214. Bremer Montagsdemo
am 12. 01. 2009  I◄◄  ►►I

 

Ich möchte mir bescheidene Wünsche erfüllen können, wenn ich einer Vollzeitarbeit nachgehe!

Elisabeth Graf1. Der Sprecher der „Nationalen Armutskonferenz“, Pfarrer Wolfgang Gern, kritisiert die steigende Kinderarmut. Seit Einführung von Hartz IV hat sich die Zahl der Kinder in Familien mit einem Einkommen in Höhe des Existenzminimums auf 2,2 Millionen verdoppelt. Er hält es für nicht hinnehmbar, dass sogar drei Millionen der insgesamt 14,5 Millionen Kinder und Jugendlichen in diesem reichen Land in Armut leben. Daher müsse der Kinderregelsatz bei Hartz IV um mindestens 20 Prozent erhöht werden. Außerdem müsse Lernmittelfreiheit für Schüler ebenso Standard werden wie ein kostenloses Mittagessen an Schulen. Die finanzielle Not der Kinder und Familien in Deutschland sei ein „Armutszeugnis für unsere reiche Gesellschaft“.

Gern setzte sich zudem für einen gesetzlichen Mindestlohn ein. Niemand dürfe trotz Arbeit arm sein. Nach dem dritten staatlichen „Armuts- und Reichtumsbericht“ sei jeder vierte Mensch in Deutschland arm oder von Armut bedroht. Die milliardenschweren Finanzhilfen für die deutsche Wirtschaft dürften die soziale Not nach Ansicht der Konferenz nicht verschärfen. „Wir brauchen Rettungspakete für den Sozialstaat“, sagte Gern. „Es ist skandalös, dass, nachdem jahrelang Gewinne immer stärker individualisiert wurden, die Verluste nun sozialisiert werden sollen.“

 

2. Auch in Duisburg ist inzwischen jedes dritte Kind arm. Dieser traurige, ja beschämende Rekord hat sich inzwischen in vielen deutschen Großstädten eingebürgert. Scheinbar gewöhnen wir uns daran, immer häufiger in den Zeitungen davon zu lesen, aber es wird nichts an diesen Zuständen verändert! Nüchterne Zahlen belegen die soziale Schieflage der Stadt, in der 70.000 Menschen von staatlichen Zuwendungen leben. Jedes dritte Kind unter 15 Jahren erhält Sozialgeld oder ist abhängig von Hartz-IV-Leistungen an die Eltern. Nur 28 Prozent der Schüler in den siebten Klassen besuchen in Duisburg ein Gymnasium. Bildungsgrad und soziale Herkunft der Eltern bestimmen den Bildungsweg der Kinder. 83 von 100 Akademiker-Kindern schafften den Sprung an die Hochschule. Genossen die Eltern keine akademische Bildung, besuchten nur 23 Kinder die Uni.

Es vergeht kaum ein Tag, an dem die Mitglieder der Gemeinde bei ihrem Pfarrer nicht Rat suchen im Kampf gegen die Armut. Die Gemeinde finanziert einen Treffpunkt, um soziale Kontakte zu schaffen und das Selbstbewusstsein der Erwerbslosen zu stärken. Der Verlust an Selbstachtung und Wertschätzung von außen sei für viele schwer zu verkraften. Viele haben sich aufgegeben; sie ertragen es nicht mehr, für überflüssig gehalten zu werden. Ganz so wichtig kann die Befindlichkeit der Erwerbslosen jedoch nicht sein, weil eine professionelle Beratung nicht mehr möglich ist, seit die Landesmittel gestrichen wurden.

 

3. Zum zweiten „Konjunkturpaket“ gehört zwingend die Forderung, dass die Re­gelleistungen für Kinder von Hartz-IV-Beziehern endlich erhöht werden, denn auch Erwerbslose sind Konsumenten! Es ist ökonomisch weder logisch noch sinnvoll, die geplanten Geldgeschenke allein den Steuer- und Beitragszahlern zugute kommen zu lassen. Wenn die Binnennachfrage gestärkt werden soll, ist der Konsum von Erwerbslosen hierfür mindestens so geeignet wie der Konsum aller anderen Bevölkerungsgruppen. Ohnehin war es noch nie logisch oder moralisch zu begründen, dass Kinder und Jugendliche nur 60 bis 80 Prozent eines Regelsatzes für Erwachsene bekommen, obwohl ihr tatsächlicher Bedarf den ihrer Eltern fürs Essen oder wachstumsbedingt bei der Bekleidung bei Weitem übersteigt.

Nun befürchtet die Große Koalition, dass bei einer Erhöhung von Hartz IV das sogenannte Lohnabstandsgebot nicht eingehalten werden kann, demzufolge mehr Geld haben soll, wer einer Erwerbsarbeit nachgeht, als jemand, der dies nicht tut. Doch eine menschenwürdige staatliche Unterstützung, die diesen Namen noch verdient, lässt sich nicht mehr unter das katastrophal mickrige Niedrigstlohnniveau pressen. Es wird allerhöchste Zeit, dass in Deutschland endlich mal verstanden und umgesetzt wird, dass die Löhne dringend auf mindestens zehn Euro netto steigen müssen, damit die explodierenden Lebenshaltungskosten hiervon bezahlt werden können und darüber hinaus auch mal ein kleiner Jahresurlaub mit der Familie an der Nordsee drin ist und ein Auto finanziert werden kann.

Solche bescheidenen Wünsche möchte ich mir erfüllen können, wenn ich einer Vollzeitarbeit nachgehe! Außerdem wird beim Gekreisch um die Einhaltung des Lohnabstandsgebotes immer so getan, als ob Erwerbsfähige es sich aussuchen könnten, arbeiten zu gehen oder Hartz IV zu beziehen. Diese Menschen haben ihre Arbeit größtenteils verloren, weil Betriebe Pleite gingen! Außerdem gibt es nicht genügend Arbeitsplätze für alle, die arbeiten wollen. Das kann gar nicht oft genug wiederholt werden!

 

4. Dank einer Neuregelung der Gesundheitsreform sind Zehntausende von Kindern ohne vollen Krankenkassenschutz. Weil viele Geringverdiener mit Kassenbeiträgen in Rückstand sind, verlieren demnach auch deren Familienangehörige ihren Anspruch auf Behandlung im Krankheitsfall. Weil aber zur Abwehr von Notfällen die Behandlung von akuten und schmerzhaften Erkrankungen weiterhin bezahlt werde, verwehrte sich der Sprecher des Gesundheitsministeriums gegen jegliche Kritik. Dabei hatte die Große Koalition mit diesem neuen Gesetz doch eigentlich die Zahl der Nichtversicherten verringern wollen!

Völlig zu Recht kritisiert der Vorstandsvorsitzende der AOK die Praxis, Kinder für die Versäumnisse ihrer Eltern zu bestrafen. Nichtsdestotrotz behauptet der Sprecher des Gesundheitsministeriums allen Ernstes, die Reform habe das Ziel erreicht, das Fehlen eines Krankenversicherungsschutzes zu vermeiden. Ganz toll, wie hier eine Minimalversorgung als geglückte Reform für alle verkauft werden soll! Ich bin über alle Maßen empört über dieses Schweinesystem! Als ob es irgendwie hinzukriegen sein müsste, den gesamten asozialen Mist aus den USA hierher zu importieren!

 

5. In Chemnitz plant die Stadt eine sogenannte Jobinitiative für Alleinerziehende. Abgebrochene Schulausbildung, kein Beruf, Arbeitslosigkeit: Besonders alleinerziehende Mütter sehen sich mit nahezu unüberwindbaren Problemen und erheblicher Armut konfrontiert. Die Sozialbürgermeisterin Heidemarie Lüth von der Linkspartei will mit der dortigen Arge ein gemeinsames Job-Projekt auf die Beine stellen. Ein Grund für die fehlenden beruflichen Perspektiven der meist jungen Frauen seien die unflexiblen Betreuungszeiten, weil sich eben nicht alle Jobs mit den Öffnungszeiten der Kitas unter einen Hut kriegen lassen. Den etwa 1.400 erwerbslosen Alleinerziehenden soll nun mit diesem neuen Job- und- Ausbildungsprogramm geholfen werden. Neugierde und Spannung wachsen, was denn da für ein probates Hilfsangebot ausgearbeitet worden ist!

Doch die Enttäuschung ist groß, als ich lese, die Stadt wolle sich für die Sprösslinge der Frauen um flexiblere Kinderbetreuung bemühen, die Arge zudem unter anderem Hauptschulabschlüsse finanzieren und natürlich Ein-Euro-Jobs vermitteln. Hurra, noch so eine Wunder-Maßnahme, bei der wieder alles ganz anders wird! Ein mehr als heftiges Armutszeugnis für „Die Linke“! Die ewig neu aufgewärmten arbeitsplatzvernichtenden Ein-Euro-Jobs als Heilmittel zu verkaufen, ist katastrophale Verarschung pur! Inzwischen ist es doch sogar schon bei der DGB-Spitze angekommen, dass sie der letzte Mist sind und überhaupt nichts gebracht haben! Wie damit qualifiziert werden soll, möchte ich auch bitte mal erklärt bekommen. Was soll jemand denn heute noch mit einem Hauptschulabschluss anfangen? Der taugt doch höchstens als Zwischenschritt, als Aufbaumaßnahme, auf die noch ganz viel draufgestapelt werden muss, um eine Chance zu bekommen. Eine große Portion heiße Luft bitte, aber mit Mayonnaise!

 

6. Die deutsche Jugend ist offenbar politischer als ihr Ruf. Rechte wie linke Gruppen erleben solch einen Zuspruch, dass selbst eine Rebellion als nicht mehr ausgeschlossen erscheint. Verglichen mit den jungen Erwachsenen aus anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Italien oder Griechenland, die den Konflikt mit dem politischen Establishment suchen, verhält sich die deutsche Jugend bisher geradezu handzahm. Sie sei heute überaus leistungsbereit und geradezu unjugendlich pragmatisch. Schließlich ist sie mit steigenden Arbeitslosenzahlen und düsteren Reformdebatten aufgewachsen und bekam somit früh ein globales Problembewusstsein eingetrichtert. Daher ist es kein Wunder, dass sich heute über 70 Prozent der Unterdreißigjährigen vor Arbeitslosigkeit, vor einem Steckenbleiben im „abgehängten Prekariat“ fürchten. Die Angst ist ihr täglicher Begleiter, wenn in Jugendzeitschriften davor gewarnt wird, dass es jeden treffen kann und durch die herrschende Krise alle zu Erwerbslosen auf Bewährung gemacht werden.

Während ich mich in meiner Jugend mit der Frage meiner Selbstfindung herumschlug, scheinen sich die heutigen jungen Erwachsenen eher dafür zu interessieren, wie viel sie wert sind! Wenn nicht die Leistung zählt, was dann? So herrscht völlige Verunsicherung. Wenn ein Rekordwert an Leistungsbereitschaft auf ein Gemeinschaftsgefühl von Chancenlosigkeit trifft, erscheint eine Jugend­rebellion, um eventuell auf der Straße für bessere Chancen und mehr Unterstützung zu kämpfen, nicht mehr als so unwahrscheinlich. Die Demonstranten gegen die Castor-Transporte oder beim Protest gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm waren größtenteils auch sehr jung.

Durch das menschenverachtende Hartz IV und die ausgrenzenden Studiengebühren hat die soziale und finanzielle Spaltung stark zugenommen. Immer mehr Kinder und Jugendliche wachsen in kümmerlichsten Verhältnissen auf und haben gleichzeitig immer weniger Chancen, diesem staatlich gezüchteten Elend zu entkommen. Links- und Rechtsradikale werden sich nicht zusammentun, aber Studenten, Schüler, Arbeitslose und Leiharbeiter könnten sich bei zunehmend gleicher Betroffenheit solidarisieren. Das lässt ja noch hoffen! Ich frage mich schon lange, wie viel rasant wachsende Ungerechtigkeit und Aussichtslosigkeit „die deutsche Jugend“ noch hinnimmt, bis sie endlich mal reagiert und sich wehrt!

 

7. Der britische Inlandsgeheimdienst warnt vor sozialen Unruhen. Demnach befinde sich Europa geschichtlich an einem Wendepunkt, wo sich soziale Spannungen und Instabilität abzeichneten. Die Angst vieler Briten vor neuen islamistischen Terroranschlägen sei übertrieben gewesen: Europa werde an Macht und Einfluss verlieren, und dieser Verlust führe dann zu sozialen Spannungen. Darauf müsse sich die Politik vorbereiten. Es reiche nicht aus, sich nur darüber den Kopf zu zerbrechen, welche Auswirkungen die sich verschärfende Rezession auf die innere Sicherheit haben werde.

Nicht zuletzt deshalb verwundern mich auch Schäubles Vorstöße nicht. Es liegt nun an den Eliten, ihre Macht entweder dafür einzusetzen, sich abzuschotten und somit einen sicheren sozialen Krieg anzuzetteln, oder dafür, dass mehr als nur die Hälfte der Bürger überhaupt ein Einkommen erzielen kann, von dem sie ohne große Probleme leben können, wie der überwiegende Teil in Deutschland und Europa auch. Bisher ist es ja leider überwiegend so, dass die kurzsichtige dummgeile Geldgier über allem steht. Es heißt „Nach mir die Sintflut“ anstelle von klugem Mitgestalten einer zukunftsfähigen und l(i)ebenswerten Gesellschaft, sobald dies für den einzelnen Bessersituierten etwas Verzicht bedeuten könnte.

Elisabeth Graf (parteilos, aber Partei ergreifend)
 
Gerechtigkeit à la Schnatterinchen: 35 Euro für Hartz-IV-Schulkinder,
2.500 Euro für Neuwagenkäufer („Die Welt“)
 
Willkürstaat: „Es existiert kein Recht, welches den Gesetzgeber zwingt, rational und nachvollziehbar zu argumentieren“ („Sozialgerichtstag“)

 

Die dreiste Kriegspropaganda
der Bremer Presse

Wieland von HodenbergAls ich am Wochenende die Sonntagsausgabe des „Weser-Kurier“ aufschlug, traute ich zunächst meinen Augen nicht: Da wurde doch tatsächlich ganz unverhohlen Propaganda für eine deutsche Beteiligung von Zivilisten an Irakkriegs-Übungen der US-Streitkräfte gemacht! Unter der fetten Überschrift „Aufrührer im Dienst der US-Army“ schildert ein deutscher Teilnehmer enthusiastisch seine Erlebnisse in einem Militärcamp, wo er in pseudorealistischer Bagdad-Kulisse zusammen mit 400 Statisten einen „irakischen Aufständischen“ zu mimen hatte – und lobte in den höchsten Tönen den perfekten Begleit-Service der Amerikaner: viel Geld, feinstes Essen und eine kostenlose An- und Abreise. Für die Dauer der Übung hatten alle Teilnehmer allerdings striktes Redeverbot. Am Schluss des Artikels fügte der „Kurier am Sonntag“ in Fettdruck sogar die Termine der nächsten „Castings“ an!

Mit 90 Euro pro Tag und insgesamt 1.900 Euro für die Drei-Wochen-Übung werden zivile Aspiranten hier in Bremen für diesen dreisten Unfug geködert! Ich finde es ungeheuerlich, mit welcher Unverfrorenheit in dieser Zeitung für Kriegsübungen der USA Werbung gemacht und damit der allgemeinen Militarisierung der Gesellschaft Vorschub geleistet wird! Es ist schon schlimm genug, dass Offiziere der Bundeswehr völlig ungeniert in Schulen auftreten und in den Arbeitsagenturen, die Not der Erwerbslosen schamlos ausnutzend, künftige Soldaten für ihre Auslandseinsätze werben! Hier in Bremen müsste zumindest an den Schulen das rot-grüne Bildungsressort solche Machenschaften strikt unterbinden! Es ist anzunehmen, dass demnächst auch die Bundeswehr solch haarsträubende Übungen mit Zivilmenschen veranstalten wird. Schäuble, Jung und Konsorten haben die Voraussetzungen hierfür bestimmt längst geschaffen!

Wieland von Hodenberg („Bremer Friedensforum“, „Solidarische Hilfe“)

Sehr geehrte Damen und Herren, was ist eigentlich in Ihre Redaktion gefahren? Zweimal hintereinander – am 11. und 15. Januar 2009 – wird in dieser Zeitung ganz unverblümt Reklame für das „Mitspielen“ von Bremer Zivilmenschen bei Kriegsübungen der US-Streitkräfte gemacht, diverse „Annehmlichkeiten“ inbegriffen. Viele Menschen werden jetzt Ihre Artikel als regelrechte Ermunterung zur Teilnahme an solch haarsträubendem militaristischen Unfug auffassen! Dass die Militärs ihre auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse in den jeweiligen Einsatzgebieten auf blutige Weise umsetzen werden, wird natürlich nicht gesagt. Ich bin entsetzt und empört über diese offensichtliche Kriegpropaganda in Ihrem Blatt! Mit freundlichen Grüßen.

Leserbrief von Detlef W. Hoyenheim an den „Weser-Kurier“
 
Bombenstimmung: Die seltsame Liebe zur Maschinerie
des Jüngsten Gerichts („Classic Cinema Online“)
 
Islamismus: „Für die Palästina-Frage gibt es keine andere
Lösung als den Heiligen Krieg“ („Jungle World“)
 
Unter dem Motto „Stoppt den Krieg in Gaza – für einen gerechten Frieden im Nahen Osten“ veranstaltet das „Bremer Friedensforum“ am Samstag, dem 17. Januar 2009, um 11 Uhr eine Mahnwache vor dem Dom.

 

Dem Staat ist die Krankenversicherung zu teuer geworden

1. Ich bedanke mich bei AOK und DAK für die „Informationen zum Jahreswechsel“! Daraus hier Ausführungen zum Gesundheitsfonds. Dieser wird von beiden Krankenkassen abgelehnt. Zweimal ist der Sachverständigenrat komplett zurückgetreten, es haben sich jedoch wieder neue Sachverständige gefunden. Über ihre Spitzenverbände haben die Krankenkassen die Planungen für den Gesundheitsfonds mit viel Sachverstand kritisiert. Der Gesetzgeber hat daraufhin einen neuen Verband geschaffen, in dem alle gesetzlichen Krankenkassen zwangsweise Mitglied sind. So werden Interessen des Ministeriums durchgesetzt! Die AOKs haben ihren Dachverband nunmehr in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts umgewandelt. Die Regierung muss somit weiterhin mit Gegenwehr rechnen. Dies ist auch dringend notwendig!

Hans-Dieter BinderArbeitnehmer mit befristeten Verträgen unterhalb von zehn Wochen haben zum 1. Januar 2009 ihren Anspruch auf Krankengeldzahlungen durch die Krankenkassen per Gesundheitsfonds-Gesetz verloren. Die Krankenkassen halten sich mit den angebotenen Zusatzversicherungen bedeckt, siehe vorhergehende Bremer Montagsdemos. Ebenso haben die bei gesetzlichen Krankenkassen versicherten Selbständigen zum 1. Januar 2009 ihren Anspruch auf Krankengeldzahlungen durch die Krankenkassen per Gesundheitsfonds-Gesetz verloren, obwohl sie den Anspruch auf Krankengeld ausdrücklich vereinbart hatten. Auch hier halten sich die Krankenkassen mit den angebotenen Zusatzversicherungen bedeckt. Für beide Gruppen ist ein ausführlicher Preisvergleich angebracht. Zusätzlich benachteiligt sind die älteren Versicherten, weil die notwendige Zusatzabsicherung die Tarife nach Risiko gestaltet, das heißt alle zahlen mehr – und Alte und Menschen mit Risiko zahlen noch mehr! Gegenwehr eines jeden einzelnen ist möglich! Wie dies geht? Wir gehen mit!

Der Gesundheitsfonds bringt aber auch lange überfällige Verbesserungen in Bereichen, die dem Staat einfach zu teuer wurden. So musste das Sozialamt notwendige Krankenhauskosten zahlen. Circa 300.000 Menschen hatten im Jahr 2008 keinen Krankenversicherungsschutz. Hinzu kamen die Leistungen des Sozialamtes aufgrund der hohen Beiträge für die private Krankenversicherung – trotz Leistungsausgrenzung! Ich habe Beitragsrechnungen für einen solchen Krankenversicherungsschutz über 2.000 DM gesehen. 2.000 DM monatlich, obwohl alle akuten auffällig gewordenen Risiken ausgeschlossen waren, siehe vorherige Bremer Montagsdemos. Eine teure Angelegenheit für die Versicherten der PKV und letztendlich für die Sozialämter! Wer kann solche Beiträge bezahlen?

Jetzt besteht eine Krankenversicherungspflicht für alle, ab 1. April 2008 in der GKV, ab 1. Januiar 2009 in der PKV. Alle Krankenkassen müssen die vorher bei ihnen Versicherten, die jetzt ohne Krankenversicherungsschutz sind, wieder aufnehmen. Bereits seit 1. Juli 2007 und bis zum 30. Juni 2009 müssen die privaten Krankenversicherungen die vorher bei ihnen Versicherten in den Basistarif aufnehmen. Die in der vorherigen Versicherungszeit vereinbarten Risikozuschläge dürfen nicht erhoben werden! Dieser Basistarif muss jetzt dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Krankenkassen entsprechen. Negative Abweichungen sind nicht mehr zulässig! Er darf auch nicht über dem Beitragssatz der gesetzlichen Krankenversicherungen liegen. Diese erheben keine Risikozuschläge.

Ein Beitragsrückstand ist kein Kündigungsgrund mehr! Hierbei kann die PKV den Versicherten in den Basistarif umstufen. Der Leistungsanspruch ruht, aber akute Erkrankungen und Schmerzzustände sowie Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft sind vom Ruhen ausgenommen. Das Ruhen endet, wenn alle rückständigen Beiträge gezahlt sind oder der Versicherte ALG II, Grundsicherung im Alter oder Sozialgeld beantragt, weil er hilfebedürftig ist. Er hat jetzt trotz Beitragsrückstand uneingeschränkten Leistungsanspruch!

Jeder Versicherte kann seinerseits bis zum 30. Juni 2009 die Umstufung in den Basistarif verlangen. Wenn er eine andere private Versicherungsgesellschaft vorzieht, kann er dorthin in den Basistarif wechseln und sein angespartes Guthaben mitnehmen. Danach kann nur noch eine Umstufung in den Basistarif der eigenen PKV verlangt werden und dies auch nur, wenn der Versicherte das 55. Lebensjahr vollendet hat oder Anspruch auf gesetzliche Rente beziehungsweise Beihilfe besteht oder wenn er finanziell hilfebedürftig ist. Die PKV muss alle seit dem 1. Juli 2007 mit Rückkehrern oder Menschen ohne Krankenversicherungsschutz, die vorher privat versichert waren, abgeschlossenen Verträge automatisch auf den Basistarif umstellen.

Durch die Umstufung in den Basistarif müssen die Sozialämter nicht mehr die hohen Prämienrechnungen der privaten Krankenversicherung übernehmen. Beim ALG II war bereits eine Begrenzung eingebaut, zum Nachteil der Hilfebedürftigen! Durch die Verpflichtung der PKV, Verträge rückwirkend zum 1. Juli 2007 abzuschließen, können die Ämter dies tun und im Gegenzug die Erstattung der übernommenen Behandlungskosten fordern. Dies gilt auch für Menschen, die ihre Behandlungskosten selbst gezahlt haben.

Ein Beitragsrückstand führt nun nicht mehr zur Kündigung des Krankenversicherungsschutzes. Jeder kann und sollte bei seiner Krankenkasse den Vertrag wieder aufleben lassen und damit wenigstens den eingeschränkten Versicherungsschutz bei akuten Erkrankungen sichern. Jeder sollte sich gegen Beitragsforderungen für die Vergangenheit wehren, weil die Rechtslage noch ungeklärt ist. Dies gilt auch für Forderungen der GKV seit Einführung der Krankenversicherungspflicht in derselben, weil das eine Benachteiligung gegenüber PKV-Versicherten ist. Jeder kann auch zurückkehren, wenn er seinen aktuellen Beitrag nicht zahlen kann. Er erhält die Absicherung für akute Erkrankungen, siehe oben. Wer keine Krankenversicherung hat, erhält ALG II ohne Krankenkassenbeitrag. Dieser Mensch kann sich bei seiner ehemaligen Versicherung wieder versichern lassen und den Beitrag bei der Arge beantragen.

Wer wieder in die PKV zurückkehrt, kann den Basistarif vereinbaren und ist seine Risikozuschläge los. Wer ALG II oder eine andere Leistung für Hilfebedürftige bezieht, kann sofort in den Basistarif und muss keine Differenzbeträge mehr aus dem Schonvermögen zahlen. Wer eine private Krankenversicherung hat, sollte seinen Tarif genau prüfen und abwägen, ob die Leckerlis die eventuellen negativen Abweichungen vom GKV-Versicherungsschutz aufwiegen.

Alle Ausführungen über den Krankenversicherungsschutz der GKV gelten auch für Familienversicherte, also Kinder und Partner. Wer zur PKV wechseln will, muss nach wie vor abwägen, denn die Versicherung von Familienmitgliedern ist unterschiedlich. Die Regelungen für Mutterschaft und andere Lohnersatzleistungen sind abweichend. Der Zugang zur Krankenversicherung der Rentner ist eventuell durch den Wechsel nicht mehr möglich. Der Beitrag für eine freiwillige Versicherung in der GKV beträgt 268,28 Euro. Dies ist auch der Beitrag für den Basistarif der PKV. In der Krankenversicherung der Rentner und auch in der GKV gibt es keinen Mindestbeitrag. Der Beitrag wird nach dem tatsächlichen Einkommen aus Arbeitslohn oder Rente errechnet. Eine Deckelung findet nur nach oben statt, durch die Beitragsbemessungsgrenzen. In der PKV sind die Beiträge einkommensunabhängig, aber risikoorientiert.

Trotz aller augenblicklichen Nachteile für die PKV ist der Gesundheitsfonds die Basis für die Umstellung von der bisherigen gesetzlichen Gesundheitsvorsorge zu privaten Versicherungen. Auch die eingangs erwähnten Versicherungen für Krankengeld dürfen nicht von den gesetzlichen Krankenkassen angeboten werden: Diese Verdienstmöglichkeit bleibt den privaten Versicherungen überlassen. Einmal mehr wird die Weichenstellung der Lissabonner Strategie Wirklichkeit! Die PKV hat trotzdem Verfassungsbeschwerde erhoben: Sie möchte diesen Preis nicht zahlen. Ob die PKV die Richter überzeugen kann? Ausführungen dieser Art sind sicherlich nicht dazu geeignet: „Wenn ein gut verdienender PKV-Versicherter sich in den Basistarif umstufen lässt, wird sein Versicherungsschutz von den anderen weniger gut Verdienenden subventioniert.“ Stimmt genau! Aber dies ist in jedem Tarif der PKV so, weil die Beiträge einkommensunabhängig sind.

Wegen einer Regelungslücke in der Gesundheitsreform sind auch Zehntausende Kinder ohne Krankenversicherungsschutz. Dies ist ein weiterer Grund, Alleinerziehenden von der vorrangigen Beantragung von Wohngeld und Kinderzuschlag abzuraten, wenn sie mit Krankenversicherungsbeiträgen in Rückstand kommen. Geringverdienende sollten prüfen, ob Anspruch auf ergänzendes ALG II besteht und bei Verweis auf die Vorrangigkeit von Wohngeld und Kinderzuschlag auf die Vorteile beim Krankenversicherungsschutz verweisen. Die Arge kann dann ergänzend den Krankenkassenbeitrag übernehmen, auch wenn Kinderzuschlag und Wohngeld beantragt wurden. Dies gilt dann nicht als ALG-II-Bezug. Außerdem „heilt“ Hilfebedürftigkeit das Ruhen des Anspruchs trotz weiterem Beitragsrückstand. Verstehen muss dies niemand mehr.

Dass die Lohnnebenkosten sinken sollen, wurde auch zum Jahreswechsel 2009 nicht erreicht. Zu den Personalnebenkosten gehört auch der Aufwand für die Personalverwaltung. Diese ist per 1. Januar 2009 durch die Reform der Unfallversicherung wesentlich verkompliziert worden. Die Beiträge zu Unfallversicherung oder Insolvenzausfallgeld sind jetzt monatlich fällig. Die Unternehmen brauchen entsprechend mehr Liquidität. Wer aufgrund einer Abfindung nicht in die Familienversicherung aufgenommen wurde, kann dies rückwirkend einfordern. Die gezahlten Beitrag können zurückgefordert werden. Dies ist keine umfassende Darstellung. Wer betroffen ist, kann gern bei uns nachfragen. Wie dies alles geht? Wir gehen mit!

 

2. Noch kurz zur Finanzkrise. Die HSH-Bank wurde mit viel Steuergeldern vor dem Zusammenbruch gerettet, siehe vorherige Bremer Montagsdemos. Die Anteilseigner der HSH-Bank wurden so vor dem Vermögensverlust bewahrt. Laut „Weser-Kurier“ vom 8. Januar 2009 zahlt die HSH-Bank jetzt Dividende an ihre stillen Gesellschafter, die gerade vor dem hundertprozentigen Vermögensverlust bewahrt wurden, zulasten der Steuerzahler!

Das Cross-Border-Leasing hat wesentlich zur Finanzkrise beigetragen. Zur Erinnerung: Gemeinden haben ihr Rathaus verkauft und zurückgeleast, die Bahn hat Bahnhöfe verscherbelt. Die Bundesregierung lehnt jegliche Verantwortung ab und sieht keinen Änderungsbedarf. Auch für die Deutsche Bahn, die zu hundert Prozent im Besitz der Bundesregierung ist, sieht sie keine eigene Verantwortung.

Die Verlierer der Finanzkrise sind die Arbeitnehmer weltweit! Allein die Citigroup entlässt 52.000 Menschen. Der Verlust an Arbeitsplätzen in Deutschland wird nicht durch die Änderung der Kurzarbeit und alle anderen Maßnahmen aufgehalten, nur abgemildert. Es fehlt scheinbar das Bewusstsein, dass Leiharbeiter Arbeitnehmer sind und ihre Entlassung genauso zu beurteilen ist wie die Entlassung von anderen Mitarbeitern! Die Statistik über die Entwicklung des Arbeitsmarktes wird weiterhin zur Verschleierung der tatsächlichen Lage missbraucht.

 

3. Beim Arbeitslosengeld II wird Bremen die Stundenzahl für Ein-Euro-Arbeits­verhältnisse auf 30 Stunden reduzieren. Zukünftig soll es auch Stellenbeschreibungen geben. Augenblicklich und in der Vergangenheit sind und waren alle Zuweisungen für Ein-Euro-Jobs rechtsungültig! Wer mit einer Sanktion rund um ein Ein-Euro-Arbeitsverhältnis bestraft wurde, kann dies auch nachträglich angreifen. Die Wahrscheinlichkeit der Aufhebung oder Nachzahlung ist hoch. Wie dies geht? Wir gehen mit!

Gleichzeitig sollten alle Betroffenen über ihren öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nachdenken. Tariflohn ist einforderbar. Wie dies geht? Wir gehen mit! Ab 1. Januar 2009 haben Widerspruch und Klage gegen die Zuweisung zum Ein-Euro-Job keine aufschiebende Wirkung mehr: Mensch muss hingehen, aber Gegenwehr ist möglich. Wie dies geht? Wir gehen mit!

Wer ALG II bezieht und einen Rentenanspruch hat, muss mit 63 diese Rente beantragen. Die Abschläge gelten als zumutbar. Auch hier gibt es kein Wenn ohne Aber: Wer eine Rente erhält, die geringer ist als sein ALG II, muss die Rente bisher nicht beantragen. Gegenwehr ist also möglich! Wie dies geht? Wir gehen mit!

Auch in Bremen ist nun das Sozialgericht zuständig für Klagen zum ALG II. Eingliederungsvereinbarungen per Verwaltungsakt dürfen nicht willkürlich erfolgen. Eine Mitwirkung ist weiterhin möglich, aber Widerspruch und Klage bleiben ohne aufschiebende Wirkung. Darum Montagsdemo, Kopf zeigen: Ich will die Zukunft positiv gestalten!

Hans-Dieter Binder („Die Linke“)
 
„Ich würde mich schämen“: Deutsche Bank
macht Milliardenverlust („Spiegel-Online“)
 
Spektakuläre Pleite: Wagen aus den Bremer Borgward-Werken gehörten in den Fünfzigern zu den begehrtesten Autos in Deutschland („Spiegel-Online“)
 
Fahrlässige Tötung: „Pistensau“ Althaus beantwortet Genesungswünsche,
lässt sich aber nicht zum Unfallhergang befragen („Spiegel-Online“)
 
Nichtwähler sind stärkste Partei: Die angeblichen Volksparteien kommen
in Hessen gemeinsam nur noch auf 61 Prozent („Spiegel-Online“)
 
„Die Linke“ stabil, FDP rettet Lügen-Koch: Schiefer Humpel und
Ypsi-Püppsimittendurch zerrissen(„Spiegel-Online“)
 
Schluss mit Durchregieren: Große Koalition verliert
Mehrheit im Bundesrat („Focus“)
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz