371. Bremer Montagsdemo
am 16. 04. 2012  I◄◄  ►►I

 

Her mit der Quote, weg
mit Kristina Schröder!

Elisabeth Graf1. Das Ende März 2011 eingeführte „Bildungs- und Teilhabepaket“ ist wegen der ausufernden Bürokratie und Diskriminierung und des äußerst mangelhaften Informationsflusses ein – gelinde formuliert – absoluter Flop, der keinerlei Verbesserung der Chancen von benachteiligten Kindern und Jugendlichen bringt. Die „Freie Wohlfahrtspflege Nordrhein-Westfalen“ fordert deshalb mehr qualifiziertes Personal in Kindergärten und Tagesstätten sowie Sozialarbeiter und kostenloses Mittagessen in den Schulen, statt weiter viel Geld in ineffiziente, absurde und würdelose Antrags- und Prüfverfahren für individuelle Einzelleistungen zu pumpen.

Darüber hinaus verlangen die Verbände „niedrigschwellige Zugänge“ zu Kultur-, Sport- und Freizeitangeboten für Kinder aus finanziell schwachen Familien. Ein Zehn-Euro-Zuschuss für den Fußballverein ist nicht nur vollkommen unzureichend, sondern geht schlicht an der Realität vorbei! Also rauf mit den Regelsätzen für Kinder und Erwachsene und her mit einen Mindestlohn, der wirklich existenz- und alterssichernd ist und die entwürdigende Transferleistung mitsamt ihrer Verfolgungsbetreuung überflüssig macht!

 

2. Die Arbeitslosenquote in der Eurozone stieg im Februar mit 10,8 Prozent auf den höchsten Stand seit Einführung der Gemeinschaftswährung im Jahr 1999. Nun stehen in den 17 Euroländern mehr als 17 Millionen Menschen ohne Beschäftigung da, Tendenz steigend! Mit einer Quote von 23,6 Prozent und einer noch weit höheren Jugendarbeitslosigkeit war die Arbeitslosigkeit im Februar in Spanien am höchsten. Bei einer Erwerbslosenquote von nur 4,2 Prozent könne Österreich den stabilsten Arbeitsmarkt vorweisen. Auch die Niederlande stünden mit 4,9 Prozent gut da.

Weil die „Eurostat“-Behörde eine noch laschere „Berechnung“ vorlegt als die Bundesagentur für Arbeit, liegt Deutschland bei nur 5,7 Prozent, anstelle der offiziellen, ebenfalls bereits geschönten 7,2 Prozent. Da Industriebetriebe in hohem Tempo Arbeitsplätze abbauen, wird mit einer weiteren Talfahrt in der Eurozone gerechnet. Die Produktion wurde erstmals seit Dezember wieder zurückgefahren. Die Aufträge gingen sowohl in der Konsum- als auch in der Vorleistungs- und Investitionsgüterbranche zurück. Der Kapitalismus wird immer wieder an seine Grenzen geführt, weil nichts unbegrenzt wachsen kann! Deshalb sind offenbar Kriege nötig, um wieder einen wirtschaftlichen Aufbau „meistern“ zu können.

 

3. Nach Ansicht des mir unbekannten Sterne-Kochs Christian Rach, Star der RTL-Sendung „Der Restauranttester“, bieten die gegenwärtigen Hartz-IV-Gesetze „zu wenig Anreiz, arbeiten zu gehen“. Rach behauptet, dass ein Auszubildender in der Gastronomie nach Tarif 525 Euro im Monat verdiente, jedoch mit Hartz IV im Endeffekt mehr bekäme, weil außerdem die Miete gezahlt würde. Daher sei es kein Wunder, dass manche diese „Rundumversorgung“ ungern aufgäben. Rach fordert, dass diese „Gesetzeslücke“ geschlossen werden müsse. Die Verärgerung über die aktuelle Rechtslage komme bei Rach nicht von ungefähr, weil sich der Star-Koch in einer Restaurantschule für finanziell benachteiligte Jugendliche engagiert und einigen von ihnen anschließend Jobs in seinem neuen Lokal „Slowman“ gegeben habe.

Später konstatierte er ernüchtert, dass vielen Jugendlichen schon die „simpelsten Tugenden wie Pünktlichkeit, Geradlinigkeit und Ehrlichkeit fehlen“ würden. Von den Azubis seien am Schluss nur noch zwei dabei gewesen, da zwei schwanger geworden und zwei andere „mit Drogen in Kontakt gekommen“ seien. Selbstredend erkennt der Star-Koch, dass Hartz IV „auch positive Seiten“ habe und wir auf dieses System „stolz“ sein könnten. Viele Menschen hätten schließlich ihr Leben lang gearbeitet und würden nun aufgefangen. Ach ja, „es sollen andere entscheiden, ob das zu hoch ist oder nicht“.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich über diese Propagandamasche vom Feinsten für das menschenverachtende Hartz IV kotzen oder weinen soll. Anmerken muss ich jedoch, dass viele Ausbildungsberufe viel zu gering entlohnt werden. Doch gibt es glücklicherweise wenigstens noch die Berufsausbildungsbeihilfe, sodass die Behauptung, dass mit Hartz IV mehr Geld herauskomme, schlicht nicht wahr ist! Ob sich Rach eher Jugendliche holt, die dann medienwirksam scheitern, weil sie in der Gastronomie keine Chance für sich sehen, kann ich nicht beurteilen, aber es steht doch wohl außer Frage, dass Jugendliche die Option haben müssen, lernen zu dürfen, was sie sich wünschen und wozu sie geeignet sind!

Dann werden sie auch nicht „träge“. Verweigerung hat immer einen Hintergrund. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass gerade die Unterfünfundzwanzigjährigen am härtesten sanktioniert werden. In Nullkommanichts werden ihnen wegen Lappalien die Leistungen komplett gestrichen. Es ist ein Ammenmärchen, dass es eine Rundumversorgung gebe. Auch fängt Hartz IV Arbeitslose keineswegs auf, sondern es ist ein Absturz ins Nichts, in die diffamierende, immer Missbrauch unterstellende Hyper-Kontrolle. Es bedeutet den verfassungswidrigen Verlust von bestimmten, im Grundgesetz garantierten Rechten. Am Ende des Geldes ist immer noch ganz viel Monat übrig, gesellschaftliche Ausgrenzung garantiert inbegriffen!

 

4. Weil jeder dritte Hartz-IV-Bezieher so krank sei, dass er nicht vermittelbar ist, will die Arbeitsagentur Langzeitarbeitslose „mit Gesundheitskursen wieder fit machen“. Die Kosten für Bewegungskurse und mehr Vorsorge wollen die Krankenkassen ganz oder teilweise übernehmen, und die Angebote sollen nicht verpflichtend sein. Vorstandsmitglied Heinrich Alt teilte mit, es gelte, den „Teufelskreis Arbeitslosigkeit und Krankheit“ zu durchbrechen, um eine Chance auf einen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu bekommen. Bundesagentur und Krankenkassen wollten darauf hinwirken, dass Jobsucher „gesund bleiben oder gesund werden“.

Wenn es doch nachgewiesen ist, dass die mentale und physische Verfassung von Arbeitslosen Vermittlungserfolge stärker beeinflussen könne als ihre formale Qualifikation, warum sägen dann so viele Fallmanager und Arbeitsvermittler dermaßen am Selbstwertgefühl ihrer Klienten? Ich verstehe das Unterfangen auch gar nicht, dachte eigentlich, dass sie sich über jeden Arbeitsunfähigen richtig freuen und auf die Schenkel klopfen, weil sie den doch aus der Statistik streichen und unter „vermittelt“ aussortieren dürfen! Gesundheitliche Handicaps, die bestimmte Beschäftigungen ausschließen, müssten die Arbeitslosen ihrem Vermittler mit einem ärztlichen Attest nachweisen. Andernfalls überprüfe der Ärztliche Dienst im Jobcenter den Gesundheitszustand des Betroffenen.

Auch verwundert es mich über alle Maßen, dass plötzlich die Krankenkassen die Kosten übernehmen wollen! Auf einmal ist doch Geld da? Komisch, erst streichen sie den Leistungskatalog total zusammen, und dann wollen sie die Leute „wieder fit machen“? Sind hier für die Krankenkassen möglicherweise Extraverdienste einzuheimsen, obwohl solche Maßnahmen doch nur von Fachkräften, Therapeuten und Ärzten verordnet werden dürften? Ob so ein Kurs auch gegen Allergien hilft, gegen Schwerhörigkeit oder gegen nachlassendes Sehvermögen? Ob er die Alterungsprozesse aufhalten kann, um bis zur Rente mit 67 durchzuhalten? Können diese Kurse auch den Menschen helfen, die dank der dauernden Schikanen der Jobcenter Depressionen und Angst- oder Panikerkrankungen entwickelt haben?

 

5. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder will im Fall der Einführung einer gesetzlichen Frauenquote für Spitzenjobs in der Wirtschaft ihr Amt niederlegen. Solange sie Ministerin sei, werde es keine starren Quoten geben. Angeblich würden dadurch pro Unternehmen nur ein bis zwei Frauen „als Aufsichtsrätin zusätzlich ins Schaufenster gestellt“, was aber für Frauen in ganz normalen Führungspositionen nichts bringe. Doch die Aufsichtsräte hatten lang und schlapp Zeit für ihre Selbstverpflichtung, aber es rührte sich nichts, was der Rede wert ist.

Schluss jetzt, und endlich her mit der Quote, denn seit wann verzichten Männer freiwillig auf ihre Privilegien und teilen schwesterlich? Wenn Frau Schröder dann geht, wäre das doch noch ein Pluspunkt dazu! Es muss ja einen Grund geben, warum keine lebenserfahrene, gestandene Frau diesen Posten innehat. Offenbar scheint es bequemer zu sein, dafür eine Person zu berufen, die alle Pläne der Männer, die auf ihre Pfründen nicht verzichten wollen, brav abnickt und sich nicht auf die Seite der Frauen stellt und für deren Gleichberechtigung eintritt!

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
Jungpiratin bringt ihre Partei auf Kurs: Gegen Rechts
hilft nur klare Kante („Spiegel-Online“)
 
Störfaktor Demokratie: Politik in der Krise gleicht einem
permanenten Staatsstreich („Frankfurter Rundschau“)

 

Nein zu EU-Subventionen
für Atomkraft!

Harald BraunEs könnte ein schlechter Aprilscherz sein, doch für die Atomlobby ist es bitterer Ernst: Atomkraft soll über die Europäische Union subventioniert und so in die Zukunft „gerettet“ werden. Großbritannien, Frankreich, Polen und Tschechien haben in Briefen von der EU verlangt, dass Subventionen für Atomenergie künftig zulässig sein sollen. Auf einem Treffen der EU-Wirtschafts- und Energieminister am Freitag, dem 20. April 2012, soll über diesen Vorstoß beraten werden. Die vier Länder wollen damit erreichen, dass Atomenergie den erneuerbaren Energien gleichgestellt wird, dass für Atomstrom Einspeisevergütungen wie für Solarstrom gezahlt werden kann und dass Investitionen in Atomkraftwerke rentabel werden.

Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, dass sich die deutsche Bundesregierung noch nicht festgelegt hat, „ob sie für oder gegen die Gleichbehandlung von erneuerbarer und nuklearer Energie stimmt“. Je mehr Menschen sich jetzt öffentlich dagegen aussprechen, umso größer ist die Chance auf ein deutsches Nein in Brüssel. Die vier Staaten, die jetzt in Sachen Atom-Subventionen aktiv geworden sind, planen AKW-Neubauten, müssen jedoch feststellen, dass diese ohne Steuergelder „nicht wirtschaftlich zu betreiben“ sind. Erst kürzlich haben deshalb beispielsweise die deutschen Stromkonzerne Eon und RWE ihre Pläne für den Neubau von AKWs in Großbritannien eingestampft.

Zu den gigantischen Gewinnen, die die Energiekonzerne aus dem Betrieb von Atomkraftwerken ziehen, kämen Subventionen in Milliardenhöhe dazu, wenn die Atomkraft erst einmal den erneuerbaren Energien gleichgestellt wird. Das reicht von Geld aus europäischen Töpfen bis hin zu Einspeisetarifen. Statt die Atomkraftwerke abzuschalten – wie es die große Mehrheit der europäischen Bevölkerung verlangt – wollen die atomfreundlichen Regierungen in London, Paris, Warschau und Prag nun in der EU durchsetzen, dass die Atomkraft als „emissionsarm“ mit erneuerbaren Energien gleichgesetzt wird.

Wie „emissionsarm“ Atomkraftwerke wirklich sind, kann die Welt Tag für Tag in Fukushima, Tschernobyl und vielen anderen Orten besichtigen. Niemand kann solche Reaktorkatastrophen ausschließen, und niemand weiß, wo der Jahrtausende Jahre strahlende Müll gelagert werden kann. Zwar wird bei der Stromherstellung im laufenden AKW-Betrieb kein Kohlendioxid emittiert, aber wenn man alle Kohlendioxid emittierenden Prozesse bis zur Atomstromerzeugung summiert – Schürfung der Uranerze, Transporte, verfahrenstechnische Trennung und Anreicherung, Bau der AKWs –, so kommt man pro Gigawatt Atomstrom und Jahr auf rund 230.000 Tonnen Kohlendioxid.

Rechnet man den Energieaufwand durch die nötigen Folgeprozesse wie Zwischenlagerung, Wiederaufbereitung, und Endlagerung für einige hunderttausend Jahre hinzu, so übertrifft die Kohlendioxid- Emission von AKWs jene von mit fossilen Energieträgern betriebenen Kraftwerken bei Weitem. Subventionen für erneuerbare Energien sind in der EU zulässig, weil sie als Unterstützung zur Markteinführung dienen. Das kann man bei der Atomkraft – mehr als 50 Jahre nach Beginn der kommerziellen Nutzung – nun wirklich nicht behaupten. Nach Berechnungen von „Greenpeace“ sind bisher allein in Deutschland schon 200 Milliarden Euro Subventionen in die Atomkraft geflossen sind. Damit muss endlich Schluss sein: Keinerlei Subventionen für die Atomkraft – weder in Deutschland, in der EU noch anderswo! Sofortige Stilllegung aller Atomanlagen weltweit! Für den sofortigen, massiven Ausbau zu 100 Prozent erneuerbaren Energien!

Harald Braun
 
AKW-Unfall bei Paris verharmlost: Nach Feuer abgeschalteter Reaktor muss gekühlt werden, damit keine Kernschmelze beginnt („Handelsblatt“)
 
Afrique-Europe-Interact“ ruft für Dienstag, den 17. April 2012, zu einer 24-stündigen Belagerung der Deutschen Bank am Bremer Domshof auf, einschließlich Asamblea, Konzert, Film und Volksküche. Neokolonialen Land­raub stoppen! Für Ernährungssouveränität und ein gutes Leben für alle!
 
„Sozialist“ Hollande siegt knapp im ersten Wahlgang: Le changement,
est-ce que c’est maintenant? („Spiegel-Online“)

 

Darf ein Rechtsstaat Menschen das Existenzminimum entziehen?

Geehrter Herr Bundespräsident! Als Mitglied einer Gruppe aus dem Internet, die sich vorgenommen hat, dass betroffene Hartz-IV-Empfänger sich in Zukunft auch selbst vor Ort gegen diese asoziale Hartz-Gesetzgebung wehren und der jeden Tag immer mehr Menschen beitreten, möchte ich Ihnen ganz kurz die folgende Frage stellen:

Hans-Dieter WegeSind Sie als Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland der Meinung, dass auch zukünftig weiterhin Sanktionen in Form von finanziellen Kürzungen gegenüber erwerbslosen Menschen ausgesprochen werden dürfen, die das soziokulturelle Existenzminimum der Menschen unterschreiten, obwohl das Verfassungsgericht mit Urteil vom 9. Februar 2011 diese Vorgehensweise für verfassungswidrig erklärte, wobei diese Praxis ja auch gegen die Würde des Menschen verstößt?

Ergänzend möchte ich Ihnen noch mitteilen, dass viele Mitglieder unserer Gruppe der Meinung sind, ein Anschreiben mit dieser Frage wäre wohl vergebene Liebesmüh, da Sie wohl doch nicht persönlich antworten würden oder nur eine ablenkende Antwort hierzu vornehmen würden. Allerdings vertraue ich hierzu immer noch auf die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit und hoffe deshalb auf Sie als Staatsoberhaupt, dass Sie sich wirklich die Zeit nehmen, meine Frage persönlich zu beantworten. Eine Eingangsbestätigung meiner Mail wäre nett! Mit freundlichen Grüßen.

Hans-Dieter Wege (parteilos, Gegner unsozialer Politik)
 
Schon die Standard-Rechtsmittelbelehrung ist unrechtmäßig :
Bundessozialgericht brauchte Verfassungsmäßigkeit der
Sanktionen nicht zu prüfen („Sozialticker“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz