337. Bremer Montagsdemo
am 25. 07. 2011  I◄◄  ►►I

 

Staatlich gezielt geförderte Verelendung durch „Arbeitsvermittlung“

Elisabeth Graf1. Es verwundert nicht, dass in Japans Supermärkten deutlich mehr radioaktiv kontaminiertes Fleisch im Kühlregal lag als bisher angenommen. Allen Ernstes sollen mehr als 400 Rinder aus der Präfektur Fukushima in andere Regionen des Landes geliefert worden sein. Da sich die Bevölkerung nicht länger für dumm verkaufen lässt, nimmt die Angst vor radioaktiv kontaminiertem Rindfleisch nach weiteren Funden zu. Japan hat bisher kein zentrales System zur Prüfung von Radioaktivitätswerten in Nahrungsmitteln eingeführt und will erst jetzt ein Verbot für Rindfleisch aus Fukushima verhängen. Wenigstens in den Augen der japanischen Regierung sei es als positive Zwischenbilanz zu verbuchen, dass die Vorbereitungen zur Stilllegung der Ruine Fukushima I wie geplant laufen und das Atomkraftwerk spätestens im Januar 2012 abgeschaltet werden kann, wenn das Uran der Reaktoren nicht länger das Kühlwasser erhitzen und ein sogenannter “cold shutdown” erreicht werden könne.

Der Regierungschef setzte bereits seine rosarote Brille auf und versicherte den Abgeordneten, es werde sich bereits auf das Ende der Krise zubewegt. Er fantasierte wegen des von der Betreiberfirma Tepco eingerichteten provisorischem Kühlsystems schon von einem „zweiten Etappensieg“. Anstatt die Menschen zu evakuieren, wird die lauernde Gefahr der tödlichen Strahlung nach wie vor heruntergespielt, wenn bis Januar darüber entschieden werden soll, ob die in Sicherheit gebrachten rund 80.000 unmittelbaren Nachbarn des Kraftwerks in ihre Häuser zurückkehren können. Zwei Tage später empfiehlt die Regierung weiteren Haushalten in der Nähe des havarierten Atomkraftwerks Fukushima eine Evakuierung und erwägt sogar, die Menschen wegen der hohen Strahlenbelastung dazu zu zwingen, ihre Häuser zu verlassen. Dieses Hin und her wirkt in meinen Augen nicht wie ein vernünftiger Plan, mit dem die Bevölkerung geschützt würde, sondern wie ein blindes Herumagieren, während Handlungskompetenz gefragt ist.

 

2. Obwohl die Wirtschaft doch wahnsinnig boomen soll und Gewinne wie Vermögenseinkommen nur so sprudeln, haben dennoch die unteren Einkommensschichten immer weniger Geld in der Tasche, weil bei ihnen eben nichts davon ankommt. Zwischen 2000 und 2010 sanken die realen Nettogehälter um durchschnittlich 2,5 Prozent. Dies betraf besonders die drei untersten Einkommensschichten, deren Nettolöhne preisbereinigt seit 2000 um ganze 16 bis 22 Prozent sanken. Demnach kam bei den meisten Erwerbstätigen rein gar nichts von dem Wirtschaftswachstum an, im Gegenteil: Sie mussten reichlich „Federn“ lassen. Dank Schwarz-Gelb und genauso auch Rot-Grün driftet die Gesellschaft immer weiter auseinander. Das Arbeiten scheint sich rein finanziell nur für die zu lohnen, die ohnehin alles haben und dafür eh nicht arbeiten müssen. Weil es keinen flächendeckenden, auch im Alter armutsfesten Mindestlohn gibt, der diesen Namen auch verdient, können sich der Niedriglohnsektor und die Leiharbeiter-Beschäftigung wie ein streuendes Krebsgeschwür unverhältnismäßig ausbreiten! Die vier Regierungsparteien sind alle gleichermaßen an der Umverteilung von unten nach oben beteiligt, weil sie alle irgendwann ihre Finger dabei im Spiel hatten, sei es bei der Senkung der Unternehmenssteuern und des Spitzensteuersatzes sowie der niedrigen Steuerbelastung auf Gewinnen und Vermögen – oder eben bei der großen Lohnsteuerbelastung für untere Einkommen.

Die sozialdemokratisch-olivgrüne Bundesregierung erhöhte im Zuge der weiteren Zerschlagung der Tarifverträge und sogenannten Hartz-Reformen den Druck auf Arbeitslose, jede Arbeit anzunehmen zu müssen, und sei sie noch so schlecht bezahlt. Egal, welch „edle“ Motive dafür herhalten sollen, „die Menschen in Arbeit zu bringen“: Fakt ist doch, dass von der staatlichen Arbeitsagentur immer mehr Erwerbslose in Billigarbeit und Unterbezahlung befördert werden, was in meinen Augen einer staatlich gezielt geförderten Verelendung weiter Bevölkerungsanteile gleichkommt! Die Politik hat die „Reformschraube“ eindeutig überdreht. Ich wünsche mir von Herzen echte Gewerkschaften, die wissen, dass sie die Arbeitnehmer vertreten sollen! Selbst der sogenannte Wirtschaftsweise Peter Bofinger kritisierte, dass die (Lobby-)Politik dieser (Abwärts-)Entwicklung tatenlos zuschaue. Da die meisten Menschen merken, dass der sogenannte Aufschwung an ihnen total vorbeigeht, sei diese dürftige Lohnentwicklung ein Grund für „Wutbürgertum“, das sich weniger gegen die Unternehmen richte als vielmehr gegen den Staat und die Politik.

 

3. Weil eine 49-jährige Bonnerin Käse im Wert von 3,18 Euro an einer Supermarktkasse vorbeischmuggeln wollte, muss sie nun für zwei Monate in den Knast. Da die ehemalige Krankenschwester einschlägig vorbestraft sei, komme für das Bonner Amtsgericht eine Geldstrafe oder Strafe zur Bewährung nicht mehr in Frage. In seiner Urteilsbegründung betonte der Richter, dass es ihm „keinen Spaß“ mache, jemanden wegen zwei Stück Käse die Freiheit zu entziehen, doch habe die Frau schon „viele Chancen nicht genutzt“: Ihr Vorstrafenregister zähle demnach 25 Eintragungen (nicht Vorstrafen). Kennt er ihr Leben und weiß er, welche Möglichkeiten sie wirklich hatte? Wie sieht es mit der sozialen Kompetenz des Richters aus? Er kam wohl nicht auf die Idee, dass es sich möglicherweise eher um eine Form von Kleptomanie handeln könnte als nun gerade „Spaß“ an einer Straftat. So könnte ein Therapieangebot vielleicht mehr Sinn ergeben. Eventuell braucht sie dieses Risiko, ertappt zu werden, um sich „selbst fühlen“ zu können?

Schließlich hat auch der Diebstahl als neues „Hobby“ der frustrierten Reichen mehr Zulauf als jede Trendsportart. Aber wahrscheinlich fiel dem Richter auf, dass die Bonnerin keine Dame der Gesellschaft ist, die, vom Wohlstand gelangweilt, keine Verantwortung trägt und deswegen nicht mit einer perfekt manikürten Hand, an deren Ringfinger ein Platin-Ehering steckt, mal eben einen Parfum-Flakon umfasst und ihn diskret-unauffällig in ihrem Valentino-Abendhandtäschchen für 1.200 Euro verschwinden lässt. Der Name der Klientin wird natürlich nicht genannt, doch ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass ihr Gemahl nicht Klaus Zumwinkel, Peter Hartz oder Jürgen Schneider heißt und nicht als Geschäftsführer oder Manager für Hypo Real Estate, Sachsen-, Bayern- oder West-LB Millionenfinanzschaden anrichtete. Wenn solche Leute mehrmals ein paar Milliarden Euro verzocken, die der Steuerzahler locker aus der Portokasse wieder ausgleichen kann, dann ist es ja etwas anderes. Aber so, bei einem profanen Stückchen Käse – nein, das ist nun wirklich völlig unangemessen, da müssen alle Register gezogen werden, damit auch der Abschreckungscharakter gewahrt bleibt!

 

4. Nach der Aussetzung von Kriegs- und Zivildienst rechneten etliche Erwerbslose schon lange damit, dass sie irgendwann zu einem „Freiwilligendienst“ zwangsverpflichtet werden könnten. Das Wort freiwillig wird missbraucht, wenn Erwerblose da reingepresst werden! Nun sollen Tausende Sozialhilfebezieher mit finanziellen Anreizen gelockt werden und von ihrem Taschengeld nicht mehr nur 60, sondern 175 Euro behalten dürfen. Ich empfinde dieses Ansinnen als eine bodenlose Frechheit! Anstelle der zumeist nicht dafür ausgebildeten Erwerbslosen sollen gefälligst Altenpfleger oder Sozialpädagogen für diese anspruchsvolle Arbeit, die eine hohe physische und psychische Belastbarkeit erfordert, anständige Löhne gezahlt bekommen. Hier nur angelernt schwer arbeiten – und dann trotzdem noch der menschenverachtenden Verfolgungsbetreuung durch Stigmatisierung, Diskriminierung und Gängelei ausgeliefert sein?

Nichts da! Warum „müssen“ wichtige Aufgaben im sozialen Sektor immer an Billig- und Kostenloskräfte ausgelagert werden? Weil aus neoliberaler Sicht soziale Arbeit, durch die kein materieller Profit geschaffen wird, offenbar keinerlei Kompetenz erfordere und von jedem sofort machbar sei? Tatsächlich sind Alten- und Krankenpfleger Ausbildungsberufe und können nicht einfach durch eine sechswöchige oder dreimonatige Schulung „gelernt“ werden. Empathie ist “out”, außer natürlich für marode Bankster! Wenn Job-Center keine Arbeit zu vermitteln haben, locken dann Flop-Center mit Freiwilligen-Arbeit? Wie wäre es, wenn Erwerbslose regulär angestellt und ausgebildet dort arbeiten, wenn denn so viel Arbeit da ist? Kein Geld? Hier wäre es doch erheblich sinnvoller angelegt als bei der 20-Milliarden-Bareinlage für Griechenland! Die einen füllen sich völlig maßlos ihre Taschen, während die anderen für einen Apfel und ein Ei arbeiten sollen? Oh nein!

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke

 

Wo bleibt die Normenkontrollklage
aus Berlin und Brandenburg?

Hans-Dieter WegeZum Thema Normenkontrollklage in Sachen Regel­satz meinte vor einigen Tagen ein guter Freund von mir – wobei er sich auf die Forderung der „Linken“ aus Nordrhein-Westfalen bezog, die Regierungs­koalition aus SPD und Grünen solle diese Klage einreichen –: „Wenn man mit einem Finger auf andere zeigt, dann zeigen drei Finger auf einen selbst.“ Er meinte damit das Verhalten der Linkspartei in Brandenburg und Berlin, wo diese Partei selbst in einer Regierungskoalition mit der SPD sitzt. Auch hier hätte man die Möglichkeit, diese von anderen Parteien geforderte Normenkontrollklage zu den Hartz IV-Änderungen einzureichen.

Hier hätte die SPD mit allen Mitteln gefordert werden müssen! Ich habe allerdings noch keine öffentliche Aufforderung gelesen, die sich an den Koalitionspartner SPD in Berlin oder Brandenburg richtet, um dieses Ziel zu erreichen. Für Millionen Hartz-IV-Bezieher könnte es um Milliarden von Euro gehen, die sie verlieren, wenn diese Klage nicht schnell genug gestellt wird. Wir haben das bereits beim Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2010 erlebt: Eine rückwirkende Neuberechnung zum 1. Januar 2005, dem Beginn der Hartz-IV-Zeitrechnung, erfolgte nicht. Soll das jetzt wieder passieren? Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein, wohl auch das der Parlamentarier der Linkspartei. Allerdings dürfte auch das Bewusstsein der Hartz-IV-Bezieher geschärft sein, wenn sie das nächste Mal bei den Wahlen ihr Kreuzchen machen!

Hans-Dieter Wege (parteilos, Gegner asozialer Politik)
 
Große Organisationen versagen Unterstützung:
In 54 Städten Protest gegen Billiglohn
und Hartz IV („Neues Deutschland“)

 

Das „Jobwunder“, eine Armutsfalle

Harald Braun1. Die Zahl der armen Menschen wächst, obwohl die offiziellen Arbeitslosenzahlen in Deutschland zurückgehen. Wie kann das sein? Nach Angaben des Statistischen Bundesamts stieg die Anzahl der Arbeitsplätze in der Bundesrepublik innerhalb eines Jahres um 322.000 auf 30,9 Millionen. Rund drei Viertel dieses Anstiegs gehen auf die Zunahme der Zahl der Leiharbeiter, Teilzeitjobber und befristet Beschäftigten zurück: Sie stieg im gleichen Zeitraum um 243.000 auf 7,84 Millionen an. 38 Prozent des Jobanstiegs machen befristete Arbeitsverhältnisse aus, 57 Prozent neue Leiharbeiterstellen.

Die Leiharbeit hat auch in Bremen deutlich zugenommen. Über 11.000 Menschen müssen sich mit Vollzeitstellen abfinden, bei denen sie laut Studie des DGB Bremen rund 50 Prozent weniger verdienen als andere Vollzeitbeschäftigte in der Region. Viele Leiharbeiter können von diesem Job mit einem Verdienst zwischen 1.100 und 1.500 Euro brutto nicht selbständig leben. 4.000 sind deshalb als „Aufstocker“ auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen. Zahlreiche Unternehmen bezahlen ihren 400-Euro-Kräften nur fünf Euro pro Stunde und sparen sich Sozialabgaben und Steuern. Die Geringverdiener haben heute bis zu 22 Prozent weniger in der Tasche als vor zehn Jahren.

Minilohn führt zur Minirente: Nach einer Studie des Sozialverbands VDK machte die gesetzliche Rente 1996 nach 45 Jahren Einzahlung 70 Prozent des letzten Bruttogehalts aus. 2030 werden es durch den Lohnabbau nur noch 43 Prozent sein. Dazu kommt, dass die wenigsten Beschäftigten aufgrund von Arbeitslosigkeit 45 Jahre arbeiten können. Auf der anderen Seite gibt es aber auch einige wenige große Gewinner: Während weltweit Armut und Hunger wachsen, haben 1.210 Milliardäre ihr Vermögen in der Weltwirtschaftskrise auf 4,5 Billionen Euro noch gesteigert!

Die Massenproteste und -streiks in Europa haben in den letzten Monaten deutlich zugenommen. Vor allem die Menschen in Südeuropa sind nicht mehr bereit, die Zeche für die Umverteilung des Reichtums auf Kosten der Masse der Bevölkerung zu bezahlen. Die Montagsdemo in Bremen steht solidarisch an der Seite des Widerstands in Griechenland, Spanien und Portugal. Von ihm können wir viel lernen!

Wir beteiligen uns heute am bundesweiten Aktionstag für einen lohnsteuerfreien Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde und einen Eckregelsatz von 500 Euro pro Monat für Hartz-IV-Betroffene. Das kann aber nur ein Zwischenschritt sein, um die Hartz-Gesetze komplett zu Fall zu bringen: Wir wollen eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes I und seine unbegrenzte Fortzahlung für die Dauer der Arbeitslosigkeit! Wir brauchen höhere Löhne und Gehälter und die Umwandlung von Leiharbeitsverträgen in Festverträge! Und wir kämpfen für neue Arbeitsplätze auf Kosten der Profite: Die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich kann Millionen Arbeitsplätze erhalten und neu schaffen!

 

2. Die internationalen Energiekonzerne halten trotz der jüngsten Katastrophe und den weltweiten Protesten an der unbeherrschbar gefährlichen Atomenergie fest. Ihre Pläne wurden am 5. Juli 2011 in der britischen Zeitung ”The Economist“ veröffentlicht. Kein Zufall, dass davon in Deutschland nichts zu lesen ist. Unter dem Titel „Ein Schritt zurück, zwei Schritte vorwärts“ gehen sie davon aus, dass Deutschland und Japan Ausnahmen von der Regel sind, wonach die Atomkraft weltweit weiter ausgebaut werden soll. Der nukleare Skeptizismus, den andere Regierungen signalisiert haben, bedeute nicht, dass ihre Begeisterung für die Atomkraft aufgebraucht sei. Allein die zehn führenden Staaten in der Atomenergie würden ihre gegenwärtige Kapazität von 320 Gigawatt auf 405 Gigawatt ausbauen, ein Zuwachs um 27 Prozent. In Wirklichkeit sei die Zunahme noch größer, da immer mehr Staaten, unter anderem in Afrika und Osteuropa, ebenfalls Interesse an AKWs zeigen, sodass man von einer Art Renaissance sprechen könne.

Es ist einfach menschenverachtend, wie die kapitalistische Profitgier nicht nur in Japan über Leichen geht! In den USA ist gegenwärtig das AKW Fort Calhoun im Bundesstaat Nebraska akut bedroht. Seit Wochen ist es vom Hochwasser des Missouri eingeschlossen. Die internationale Atomenergiebehörde (IAEA) meldet einen „katastrophalen Verlust der Kühlung“. Wenn sie 80 Stunden ausfällt, beginnt das Kühlwasser zu kochen und zu verdampfen. Bei diesem Reaktor handelt es sich um eine Kopie des Siedewasserreaktors in Fukushima. Die internationale Atomenergiebehörde kritisiert, dass die Obama-Regierung eine „totale und vollständige Nachrichtensperre“ für sämtliche Informationen bezüglich des Atomkraftwerks verfügt habe. Die Methode der Vertuschung und Desinformation wird weltweit eingesetzt.

Die japanische Regierung will die stillgelegten AKWs so bald wie möglich wieder hochfahren, um die Energieknappheit zu beenden. Gegenwärtig sind nur 19 von 54 AKWs in Betrieb, weil sie beschädigt wurden oder als Vorsichtsmaßnahme. Um die Sicherheitsbedenken der misstrauisch gewordenen Bevölkerung zu zerstreuen, hat die Regierung „Stresstests“ nach europäischem Vorbild angeordnet. Sie teilte am 11. Juli – genau vier Monate nach der Kernschmelze in drei Reaktoren – mit, dass die AKWs wieder in Betrieb genommen werden sollten, wenn nachgewiesen sei, dass sie heftigen Erdbeben und Tsunamis standhalten.

Frankreich betreibt 58 AKWs und bezieht daraus 80 Prozent seiner Elektrizität. Präsident Sarkozy hält daran fest. Doch auch in Frankreich hat sich der „Wind“ gedreht, und die Energiekonzerne bekommen Probleme: Nach jüngsten Umfragen sprechen sich bis zu 77 Prozent der Franzosen für einen „progressiven Atomausstieg“ aus. Knapp drei Wochen nach dem japanischen Reaktorunglück musste André-Claude Lacoste, Chef der Atomsicherheitsbehörde in Paris, eingestehen, dass auch in Frankreich ein schwerer Atomunfall möglich ist. Er räumte ein: „Es gibt gewisse Mängel an der Studie zur Sicherheit der französischen Reaktoren. Wir haben beispielsweise nicht die möglichen Schäden im AKW untersucht, falls ein Erdbeben und eine Überschwemmung zusammenkommen“.

Wie gefährlich AKWs schon im Normalbetrieb sind, zeigt eine von Jeff Donn bei „Associated Press“ veröffentlichte Untersuchung, die sich auf Unterlagen der amerikanischen Nuclear Regulatory Commission stützt. Danach wurde in der Umgebung von 48 von 65 Atomanlagen in den USA radioaktives Tritium gefunden, das schon in kleinsten Mengen krebserregend ist, wenn es über Nahrung, Trinkwasser oder Haut in den Körper eindringt. Leitungen, die 30 bis 40 Jahre alt und korrodiert sind, wurden nie untersucht, sodass das radioaktive Gift sich verbreiten konnte. Es gibt nirgends auf der Welt sichere Atomkraftwerke. Die Atomkonzerne werden nicht freiwillig auf ihre sprudelnden Milliardengewinne verzichten. Deshalb kann es nur eine Schlussfolgerung geben: Verstärken wir konsequent den Widerstand und arbeiten wir international zusammen, bis alle Atomkraftwerke auf Kosten der Betreiber weltweit stillgelegt sind! Wir brauchen einen langen Atem!

Harald Braun

 

Einmal mehr erweist sich das Verbot faschistischer Organisationen und Propaganda als notwendig

Jobst Roselius Die Montagsdemo möchte den dieswöchigen Widerstandstag der gemeinsamen Forderung nach zehn Euro lohnsteuerfreiem Mindestlohn und einem Eckregelsatz von 500 Euro monatlich widmen. Wir reihen uns mit dieser konkreten und absolut notwendigen Forderung in ein breites Bündnis ein. Geprägt ist dieser Tag aber von der Betroffenheit über den Anschlag von Oslo und den brutalen Mord an fast 70 Jugendlichen in Norwegen. Ich schlage eine Schweigeminute um 18 Uhr während des Domläutens vor, wobei wir ebenso an die Opfer der brutalen faschistischen Gewalt bei den Volksaufständen in Nordafrika und die Toten nach Fukushima und Tschernobyl gedenken wollen.

Der Anschlag und die Ermordung in Norwegen wurden verübt von einem Faschisten, der seit zehn Jahren an dem Ziel gearbeitet hat, den Marxismus und die multikulturelle Gesellschaft zu bekämpfen und zu vernichten. Der norwegische Ministerpräsident Stoltenberg hat gefordert, die offene Gesellschaft Norwegens zu verteidigen und nicht auf Abschottung und Abwehr umzuschalten. Das ist gut und muss auch umgesetzt werden. Norwegen ist wegen der Ölvorkommen vor seinen Küsten ein sehr reiches Land und hat den Ruf, dass es dort gerecht zugehe. Doch wird auch beklagt, dass es wie anderwärts in Europa zu einer Loslösung der Politik von den Gefühlen und dem Leben der Massen komme.

Auf Loslösung und Individualisierung beruht die ungebremste Entwicklung eines solchen Faschisten. Das steht im Gegensatz zu einer offenen Gesellschaft, in der es notwendig ist, durch Einbeziehung aller eine kollektive Auseinandersetzung um alle die breite Masse betreffenden Fragen zu entwickeln. Das geht im Kindergarten los und setzt sich über die Schule fort bis ins Erwachsenenleben. Alle haben Verantwortung dafür, wo die eine oder der andere bleibt. Das ist besonders wichtig, wenn jemand anfängt, „Spökenkiekerei“ oder Heldenkult zu betreiben und die Massen zu verachten. Wenn das nicht früh erkannt wird, ist es schwer, Menschen wieder auf einen gemeinsamen Weg zu führen.

Rassegedanken und Überbewertung der sogenannten weißen Herrenrasse, von den Kreuzrittern über christliche Herrschaftsansprüche bis zum modernen Faschismus und Neofaschismus, beruhen auf dem Nichtfertigwerden mit den realen Entwicklungen in der Welt. Reaktionäre und Konservative fordern die Wiederherstellung alter Verhältnisse und ihrer Vorrechte und Privilegien. Anfällig für solche reaktionären Gedanken werden dabei solche Menschen, die sich selbst zurückgesetzt fühlen oder in Fantastereien verfallen sind. Fernsehen und Computerspiele greifen diese irrealen Sehnsüchte auf und leiten einige in neue Bahnen der Abhängigkeit.

Dieser norwegische Faschist ist kein Dummer, sondern vermutlich ein sehr zielgerichtet arbeitender Einzelgänger. Er hat akribisch auf diesen Anschlag und diesen Massenmord hingearbeitet und will auch weiter seine „Mission“ erfüllen. Wir müssen jede Nachahmung, jede Beweihräucherung verhindern und achtsam sein, wenn insbesondere Jugendliche seltsame Wege gehen. Einmal mehr erweist sich das Verbot aller faschistischen Organisationen und Propaganda und die offensive Bekämpfung der dahinter steckenden Ideologien als sofort notwendig. Darüber muss eine neue offene Debatte geführt werden.

Das gilt für das Auftauchen von faschistischen Beiträgen bei „Youtube“, „Facebook“ und anderen Internetseiten. Die andere Seite ist, dass die neuen Bewegungen wie in Griechenland oder Nordafrika, die auch nach Spanien übergeschwappt sind und sicher auch die Jugend Norwegens begeistert haben, durch solche skrupellosen Morde nicht auszulöschen sind. Vielmehr wird sie alle, die eine andere Welt erkämpfen wollen, in ihrem Mut und Elan bestärken. Verwandeln wir die Trauer in neue Kraft und widmen sie der Zukunft! Die Montagsdemo-Bewegung wird dabei sein.

Jobst Roselius

337. Bremer Montagsdemo am 25. Juli 2011
Gesetzlicher Mindestlohn zehn Euro brutto lohnsteuerfrei!
ALG II: mindestens 500 Euro Eckregelsatz!

www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz