404. Bremer Montagsdemo
am 10. 12. 2012  I◄◄  ►►I

 

Wer führt Krieg in
Afghanistan? Die EU!

Wieland von HodenbergDie EU sei „das größte Friedensprojekt, das die Weltgeschichte gesehen hat“, verkündete Bürgermeister Böhrnsen vor einigen Wochen anlässlich der Nobelpreisverleihung an die EU. Dies sagt der Bürgermeister, obwohl er genau weiß, dass das Bündnis hemmungslos aufrüstet, überall in Kriegen mitmischt und selber Kriege führt. Die Liste ist lang, und Deutschland ist immer an erster Stelle dabei! Diese führt über Jugoslawien, den Irak und jetzt auch Syrien, mit der Stationierung von „Patriot“-Raketen in der Türkei.

Die EU ist zudem vor allem in Afrika an zahlreichen Militärinterventionen zur Absicherung ihrer wirtschaftlichen und strategischen Interessen beteiligt. In Afghanistan führt sie – angeblich im Namen der Menschenrechte – seit vielen Jahren zusammen mit den USA Krieg. Die Bundeswehr setzt Aufklärungsdrohnen ein, die von der Bremer Rüstungsfirma Rheinmetall gefertigt werden. Eine solche Drohne kam 2009 beim Bombenangriff auf zwei Tanklastzüge bei Kunduz zum Einsatz, bei dem über hundert unschuldige Menschen ums Leben kamen. Dies sind nur einige Beispiele, und es ließen sich noch etliche hinzufügen.

Überall sind europäische Waffen und oft auch Soldaten mit im Spiel. Es scheint für Böhrnsen kein Widerspruch zu sein, als „Mayor for Peace“ („Bürgermeister für den Frieden“) die Bremer Kriegsgüterbetriebe nach Kräften zu fördern und zu unterstützen! Diese sind bekanntlich ein wichtiger Teil der expansiven europäischen Rüstungsindustrie, die ihre Waffensysteme vor allem in Krisen- und Kriegsgebiete in Asien, in Afrika und in den Nahen Osten exportiert. Es seien hier nur einige Länder genannt: Nigeria, Angola, Pakistan, Malaysia, Thailand und nicht zuletzt Saudi-Arabien mit seinem menschenverachtenden Regime. Diesem hat die deutsche Bundesregierung erst kürzlich wieder eine neue Panzerlieferung in Aussicht gestellt.

Die Lissabon-Verträge verpflichten jeden Mitgliedsstaat zu größten eigenen Rüstungsanstrengungen und damit zum unbedingten Ausbau seiner militärischen „Fähigkeiten“. Die EU steht schließlich auf Platz 1 der Weltrangliste beim Rüstungsexport. Das Bündnis ist also alles andere als eine Friedensmacht. Es bekämpft zudem Flüchtlinge an seinen Außengrenzen mit militärischen und polizeilichen Mitteln und mit modernster Satellitentechnologie, die überwiegend aus Bremen stammt. Die Raumfahrtindustrie der Hansestadt beteiligt sich damit am Krieg gegen Flüchtlinge, wie er im Mittelmeer geführt wird, und der jetzt schon Tausenden das Leben gekostet hat.

Auf diese Weise schottet sich die frisch gekürte Friedensnobelpreisträgerin von den Folgen und den Opfern ihrer eigenen Ausbeutungspolitik ab. Um sich den Nobelpreis wirklich zu verdienen, müsste die EU den von ihr ausgeplünderten Ländern großzügige Entschädigungen zahlen und angemessene Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Sie muss ebenso dabei helfen, die kriegszerstörten Infrastrukturen wieder herstellen. Entstehende Konflikte sind nicht mit militärischen, sondern ausschließlich mit zivilen Mitteln zu lösen.

Wahre Friedenspolitik kann weiterhin nur heißen: Wirksame Hilfe beim Aufbau ziviler Infrastrukturen in den sogenannten Entwicklungsländern und ein striktes Verbot aller Rüstungsexporte. Die europäischen Rüstungsbetriebe sind in Stätten ziviler Produktion umzuwandeln! Die EU-Truppen sind aus den Krisen- und Kriegsgebieten zurückzubeordern! Nur so kann, wie Böhrnsen es ausdrückt, Europa wirklich das größte Friedensprojekt werden, das die Weltgeschichte gesehen hat! Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Deutschland muss den Anfang machen! Fordern wir jetzt Schritte zu echter Friedenspolitik!

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)
 

 

Umschulung mit 58 Jahren erkämpft

Harald BraunZu vermelden ist ein Erfolg gegen die Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung! Nach drei Jahren und zwei Prozessen habe ich es endlich geschafft: Die Rentenversicherung Oldenburg-Bremen muss mich im Alter von 58 Jahren in einem neuen Beruf qualifizieren. Das ist ein Erfolg, der auch anderen Menschen Mut machen kann, sich gegen die altersbedingte Benachteiligung zu wehren. Meine Geschichte ist jedoch eine wahre Odyssee.

Die alltägliche Altersdiskriminierung habe ich zum ersten Mal im Sommer 2009 erlebt. Am Arbeitsplatz hatte ich mir einen Bandscheibenvorfall zugezogen – die Kündigung nach einer Woche Krankmeldung war die Folge. Mein Chef wollte mich schon länger loswerden, weil der 40-prozentige Lohnzuschuss aus dem „Ü50-Programm“ des Arbeitsamtes ausgelaufen war. Dagegen konnte ich nichts unternehmen, denn die Regierung hatte 2008 den Kündigungsschutz für Betriebe unter zehn Beschäftigten beseitigt.

Nach langer medizinischer Rehabilitation wurde meine Berufsunfähigkeit als Drucker festgestellt, und ich bekam mit 56 eine Teilerwerbsrente – monatlich sage und schreibe 278 Euro nach 37 Jahren Einzahlung in die Rentenversicherung! Weil ich nicht in einem Billigjob enden wollte, kämpfte ich um eine Umschulung durch die Rentenversicherung. „40 Jahre ist die Grenze für Umschulungen“, wurde mir gesagt.

Im Bescheid wurde die Ablehnung vollmundig mit „Wirtschaftlichkeit“ und „Verantwortung für kommende Generationen“ begründet. Aber es handelte sich schlichtweg um eine Benachteiligung aufgrund meines Alters, die ich nicht akzeptieren wollte. Ich informierte mich umfassend über die Rechtslage und erarbeite selbständig eine Klage, in der die Forderung nach Gleichbehandlung im Alter auf Grundlage des Antidiskriminierungsgesetzes im Mittelpunkt stand.

Nach einem Jahr fand der erste Prozess vor dem Sozialgericht in Bremen statt. Der Richter stellte fest, dass die angebotene „Wiedereingliederungshilfe“ zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form eines Lohnzuschusses für künftige Arbeitgeber unzureichend ist. Der Prozess endete mit einem Vergleich, dass die Rentenversicherung mir ein neues Angebot für eine berufliche Perspektive machen muss. Dieser Vergleich war zu allgemein, durch meine Unerfahrenheit stimmte ich ihm etwas blauäugig zu.

Mir wurde dann allen Ernstes dasselbe Angebot wieder gemacht, das ich bereits ein Jahr vorher erhaltene hatte – nichts mit Qualifizierung für eine neue berufliche Perspektive! Als ich die Missachtung des Urteils und die Verweigerung meiner Qualifizierung durch die Rentenversicherung in einer neuen Klage darlegte und damit drohte, an die Öffentlichkeit zu gehen, kam das „tolle“ Angebot zu einem Schnellkurs als Lagerarbeiter. Da ich aber gar nicht mehr schwer tragen kann, lehnte ich dankend ab.

Es ging mir von Anfang an nicht nur um meine Angelegenheit, sondern um die Entwicklung einer Solidarität gegen den Abbau sozialer Errungenschaften und um eine gesellschaftliche Alternative, in der niemand mehr zum „alten Eisen“ abgeschoben wird. Gegen Altersarmut und Altersdiskrimierung wurde auf der Bremer Montagsdemo häufig protestiert.

Als sich mir Ende 2011 die Chance bot, im Theater Bremen an der Inszenierung von „Alt, arm, arbeitslos – Die Bremer Stadtmusikanten“ unter der Regie von Volker Lösch mitzuwirken, betrat ich zum ersten Mal die große Bühne. Gemeinsam mit 16 Laien und sechs professionellen Schauspielern, die alle aufgrund ihres Alters „vom Hof gejagt“ wurden, entstand anhand unserer Biographien ein gesellschaftskritisches Stück, das für viel Aufsehen und hohe Anerkennung sorgte.

Durch die sich entwickelte Solidarität platzte daraufhin der Gerichtssaal beim zweiten Prozess aus allen Nähten. Das Urteil vom Mai 2012 ist ein echter Erfolg und hat Bedeutung für viele andere Betroffene, denn es wird ein „Ermessensfehlgebrauch“ der Rentenversicherung gerügt, „wenn sie Umschulungen ausschließlich mit Hinweis auf das Alter des Klägers und die aus diesem Grunde fragliche Wirtschaftlichkeit dieser Maßnahmen ablehnt“.

Die billigen Angebote der Rentenversicherung werden abgelehnt, weil „aufgrund ihrer Niedrigschwelligkeit eine seine Potentiale ausschöpfende Integration des Klägers äußerst fraglich ist. Aus § 9 Absatz 1 SGB VI und § 33 Absatz 1 SGB IX ergibt sich, dass Leistungen zur Teilhabe die vollständige Rehabilitation des Versicherten zum Ziel haben. Die Leistungen müssen darauf ausgerichtet sein, den Versicherten möglichst auf Dauer in Arbeit, Beruf und Gesellschaft einzugliedern.“

Aber Recht haben und Recht bekommen sind auch hier mal wieder zwei Paar Stiefel. Sechs Monaten weigerte sich die Rentenversicherung, das Urteil des Gerichts umzusetzen. Erst nach der Androhung einer Untätigkeitsklage kam endlich der neue Bescheid mit der von mir gewünschten Umschulung zum Sozialbetreuer in der Behindertenhilfe. Dass die Rentenversicherung der Umschulung jetzt mit „Weiterbildung“ einen anderen Namen gibt, tut dem Erfolg keinen Abbruch.

Ihr langes Zögern begründet ein Sprecher der Rentenversicherung Ol­den­burg-Bre­men damit, ‚dass wir keinen weiteren Fehler machen wollten. Für uns war dieser Fall ja auch etwas Besonderes.‘ Vielleicht, sagt er, müsse die Versicherung in Zukunft mehr darüber nachdenken, wies sie mit älteren Arbeitnehmern verfahre: ‚Solche Fälle kommen jetzt bestimmt noch öfter auf uns zu‘“ („Tageszeitung“ vom 6. Dezember 2012).

Es zeigt sich mal wieder: Man braucht einen langen Atem, Mut, sachliche Kompetenz und solidarische Unterstützung. Denn wer kämpft, kann gewinnen – wer nicht kämpft, hat schon verloren!

Harald Braun
 

 
Unmenschen bei Schmaißberger: Wie Behördenvorstand Alt die Öffentlichkeit über die Existenzvernichtung durch Hartz IV belügt („Scharf links“)
 
3.000 Bremer Schüler gehen auf die Straße: „Weil
man uns die Bildung klaut(„Tageszeitung“)
 
Die letzte Bremer Montagsdemo in diesem Jahr findet am 17. Dezember 2012 zur gewohnten Zeit, also um 17:30 Uhr, auf dem Hanseatenhof statt. Themen sind unter anderem die Kostenexplosion bei „Stuttgart 21“ und das absehbare Scheitern dieses Projektes sowie das Erdgas-„Fracking“ in Norddeutschland – in Verden soll das Bremer Trinkwasser verseucht werden! Wir erwarten Gäste aus den verschiedenen Interessengemeinschaften und Arbeitskreisen gegen „Fracking“. Außerdem gibt es einen Rückblick auf das Jahr 2012 und eine kleine Vorausschau auf 2013.
 
Anschließend laden wir herzlich ein zur Weihnachtsfeier der Bremer Montagsdemo. Beginn ist gegen 19:15 Uhr, diesmal – weil das „Naturfreunde­jugendhaus“ in der Buchtstraße wegen Renovierung geschlossen ist – im „Jugendfreizeitheim Buntentor“, Geschwornenweg 11a (Neustadt), Halte­stelle „Rotes-Kreuz-Krankenhaus“ (Linie 4/5). Es wird wieder Würstchen, Salate, Glühwein, Plätzchen und Kuchen geben, außerdem möglichst viele kulturelle Beiträge. Das steht und fällt natürlich auch mit eurer Initiative!
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz