Sieht so jetzt der Protest gegen die asozialen Hartz-Gesetze aus? Die Menschen scheinen sich an sie gewöhnt zu haben. Liegt es daran, dass man „beliebig“ immer mehr Themen gleich mit besetzt? Diese Strategie scheint nicht aufzugehen, aber vielleicht soll das gerade so sein? Dass sich jetzt die Montagsdemonstrant(inn)en fast ausschließlich mit sich selbst beschäftigen, muss eigentlich neue und andere Formen des Protestes hervorrufen. Wöchentlicher Protest vor allen Jobcentern in Deutschland wäre vielleicht eine Möglichkeit.
Mir ist schon klar, dass man Proteste und die Teilnahme hieran nicht erzwingen kann. Aber ich bin mir einfach nicht sicher, ob gerade in den Innenstädten die Menschen, von denen viele ja gar nicht betroffen sind, überhaupt noch zuhören wollen. Es gibt einen Spruch: „Der Knochen geht nicht zum Hund“. Muss man in diesem Moment nicht versuchen, dass man dann selbst die Betroffenen regelmäßig immer wieder aufsucht? Und diese finden sich regelmäßig eben nur bei den (No-)Job-Centern ein.
Dass man sich solidarisch erklärt zu anderen Themen wie „Stuttgart 21“, gegen das Baumfällen auf Sumatra oder in Russland und auch gegen die Kernenergie, ist ja richtig. Aber in der ersten Pressemitteilung der Bundesweiten Montagsdemo zur letzten Demo in Berlin tauchte der Protest gegen Hartz IV noch nicht einmal mehr auf! Sie wurde dann ersetzt durch die Erklärung, die man nun auf der Seite lesen kann. Leider habe ich mir die erste Pressemitteilung nicht kopiert.
Die soziale und die ökonomische Frage und der Protest hierzu gehören eindeutig zusammen, das müssen alle Organisationen begreifen. Ich bin der Meinung, dass man den Menschen keinen Sand in die Augen streuen darf, indem man suggeriert, dass ein Sozialaufbau innerhalb dieses kapitalistischen Gesellschaftssystems möglich sei. In dem Moment beteiligt man sich an einer Lüge, weil man damit dieses asoziale System weiterhin unterstützt.
Ein vollkommen anderes Gesellschaftssystem muss angestrebt werden! Man muss es weder Sozialismus noch Kommunismus nennen, zumal die meisten von uns noch nie in einem solchen System gelebt haben und gar nicht richtig beurteilen können, ob es nun gut oder schlecht für die Menschen wäre. Die Kommunismuskeule herauszuholen, halte ich für die schlechteste aller Möglichkeiten.
„Kämpferisch und getragen durch vorwärtsstrebende Beschlüsse“ wurde die bundesweite Restdemo vorzeitig durch ein plötzlich hereinbrechendes Unwetter hinweggespült, weil der Donnergott die altbackene Polemik der Vorjahre und die Augenwischerei von Fred Schirrmacher – der angesichts der kümmerlichen Teilnahme meinte, es komme nicht auf Quantität an, vielmehr auf Qualität – nicht mehr ertragen konnte. Das erinnerte sehr an das Ende der Heinrich-Mann-Verfilmung von „Der Untertan“. Rosa Luxemburg, die ja auch für die „Rote Fahne“ geschrieben hat und Stefan Engel an rhetorischer Gewandtheit weit überlegen war, hätte diese Augenwischerei nicht betrieben. Sie hätte wohl vielmehr nach Wegen aus der Isolation gesucht, in die die bundesweite Montagsdemobewegung sowohl hineinmanövriert wurde als auch sich selbst hineinmanövriert hat. Dazu bedarf es meiner Ansicht nach dringend einer zeitgemäßen Sprache, die die Menschen anspricht.
Bei aller Kritik, die ich hier etwas augenzwinkernd vorgebracht habe, gilt mein Dank dennoch der bundesweiten Koordinierungsgruppe, von der ich weiß, dass sie sich bei der Organisation der jährlichen Demo in Berlin allergrößte Mühe gibt und dabei eine Menge örtlicher administrativer Widrigkeiten zu überwinden hat. Das Organisatorische hat diesmal wieder ganz wunderbar geklappt, und die Stimmung unter den wenigen 1.000 Teilnehmer(inne)n war ausgezeichnet. Dadurch ließen sich anfangs unbeteiligte Passanten dazu mitreißen, sich einzureihen und mitzumachen. Schauen wir nach vorne, denn angesichts europaweiter Ausdehnung des „Raubtierkapitalismus“, der die Mehrheit der Menschen von Güterversorgung, Bildung, Gesundheit, Verkehr, Energie und Altersversorgung abzuschneiden trachtet, gilt es jetzt an europaweiten Protesten mitzuwirken!
Organisationen wie „Occupy“ versuchen, diesen Protest europaweit zu koordinieren. Am 15. Oktober 2012 soll es eine gemeinsame Demonstration in verschiedenen Ländern geben. Angesichts der Tatsache, dass der Protest in Deutschland im Vergleich zum übrigen Europa (noch) gering ausfällt, gibt es viel zu tun, dem „ Michel“ die Schlafmütze vom Kopf zu reißen. Was die Bremer Montagsdemo und sicherlich die über 100 anderen in der Bundesrepublik angeht: Wir bleiben, was wir sind – überparteilich und kritisch. Das Mikro ist jeden Montag auf antifaschistischer Basis für alle offen, die etwas zu sagen haben. Wir freuen uns über alle, die kommen!
1. Hartz-IV-Betroffene können ein Lied davon singen, was es bedeutet, wenn das Flop-, Mob- oder (No-)Job-Center das Arbeitslosengeld II zu spät überweist: Dann werden wichtige Terminzahlungen wie Miete, Telefon, Versicherungen oder Strom zu spät überwiesen, und die Gläubiger verlangen nicht selten Rücklastschriftgebühren für die geplatzten Überweisungen. Jeder, der weiß, mit wie unglaublich wenig Geld Hartz-IV-Bezieher vegetieren müssen, kann sich vorstellen, dass es sich bei diesen Gebühren keinesfalls um „kleinere“ Beträge handelt, die dann für Lebensmittel oder wichtige Anschaffungen hinten und vorne fehlen.
Glücklicherweise wehrte sich ein Betroffener über ein Jahr lang mit Hilfe eines Fachanwaltes und gegen die Folgen solch einer Zahlungsverzögerung und erstritt, dass die Rücklastschriftgebühren von insgesamt 29,60 Euro seitens des Flop-, Mob- oder (No-)Job-Centers übernommen werden mussten. Allerdings bewilligte das (No-)Job-Center erst nach einer Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Freiburg (Aktenzeichen S13 AS 6851/11) die Übernahme der Gebühren und zahlte die 29,60 Euro aus. Wieder einmal wird deutlich, dass es lohnend ist, sich zu wehren und sich für sein Recht einzusetzen! Mit dem Urteil können nun auch andere Hartz-IV-Betroffene in ähnlichen Situationen einen Kostenersatz von der zuständigen Behörde verlangen.
2. Immer mehr Menschen verdingen sich neben ihrem Hauptberuf nach regulärem Dienstschluss noch woanders als Pförtner, fahren Taxi, füllen im Supermarkt Regale auf oder gehen putzen. Die Zahl der Bundesbürger mit Nebenjob hat sich seit 2003 mehr als verdoppelt. Vor einiger Zeit wollte uns die Bundesagentur für Arbeit glauben machen, dass immer mehr Rentner arbeiten, weil sie „Spaß an der Arbeit“ haben, gar befürchten, ohne regelmäßige Beschäftigung geistig und körperlich „einzurosten“, oder darin einfach einen Sinn suchen und finden.
Ich glaube nicht, dass der „Trend zum Zweitjob“ nur durch eine Neuregelung, nach der für sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer zusätzliche Minijobs bis 400 Euro steuer- und abgabenfrei sind, begünstigt wurde. Dass sich seit 2003 die Zahl der Nebenjobber mehr als verdoppelt hat, zeigt, dass Arbeit nicht mehr existenzsichernd ist und ein einziger Job oft nicht mehr zum Leben reicht. Dank der Hartz-Gesetze, mit deren Hilfe Erwerbslose in fast jede Billiglohnarbeit gezwungen werden können, sind einer Lohn- und Sozialdumpingspirale nach unten Tür und Tor geöffnet worden, die ihresgleichen sucht!
Nachdem der DGB die Hartz-Gesetze mit abnickt hat, ist es großartig, wenn auch dem Vorsitzenden der IG Metall, Dieter Wetzel, jetzt auffällt, dass die Zunahme prekärer Beschäftigung ein „arbeitsmarktpolitischer Irrweg“ sei. Die Arbeitgeber zahlen doch immer weniger, die Politik tut, als schlafe sie und subventioniert ganz offen und putzmunter mit Steuergeldern prekäre Beschäftigung. Steuert das Trendbarometer auf diese Weise schon bald auf den Drittjob zu?
3. Eine wachsende Anzahl von Menschen kann sich ihre verschreibungspflichtigen Medikamente nicht mehr leisten, die frei verkäuflichen sowieso nicht. Bei einem Regelsatz von 374 Euro, den ein Hartz-IV-Bezieher zum Leben hat, sind 15 Euro etwa für Erkältungsmedikamente Geld, das ihm für Essen und anderes fehlt. Bei chronischen Krankheiten wie Neurodermitis kämen im Monat leicht 50 bis 60 Euro zusammen, wenn Hartz-IV-Bezieher und arme Rentner sie sich kaufen könnten. Stattdessen müssen sie sich blutig kratzen.
Es ist eigentlich kaum zu fassen, dass es mitten in dem Land mit dem angeblich besten Gesundheitssystem der Welt einen Mangel an medizinischer Versorgung gibt. Für eine aufwändigere Ernährung, eine Schwangerschaft oder bestimmte Krankheiten gibt es eine Härtefallregelung, die im Ermessen des Sachbearbeiters liegt, eine Hautpflege bei Neurodermitis aber nicht abdeckt. Deswegen ist es in meinen Augen völlig unbegreiflich, dass eine Hartz-IV-Bezieherin, die definitiv unter Neurodermitis leidet, sich gegen ihr Jobcenter bis vor das Bundessozialgericht klagte, dort aber eine Abfuhr erhielt!
Für Kinder bis zum zwölften Lebensjahr erstatten die Krankenkassen die rezeptpflichtigen Medikamente – als ob Kinder, die von Hartz IV vegetieren müssen, im Anschluss daran auf einmal über ein höheres Einkommen verfügen würden. Auch immer mehr alte Menschen mit chronischen Krankheiten können sich viele Arznei- und Pflegemittel schlicht nicht mehr leisten. Arme Menschen haben nicht nur oft kein Geld für wichtige Medikamente, sondern auch für Arztbesuche. Sie schreckt die quartalsweise fällige Praxisgebühr ab.
So können häufig keine Brillen angeschafft werden, da die Kosten hierfür die finanziellen Möglichkeiten von Langzeitarbeitslosen und generell Einkommensarmen deutlich überstiegen. Demnach ist es auch nicht wirklich verwunderlich, dass Menschen mit einem geringen Einkommen öfter in Unfälle verwickelt sind. Seit einiger Zeit ist bekannt, dass Finanzprobleme und die Sorge um die berufliche Zukunft die Psyche stark belastet. Dadurch erhöhe sich auch deutlich die Suizidrate. Hartz-IV-Betroffene oder generell arme Menschen sterben früher als Reiche, weil Armut früher sterben lässt!
Es ist ein Skandal, dass Menschen im Sozialleistungsbezug genauso stark zur Kasse gebeten werden wie gut Verdienende, was notgedrungen zu einem schlechteren Gesundheitszustand und einer geringeren Lebenserwartung führt. Doch scheint das politisch so gewollt zu sein, im Sinne eines „sozialverträglichen Frühablebens“. Es zeigt sich immer wieder, dass die sogenannte Regelleistung eine „Grundsicherung“ ist, die eben eines nicht tut: nämlich eine Grundsicherung zu gewährleisten. Dafür ist sie viel zu niedrig und vollkommen lebensfern „berechnet“!
Worpswede am Weyerberg bei Bremen verändert sein Gesicht. Die Bergstraße – eine der wichtigsten und schönsten Straßen im Ortskern – wurde komplett aufgerissen, um sie zu „sanieren“, wie es im sogenannten Erneuerungskonzept der Landesregierung in Hannover heißt. Hier soll eine Flaniermeile für gutbetuchte Müßiggänger(innen) entstehen, wobei sich die Statiker der Baufirma wegen der Neigung der Straße auch noch kräftig verrechnet haben. Dies hat nicht nur im staatlich anerkannten Erholungsort Worpswede (mit besonders guter Luft!) Kopfschütteln, Häme und Verständnislosigkeit ausgelöst. Jetzt ist erst einmal Schadensbehebung angesagt.
Wenn die Straße fertig gestellt ist, wird Worpswede nicht mehr sein, was es einmal war: Der Dorfcharakter mit dem besonderen Charme wäre dann für immer dahin! Es ist bereits heute abzusehen, dass sich die nagelneue „Flaniermeile“ wegen ihrer Beliebigkeit kaum von anderen Fußgängerzonen unterscheiden wird. Worpswede hat es nicht verdient, dass banausenhafte „Schreibtischtäter“ aus der niedersächsischen Ministerialbürokratie, die in der 150 Kilometer entfernten Landeshauptstadt ansässig ist, die gewachsene Künstlerdorf-Struktur dermaßen verschandeln!
Viele schöne alte Bäume mussten bereits jetzt einem großen Parkplatz weichen. Die charakteristischen kleinen Läden sollen verschwinden. Dafür werden Luxus-Boutiquen und andere superteure Geschäfte entstehen, die nun wirklich kein Mensch braucht. Der monatelange Protest vieler Einwohner(innen), denen das „alte“ Worpswede besonders am Herzen liegt, hat leider nichts genützt, weil noch nicht einmal der Bürgermeister auf ihrer Seite stand. Mich als ehemaligem Worpsweder Mitbewohner, der seine ganze Jugend dort verbracht hat, und der das Dorf immer wieder gern besucht, schmerzt das sehr!
Woran wieder einmal zu sehen ist: Historische Kultursubstanz und Ursprünglichkeit werden rücksichtslos geopfert, wenn sie der kapitalistischen Profitlogik im Wege stehen. Was hätte wohl Worpswedes großer Sohn Heinrich Vogeler dazu gesagt?
Die Bundesregierung wird demnächst die Förderumlage für Ökostrom von derzeit 3,6 Cent pro Kilowattstunde auf über fünf Cent erhöhen. Mit diesem Schachzug nutzt sie die große Sorge um die Rettung der natürlichen Umwelt schamlos aus. Weil die breite Mehrheit der Bevölkerung den Ausstieg aus der Atomenergie will und den Bau neuer Kohlekraftwerke ablehnt, soll sie gefälligst für den Ausbau des Ökostroms bezahlen. „Wer A sagt, muss auch B sagen“ – so banal klingt unisono die Argumentation der Regierung und der Konzerne. Aber sind wir selbst schuld und verantwortlich für die steigenden Energiepreise?
Die Industrie wird weiter entlastet, und die Energiekonzerne werden völlig aus der Verantwortung genommen. Während der Privatkunde heute rund 26 Cent für die Kilowattstunde berappen muss, zahlen Industriekunden gerade mal zehn Cent! Im Strompreis für den Verbraucher sind 41 Prozent Steuern und Abgaben enthalten. Bei jeder Preissteigerung kassiert der Finanzminister kräftig mit. Der gelieferte Strom macht nur 23 Prozent aus: Er kostet gerade mal fünf bis sechs Cent pro Kilowattstunde. Der Verbraucherpreis hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt – da war von einer „Energiewende“ noch gar nicht die Rede.
Eine jetzt veröffentlichte Studie von „Greenpeace Energy“ und dem „Bundesverband der Windenergie“ kommt zum Ergebnis: „Immer wieder müssen die erneuerbaren Energieträger als Preistreiber herhalten. Unterm Strich sind Atom und Kohle eben nicht nur gefährlich und schmutzig, sondern darüber hinaus auch teurer als Wasser, Sonne und Wind.“ Der Atomstrom scheint nur auf den ersten Blick preisgünstiger zu sein, weil wesentliche Kosten nicht über den Strompreis bezahlt werden.
Zählt man die enormen Belastungen des Staatshaushalts zum Beispiel durch Finanzhilfen, Steuervergünstigungen, Transport und Lagerung des Atommülls und die Folgekosten von Umwelt- und Klimaschäden dazu, ergibt sich ein ganz anderes Bild: „Im Ergebnis trägt die Gesellschaft im Jahr 2012 bei einer Kilowattstunde Windstrom umgerechnet Kosten von 8,1 Cent und bei Wasserstrom 7,6 Cent. Die Gesamtkosten für Strom aus Braun- und Steinkohlekraftwerken summieren sich hingegen auf 15,6 beziehungsweise 14,8 Cent und für Atomenergie sogar auf mindestens 16,4 Cent je Kilowattstunde.“
Die Energiekonzerne wollen ihre Monopolstellung durch den Ausbau großräumiger Netze und durch gigantische Windkraftanlagen auf See erhalten. Dagegen wird die sinnvolle dezentrale Energieversorgung mit Sonne, Wind und Wasser boykottiert. Die Großindustrie will so schnell wie möglich das gesamte Erneuerbare-Energien-Gesetz abschaffen und die eingeschlagene „Energiewende“ rückgängig machen. Unterstützung erhält sie zum Beispiel von EU-Energiekommisar Oettinger (CDU).
Angesichts neuer besorgniserregender Meldungen über den massiven Rückgang der Eisfläche in der Arktis und einen Temperaturanstieg der Nordsee (in den letzten 50 Jahren um 1,7 Grad) aufgrund der Erderwärmung ist er allen Ernstes der Meinung, „dass der Klimaschutz in den letzten Jahren übertrieben wurde. Ich wünsche mir beim Ausbau erneuerbaren Energien eine Geschwindigkeitsbegrenzung. Und ich will weniger Gutmenschen, die nach Grönland fahren und die Eisbären streicheln.“ Dieser Zynismus ist kaum noch zu überbieten. Auch das zeigt: Die Rettung der Umwelt kann niemals gemeinsam mit, sondern nur gegen Konzerne und Banken und gegen ihre Handlager in den Regierungen durchgesetzt werden!
Alles, was richtig ist, sollen immer noch die Banken mit ihren Investoren sein. An einer Ecke werden die Umweltlandschaften für den falschen Fortschritt vernichtet, an der anderen gleich ein ganzes Volk unterdrückt: die Griechen mit ihrer Jahrtausende alten großen, reichen Kultur, in der es auch schon Ansätze von Sozialismus gab. „Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt“, sagte mal einer in Berlin: Dort wurde aus Tod wieder Leben. Jetzt in Athen ist es schon fast umgekehrt – 60 Jahre, nachdem dieser romantische Satz eines Halbsozialisten fiel.
Ja, die Griechen, ich habe sie erlebt, dieses so harmonische, gemütliche Volk – immer sozial, alle ganz nah bei jedem! Was für eine tolle Zeit damals, ohne Euro, mit der Ur-Währung! Jetzt bestimmen tatsächlich andere, nämlich jene, die schon genug Schaden angerichtet haben, diese Investoren im Schlepptau der Banken, mit ihrem Getön: „Es muss gespart werden, sonst gibt es eine Katastrophe!“ Es ist eine schlimme Drohgebärde, die an damals erinnert: „Der Russe kommt!“, oder an heute, wenn es immer heißt: „Die Solidargemeinschaft ist pleite!“ So eine Angstmache und Hetze, dass etwas Schlimmes passiert, wenn der Sozialstaat größer ist als das Privatvermögen.
In den Medien ganz verdeckt, ist in Südamerika einer wieder Präsident geworden, nämlich Hugo Chávez, der Mann, der etwas geschaffen hat, was in Europa nur zurückgebaut wird: einen Sozialstaat, in dem das Volk Vermögen hat. Es gibt dort Öl für alle und nicht für wenige. Die Armut wurde weitgehend abgeschafft und noch mehr für den Sozialstaat ausgegeben, damit viele kleine Leute etwas abbekommen. Na siehste, geht doch: mehr Sozialstaat, weniger Arbeitslose und Arme! In Griechenland und Südeuropa gilt schon das Gegenteil, trotz Troika und Merkel-Getöse beim Hin- und Herreißen des Euro von diesen Eurokraten.
Lieber Gerolf, wir möchten dir auf deinen Brief vom 19. April 2012 antworten, in dem du auf die Forderungen der MLPD im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, Hartz IV, Existenzsicherung eingehst. Bitte entschuldige, dass die Antwort so lange liegen blieb, was unseren Prinzipien widerspricht und üblicherweise nicht der Stil der MLPD ist.
Ich möchte zunächst auf die Forderungen der MLPD in Bezug auf die Hartz-Gesetze eingehen, zumal der Kern der Positionen der MLPD in dem letzten Brief an dich tatsächlich nicht richtig rüberkommt. Die MLPD hat bekanntlich dazu eindeutige Analysen und Forderungen und auch eine langjährige Arbeit in diesen Fragen.
Wir haben von Beginn an die Hartz-Gesetzgebung abgelehnt und die Massenproteste gegen Hartz IV mit der Montagsdemobewegung usw. unterstützt. Nach wie vor fordern wir, dass dieses Gesetz weg muss.
Unsere Forderung im Kampfprogramm der MLPD nach Erhöhung des Arbeitslosengeldes und unbegrenzter Fortzahlung für die Dauer der Arbeitslosigkeit bezieht sich auf alle Arbeitslosen. Da gibt es von unserer Seite aus keine Unterscheidung. Die Spaltung in ALG I und ALG II geht nicht von der MLPD, sondern von den Herrschenden aus, verbunden mit der entwürdigenden Behandlung der Hartz-IV-Betroffenen. Auch diese lehnen wir ab und tragen in der Montagsdemo-Bewegung mit dazu bei, dass sich die Leute organisieren und gemeinsam dagegen vorgehen.
Die Forderung der MLPD heißt bewusst unbegrenzte Zahlung, damit nicht nach einem Jahr Arbeitslosigkeit – so wie es jetzt der Fall ist – Arbeitslose in Hartz IV (bzw. damals Arbeitslosenhilfe/Sozialhilfe) fallen. Die Forderung nach Erhöhung des Arbeitslosengelds ist eine Kritik an der viel zu niedrigen Höhe des Arbeitslosengeldes. Sie hat heute noch erhöhte Bedeutung, da eine wachsende Zahl von Arbeitslosen mit dem jetzigen Arbeitslosengeld unter das Existenzminimum fallen und „aufstocken“ müssen. Nicht nur die Arbeitslosen, sondern sogar mit Vollzeitarbeit haben viele mittlerweile einen Lohn bzw. Gehalt unter dem Existenzminimum.
Wir unterstützen in dem Zusammenhang auch die Forderung nach einem Mindestlohn von derzeit zehn Euro, womit man auf einen Nettolohn von 1.169 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt kommt (laut Berechnung der Zehn-Euro-Mindestlohn-Kampagne) und somit um 221 Euro über der sogenannten „Armutsgrenze“ liegt. Die Höhe für die Kennzeichnung „Armutsgefährdung“ basiert auf der EU-Definition, wonach als „armutsgefährdet“ gilt, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. Dieser Wert lag in Deutschland 2011 bei 848 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt.
Wenn wir die Erhöhung der Sozialunterstützung fordern, bedeutet das nicht, zurück auf die frühere „Sozialhilfe“ oder Akzeptanz der jetzigen Höhe des Sozialgeldes. Wir wollen eine existenzsichernde Erhöhung bei jeglicher Form der Sozialunterstützung, wofür allerdings ein entschiedener Kampf entwickelt werden muss.
Du kritisierst, die MLPD wolle die (Sub-)Klassen-Spaltung der Arbeitslosen in der kapitalistischen Gegenwart gar nicht überwinden und machst das an unseren Forderungen im Kampfprogrammm fest. Dort macht die MLPD keinen herabwürdigenden Unterschied zwischen „diesen“ und „jenen“ Arbeitslosen, Hartz-IV- oder Sozialgeld-Beziehern. Wir fördern bewusst in unserer Kleinarbeit, bei Kämpfen und Demonstrationen die Einheit unter den Arbeitslosen genauso wie die Einheit zwischen Arbeitslosen und Arbeitern. Die MLPD verbindet diese Forderungen auch mit dem Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, für den Erhalt und die Schaffung neuer qualifizierter Arbeits- und Ausbildungsplätze, wie durch die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Und wir sind bekanntlich der Auffassung, dass erst in einer sozialistischen Gesellschaft die Arbeitslosigkeit grundlegend beseitigt wird.
Die MLPD lehnt die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen ab, weil wir durchaus der Ansicht sind, dass jeder Mensch versuchen sollte zu arbeiten. Unser Grundanliegen ist, dass jeder Arbeitslose eine dauerhafte existenzsichernde Bezahlung bekommen sollte, und wir treten jeglicher Hetze gegen Arbeitslose, die unverschuldet in diese Situation geraten sind, entgegen. Das ist die Masse der Arbeitslosen bzw. derjenigen, die keine Arbeit finden. Wir unterstützen jedoch nicht, wenn Arbeitslose gar nicht mehr arbeiten wollen.
Du hast natürlich recht, dass Schluss sein muss mit erniedrigender Behandlung bei der ARGE, Schikanen, Sanktionen bis zum Entzug des Existenzminimums. Wobei man hierbei auch sehen muss, dass man dagegen auch heute im Rahmen des Kapitalismus kämpfen muss, dass aber die arbeitenden Menschen ihre Würde erst im Sozialismus bekommen werden, wo der Mensch und nicht der Profit im Mittelpunkt steht. Wenn dir dieser Aspekt in unserem Antwortbrief an dich zu kurz kommt, so können wir versichern, dass wir dies auch so sehen. Das können dir sicherlich auch die Montagsdemonstrationen bestätigen.
Noch einmal zu dem Parteiprogramm und deinem Anliegen, dieses müsse aktualisiert werden. Unser Parteiprogramm ist gültig für die jetzige Etappe des Klassenkampfs. Das heißt, es ist die Leitlinie, bis wir uns in der Etappe der akut revolutionären Situation befinden, und weniger gedacht, um taktische Festlegungen und konkrete Veränderungen aufzunehmen.
Dafür erstellt das ZK zu jedem Parteitag einen Rechenschaftsberichts-Entwurf, der von den Mitgliedern beraten wird. Dort wird auf die wirtschaftliche und politische Entwicklung und unsere Tätigkeit eingegangen und werden die taktischen Leitlinien festgelegt. Es wird darin auch die Entwicklung in Deutschland und der Kampf gegen die Hartz-Gesetze behandelt. Alle Mitglieder beraten diesen Entwurf, und die Kreis- bzw. Ortsdelegiertentage können dazu Anträge stellen, über die auf dem Parteitag die Delegierten des Parteitags beschließen. So wird im Rechenschaftsberichts-Entwurf des Zentralkomitees auf die Montagsdemo-Bewegung eingegangen und wurden – bezogen auf taktische Fragen der Parteiarbeit – zu Konkretisierungen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und Veränderungen von Begriffen auch Anträge gestellt. Die werden auf dem Parteitag beraten und beschlossen. Wir freuen uns, von dir zu hören und grüßen herzlich.