Berufsverbot
Linker Lehrer darf auch in
Hessen nicht unterrichten
Von Jochen Leffers
Seine Antifa-Vergangenheit holte ihn ein: Erst lehnte Baden-Württemberg die Einstellung von Michael Csaszkóczy, 35, als Lehrer ab, nun das nächste Land. Zehn Minuten vor Beginn seiner ersten Lehrerkonferenz schickte Hessen den Bewerber in die ganz großen Ferien.
Freitagmorgen, der letzte
Tag der hessischen Sommerferien. Gegen 10 Uhr treffen die alten und ein paar
neue Lehrer der Martin-Buber-Schule im südhessischen Heppenheim ein, weil eine
halbe Stunde später die erste Lehrerkonferenz für das neue Schuljahr beginnen
soll. Mitten unter ihnen: Michael Csaszkóczy, 35, neuer Kollege mit Glatze und
auffälligen 17 Ringen im linken Ohr. Der Lehrer für Deutsch, Geschichte und
Kunst hat sich bereits die Bücher für das kommende Schuljahr geholt. Doch zehn
Minuten vor Konferenzbeginn klingelt das Telefon von Rektor Peter Kühn. Am
Apparat ist ein Mitarbeiter des Schulamtes und teilt Kühn mit, Csaszkóczys
Vertrag dürfe auf keinen Fall unterschrieben werden.
Csaszkóczy hatte
bereits eine schriftliche Einstellungszusage für die Übernahme ins
Beamtenverhältnis auf Probe vom Staatlichen Schulamt erhalten - "unter der
Voraussetzung, dass Sie die allgemeinen Einstellungsvoraussetzungen erfüllen"
(siehe Bild unten). Aber nun hat offenbar das Innenministerium eingegriffen, wie
Rektor Kühn erfährt, als er die Konferenz sausen lässt und direkt zum Schulamt
fährt. Dort sagt man ihm, dass der neue Lehrer wegen Zweifeln an seiner
Verfassungstreue keinen Vertrag erhalten dürfe.
Der Rektor ist
konsterniert, Michael Csaszkóczy erst recht. Er fährt an diesem Tag wieder nach
Hause und wartet seitdem auf eine Begründung seiner Ablehnung. An den Noten und
Zeugnissen lag es nicht: Das zweite Staatsexamen nach dem Referendariat schaffte
er mit 1,8 und setzte sich unter neun Kandidaten der Martin-Buber-Schule als
bester Bewerber durch. Dennoch bekommt er die Stelle
nicht.
Streitfrage: Was bedeutet Militanz?
Csaszkóczys
Geschichte wiederholt sich damit: Schon einmal schien er eine feste Stelle als
Lehrer fast sicher zu haben, im Raum Heidelberg, also in Baden-Württemberg. Doch
dann bat ihn das Oberschulamt zu einem "vertieften Einstellungsgespräch" im
April 2004. Vor gut einem Jahr entschied dann das baden-württembergische
Kultusministerium, er könne wegen Zweifeln an seiner
Verfassungstreue nicht eingestellt werden - genau wie jetzt in
Hessen.
Als Mitglied der
Antifaschistischen Initiative Heidelberg hatte Csaszkóczy sich zum Beispiel
gegen Rechtsradikale engagiert, Jugendliche auf den Spuren des
Nationalsozialismus durch die Stadt geführt, Demonstrationen gegen Mietwucher
organisiert. Er war einer der Wortführer der lokalen Autonomen-Szene und wurde
zehn Jahre lang vom Verfassungsschutz beobachtet. Vor allem zwei Sätze aus einem
Grundsatzpapier der Antifa-Initiative wurden ihm zum beruflichen Verhängnis:
"Militanz, die sich durch angemessene Zielgerichtetheit, permanente
Selbstreflexion, konsequente Abwägung und hohes Verantwortungsbewusstsein der
Agierenden auszeichnet, betrachten wir als legitimes Mittel im Kampf um
Befreiung." Und: An "den herrschenden Unterdrückungsverhältnissen" werde sich
auf parlamentarischen Weg "nichts Grundlegendes ändern".
Pauschal
distanzieren von diesem Papier wollte sich Csaszkóczy nicht, schob aber in einer
schriftlichen Stellengnahme für die Kommission die Erklärung nach, dass er
"Gewalt gegen Menschen oder Sachen" ablehne. Ohnedies habe er sich nichts
zuschulden kommen lassen, sei nicht vorbestraft und ganz sicher auch nicht
Staatsfeind Nummer eins, sagt er heute.
Ein Platz in Schilys
Verfassungsschutzbericht
Das Kultusministerium in Baden-Württemberg
sah es anders. "Wer Mitglied in einer extremistischen Gruppierung ist, sich
darin aktiv gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung stellt und
Militanz als angemessenes Mittel der Auseinandersetzung ansieht, kann nicht als
Lehrer in öffentlichen Schulen wirken", erklärte Ministerin Annette Schavan
(CDU) letztes Jahr. Csaszkóczy legte vergeblich Widerspruch ein. Nun muss sich
das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit dem verzwickten Fall befassen und lässt
sich damit Zeit, voraussichtlich bis Anfang 2006.
Das hessische
Kultusministerium argumentiert ähnlich wie die baden-württembergischen Kollegen.
"Wer das Grundgesetz nicht achtet, hat in der Schule nichts verloren", sagte
eine Ministeriumssprecherin. Schon die Einstufung der Antifa-Initiative durch
den Verfassungsschutz als linksextremistisch lasse Zweifel an der
Verfassungstreue des Bewerbers aufkommen. Tatsächlich taucht Csaszkóczy auf
Seite 167 des Verfassungsschutzberichtes 2004 auf: als "Mitglied des
Bundesvorstands der Roten Hilfe, der als Realschullehrer wegen seines
Engagements in einer linksextremistischen, Militanz befürwortenden Gruppierung
auf absehbare Zeit nicht zum Schuldienst zugelassen ist".
Der Pädagoge
habe die Ablehnung seiner baden-württembergischen Bewerbung in Hessen
verschwiegen; auch das zeuge nicht von der notwendigen Offenheit, sagte die
Ministeriumssprecherin weiter. Csaszkóczy indes kann über dieses Argument nur
staunen: "Was erwarten die denn?", fragt er, "soll ich mich an einer Schule mit
den Worten vorstellen: Guten Tag, ich habe in Baden-Württemberg Berufsverbot,
würden Sie mich bitte einstellen?"
Rückblende: Weniger Demokratie
wagen
Berufsverbot ist das Signalwort, das die Entscheidungen aus
Baden-Württemberg und Hessen politische Wellen schlagen lässt. Es erinnert an
die Zeit, als Willy Brandt noch Kanzler war - und 1972 den "Radikalenerlass"
mittrug, mit dem der Staat fortan Extremisten aus dem öffentlichen Dienst
fernhalten wollte. Die Regelanfrage beim Verfassungsschutz traf vor allem
Mitglieder der moskautreuen DKP.
Um die
Berufsverbots-Verfahren wurde es dann still, sie gerieten fast in Vergessenheit.
Nun aber entflammt der alte Streit wieder. So protestiert der parteilose
Abgeordnete Tobias Pflüger, der für die PDS ins Europäische Parlament gewählt
wurde, gegen eine neue Ära der "Berufsverbote" und die "wissentliche Verletzung
des EU-Diskriminierungsverbots". Die Bildungsgewerkschaft GEW spricht gar von
einer "Hexenjagd" durch die CDU und fordert die sofortige Einstellung
Csaszkóczys in Hessen, weil er sich "als qualifiziertester Bewerber erwiesen"
habe.
Organisationen der linken Szene stehen Csaszkóczy ohnehin zur
Seite, was mitunter zu seltsamen Scharmützeln mit der Staatsmacht führt. So
erschienen im April Polizeibeamte zur Hausdurchsuchung beim Erlanger Verein zur
Förderung alternativer Medien. Es ging um drei Schweinderl auf einem Plakat der
Roten Hilfe, das Csaszkóczy mit einem Vorhängeschloss an den Lippen abbildet,
mitsamt der Zeile "Baden-Württemberg - Wir können alles. Außer Menschenrechte".
Weil daneben das Landeswappen mit drei springenden Schweinen (anstelle von
Löwen) prangt, ermittelte die Staatsanwaltschaft gleich wegen "Verunglimpfung
des Staates und seiner Symbole".
"Von oben nach unten
durchgegriffen"
Auch das eine skurrile Reminiszenz an den düsteren
Teil der siebziger Jahre. Seiner erneuten Ablehnung kann Michael Csaszkóczy
allerdings keine komischen Seiten abgewinnen. Er muss vorläufig von
Arbeitslosengeld II leben, will aber unterrichten. "Auf die Verbeamtung lege ich
es nicht an. Mir geht es darum, mit Jugendlichen zu arbeiten, das ist der Beruf,
den ich gelernt habe", sagt er.
Peter Kühn, Rektor der Heppenheimer
Schule, möchte sich heraushalten aus dem Konflikt zwischen dem Staat und dem schlimmen
Lehrer, den er selbst gar so schlimm nicht finden kann: "Wir waren uns
sicher, dass wir die richtige Wahl getroffen haben und Michael Csaszkóczy der
richtige Lehrer für unsere Schule ist." Kühn ist seit 30 Jahren Lehrer und kennt
die hitzigen Debatten über Berufsverbote noch aus der eigenen Jugend. Er
formuliert bedächtig, äußert aber sein Unverständnis: "Überall wird die
Selbstständigkeit der Schulen propagiert und dann doch von oben nach unten
durchgegriffen", sagt er, "an unserer Schule jedenfalls legen wir großen Wert
auf Dialog."
Dann muss Kühn wieder los und sich um die Stundenpläne
kümmern. Schließlich braucht er jetzt schnell Vertretungen für den Unterricht
eines fest eingeplanten Deutsch-, Geschichte- und Kunstlehrers.
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