Neue
richterliche Entscheidungen: Die eigene Wohnung ist in der Not relativ gut
geschützt
Von unserem Mitarbeiter Marc Lehmann
DÜSSELDORF. "Hartz IV-sicher":
Neben der staatlichen Förderung ist das ein beliebtes Argument für
Riester-Renten. Die selbst genutzte Immobilie wird künftig per "Wohn-Riester" ebenfalls gefördert. Aber wie sieht es
mit Hartz IV aus? Per Gesetz und dank Bundessozialgericht ist der Schutz in
Notfällen bereits jetzt sehr weitgehend.
Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe gibt es nur bei Bedürftigkeit. Vermögen
muss zunächst aufgebraucht werden, bevor ein Anspruch besteht. Der allgemeine
Freibetrag, etwa für Bankguthaben, richtet sich nach dem Lebensalter und beträgt
maximal 9750 Euro. Besondere Schutzvorschriften hat der Gesetzgeber für Riester-und Rürup-Renten
geschaffen sowie für Altersvorsorgeverträge, die vor dem Rentenalter nicht
verwertet werden können.
Eine Sonderstellung nimmt die selbst genutzte, angemessene Immobilie ein,
unabhängig von der künftigen Förderung per "Wohn-Riester".
Das Eigenheim als Vermögen genießt ohne Maximalbeträge bereits heute
ausdrücklichen Schutz, der in jüngster Zeit durch das Bundessozialgericht (BSG)
noch ausgeweitet wurde.
80 Quadratmeter für Einzelpersonen
Ob eine Wohnung oder ein Haus angemessen ist, richtet sich vor allem nach der
Größe. Das BSG hat dazu eine wichtige Entscheidung getroffen (Az: B 7b AS 18/06 R). Ausgehend vom Wohnungsbaugesetz sind
demnach "Eigentumswohnungen nicht unangemessen groß, wenn die Wohnfläche
bei einem Haushalt von vier Personen 120 Quadratmeter nicht überschreitet.
Bei einer geringeren Familiengröße sind typisierend für jede Person Abschläge
von 20 Quadratmeter vorzunehmen". Im Regelfall sei jedoch von einer
Mindestzahl von zwei Personen auszugehen, "sodass auch bei Einzelpersonen
eine Größe von 80 Quadratmetern als angemessen anzusehen ist." Bei
Eigennutzung und Angemessenheit kann die Sozialbehörde nicht fordern, dass die
Wohnung oder das Haus verkauft und der Erlös verbraucht wird.
Vielmehr besteht sogar ein Anspruch darauf, dass bei einer noch nicht
abbezahlten Immobilie zumindest teilweise die Raten vom Staat weitergezahlt
werden. "Hierbei wird unterschieden zwischen Zins- und Tilgungsanteil. Die
Sozialbehörde muss generell lediglich die Zinsen für den Immobilienkredit
zahlen", sagt die Düsseldorfer Rechtsanwältin Annette Mertens.
Ein Beispiel: Bei einem neu abgeschlossenen Immobilienkredit liegt der Zinssatz
bei fünf Prozent, der anfängliche Tilgungssatz bei einem Prozent. Bei
100 000 Euro Darlehenssumme würde die monatliche Rate 500 Euro betragen.
Davon wären 417 Euro Zinsen und 83 Euro Tilgung. Die Sozialbehörde müsste in
diesem Beispiel 417 Euro tragen, maximal jedoch die Kosten einer vergleichbaren
Mietwohnung.
Tilgungsaussetzung
Tipp: Wer bedürftig wird, sollte so schnell wie möglich mit der Bank über eine
Tilgungsaussetzung verhandeln. Denn es dürfte schwierig werden, von den
laufenden Regelsätzen für den Lebensbedarf noch Tilgungen zu leisten. Sofern
die Tilgung ausgesetzt werden kann, müssen nur noch die Zinsen gezahlt werden,
die dann die Sozialbehörde übernimmt.
Dass die Tilgung nicht übernommen wird, hat die Rechtsprechung damit begründet,
dass mit Sozialleistungen kein Vermögen gebildet werden soll. Dieser Grundsatz
wurde jedoch jüngst mit einer anderen BSG-Entscheidung erheblich aufgeweicht:
Die Sozialbehörde soll demnach zumindest dann den Tilgungsanteil mit
übernehmen, wenn das Darlehen weitgehend abgezahlt ist und die verbleibenden
Zinsen gering sind (Az: 14/11b AS 67/06 R).
Erhalten von Vermögenswerten
Der Hintergrund: Bei einem typischen Annuitätendarlehen
für Immobilien bleibt der Ratenbetrag während der Zinsbindungsfrist immer
gleich. Innerhalb der Rate ändert sich mit sinkender Restschuld jedoch die
Verteilung: Der Zinsanteil sinkt, der Tilgungsanteil steigt. Im vom BSG verhandelten
Fall betrug die Rate 364 Euro, 290 Euro davon waren bereits Tilgungsanteil.
Die obersten Sozialrichter meinten, bei einer weitgehend finanzierten Immobilie
gehe es "nicht mehr um den Aufbau, sondern um den Erhalt bereits
bestehender Vermögenswerte". Deshalb sei es in solchen Fällen angebracht,
dass die Sozialbehörde auch die Tilgung mitbezahlt.