21. Bremer Montagsdemo
am 10. 01. 2005  I◄◄  ►►I

 

Politiker und das „kleine Volk“

Ursula GatzkeVielen Politikern möchte ich auf die Finger klopfen! Ihr seid wohl nur dafür da, euch die Taschen vollzustopfen?

Eure Habgier ist ein Virus, eine Krankheit, von der ihr schon über so viele Jahre befallen seid, dass ihr selber gar nicht mehr merkt, wie krank ihr seid und dass ihr bereits ein ganzes Heer von Menschen angesteckt habt!

Ihr besitzt auch nicht das Mittel, euch selber zu heilen. Das aggressive Virus steckt so tief in euch drin, dass nur eine „Radikalkur” euch davon befreien kann!

Wo gibt es das „Rizinusöl“ für Politiker, die Völlerei betreiben und sich nicht mit ihren Diäten bescheiden? Für alle, die heimlich Nebenjobs haben, die nur kurz die Anwesenheitsliste ausfüllen und sich dann kriminell bereichern an Spesengeldern für Speisen, Hotel und Reisen?

Würdet ihr doch in die Klinik gehen und es mal selber trinken, dieses Abführmittel namens „Hartz IV“! Dann hätten wir bald bessere, frischere, ehrlichere und auch mutigere Politiker zum Regieren!

Viele Politiker werden zu schnell träge, faul, kriminell und sind zu feige, sich an ihrem eigenen „Speck“ zu kratzen! Doch die Menschen „unten“ kratzen sich schon die Knochen! Braucht ihr noch eine „Reinigungskur“, damit ihr das seht? Ab mit euch in die „Arbeiterrente“! Mehr habt ihr beim besten Willen nicht verdient!

Schlechte Arbeit und kriminell: Das würde „unten“ einen glatten Rauswurf bedeuten, ohne Abfindung, Weihnachtsgeld und „Extraleistungen“! Euch da „oben“ muss man mit „gleicher Härte“ und „gleichen Kürzungen“ bestrafen!

Ihr macht Gesetze! „Jeder Mensch“ ist vor dem Gesetz gleich zu behandeln! Seid ihr keine Menschen? Seid ihr von euren eigenen Gesetzen ausgenommen?

Schon jahrelang macht ihr für euch „eigene Gesetze“, das ist kriminell! Wir können uns auch keine eigenen Gesetze machen!

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, heißt es im Grundgesetz. Aber ihr tastet schon lange die Würde des Menschen an, wenn ihr uns nicht einmal unser selbst erarbeitetes Geld und unsere verdiente Rente zum Leben lasst!

Ab mit euch in die Klinik und „Rizinus“ rein in euch, damit ihr zur Besinnung kommt!

Ursula Gatzke (parteilos)

 

Das war Mord, Herr Röwekamp!

Am 27. Dezember 2004 wurde der 35-jährige Laye Kondé aus Sierra Leone in Räumen des Bremer Polizeipräsidiums ertränkt. Ein sogenannter „Arzt“ des ärztlichen Beweissicherungsdienstes von Doktor Birkholz hatte ihm zusammen mit zwei Polizeibeamten mittels einer Nasensonde gewaltsam so viel Wasser eingeflößt, bis die Lungen volliefen. Infolge Sauerstoffmangels führte dies zum Hirntod. Am 7. Januar 2005 verstarb Laye Kondé.

Hätte nicht ein hinzugezogener Notarzt Anzeige gegen den „Arzt“ des Beweissicherungsdienstes erstattet, wäre der Vorgang vertuscht worden. Es ist in Bremen also möglich, dass in der Zentrale der Polizei Menschen umgebracht werden, ohne dass daraufhin irgendwelche Ermittlungen eingeleitet werden. Innensenator Röwekamp belügt die Öffentlichkeit, indem er über eine Woche später behauptet, der Betroffene habe sich vergiftet und sei daher an seinem Tod selbst schuld.

Alle Verantwortlichen in Bremen kannten aufgrund zahlreicher warnender Stellungnahmen von Fachärzten die Risiken der Brechmittelvergabe. In den letzten Jahren gab es wiederholt Strafanzeigen gegen Polizeibeamte und Angehörige des ärztlichen Beweissicherungsdienstes. Dabei wurde stets dargelegt, dass die Art der Brechmittelvergabe sämtlichen medizinischen Standards widerspricht.

Das war Mord, Herr Röwekamp!Die polizeiliche Brechmittelvergabe hat bereits vor drei Jahren das Leben des 19-jährigen Nigerianers Achidi John gefordert, den eine Ärztin und mehrere Hamburger Polizisten auf ähnliche Weise umbrachten. Die Bremer Behörden sahen darin keinen Grund, ihre Praxis zu ändern.

Bereits 1995 hat Amnesty International die Maßnahme als erniedrigende unmenschliche Behandlung im Sinne der europäischen Menschenrechtskonvention qualifiziert und die Bremer Behörden deswegen verurteilt. Geht es um den EU-Beitritt der Türkei, ist die Einhaltung der Menschenrechte für Scherf, Röwekamp und Co. immer ein Thema. In Bremen werden sie von denselben Herren mit Füßen getreten!

Wir haben es hier also nicht mit einem ärztlichen Kunstfehler oder einer lediglich verunglückten Polizeiaktion zu tun. Dieser Todesfall war die logische Konsequenz einer seit Jahren von der Bremer Justiz und Polizei gnadenlos durchexekutierten Misshandlungspraxis, die sich fast ausschließlich gegen Afrikaner richtet. Er ist das Ergebnis einer politisch gewollten rassistischen Sonderbehandlung.

Die Hauptverantwortlichen für diese Folterpraxis sind Justizsenator Henning Scherf, der als Dienstherr der Staatsanwaltschaft die juristische Verantwortung trägt, Innensenator Thomas Röwekamp, dessen Polizei die Gewalttaten ausübt, sowie der Rechtsmediziner Birkholz und seine „Ärzte“. Wir fordern, dass die rassistische Polizeifolter in Bremen und anderswo ein Ende findet und dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden!

Wir trauern um Laye Kondé und rufen auf zu einer Demonstration am Samstag, dem 15. Januar 2005, um 11 Uhr am Hauptbahnhof Bremen. Brechmittel­einsätze sind Folter! Schluss mit rassistischer Polizeigewalt! Rücktritt von Innensenator Röwekamp!

Flugblatt des „Antirassismusbüros Bremen

 

Für den Erhalt der
Montagsdemo kämpfen!

Erich SeifertIch spreche jetzt zum 13. Mal auf der Bremer Montagsdemo, und diese 13 hat Symbolcharakter. Denn heute geht es nicht um Hartz IV, Agenda 2010 und nicht um Mut, Hoffnung und Tatkraft, sondern um uns als Montagsdemo!

Nicht genug, dass wir den etablierten Parteien in den Parlamenten ein Dorn im Auge sind, nein, die Gegner der Montagsdemo organisieren sich hier im „Bündnis gegen Sozialkahlschlag und Bildungsabbau“: Sie wollen die Montagsdemo einstellen und beerdigen!

Nicht zum ersten Mal müssen wir uns des Versuches erwehren, die Montagsdemo zu beenden. Immer wieder wurde schon in der Vergangenheit dieser Angriff unternommen – bislang vergeblich, weil wir stets für die Fortsetzung gekämpft haben!

Heute, in einer Zeit, in der es wichtiger denn je ist, Flagge zu zeigen, ist die Montagsdemo in Bremen erneut in Gefahr. Und wir, die zum 21. Mal eine Montagsdemo für euch organisiert haben, brauchen eure Hilfe, im Kampf für den Erhalt der Montagsdemo, damit wir auch in der nächsten Woche hier noch demonst­rieren können!

Wir sind der Meinung, dass die Montagsdemo nicht irgendeinem „Bündnis“ gehört, sondern denen, die Woche für Woche bei Wind und Wetter ausharren und den Protest aufrecht erhalten. Also euch allen, die ihr hier heute steht! Und kein anderer als nur wir alle kann und darf darüber entscheiden, ob die Montagsdemo stattfindet oder nicht!

Wir wollen heute für den Erhalt der Montagsdemo kämpfen, aber ich brauche eure Unterstützung dabei. Und deshalb wünsche ich mir, dass die ganze Montagsdemo nachher mit in die Buchtstraße kommt und uns beim Kampf zur Seite steht! Wir brauchen heute jeden, der für den Erhalt der Montagsdemo eintritt, damit wir uns unserer Gegnern erwehren können, damit wir auch am nächsten Montag wieder demonstrieren können!

Lasst uns als Montagsdemo in die Buchtstraße gehen und unseren Gegnern sagen, dass wir weitermachen, ob es ihnen passt oder nicht! Holen wir die Montagsdemo zurück zu den Menschen, denen diese Demonstration gehört, nämlich euch, die ihr hier steht. Lassen wir uns nicht unseren Protest nehmen!

Organisieren wir die Montagsdemo selbst, ohne das „Bündnis“! Lasst uns die Montagsdemo gemeinsam zum Erfolg führen! Kommt alle mit in die Buchtstraße und kämpft für den Erhalt der Montagsdemo!

Erich Seifert (parteilos)

 

Unter der Armutsgrenze

„Eiszeit auf dem Arbeitsmarkt“, meldet der „Weser-Kurier“ am 5. Januar und erweckt fälschlicherweise den Eindruck, als ob es ehemaligen Sozialhilfeempfängern freigestellt sei, sich arbeitslos zu melden oder nicht. Doch dem ist nicht so: Jeder, der mindestens drei Stunden pro Tag erwerbsfähig sein kann und sonst über kein Einkommen verfügt, muss zwingend notwendig Arbeitslosengeld II beantragen!

Auch stimmt es leider überhaupt nicht, dass dieses ALG II höher sei als die bisherige Sozialhilfe: Das genaue Gegenteil ist der Fall. Auch wenn der jetzige Regelsatz auf den ersten Blick rund 50 Euro über dem bisherigen der Sozialhilfe liegt, ist er tatsächlich niedriger, weil kein Bekleidungs- und Weihnachtsgeld mehr gewährt wird und zusätzliche Anträge beispielsweise auf Reparatur einer Waschmaschine nicht mehr gestellt werden können!

Ferner hat der Paritätische Wohlfahrtsverband errechnet, das ALG II liege um 19,4 Prozent unter dem früheren „Warenkorb“ und somit unzulässigerweise tief unter der Armutsgrenze. Außerdem konnten Sozialhilfeempfänger früher auch nicht gezwungen werden, Ein-Euro-Jobs anzunehmen, die ohnehin nur das Lebensniveau weiter drücken sollen. Das ist in meinen Augen sittenwidrig!

Elisabeth Graf (parteilos)

 

Die einen sagen: „Ein Jahr voller Niederlagen“, die anderen: „Jetzt fangen wir erst richtig an!“

Die 21. Montagsdemo begann ganz „normal“ um 17:30 Uhr auf dem Marktplatz. Es waren nur gleich etwas mehr Leute da. Ein Jugendlicher sorgte für neue Musik für die Lautsprecheranlage. Die Nr. 17 von „Montagsdemo aktuell“ wurde von den Zuhörern gern genommen, und es gab auch Gespräche, zum Beispiel mit einer Frau, die sich als SPD-Mitglied über die hilflosen Reden ihrer zumeist alten Parteifreunde an ihrem Ort ärgert und wissen wollte, was sie denn tun kann. Schließlich waren wir um die 100 Teilnehmer und damit mehr als bei den letzten Malen.

Man merkte aber, dass ein Umbruch bevorstand, weil einige Vertreter verschiedener Organisationen nicht zu sehen waren. Nach kurzer erster Kundgebung und Demo fand eine zweite Kundgebung auf dem Hanseatenhof statt, die mehr Besucher der Innenstadt erreichte und auch neue Zuhörer gewann. Es gab eine solidarische Diskussion am Offenen Mikrofon: Ein Mann sagte, er sei dagegen, dass in Afrika Arbeitsplätze geschaffen werden statt hier. Ein Kollege ging darauf ein und erklärte, dass uns gegen die internationalen Monopole nur Solidarität der Arbeiter und Angestellten weiterbringt. Auf die Angriffe von GM/Opel haben die Beschäftigten, von Bochum ausgehend, weltweit gestreikt. Ein Kollege von Daimler-Chrysler unterstützte das und berichtete, wie er mit seinen Kollegen die Auseinandersetzung führt.

Weiteres Thema war die Flutkatastrophe am Indischen Ozean. Auch hier weltweite Solidarität der Menschen. Es wurde aber kritisiert, dass von manchen Ländern und den Reisekonzernen aus Profitgier die Menschen nicht gewarnt wurden. Besonders widerlich ist das menschenverachtende Verhalten der US-Regierung, die, obwohl sie in Minuten das Ausmaß der Katastrophe erkennen konnte, nicht reagierte, weil ihre „Interessen nicht betroffen“ waren. Kritisiert wurde auch die Absicht der deutschen und anderer Regierungen, Hilfe für die betroffenen Länder gewinnbringend in lukrative Aufträge für die heimischen Monopole zu verwandeln. Wir wollen hier und nirgendwo auf der Welt in der kapitalistischen Barbarei untergehen, denn „Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker“.

Seit längerer Zeit schon findet ein Ringen um die weitere Zukunft der Montagsdemo statt. Der feste Kern der Aktiven, zu dem neben vielen Unorganisierten die MLPD, ein Teil der WASG und die Gruppe „Unabhängiger Bürger“ gehören, ringt darum, Grundsätze für die Montagsdemo zu beschließen und auf den Treffen praktische Schritte für die Weiterentwicklung der Bewegung zu planen. Gleichzeitig gibt es Teile des „Bündnisses gegen Sozialkahlschlag“, die gar nicht mehr zur Montagsdemo kommen, aber für sich reklamieren, dass die Treffen nach der Demo „Plenen des Bündnisses“ seien und dort – ohne Prinzipien – über die Montagsdemo entschieden wird. Zur diesem Kreis gehört die SAV und Andiamo.

Im Kern geht es darum: Will man eine Massenbewegung, oder will man im eigenen Mief einer kleinen Runde linker Grüppchen bleiben? Schnell werden dann die Kollegen, die den Begriff „Volk“ verwenden, wenn sie „wir da unten“ meinen, als „völkisch“ oder „rechtspopulistisch“ diffamiert. Beim Treffen am 10. Januar prallten nun diese beiden Richtungen aufeinander. Während die Anhänger der Montagsdemo, die große Mehrheit also, zur Einheit aufriefen und die Selbständigkeit der Montagsdemo einforderten, bei gleichzeitigem Betonen der weiteren Existenz des Bündnisses, wollten ihre Gegner die Spaltung und schreckten nicht vor Drohungen zurück, die Erwerbslosen aufzufordern, nicht mehr zur Montagsdemo zu kommen. Schließlich wurde dann mit den Stimmen fast aller Anwesenden beschlossen, die Montagsdemo selbständig zu machen.

Auf jeden Fall heißt es: Am nächsten Montag wieder um 17:30 Uhr Montagsdemo auf dem Marktplatz!

Rote Fahne News
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz