperei“, erklärte beispielsweise das „Deutsche Kinderhilfswerk“. Der katholische „Caritasverband“ beklagt, dass Familien für jeden Schulausflug oder Vereinsbeitrag erneut zum Jobcenter gehen müssten.
Auch der „Paritätische Wohlfahrtsverband“ kritisierte, mit methodischen Tricks werde in der Bilanz kaschiert, dass das „Bildungs- und Teilhabepaket“ gescheitert sei, wenn nicht einmal jedes fünfte Kind im Hartz-IV-Bezug die von Frau von der Leyen hoch gelobten Zehn-Euro-Gutscheine für Sportverein oder Musikschule in Anspruch nimmt. Wenn von der Leyen behaupte, dass insgesamt drei Viertel der leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen Leistungen aus dem „Bildungs- und Teilhabepaket“ nutzen, dann zählt sie einfach Leistungen für den persönlichen Schulbedarf hinzu, die ohne gesonderten Antrag automatisch an die Familien überwiesen werden. Nach Ansicht des Verbandes ist das gesamte „Bildungs- und Teilhabepaket“ zu bürokratisch, zu kleinteilig und letztlich zu kleinlich.
Ich teile die Meinung von Ulrich Schneider, dass hier der „unredliche Versuch unternommen wird, den Menschen statistischen Sand in die Augen zu streuen“. Wenn jeder Mückenpups gesondert beantragt werden muss, dann wird dieser irrsinnige Aufwand, der zudem begleitend diskriminierend wirkt, von immer weniger Menschen betrieben, und das Konzept, weiter Geld bei den Ärmsten einzusparen, geht ganz wunderbar auf. Ich höre immer mehr Menschen, die die Bundesarbeitsministerin nur noch „Frau von der Lügen“ nennen. Woher kommt das wohl?
Hurra! Es gibt endlich eine sachgerechte Rezension für das Buch mit dem „klappernden Briefkasten“, herausgegeben von Achim Rogoss: „Wir sind empört! Gegen die Zerstörung des Sozialstaates und den Angriff auf unsere Grundrechte“. – Und jetzt geht es um viel Geld:
1. Der Rechnungshof der Freien Hansestadt Bremen hat seinen Jahresbericht 2013 vorgestellt. Ergebnis: Es gibt noch viel einzusparen! In der Personalsachbearbeitung 43 Stellen gleich 2,4 Millionen Euro. Eine bessere Bearbeitungsqualität in den Behörden würde weitere 1,5 Millionen Euro einsparen. Im Finanzamt wurden stichprobenweise Steuererklärungen durchgesehen und für zu niedrig empfunden. Hochgerechnet ergibt dieser Steuerausfall eine Million Euro. Die „Aktionswochen“ – in denen Steuererklärungen grundsätzlich nicht geprüft wurden, siehe Position 305 („Land“) – wurden auch festgestellt, aber nicht bepreist. Am fehlenden Personal soll es nicht gelegen haben.
Dazu möchte ich anmerken, dass die fehlerhaften Bearbeitungen des Jobcenters in den 1,5 Millionen Euro wahrscheinlich nicht enthalten sind. Dieser Wert wäre höher, weil die Fehler des Jobcenters teilweise vorgegeben sind. Geprüft wurden die Sozialzentren. Unter Position 80 („Stadt“) steht: „Die durchschnittliche Fehlerquote in den Sozialzentren lag bei über 23 Prozent (Spannbreite zwischen fünf und 50 Prozent) der untersuchten Fälle.“
Unter Position 81 ist die Fehlerhäufigkeit nach Sozialzentren aufgelistet. Die dort ermittelte Fehlerquote ist aber nicht gleichbedeutend mit falschen Bescheiden. Ab Seite 41 stehen Haushaltsrisiken aufgrund von Bearbeitungsrückständen – für den Teilbereich „Hilfe zur Erziehung“. Viel Geld! Die Bildungsbehörde kommt ebenfalls nicht gut dabei weg. Die ungleiche Behandlung von Schulen war ja schon lange ein Rätsel, nachzulesen ab Position 41.
2. Über die Auswirkung der angekauften Steuer-CDs habe ich im Prüfbericht nichts gelesen. Vor einiger Zeit hat der „Weser-Kurier“ über diese unerwartete positive Steuereinnahme berichtet. Die Zahl der Millionen habe ich mir nicht gemerkt. Über die Entstehungsmöglichkeit dieser Steuerhinterziehung wurde nicht eingegangen. Die Steuerprüfer waren doch bei dem einen oder anderen Steuerpflichtigen, der jetzt als Steuerhinterzieher festgestellt wurde.
Die Ausbildung der Steuerprüfer war in Bremen vom CDU-Senator eingestellt worden. Finanzsenatorin Linnert von den Grünen hat diese Ausbildung reaktiviert und die Planstellen der Steuerprüfung wieder mit Steuerprüfern besetzt. Die Steuerhinterziehung wurde massiv durch einige Banken gefördert. Es wird Zeit für die Abschaffung der Straffreiheit durch Selbstanzeige! Es wird Zeit für die Aufklärung der Rolle jeder Bank beim Geldtransfer ins Ausland!
Bei der aktuell ausgewerteten CD mit Steuerbetrügern ist auch ersichtlich, dass die ausländische Bank jeweils zwei Konten geführt hat: eines fürs Finanzamt und eines fürs Schwarzgeld. Klarer geht’s nicht! Der Staat muss endlich bekannte Schlupflöcher schließen! Es gibt auch alte Sünden: „Kommen Sie mit Ihrer Zentrale nach Bayern. Sie werden keine Steuerprüfer sehen“ – so oder ähnlich soll Franz Josef Strauß Unternehmen angeworben haben.
Bei der Umsatzsteuer hat Deutschland eine Sonderregelung erreicht. Die Folge ist Steuerbetrug in Millionenhöhe, nachzulesen bei der 80. Bremer Montagsdemo unter Position 3 meines Beitrags. Die Behandlung der Steuerprüfer durch den Arbeitgeber führt zu weiteren Steuerausfällen. In Norwegen kann dagegen jede(r) das steuerpflichtige Einkommen der Nachbarn sehen. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich bin nicht einverstanden! Ich will die Zukunft lebenswert gestalten!