TV-Streitgespräch
Alle fühlen sich als
Sieger
Die SPD meint, beim TV-Spitzengespräch
"Klassenunterschiede" zur Union gesehen zu haben, die FDP bescheinigte Rot-Grün
lediglich die "besseren Scherze". Nach dem Fernsehauftritt der Spitzenkandidaten
sehen sich alle als Sieger.
Berlin - Kanzler Gerhard Schröder habe wie beim TV-Duell gegen seine
Herausforderin Angela Merkel am 4. September auch diese Runde klar für sich
entschieden, sagte SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter.
In der 90-minütigen ARD-Sendung sei
der "Klassenunterschied" deutlich geworden, sagte Benneter. "Schröder und
Fischer haben das Format, unser Land zu führen." Merkel, Stoiber und der
FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle hätten es nicht. "Die Zukunft unseres Landes
überlässt man nicht den Leichtmatrosen."
Die CDU bescheinigte Merkel und
CSU-Chef Edmund Stoiber in ihrem "Wahlletter", sie hätten gezeigt, dass es nur
mit der Union mehr Arbeit und mehr Wachstum geben könne. "SPD und Grüne stehen
für Vergangenheit, CDU und CSU für Zukunft", heißt es weiter. Rot-Grün
verweigere die Schlussbilanz und suche die Verantwortung für die schlimme Lage
des Landes nur bei den anderen. SPD und Grüne hätten kein Konzept für die
Zukunft, nur ein "Weiter so".
Siegessicher gab sich auch die FDP.
"Rot-Grün macht die besseren Scherze - Schwarz-Gelb hat die besseren Argumente",
sagte Parteisprecher Robert von Rimscha. Die Deutschen
hätten ernste Sorgen.
"Dagegen hilft keine Muppet-Show der Noch-Regierung." Parteichef Guido
Westerwelle habe klargemacht, dass nur mit einem wirtschaftlichen Aufschwung die
soziale Sicherheit für die nächste Generation erhalten bleibe.
Sechs
Millionen Zuschauer verfolgten die Spitzenrunde in der ARD. Das Rededuell
zwischen Schröder und Merkel vor gut einer Woche, das von vier Sendern
ausgestrahlt worden war, hatten 21 Millionen Zuschauer gesehen.
In der
ausländischen Presse bescheinigte die italienische Zeitung "La Republicca"
unterdessen Union und FDP Probleme. "Am Abend hat das große TV-Duell zwischen
den Spitzenkandidaten aller Parteien das Problem von Mitte-Rechts bestätigt.
Frau Merkel spricht zwar ernsthafter und präziser über die tiefe Krise des
Landes und fordert - mit den Bilanzen in der Hand - sogar kühnere Reformen in
der Arbeitspolitik als die von Schröder, um die Krise zu beheben. Aber der
Kanzler kämpft mit seinen Fernseh-Fähigkeiten, er ist telegen und verteidigt
seine Jahre an der Macht, indem er noch einmal sein Nein zu Amerika und die von
ihm durchgeführten Kürzungen und Veränderungen hervorhebt."
Der liberale
"Standard" widmet sich den Problemen der FDP im Wahlkampf. "Vor allem für zwei
Dinge steht die FDP: für Steuersenkungen samt einfacherem Steuerrecht. Und für
eine Gesellschaft mit möglichst vielen Bürgerrechten. In der Steuerfrage jedoch
wurden sie mittlerweile von Paul Kirchhof überholt. Angela Merkels
Steuerreformer denkt noch radikaler als die FDP und nahm ihr damit viel Wind aus
den Segeln. Das Thema Bürgerrechte ist im Moment nicht unbedingt en vogue. In
Zeiten, wo der Terror Europa längst erreicht hat, sind immer mehr Deutsche
bereit, ein wenig Freiheit (Lauschangriff, Videoüberwachung) aufzugeben, weil
sie glauben, so mehr Sicherheit zu bekommen. Irgendwie sitzt die FDP gerade
zwischen allen Stühlen."
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