36. Bremer Montagsdemo
am 02. 05. 2005  I◄◄  ►►I

 

Meine Kindheit war nicht
auf Rosen gebettet

Ursula GatzkeIch heiße Ursula Gatzke und wurde am 9. Oktober 1941 in Tilsit geboren. Ich bin heute noch dankbar, dass ich die grässliche, kalte Flucht heile überlebt habe!

Meine Mutter starb noch vor der Flucht, als ich zwei Jahre alt war. Bis zu meinem zwölften Lebensjahr lebte ich in der damaligen DDR. Nach dem 17. Juni 1953 wurde es für meinen Vater zu gefährlich, weiter in der DDR zu wohnen. Er schmiedete vier Fluchtpläne. Sie alle haben Gott sei Dank geklappt, und wir konnten im Westen wieder zusammenfinden!

Ich war das zweite Mal auf der Flucht gewesen, nur mit dem, was ich mir morgens angezogen hatte, sonst nichts. Wir wollten angeblich nur zu Besuch, meine Stiefmutter, Halbschwester und ich.

Mit 14 Jahren ging ich als Hausmädchen arbeiten, ab 18 zu Jacobs-Kaffee. Dort arbeitete ich mich hoch bis zur Maschinenführerin. Dann bekam ich eine Tochter: Erziehungszeit. Noch mal Jacobs-Kaffee und verschiedene Betriebe, bis zur Rente.

1971 haben wir in Weyhe gebaut, dann später aufgestockt und eine Wohnung als Alterseinkunft gebaut. Fast alles in jahrelanger Eigenarbeit, ohne Urlaub, ohne Sonderwünsche, wie sehr viele andere Menschen damals auch.

Jetzt kommen diese reichlich unsozialen Gesetze, und wir müssen gläsern sein bis auf die Knochen. Habe ich ein Leben lang geschuftet, um mich jetzt nur gnadenlos ausnehmen zu lassen, für totale Versager oben in der Politik? Nein, danke!

Meine Kindheit war nicht auf Rosen gebettet, meine „Herbstzeit“ wird mit Dornen bespickt! Ich habe mich immer aus der Not gerettet und noch gehofft auf ein besseres Rentnerglück!

Doch die Politik macht vielen Menschen das Leben schwer. Wo kriegen wir bessere Politiker her? Wir haben es satt, uns bestehlen und belügen zu lassen! Politiker, ihr könnt wohl nur schlechte Gesetze verfassen?

Wir haben gearbeitet für eine Rentnerleben in Ruhe und Glück, doch Politiker nehmen von unserer Sicherheit ein großes Stück! Wer heute noch im Sessel sitzen bleiben kann, der ist dann eben später auch noch dran!

Verschont wird keiner unten in der Menschenschar, aber oben krümmt man den Leuten kaum ein Haar! Auseinander klafft die Schere schon weit, zur Umkehr ist oben keiner bereit!

Macht Deutschland nicht noch mehr kaputt und lahm, sonst sägt ihr auch noch abrupt ab den zweiten „Arm“! Wie soll denn Deutschland ohne „Arme“ leben? Wie sieht es aus, wenn „Arme“ nichts mehr geben?

Ursula Gatzke (parteilos)

 

Schluss mit Schlemmen!

Hermann SiemeringAls ich gleich nach dem Krieg in die Lehre kam, wurde viel diskutiert. Ältere erzählten mir, Jesus sei das Richtige: Er zog das letzte Hemd aus für noch Ärmere. Aber ich wollte meine letztes Hemd behalten!

Andere meinten, Robin Hood sei das Richtige: Er raubte die Reichen aus und gab es den Armen. Beide seien echte Kommunisten gewesen! Doch ich konnte mich für keinen begeistern.

Erst später lernte ich allmählich: Man muss sich zusammentun, Arm gegen Reich, um etwas zu erreichen, und man muss wachsam sein, sich nicht für dumm verkaufen lassen.

In diesem Sinne gefiel mir gestern am 1. Mai die Rede von Detlev Hensche ganz gut, dem ehemaligen Vorstandsmitglied der IG Druck und Papier, späterem Vorsitzenden der IG Medien und heutigem Verdi-Mitglied: „Hartz IV muss weg!“, sagte er.

Hätten wir immer solche Gewerkschaftsvorsitzenden gehabt, gäbe es heute nicht so ein „Weichei“ wie den DGB-Chef Sommer, der gestern Abend wieder eine jämmerliche Figur bei „Sabine Christiansen“ abgab!

Ich war und bin immer für gemeinsamen Kampf aller Betroffenen gegen das Kapital. Einzelkämpfer stoßen oft mit ihren Methoden ab. Aber heute musste ich beim Lesen schmunzeln: Gestern hat, wie früher Robin Hood, eine Gruppe Vermummter in Hamburg ein Luxusrestaurant gestürmt!

Sie plünderten vor den Augen der Gäste das Buffet, stopften die Speisen in mitgebrachte Tüten und verteilten an die Gäste Flugblätter mit dem Text: „Die fetten Jahre sind vorbei! Das große Fressen ist beendet!“.

Dann entkamen die Vermummten. Die Polizei vermutet einen „politischen Hintergrund“. Die Gäste des Restaurants in Blankenese blieben unverletzt, und ich nehme an, sie fallen wegen der geraubten Speisen nicht vom Fleisch!

Hermann Siemering (Verdi)

 

Das Licht geht aus! (II)

swb EnordiaAls meine Kinder allein zu Hause gewesen sind, hat ein swb-Mann ohne weitere Erklärungen den Strom abgestellt. Unter Aufbietung aller Reserven und mit Unterstützung einer Freundin habe ich die notwendige Summe bis zur letzten Minute vor Feierabend des zuständigen swb-Mitarbeiters zusammenbekommen, damit abends wieder Strom fließt!

Und der Auslöser? Eine Zahlung des Sozialamtes für eine Nachforderung aus dem Jahr 2004 im Januar 2005 ist nicht sofort an die swb erfolgt. Man hat nun in meine Datei den Vermerk gesetzt: „Geld kommt vom Sozialamt“!

Nach diesem Schreck in der Abendstunde hat sich eine nette Sachbearbeiterin der Bagis trotz Überlastung der Sache angenommen. Ihre Recherche ergibt nun, dass die zugesagte Überweisung der Nachzahlung bereits zehn Tage später an die swb erfolgt ist. Diese wiederum ist nicht in der Lage, zwischen Januar und Ende April einen Abgleich von Konto und Zahlung herbeizuführen!

Das hat Methode: Die großen Energiekonzerne, wie zum Beispiel die Banken, die hier rund um Marktplatz und Domshof arbeiten, gerne auch mit fremdem Geld, bringen Hunderttausende oder Millionen mit unsauberen Methoden zusammen und nutzen sie kurzfristig zu besten Zinssätzen für den Gewinn aus. Ich nenne das kriminelle Machenschaften auf Kosten der Massen!

Als ich im Kundencenter der swb dem Mitarbeiter erklärt habe, dass die Überweisung bereits im Januar erfolgt sei und ich deshalb mein Geld wiederhaben wolle, erwidert er mir, man führe vier verschiede Konten und schaffe es nicht, sie zu überprüfen, um alles richtig zu machen. Eine Wiederauszahlung könne sechs bis acht Wochen dauern, aber die Summe lasse sich mit zukünftigen Abschlagszahlungen verrechnen. Da ist man nur noch platt und voller Wut!

Der eon-Konzern als Besitzer der swb rafft nur so das Geld mit überhöhten Preisen und ist nicht in der Lage, die Kleinkunden korrekt zu behandeln! Als die nette Bagis-Mitarbeiterin davon erfährt, sagt sie, das komme nicht in Frage, die Bagis werde das Geld von der swb einziehen und es mir innerhalb der nächsten zehn Tage zukommen lassen!

Verantwortlich für solche Zustände und Methoden bei der swb oder ähnlichen Unternehmen sind die Verkäufer der damaligen Stadtwerke im Senat, solche Herren wie der frühere Finanz- und Wirtschaftssenator Perschau, der gerade dort drüben im Café sitzt! Diese Herren sehen nur ihren kurzfristigen, vielleicht auch privaten Gewinn, betreiben aber eine schweinische Politik gegenüber den Menschen!

von Jobst Roselius vorgetragen für eine Bekannte

 

Mangelverwalter gehen zugrunde

Hannelore Riedel und Gudrun BinderLiebe unmittelbar und mittelbar Betroffene der unsozialen Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze! Wir sind fast alle betroffen, die eine früher, der andere später!

Hartz IV und Agenda 2010 verarmen die Menschen künstlich, um sie dann mit Almosen abzuspeisen. Dabei soll ihnen weisgemacht werden, dass sie doch selbst schuld an ihrem Schicksal seien: Wären sie nicht so unbeweglich, benähmen sie sich eigenverantwortlich, wären sie nicht so faul, besäßen sie nicht diese „Mitnahmementalität“: Sie hätten alle den Arbeitsplatz, den sie sich wünschen!

Wir können und wollen für uns sorgen, so wie wir es all die Jahre getan haben. Ich meine damit auch die sogenannten „Gastarbeiter“ bzw. „ausländischen Mitbürger“, deren Arbeitslosenanteil zur Zeit bei 25,9 Prozent liegt. Wir haben gespart, damit wir auch im Alter finanziell unabhängig sind!

Nur leider sieht die Wirklichkeit ganz anders aus: In Zukunft sollen vorrangig die sogenannten Langzeitarbeitslosen, das sind aktuell 1.814.000 gleich 36,5 Prozent aller Arbeitslosen, in nicht vorhandene Jobs vermittelt werden. Dazu sollen 4.000 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt und ausgebildet werden. Arbeitsplätze, wohinein die Jobmanager diese Menschen vermitteln sollen, sind aber schlicht nicht vorhanden. Die vielen Jobmanager sind also alle Mangelverwalter!

In der damaligen DDR gab es jede Menge Mangelverwalter, und dieser Staat ist an seiner falschen Politik zugrunde gegangen. In der ehemaligen DDR hatte sich aber auch etwas Einmaliges entwickelt: die landesweiten Montagsdemos. Sie haben etwas geschafft, was niemand für möglich hielt: Sie haben gewaltfrei ein diktatorische System zum Einsturz gebracht!

Wenn dieses Wunder einer halben Bevölkerung gelungen ist, dann gelingt es uns auch mit der ganzen Bevölkerung, gemeinsam und solidarisch die soziale Gleichbehandlung und die soziale Gerechtigkeit in unserem gar nicht so schlechten Staat wieder herzustellen! Wir müssen uns nur einig sein, mutig sein, und wir dürfen nicht aufgeben. Wir müssen uns auf der Montagsdemo treffen!

Gudrun Binder

 

Der gesenkte Anstieg
der Unentspannung

Die Statistik der Bundesregierung wurde diesmal bereits im laufendem Monat veröffentlicht und von Herrn Minister Clement gefeiert. Die Zahl der Arbeitslosen liegt unter fünf Millionen, aber laut Herrn Wiese ist keine Entspannung feststellbar.

Wir erinnern uns: Im Dezember 1998 sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder: „Wenn wir die Arbeitslosenquote nicht spürbar senken, dann haben wir es nicht verdient, wiedergewählt zu werden.“ – Im November 1998 waren 3,947 Millionen Menschen arbeitslos.

Rechnen wir die Sozialhilfeempfänger mit 660.000 (Quelle Seite 5: Arbeitslosigkeit erhöhende Faktoren per 2003, die letzte aktuelle Zahl; umgerechnet auf 2005 wären es 300.000 Köpfe) hinzu, somit 4,607 Millionen arbeitslose Menschen. Heute, das heißt per 15. März 2005, sind es 4,967 Millionen! Fazit: Der Kanzler hat es nicht verdient, wiedergewählt zu werden!

Die Zahl der in „Zusatzjobs“, ein neuer Name für „Arbeitsgelegenheiten“, Tätigen wurde mit 121.000 angegeben. In der Fußnote zu dieser Zahl steht: „Voraussichtlich sind mehrere Tausend Personen nicht erfasst, sodass die tatsächliche Zahl der mit Arbeitsgelegenheiten beschäftigten Menschen noch deutlich höher sein dürfte“. Die Fußnote wurde somit noch nicht auf den neuen Sprachgebrauch umgestellt. Dies ist keine Hochrechnung unserer Wirtschaftsweisen, dies ist die Aussage der amtlichen Statistik! So ist kein Staat zu machen!

Im Vormonat, per 15. März 2005, wurde die Zahl der Arbeitsgelegenheiten an dieser Textstelle mit 114.200 Personen angegeben, und auch im Tabellenanhang unter der Position „Arbeitsgelegenheiten“ mit 114.167 übereinstimmend wiedergegeben. Dieser Monat differiert: 121.00 im Text, 85.000 in der Statistik, die jetzt per 15. Februar 69.334 Arbeitsgelegenheiten ausweist, eine Reduzierung von rund 44.800 Köpfen. Fazit: Wir haben keine „bessere“ Statistik! Diese Statistik ist nicht nur durch fehlende Grundlagen, sondern auch in der Plausibilität der Aussagen falsch!

Hans-Dieter BinderWir erinnern uns: Im letzten Monat wurde die Angabe für „Nichtarbeitslose Leistungsempfänger § 428 SGB III (58er-Regelung)“ in der Statistik geändert, per 15. Februar 2005 um 167.000 Köpfe vermindert. Da ist es auch nicht hilfreich, wenn die Bundesagentur für Arbeit auf die Vorläufigkeit der Zahlen hingewiesen hat, denn dieses Mal sind wieder die gleichen Fehlermöglichkeiten aufgezählt.

Wir haben nur noch 26,2 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland. Arbeitssuchend sind 6.672.991 Menschen, arbeitslos 4.967.000. Zählt man 1.940.000 erwerbsfähige Hilfeempfänger (Menschen in Arbeitsgelegenheiten, bei Schulbesuch, Qualifizierung, Betreuung von Kindern unter drei Jahren, ab 58 Jahre und unterschriebener Regelung, bei ALG II als ergänzender Leistung) hinzu, kommt man auf 6.907.000 Menschen. Wahrlich keine Erfolgszahl!

Die Zahl der ausschließlich geringfügig entlohnten Beschäftigten ist erneut gestiegen: auf geschätzte 4,73 Millionen. Doch wer hat ein Interesse an ehrlichen und objektiven Zahlen? Die Bundesagentur für Arbeit schreibt dazu: „Bisher erfolgen nur von wenigen optierenden Kommunen Lieferungen von Einzeldaten über Arbeitslose im Rechtskreis des SGB II, die für Auswertungen verwendet werden konnten. Die Einführung funktionierender Lieferprozesse wird auch in den nächsten Monaten nur schrittweise umgesetzt werden können. Gleichwohl haben die ersten Erfahrungen gezeigt, dass der Weg zu einer Arbeitsmarktstatistik auf Basis von Daten aus verschiedenen Quellen insgesamt praktikabel ist. Die fehlenden Daten zur Arbeitslosigkeit sind nur ein Übergangsphänomen.“ Es gibt demnach auch in den nächsten Monaten keine ehrliche Statistik!

Hans-Dieter Binder

 

Schluss mit dem Rentenklau!

Gestern, am 1. Mai, gingen laut DGB in Deutschland über 530.000 Menschen auf die Straße, und weltweit waren es viele Millionen. Überall hat es das Volk satt, dass eine Handvoll multinationaler Konzerne sich die Taschen vollstopft, während die Menschen hungern, in Arbeitslosigkeit und Armut getrieben werden!

SPD-Müntefering will mit seiner „Kapitalismus-Kritik“ die Notbremse ziehen, aber nicht gegenüber der weiteren Zerschlagung sozialer Systeme oder der ungebremsten Ausbeutung, sondern um die weitere Erosion seiner Partei aufzuhalten! Drei Wochen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist es der letzte verzweifelte Versuch, die eigene Basis zu mobilisieren, denn selbst bei den meisten SPD-Mitgliedern hat diese Bundesregierung jegliches Ansehen verspielt!

Wolfgang LangeOb ihm das gelingt, ist allerdings mehr zweifelhaft. Wer glaubt ihm denn? Es sind natürlich starke Worte, Kapitalisten mit der biblischen Plage der Heuschrecken, die alles kurz und klein fressen, zu vergleichen. Aber wo bleiben die Taten? Wer hindert die regierende SPD daran, Hartz I bis IV und die Gesundheits- oder Rentenreform wieder zurückzunehmen?

FDP-Westerwelle hat die Zeichen der Zeit wohl noch nicht ganz erkannt, wenn er uns erklärt: „Die eigentliche Plage sind nicht die ‚Heuschrecken-Unternehmer‘, sondern die Gewerkschaften“, denen er unterstellt, „mehr Arbeitsplätze zu vernichten als die Deutsche Bank“. Für den Fall eines Wahlsiegs kündigt er an: „Wir werden das starre Tarifsystem aufbrechen“. Und die Obergrüne Eckard beeilt sich schnell, ihm beizustimmen: „Die Unternehmer sind keine Heuschrecken“. Ich glaube, diese Herrschaften täuschen sich gewaltig!

Sie täuschen sich, wenn sie meinen wie Müntefering, wir würden uns durch hohle Sprüche beeindrucken lassen, oder wie Westerwelle, wir würden kampflos den Angriff auf unsere Lebensgrundlagen hinnehmen und der Zerschlagung der Gewerkschaften zusehen! Ich denke, wir sind gut beraten, weiter auf die eigene Kraft zu vertrauen und den Widerstand gegen die Hartz-Gesetze und die ganze Agenda 2010 zu verstärken!

Früher waren Demonstrationen mehr Sache der Jungen. Heute gehen so viele Rentner auf die Straße wie noch nie, und das hat seinen guten Grund: Seit 1989 ist das Rentenniveau in Deutschland um 30 Prozent gesunken! Die Hälfte der Rentner hat inzwischen weniger als 1000 Euro, bei Rentnerinnen liegt sie im Durchschnitt unter 650 Euro!

Zum zweiten Mal hintereinander hat die Bundesregierung eine sogenannte „Nullrunde“ beschlossen, in Wirklichkeit eine Minusrunde! Allein durch den sogenannten „Nachhaltigkeitsfaktor“ – es werden immer neue Ausdrücke erfunden, die kein Mensch verstehen soll – wird die Rente jährlich um 0,38 Prozent gekürzt wegen der steigenden Massenarbeitslosigkeit und nochmals um 1,5 Prozent wegen der Inflation!

Ein Beispiel aus einer Studie der Dresdner Bank: Ein Arbeiter, der mit 65 in Rente geht und 40 Jahre eingezahlt hat, erhält bei einem letzten Bruttolohn von 2000 Euro nach Abzug von Kranken- und Pflegeversicherung eine Rente von 775 Euro. Nach 10 Jahren schrumpft diese nach heutigen Gesetzen auf 629 Euro. Einbezahlt hat er in seinen 40 Berufsjahren über 187.000 Euro! Wie alt soll er eigentlich werden, um seine eingezahlten Beiträge noch ausgeben zu können?

Die ganzen Rentenreformen der letzten Jahrzehnte sind nichts anderes als Diebstahl, Raub, Betrug! Welche Verachtung die Bundesregierung Menschen, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben, entgegenbringt, zeigt ihr Rentenexperte Prof. Dr. Raffelhüschen, als er kürzlich vor geladenen Gästen erklärt hat: „Die Rentner haben kein Problem, sie sind das Problem“, und: „Sie müssen länger arbeiten, und dafür kriegen sie weniger Rente“!

Der Kampf der Arbeiter und Rentner muss sich gegen das ganze Krisenprogramm richten und die Konzerne als Verursacher von Massenarbeitslosigkeit und Rentenklau ins Visier nehmen! Wir sollten daher fordern: Volle Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge durch die Unternehmen! Besteuerung entsprechend ihrem Umsatz! Herabsetzung des Rentenalters auf 60 Jahre für Männer und 55 Jahre für Frauen bei vollem Rentenausgleich! Festsetzung einer stattlichen Mindestrente unabhängig von der persönlichen Berufstätigkeit!

Wolfgang Lange (MLPD)

 

Für so ein „Affentheater“
will CDU-Perschau keine
Arbeitsplätze schaffen

Bei schönem Wetter begann unsere 36. Montagsdemo-Kundgebung in Bremen um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz. Ungefähr 50 Teilnehmer fanden sich heute nach einem guten 1. Mai ein. Im nahen Café wurden auch Ex-Senator Perschau und sein junger Parteifreund Röwekamp (Innensenator) ausgemacht. Trotz Aufforderung nahmen sie aber nicht an der Montagsdemo teil, sondern konterten nur abgehoben: „Für so ein Affentheater schaffen wir keine Arbeitsplätze!“, als ein Regenschauer sie aus ihrer Kaffeeruhe vertrieb.

Am Offenen Mikrofon befassten sich mehrere Beiträge mit der Situation der Rentner und den Rentenbetrügereien der Bundesregierung. Die Rechenexempel in den Begründungen für diese oder jene Änderung gleichen Taschenspielertricks, die wohl bewusst unters Volk gestreut werden, um die Rentner zu desorientieren.

In einem persönlich gehaltenen Beitrag zeichnete eine Betroffene ihr Leben nach, das mit Flucht und Vertreibung begonnen und mit schwerer Arbeit bis zur Rente weitergeführt hatte. Nun wird sie um ihre Ruhe gebracht durch einen neuen Raubzug zugunsten weiterer Umverteilung bei Vernachlässigung wichtiger sozialer Aufgaben durch die Gesetzgebung dieser Regierung.

Ein anderer Beitrag nahm erneut die amtliche Statistik aufs Korn: Fast jede Zahl, die aktuell in dem Rechenwerk auftaucht, wird in die Vormonate hinein nachträglich gefälscht. Anders kann man die kommentarlosen Korrekturen an der Statistik nicht bezeichnen! Eine Arbeitslosenzahl unter fünf Millionen wird bereits als „Erfolg“ gefeiert: Besser könnte sich eigentlich keine Regierung den Entlassungsschein selbst ausstellen!

Mit der verlogenen Kapitalismus-Kritik von Müntefering und anderen SPD-Größen hatten wir keine Lust, uns weiter zu beschäftigen. Am 14. Mai in Gel­senkirchen werden wir der Regierungspolitik bei der GroßdemoJung und alt gegen Hartz IV“ schon unsere Meinung sagen!

Der letzte Beitrag vor dem Gewitterschauer schilderte die Fortsetzung der Erfahrungen einer alleinerziehenden Mutter von zwei Kindern mit Stromabstellen ohne Vorwarnung. Die Recherchen bei der Bremer Arbeitsgemeinschaft hatten ergeben, dass die übernommene Verpflichtung durch das Sozialamt bei der swb bereits im Januar bezahlt worden war, aber zwischen Januar und Mai war die eon-Tochter swb nicht in der Lage, einen sauberen Kontenabgleich herzustellen!

Genau wie bei den Banken verdienen die Energieversorger am besten mit fremden Geld. Auf die Forderung der Rückzahlung der unrechtmäßigen Eintreibung wollten die swb-Sachbearbeiter mit einer üblichen Rückzahlungsfrist von sechs bis acht Wochen antworten oder der Verrechnung mit zukünftigen Abschlagszahlungen. Aber das nimmt nicht einmal die Bagis hin! Diese will das Geld sofort einziehen und an die Betroffene auszahlen.

Der Gewitterschauer löste unsere Kundgebung leider auf. Wir verzichteten auf die Demo und besuchten zum Teil eine Veranstaltung über das „Memorandum 2005“ zur „alternativen Wirtschaftspolitik“. Der Bericht von Prof. Rudolf Hickel und Dr. Axel Troost setzte sich mit den neuesten Entwicklungen des „Turbo-Kapitalismus“ auseinander: In immer kürzeren Zeiträumen werden brüchige Kapitalstrukturen von hochkapitalisierten Fonds heimgesucht, filetiert und ausgeschlachtet. Der Profit in kürzester Realisierungszeit ist einziger Maßstab.

Beide erläuterten, dass in Deutschland nur eine Richtung, die des Neo­liberalismus, „angebetet“ werde; andere Denkmodelle sind verpönt. Das sei selbst in den USA weitgehend anders, dort werde unter Wirtschaftswissenschaftlern kontrovers diskutiert. So sei auch die Tatsache, dass Deutschland ökonomisches Schlusslicht in Europa ist, genau dieser hilflosen Theorieanbetung und Politik geschuldet. Ob in Bremen oder in Deutschland: Was man nur falsch machen könne, werde falsch gemacht.

Die beiden lieferten gute Analysen und waren bereit zur Aufklärung, doch da sie ihr Heil am Krankenbett des Kapitalismus sahen, fiel ihnen nur der Weg einer umfassenden reformistischen Mitbestimmung als Lösung der Krise ein. Bei der Frage des Sozialismus verglichen sie leider nur den heutigen Kapitalismus mit der verknöcherten Kommandowirtschaft der DDR.

In ihrem Denken sind beide Wissenschaftler weit entfernt vom Denken der Massen und ihrer Fähigkeit, zu erfassen, dass Sozialismus mehr ist als eine „modifizierte kapitalistische Wirtschaftsordnung“, von der Frage, was Vorbereitung der Revolution auf der ganzen Welt heißt, ganz zu schweigen! Insofern verließen die Besucher des Vortrags den Abend unbefriedigt. Zusammenschließen und zusammenraufen müssen wir uns als Menschen auf der praktischen Ebene im Betrieb und in der Politik selbst.

Jobst Roselius für dieBundesweite Montagsdemo

 

Ist „Attac“ nur eine Werbeagentur
aus Verden an der Aller?

Das Buch „Mythos Attac“ von Jörg Bergstedt und anderen (Frankfurt/Main: Brandes & Apsel 2004, 200 Seiten, 14,90 Euro) kann empfohlen werden für jeden, der sich ein eigenes Bild von Attac verschaffen will. Dazu liefert es genug Material, und man muss nicht der persönlichen Meinung des Autors folgen, der jede feste oder einheitliche Organisationsform ablehnt und für sich nur offene Bewegungen von „unten“ gelten lässt.

Dargestellt wird die Geschichte von Attac vor allem in Deutschland, wo eine Gruppe geschickter Jungmanager in Verbindung mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und vor allem mit Hilfe einer gigantischen Medienkampagne die Fäden einer rasant wachsenden Bewegung in die Hand bekamen und bis heute festhalten. Im Zentrum dieser Führungsclique stand und steht der Verein „Share e.V.“ in Verden, der aus der Umweltbewegung hervorging, aber dann mehr oder weniger zu einer kommerziellen Werbeagentur wurde. Dazu heißt es auf Seite 146 des Buches: „Bis heute hält Share e.V. alle Konten von Attac, stellt die Hauptamtlichen ein und ist die formale Basis – ohne Kontrollmöglichkeiten durch die Basis von Attac.“ Interessant sind auch Biografien wichtiger Attac-Führer wie Peter Wahl oder Sven Giegold oder die Enthüllung, dass in der Geschäftsstelle die Geschäftsführerin nahezu das Doppelte von einem Bürosekretär verdient.

Die Ausrichtung von Attac zielt auf die umfassende Vereinnahmung von kämpferischen Bewegungen bei Ausgrenzung von radikalen Kräften. Das wird anschaulich gemacht unter anderem an der Großdemonstration in Berlin am 1. November 2003 und dem anschließenden Treffen in Frankfurt/Main am 17. Januar 2004. Durchgängig wird von der Attac-Führung auf eine Versöhnung mit regierungsnahen Organisationen orientiert und der Kampf gegen die Regierung ausgegrenzt. Weltanschaulich steckt dahinter eine Ausrichtung auf „mehr Staat“ bis hin zur Forderung einer Weltregierung, ohne dass da der kapitalistische Charakter des Staates in Frage gestellt würde.

„Das Buch will zum Streit anregen“, schreiben die Autoren im Vorwort, und dazu ist es auch geeignet. Teilweise muss über die Positionen des Buches selbst gestritten werden, das auch antikommunistischen Vorbehalten erliegt. Aber vor allem liefert es Material im Streit mit blinden Verfechtern von Attac. Ein Medienprojekt, das kämpferische Bewegungen im Interesse der herrschenden Sozialdemokratie kanalisieren soll, kann auch mit Hilfe dieses Buches entzaubert werden.

Rote Fahne, Heft 18/2005, Seite 24
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz