223. Bremer Montagsdemo
am 16. 03. 2009  I◄◄  ►►I

 

Gemeinsam kämpfen für eine soziale und gerechte Gesellschaft

Udo RiedelJa, so sind wir: gemeinsam kämpfen für eine soziale und gerechte Gesellschaft, ohne eine Partei zu sein! Wir, die Montagsdemonstranten, sind nur unserer Auffassung von einer gerechten, menschenwürdigen Gesellschaft verpflichtet – und sonst niemanden. Deshalb Schluss mit der Drangsalierung durch die Bagis, Schluss mit Behördenwillkür! Schluss mit Kinder- und Altersarmut, Schluss mit Hungerlöhnen! Willkommen bei den Montagsdemonstranten, vertreten in über 100 Städten in Deutschland!

Was wir fordern, ist nur ein Leben in Würde und Anstand. Alle Menschen haben doch eine Würde, auch Hartz-IV-Empfänger! Wir sind keine Menschen zweiter Klasse, nein, viele von uns sollen nur dazu gemacht werden, um die Profite zu erhöhen. Darum her mit der Managerhaftung, her mit fairer Beteiligung an den erwirtschafteten Gewinnen! Ihr Politiker, zieht endlich die Verursacher zur Verantwortung! Ihr lieben Mitmenschen, begreift endlich: Es geht uns alle an, ob morgen vielleicht euer Nachbar, Freund oder Verwandter in Armut leben muss! Ihr Jugendlichen, tut euch selbst den Gefallen und wehrt euch gemeinsam mit uns!

Das wäre unser aller Beitrag, stehenbleiben und Kopf zeigen, wo immer ihr auf die Montagsdemo trefft. Je mehr dabei sind, die sich gegen Ungerechtigkeiten wehren, desto schneller wird sich etwas ändern in dieser Gesellschaft! Es besteht natürlich keine Verpflichtung zur Dauerteilnahme; nur das demokratische Recht soll wahrgenommen werden, die eigene Meinung frei und ohne Zwang zu äußern. Wenn allerdings jemand seine Gedanken nicht frei am Mikrofon äußern kann oder möchte, machen wir das gern. Schreiben Sie auf, was Sie stört oder bedrückt, wir lesen es vor und sind für jeden Beitrag dankbar, der unsere gemeinsame Zukunft zum Guten wendet!

Udo Riedel (parteilos)

 

Holocaust, Hiroshima, Halabja

Am 16. März 1988 wurde – angeordnet von dem irakischen General Ali-Hasan al-Madschid, auch bekannt als „Chemie-Ali“ – die kurdische Stadt Halabja von Flugzeugen französischer Bauart mit zum Teil deutschem Giftgas (Sarin, Senfgas und dem Nervengas VX) bombardiert. Bei dem Angriff starben etwa 5.000 Menschen qualvoll, meist Kinder, Frauen und alte Männer. Viele Tausend weitere starben danach oder erlitten dauerhafte Gesundheitsschäden.

Im Zuge der sogenannten Anfal-Operationen der irakischen Armee auf kurdische Städte und Siedlungen wurden durch weitere Chemiewaffen-Einsätze und nachfolgende Zerstörungen circa 250.000 Kurdinnen und Kurden vertrieben, deportiert, umgesiedelt – sie verschwanden oder wurden ermordet aufgefunden. Auch heute noch leiden viele Menschen aus der Stadt an Folgeerscheinungen wie Nervenlähmungen, Hautkrankheiten, Tumoren, Lungenschäden oder Fehlgeburten. Außerdem ergaben die Forschungen, dass das Giftgas genetische Veränderungen hervorgerufen hat.

Wir fordern die Anerkennung dieser Gräueltat als internationalen Gedenktag, genau wie die Gedenktage zum Holocaust und zu Hiroshima! Wir fordern die Menschheit auf, die Augen nicht zu verschließen und ihre Stimme gegen jegliche Art von Unmenschlichkeit zu erheben! Holocaust, Hiroshima und Halabja sind drei Hs, die nie in Vergessenheit geraten dürfen!

„Kurdische Jugend Bremen“ und „Kurdische Plattform Bremen“
 
Antrag auf Zahlung eines Hungerzuschlags: Oder reicht Ihnen die Regelleistung aus, um damit Ihre monatlichen Ausgaben zu decken? („Wilhelm total“)
 
Sanktionen kollidieren mit dem Sozialstaatsziel, ein menschenwürdiges Leben zu sichern: Anspruch auf Mindestsicherung muss voraussetzungslos bestehen, wenn und solange der Bedarf sonst nicht gedeckt ist („Junge Welt“)
 
Mangelnder Grundkonsens: Debatte um ein oder zwei Bescheide für Langzeitarbeitslose bringt das ganze Hilfesystem ins Wanken („PR-Inside“)
 
Verschnattert: „Ich als Staatsoberhaupt“ („Spiegel-Online“)

 

Tatenlos blieben die Gewerkschaften, die eigentlich Widerstand hätten organisieren müssen

Jobst RoseliusHeute treffen wir uns am Bismarck-Denkmal, weil auf dem Marktplatz die jährliche Gedenkfeier für die Opfer des Giftgasangriffs auf Halabja stattfindet. Ich möchte vorschlagen, dass wir eine Grußadresse an unsere kurdischen Freunde abgeben und dann zum Hanseatenhof demonstrieren, um dort unsere Montagskundgebung abzuhalten.

Der 14. März 2003 war ein wahrlich denkwürdiger Tag: Da öffnete der Herr Schröder die Falltür in die Armutsgrube mit Verkündung seiner Agenda 2010. Die ganze nachfolgende Politik baut darauf auf, ob von der SPD/Grünen- oder der CDU/CSU/SPD-Regierung, alles im Auftrag der deutschen und internationalen Monopole. Das „Fitmachen Deutschlands für den Weltmarkt“ durch Schröder hatten die Menschen unterschätzt, doch als mit 16-seitigen Fragebögen die Hartz-IV-Betroffenen ausgequetscht werden sollten, zeigte sich Massenprotest.

Die Montagsdemo, die damals als breite Bewegung entstand, gibt es immer noch. Selbst Herr Böhrnsen kann sie nicht unerwähnt lassen in seinen Marktplatzgeschichten vom letzten Sonnabend im „Weser-Kurier“, wenn er an den Besuch von Bundespräsident Köhler denkt, nur das Wörtchen Montag lässt er lieber weg. Die Gewerkschaftsmitglieder und viele Kollegen haben mit Outsourcing, Leiharbeit oder Entlassung, Niedriglohnsektor und Minijob ihre Erfahrungen gemacht. Die Gewerkschaftsoberen an den Orten oder in der DGB-Spitze, die eigentlich den Widerstand hätten organisieren müssen, blieben tatenlos. Sie missbrauchten als SPD-Mitglieder bewusst ihre Funktionen und führten die Kollegen ins Abseits. Was auf Missbrauch von Abhängigen steht, weiß fast jedes Kind. In den Gewerkschaften ist die Abrechnung dafür noch offen, aber sie wird kommen.

Ich möchte die gewerkschaftlichen Kolleginnen und Kollegen immer wieder aufmuntern, nicht nachzulassen, andere für den kämpferischen Weg zu gewinnen und die Ablenkungsmanöver mit Standortdenken und dergleichen zurückzuweisen. Die von den Regierenden gesteuerte Medienpolitik, die mit Demokratie so viel zu tun hat wie Feuer mit Wasser, hat auch die Opfer dieser Politik, die um ihre Errungenschaften betrogenen Hartz-Opfer oder Rentner, in die Hoffnungslosigkeit geführt. Wir merken es, wie schwer es ist, die Menschen wieder zum Nichthinnehmen, zum Aktivwerden zu führen. Aber unser steter Tropfen höhlt eben doch den Stein. Darum immer wieder: Hartz IV muss weg, und die ganze Agenda-Politik ebenfalls!

Die Bremer Montagsdemo mobilisiert für die „Attac“-Demonstration am Sams­tag, dem 28. März 2009, in Berlin unter dem Motto „Wir zahlen nicht für eure Krise! Für eine solidarische Gesellschaft!“ Kundgebungen beginnen um 12 Uhr am Roten Rathaus und um 15 Uhr am Gendarmenmarkt. „Attac“ und „Die Linke“ haben jeweils einen Bus organisiert, der morgens um 7 Uhr am ZOB Breitenweg in Bremen startet und von Berlin um 17 Uhr zurückfährt. Die Kosten betragen 15 Euro je Teilnehmer(in), ermäßigt acht, Solidaritätspreis 20 Euro. Anmeldung bei busberlin(at)global-fatal.de beziehungsweise rudolf.kossolapow(at)dielinke-bremen.de oder auch bei mir, Telefon 0421-705 687. Ich versuche dann, Karten zu besorgen.

Der Ablauf in Berlin ist aber noch unklar. Von der Teilnehmerzahl der Montagsdemo wird abhängen, mit welchen Mitteln und Methoden wir dort auftreten können. Es gibt einen „Bremer Bündnis-Aufruf zur Demo am 28. März 2009“. Über den Text wurde gestritten, aber richtig sind die in den Aufruf aufgenommenen Forderungen nach zehn Euro Mindestlohn, 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich, 500 Euro repressions- und sanktionsfreiem Eckregelsatz und einem ökologischen Umbau der Gesellschaft. – Am Freitag, dem 20. März 2009, findet der Ein-Euro-Tag statt, mit Programm ab 9 Uhr im „Kulturzentrum Schlachthof“. Ab circa 15 Uhr erfolgt eine Demonstration von dort zum Hauptbahnhof mit einer Aktion auf dem Vorplatz. Nehmt zahlreich teil!

Jobst Roselius

 

Der Bedrohungspopanz nützt dem militärisch-ökonomischen Komplex

Bundeswehr und Nato greifen immer stärker auch ins Gesundheitswesen ein. Dies geht aus dem jüngs­ten Bericht von „German Foreign Policy“ hervor, und davon dürfte auch das Bremer „Rote-Kreuz“-Krankenhaus betroffen sein, das bereits im Jahr 2000 ins Visier der Streitkräfte geriet. Was jetzt vorgesehen und schon verwirklicht ist, kann nur als ein regelrechter Angriff auf die Zivilgesellschaft insgesamt gesehen werden! Seinerzeit wurde zwischen der Delmenhorster Lazarettgruppe und der Neustädter Klinik ein sogenannter Partnerschaftsvertrag geschlossen („Bremer Anzeiger“ vom 2. Dezember 2000). Das „Rote-Kreuz“-Krankenhaus war als spezielle Schmerzbehandlungsklinik schon damals als „kriegswichtig“ eingestuft worden und dementsprechend in die zivil-militärischen Planungen eingebunden.

Jetzt wird das Sch(r)äuble noch weiter angezogen! Offenbar rechnet das „Bun­desamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe“ (BBK) mit Gegenschlägen im Inland – hervorgerufen durch die jahrelangen Auslandseinsätze der Bundeswehr. Im Zuge der strategischen Neuausrichtung der Nato wurden und werden Bundeswehr und Krankenhäuser mit diversen anderen Hilfsorganisationen, Polizei, Feuerwehr, Heimatschutzverbänden, Geheimdiensten und so weiter aufs Engste vernetzt, um der sogenannten asymmetrischen Bedrohung als Reaktion auf die Auslandseinsätze besser begegnen zu können. Die Bundeswehr versucht schon seit Langem – siehe Schulen und Argen – militärisches Denken tief in der Gesellschaft zu verwurzeln.

Wieland von HodenbergAnalog zur allgegenwärtigen Privatisierung von Krankenhäusern, Krankentransporten, Sanitäts- und Bewachungsdiensten entsteht jetzt ein militärisch-ökonomischer Komplex, aus dem Konzerne und Firmen ihren unmittelbaren Profit ziehen! Berlin weitet also die Kriegsvorbereitungen nicht nur auf „Gegenschläge“, sondern auch auf Massenproteste immer weiter aus. Man habe im Inland mit Kriegs- und Bürgerkriegssituationen „am Rande des Vorstellbaren“ zu rechnen, heißt es beim zuständigen BBK. Dort wird unter Anderem an Anschläge mit Spreng- und Brandvorrichtungen gedacht, die zur Freisetzung atomarer, biologischer oder chemischer Kampfstoffe führen könnten. Solche Angriffe würden nicht nur das Gesundheitswesen insgesamt schwer belasten, so die Behörde, sondern auch Krankenhäuser selbst zum Ziel haben. Hier wird also ein gewaltiger Bedrohungspopanz aufgebaut, um die in jüngster Zeit verschärften Kriegsvorbereitungen besser rechtfertigen zu können!

Das Führungspersonal deutscher Krankenhäuser wird aufgefordert, enger mit den Repressionsbehörden und der Bundeswehr zusammenzuarbeiten. Die Klinikleitungen sind gehalten, sowohl eine „Gefahrenanalyse“ als auch eine „Verwundbarkeitsanalyse“ der eigenen Einrichtung vorzunehmen. Das Bundesland Hessen reitet da übrigens vorneweg! Im Universitätsklinikum Frankfurt am Main wird im Falle einer Bedrohung die Evakuierung von Bettenstationen angeordnet. Besonders zynisch: Vom dienstältesten Abteilungsarzt wird verlangt, dass er zunächst nur Kranke und Verletzte „mit höchster Überlebenschance“ rettet!

Bundesweit soll eine entsprechende „Projektgruppe“ eng mit Polizeidienststellen, Landeskriminalämtern und der Bundeswehr zusammenarbeiten. Gleichzeitig werden die Institutionen über ein „satellitengestütztes Warnsystem“ (Satwas) des Bundesamtes miteinander verzahnt. So kann bei Bedarf sogar steuernd und lenkend in die Berichterstattung der Massenmedien eingegriffen werden. Der großdeutsche Rundfunk unseligen Angedenkens lässt grüßen – und wenn die Faschisten schon so weit gewesen wären, hätten sie das auch gemacht. Nur damals war ein gewisser Wernher von Braun noch nicht so weit! – Am 4. April 2009 feiert die Nato ihr 60-jähriges Bestehen. Machen wir den Kriegstreibern einen dicken Strich durch die Rechnung!

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)

 

Ganze Ketten von unverschämten Unterstellungen, Demütigungen und völligen Verdrehungen

Elisabeth Graf1. Ähnlich wie nach dem Skandalur­teil gegen die Kassiererin „Emmely“ wegen 1,30 Euro kündigte eine Groß­bäckerei zwei Mitarbeitern nun wegen des Verzehrs von Brötchenbelag im Wert von einigen Cent fristlos. Auch hier verwundert es keineswegs, dass die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten einen anderen Grund für den Rauswurf vermutet, weil sich einer der beiden Bäcker vor seiner Kündigung in den Betriebsrat wählen ließ. Die Geschäftsleitung traf diese Entscheidung allen Ernstes gemeinsam mit dem Betriebsrat, der augenscheinlich nicht verstanden hat, wer seine Klientel ist! Ich begrüße es sehr, dass die beiden Entlassenen gegen diesen Rausschmiss gerichtlich vorgingen, weil sie lediglich das neue Produkt namens Hirtenfladen probierten, wie diese Art von Verkostung der produzierten Waren in Großbäckereien üblich ist.

Nach eigenen Angaben schlagen sich die Vertreter der Arbeitnehmer bereits seit einigen Monaten mit den Chefs der Großbäckerei herum. Der Anlass bestand darin, dass sich mehrere Angestellte wegen der untertarifliche Bezahlung beklagt hätten oder dass andere Mitarbeiter nach ihrem Engagement für die Wahl gekündigt beziehungsweise freigestellt worden seien. Es versteht sich von selbst, dass die Geschäftsleitung jeden Zusammenhang zwischen Kündigung und Arbeit als Betriebsrat zurückweist. Andererseits berichten Mitarbeiter, die gewerkschaftlich organisiert sind, von Schikanen durch die Chefs – zum Beispiel, dass sie ständig ins Büro kommen mussten, nur weil sie angeblich einen Handfeger falsch hingestellt hätten.

Vor dem Gerichtstermin letzte Woche forderten die Arbeitgeber ganz unverhohlen Härte gegen die angeblich diebischen Bäcker! Im Einzelhandel wollen die Arbeitgeber gegenüber „diebischen“ Mitarbeitern auch in geringfügigen Fällen keine Nachsicht walten lassen. Vollkommen selbstgerecht wurde hier behauptet, dass in solchen Fällen nicht etwa Arbeitgeber gegen Arbeitnehmer kämpften, sondern „die Ehrlichen“ gegen „wenige Unehrliche“. Sie scheuten in lauter vermeintlicher Tugendhaftigkeit auch nicht davor zurück, für ihr Plädoyer aus den Grundlagen der christlichen Ethik zu schöpfen und sich dazu das siebte Gebot aus dem Ärmel zu schütteln, welches lautet: „Du sollst nicht stehlen!“

Angesichts dieser ungeheuerlichen Ungleichbehandlung, diesem Messen mit zweierlei Maß – ob nun jemand verdächtigt wird, durch Verkosten einiger Brosamen einen im hohen Maße anrüchigen Diebstahl begangen zu haben und deswegen seinen Job zu verlieren, oder ob da Herr Zumwinkel und seinesgleichen ein paar Milliönchen in ihren Winkeln verschwinden ließen und deswegen nur ein ebenso hohes Sümmchen aus der Portokasse zahlen mussten (wobei Herr Zumwinkel selbstverständlich aufgrund seiner Vorstandstätigkeit eine Pension von 1,12 Millionen Euro jährlich erhalten wird, das schreit und stinkt doch zum Himmel!) – freute es mich natürlich umso mehr, als ich das Gerichtsurteil vernahm, dass der junge Bäcker zu seinem alten Arbeitgeber zurückkehren darf. Ob er nun tatsächlich an seinen alten Arbeitsplatz zurückwill, wird er sich aber wohl noch überlegen. Sein Kollege wird hoffentlich einen ebensolchen Erfolg vor Gericht bekommen!

 

2. Einmal Hartz IV, immer Hartz IV? Die Befürchtung, nach seinem Jobverlust dauerhaft auf staatliche Alimentierung angewiesen zu sein, ist nun wissenschaftlich untermauert worden. Jeder zweite Hartz-IV-Bezieher bleibt nach einer aktuellen Studie langfristig vom Staat abhängig und schafft den Ausstieg nicht! Demnach wird die sogenannte Grundsicherung überwiegend von Familien bezogen, die dann auch für längere Zeit darauf angewiesen sind. Besonders leicht schafften kinderlose Ehepaare und Alleinstehende den Ausstieg aus Hartz IV, ermittelten die Arbeitsmarktforscher. Alleinerziehende blieben dagegen am längsten auf die scheinbare Grundsicherung angewiesen. Die Hälfte der Alleinerziehenden, aber nur ein Drittel der Paare ohne Kind benötigte die staatliche Hilfe auch noch drei Jahre nach Leistungsbeginn. Dass 40 Prozent derjenigen, die den Sprung aus dem Hartz-IV-Bezug geschafft haben, innerhalb eines Jahres erneut auf staatliche Hilfe angewiesen sind, hat auch viel mit der Problematik von sogenannten Bedarfsgemeinschaften zu tun.

In diesen Zeiten scheint es einfach unmöglich, so viel zu verdienen, dass sich daraus ein Ausweg aus der Hartz-IV-Falle ergeben könnte. Allein wäre das vielleicht möglich. Im Billiglohnland Deutschland wird es Menschen mit Kindern hochgradig schwer gemacht, genügend Geld für den Unterhalt der Familie und die Bedürfnisse wie auch die Betreuung der Kinder aufbringen zu können. Andererseits finde ich es auch absolut nachvollziehbar, wenn sich Alleinstehende zu Recht zu schade sind, sich für weniger als tausend Euro brutto monatlich kaputtschuften zu sollen. Oder sollte es gar politisch so gewollt sein, dass Hartz-IV-Bezieher den Ausstieg gar nicht schaffen können? Zur Abschreckung, versteht sich, und damit sich der deutsche Michel auch weiterhin nicht wehrt, während er zur Schlachtbank geführt wird!

 

3. In der Regel gibt es anlässlich einer Hochzeit nicht nur Geschenke, sondern auch viele Glückwunschkarten. Einem Gelsenkirchener Hartz-IV-Bezieher sind indes aber noch ganz andere Schreiben ins Haus geflattert: Das dortige Jobcenter forderte den Bräutigam auf, nicht nur die Heiratsurkunde vorzulegen, sondern auch über „die Höhe Ihrer Geldgeschenke“ Auskunft zu erteilen. Der „Verdi-Erwerbslosenausschuss“ empörte sich über diesen entwürdigenden Eingriff in die Privatsphäre. Mit solch einer Forderung bewegt sich der Sachbearbeiter zwar auf dem Boden der Sozialgesetzgebung, aber in der Praxis spielen die Vorgaben praktisch keine Rolle. Eigentlich gehört es nicht zum Standardprogramm, so etwas abzufragen. Von Seiten der Bundesagentur soll es eigentlich ein Signal geben, ein Auge zuzudrücken und „sensibel“ damit umzugehen.

Uneigentlich könnte hier mal wieder ein übereifriger Kollege über das Ziel hinausgeschossen sein, bei seinen Bemühungen, Erwerbslose zu beschämen und herabzusetzen. Auch wenn zum Thema Konfirmation und Kommunion bundesweit Diskussionen über Geldgeschenke aufflammten, ist in Gelsenkirchen bisher kein einziger Vorfall bekannt, in sich die dortige Arge für diese Geldgeschenke interessiert hätte. Die Arbeitslosengeld-II-Verordnung sieht eine jährliche Höchstgrenze bei Geldgeschenken für im Leistungsbezug stehende Erwachsene in Höhe von 50 Euro fest. Bei den Unternehmern hingegen ist der Staat überaus großzügig, wenn er ihnen in nur vermeintlicher Notlage Milliardenbeträge zur Verfügung stellt. Hier müssen schleunigst die Vorgaben verändert werden, um die gesellschaftliche Schieflage aufzuheben! Ansonsten müssen Hartz-IV-Bezieher halt erfinderisch sein und nicht dümmer, als die Polizei erlaubt!

 

4. Weil Bedrohungen und Handgreiflichkeiten mittlerweile in mehreren Jobcentern keine Seltenheit mehr seien, wird erwogen, die Mitarbeiter mit Pfefferspray auszustatten. Mit Pseudoverständnis erklärt ein Arge-Geschäftsführer aus Heinsberg, dass der „Haken“, der manche „Kunden“ rebellieren lasse, im „Grundsatz des Förderns und Forderns“ verankert sei. Demnach trete eben dann ein Problem auf, wenn hilfsbedürftige Hartz-IV-Bezieher nicht nur Leistungen entgegennähmen, sondern dafür auch eine Gegenleistung erbringen sollten! Problematisch werde es, wenn es um Geldleistungen gehe und die Menschen befürchteten, es könne Schwierigkeiten mit dem Vermieter geben oder die Familie nicht ausreichend versorgt werden. Wenn die Transferleistungsbezieher dann ihre Vermögensverhältnisse offenlegen sollen, gebe es ab und zu Ärger, weil die „eigenen Vorstellungen“ nicht mit den gesetzlichen Regelungen übereinstimmten. Im Einzelfall müsse schon mal ein Hausverbot von sechs Monaten gegen einen der 18.000 Kunden ausgesprochen werden. Derzeit seien sechs in Kraft.

Bisher wird eine Bewaffnung der Mitarbeiter abgelehnt, aber bestimmt nicht, um Hartz-IV-Bezieher nicht zu gefährden, sondern selbstverständlich nur, damit eine möglicherweise unverhältnismäßige Anwendung am Ende nicht zu einer strafrechtlichen Konsequenz für einen Arge-Mitarbeiter führen kann. Diese öffentlichen Überlegungen sind ein herablassender Affront, eine ganze Kette von unverschämten Unterstellungen, Demütigungen und völligen Verdrehungen gegenüber ALG-II-Beziehern! Aber solch ein Gehetze gilt ja als salonfähig und dient wie bisher der allgemeinen Sündenbockfindung und -bedienung! Nein, die Betroffenen „befürchten“ keineswegs nur, sie wissen, dass es Schwierigkeiten mit dem Vermieter geben kann! Nein, sie wissen, dass sie Probleme kriegen werden: Schwierigkeiten, den Strom zu bezahlen, die Schulfahrkarte, die Telefonrechnung, die vorgeschriebenen Bewerbungen, die Lebensmittel und so weiter!

Stellen diese öffentlichen Überlegungen den Beginn einer unheilvollen Entwicklung dar? Vom Pfefferspray zu was? Um die Unverhältnismäßigkeit der Arge-Mitarbeiter kümmert man sich im Alltag sonst auch nicht, daher ist dieser Grund nur vorgeschoben. Einzig das Strafrecht lässt die Herrschaften noch zögern. Na, aber was soll’s. Durchs SGB II wurde das Grundgesetz geschreddert, da sollte doch so ein kleines StGB schnell zu bewältigen sein! Hat man diese kleine Hürde erst genommen, steht der vollkommenen Selbstjustiz nichts mehr im Wege. Bei der hier aufgezeigten Verfolgungsbetreuung wird wie üblich nicht etwa die Arbeitslosigkeit bekämpft, sondern mal wieder der oder die Erwerbslose! Es stellt sich immer wieder als ungemein gefährlich heraus, Menschen den Zugang zu Waffen zu ermöglichen, die nachgewiesenermaßen über keinerlei soziale Kompetenzen verfügen. Menschen mit sozialen Kompetenzen benötigen keine Waffen!

 

5. Aus einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 3. März 2009 geht hervor, dass erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ein Mehrbedarf für Alleinerziehende zugestanden werden kann, auch wenn sie sich in der Betreuung ihres Kindes mit ihrem geschiedenen Ehepartner abwechseln. In dem zugrunde liegenden Fall gestanden die Richter einer Mutter einen hälftigen Mehrbedarf zu. Der von ihr geschiedene und getrennt lebende Vater hatte die Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes in größeren, mindestens eine Woche umfassenden zeitlichen Intervallen übernommen. Die anfallenden Kosten teilten sich die Eltern in etwa hälftig.

Der genannte Mehrbedarf werde unabhängig von der konkreten Höhe in Form einer Pauschale gewährt, denn in der Zeit, in der sich die Tochter bei ihrer Mutter aufhalte, erziehe die Mutter das Kind allein. Es sei rechtlich in einer derartigen Situation weder angemessen, hilfebedürftigen Arbeitslosen den Mehrbedarf wegen Alleinerziehung gänzlich zu versagen, noch sei es sachgerecht, ihnen den vollen Mehrbedarf zuzubilligen. Aber auch bei wechselnder Betreuung sind höhere Aufwendungen nötig. So hätten Alleinerziehende typischerweise weniger Zeit, um preisbewusst einzukaufen. Auch fielen bei ihnen oft Kosten für Kinderbetreuung an, wenn sie selbst Außenkontakte pflegen wollten, Behördengänge zu erledigen hätten oder zu Arztbesuchen gezwungen seien. So ist die Zuerkennung des hälftigen Mehrbedarfs gerechtfertigt.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend) – siehe auch „Die Linke
 
Am Freitag, dem 20. März 2009, findet im „Kulturzentrum Schlachthof“, Findorffstraße 51, von 9 bis 16 Uhr der Ein-Euro-Job-Aktionstag mit vielen Infos und Diskussionen statt. Veranstalter ist der Gesprächskreis „Ein-Euro-Job Konflikt“ bei der „Blauen Karawane“. Die „Bremer Arbeit GmbH“ hat die Veranstaltung als Fortbildung anerkannt.
 
Jobcenter-Chaos: Erste Auflösungserscheinungen
schon im Frühjahr? („Der Westen“)

 

Boni und Entlassungen
vor dem Sturm

Wolfgang LangeVor sechs Jahren, am 14. März 2003, verkündete Gerhard Schröder seine Agenda 2010. Ziehen wir Bilanz: Es gab eine massive Rentenkürzung, die Heraufsetzung des Rentenalters, niedrigere Un­ternehmer-, aber höhere Massensteuern (allein die Mehrwertsteuer stieg von 16 auf 19 Prozent), einen Abbau des Arbeitslosengeldes und eine Verkürzung der Bezugsdauer, die Einschränkung der Krankenkassenleistungen, die Lockerung des Kündigungsschutzes, Zwangsarbeit für Jugendliche, Lohndumping durch das Leiharbeitergesetz (90 Prozent aller Neueinstellungen sind Leiharbeiter, oft nur zu 50 Prozent oder weniger des bisherigen Lohns)!

Am 1. Januar 2005 folgte dann das „Meisterwerk“, Hartz IV: Millionen Menschen werden damit in die Armut gedrückt, mit Ein-Euro-Jobs wird Zwangsarbeit für alle Arbeitslosen eingeführt, es erfolgen Bespitzelung und Demütigung durch die Argen. Der heutige Kanzlerkandidat der SPD, Frank-Walter Steinmeier, meinte dazu, die SPD habe mit der Agenda 2010 gezeigt, wie man „verantwortlich das Land erneuern“ könne. Auf der Leipziger Buchmesse verkündete er das bei Vorstellung seines Buches „Mein Deutschland“.

Dass zwischenzeitlich die Arbeitslosigkeit gesunken war, hat zum einen die Ursache, dass es tatsächlich einen Aufschwung der Weltwirtschaft in den letzten drei Jahren gab. Zum anderen aber entstanden die neuen Arbeitsplätze größtenteils im Niedriglohnsektor. Es wurden auch immer neue Tricks angewandt, um die Statistik zu verschönern. Mit Beginn der globalen Wirtschaftskrise ist das vorbei: Die Arbeitslosigkeit steigt, Massenentlassungen finden bereits statt oder werden durch Kurzarbeit vorbereitet. Massenhaft steigt weltweit aber auch der Protest.

Grund gibt es täglich – wenn man liest, dass ein Herr Zumwinkel, gerade erst mit einer Million Euro an Geldstrafe davongekommen, nun 20 Millionen von der Deutschen Post an Altersbezügen bekommt, die er dann in seiner Burg am Gardasee verprassen kann; wenn man liest, dass bei Volkswagen-Vorstand Winterkorn, Krise hin oder her, 12,7 Millionen Euro Sonderzahlung erhält, gegenüber 5,1 im letzten Jahr, und alle Vorständler zusammen über 45 Millionen Euro an Boni bekommen; wenn man hört, dass die Dividende für VW-Aktionäre (unter anderem also Porsche) um das Fünfzehnfache gestiegen ist.

Dann braucht man sich nicht zu wundern, dass die Kämpfe etwas rauer werden, so zum Beispiel bei Sony in Frankreich, wo die Arbeiter ihren Boss eingesperrt haben und die Tore mit Baumstämmen verriegelten, um gegen die geplante Entlassung von 300 Kollegen zu protestieren. Wie heißt es so schön? Wer Wind sät, wird Sturm ernten!

Wolfgang Lange ist Bremer Kandidat der MLPD (Offene Liste)
für die Bundestagswahl 2009

 
Am Freitag, dem 20. März, lädt um 19 Uhr die „Wählerinitiative
Wolfgang Lange“ zu einer Diskussion über Gesundheitspolitik
in die Gaststätte „Stella“, Erlenstraße 66 (Ecke Donaustraße).
 
Neues Reparaturkit für Hypothekenschrott: US-Notenbank druckt
eine Billion Dollar für Finanzmärkte („Spiegel-Online“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz