18.2.2008

Bagis kürzt öfter bei Hartz IV
Mehr Jobs, höhere Kontaktdichte / Bremen im Mittelfeld

Von unserem Redakteur
Bernd Schneider

 
 
Foto: ddp
   
BREMEN. Hartz IV-Empfänger müssen oft mit Kürzungen leben. Von gut 23 000 Stadtbremer Langzeitarbeitslosen haben im Dezember knapp 900 (3,6 Prozent) auf einen Teil ihres Geldes verzichten müssen, weil sie Auflagen der Bagis nicht nachgekommen sind. Bundesweit stieg die Zahl binnen Jahresfrist um 58 Prozent, heißt es bei der Bundesagentur für Arbeit.Bremer Vergleichsdaten konnte Bagis-Geschäftsführer Thomas Schneider am Wochenende nicht aus dem Ärmel schütteln. Vor rund einem Jahr aber habe es auch an der Weser spürbar weniger Kürzungen gegeben, sagt er. Schneider: "Der Anstieg ist unbestritten."

Abschläge von zehn, 30 oder gar 100 Prozent des Arbeitslosengeldes (Alg) II werden meist für jeweils drei Monate ausgesprochen, erläutert der Bagis-Chef weiter. Bei jungen Menschen unter 25 Jahren könne die Spanne auf sechs Wochen verkürzt werden. Rechnet man auf dieser Basis die aktuelle Sanktionsquote hoch, könnten in ganzen Jahr 2007 bis zu 15 Prozent (3450 Hartz-IV-Familien) betroffen gewesen sein.Insgesamt liegen die Bremer Zahlen "im Mittelfeld der Bundesländer", sagt Schneider. Spitzenreiter sei Bayern, wo im Dezember 5,5 Prozent der arbeitsfähigen Hartz-IV-Kunden mit Kürzungen leben mussten. Es folgten Baden-Württemberg (5 Prozent) und Rheinland Pfalz (4,6 Prozent) - wiederum im Dezember und nicht hochgerechnet auf das ganze Jahr 2007.Das Plus an Sanktionen habe vor allem eine Ursache, erklärt Schneider: "Die Lage am Arbeitsmarkt." Die habe sich im vergangenen Jahr deutlich gebessert, im Süden der Republik stärker als im Norden und im Osten.

Und zwar so sehr, dass die Nachfrage nach Arbeitskräften längst auch auf Hartz-IV-Empfänger durchschlägt. Überraschte Bagis-Vermittler berichten seit geraumer Zeit, dass sie selbst 60-jährige Langzeitarbeitslose noch in den Markt integrieren, die sie eigentlich längst aufgegeben hatten.Wer aber eine zumutbare Arbeit ohne akzeptable Begründung ablehnt oder abbricht, der muss auf 30 Prozent seines Alg II verzichten. Nur Miete und Heizkosten werden dann noch voll bezahlt.

Zehn Prozent Abzug drohen, wenn ein Kunde wiederholt und ohne Begründung nicht zu Terminen bei der Bagis erscheint. 100 Prozent Kürzung seien als verschärfte Strafe nur bei jungen Menschen unter 25 Jahren vorgesehen. In diesen Fällen würden aber Lebensmittelgutscheine und Sachleistungen ausgegeben. Schneider: "Es soll ja niemand ohne Brot dastehen." Allerdings: Im Wiederholungsfall könne bei den Jungen sogar die Miete gestrichen werden. "Das hat der Gesetzgeber so gewollt." Die gestiegene Zahl an Kürzungen ist jedoch nicht nur Folge des entspannteren Arbeitsmarkts. "Nach der Aufbauphase hat sich das System eingeschliffen", sagt Kurt Eikemeier, Sprecher der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Abläufe bei der Betreuung von Hartz-IV-Fällen seien jetzt besser, die "Kontaktdichte" habe sich erhöht: "Jetzt bekommt der Kunde seinen nächsten Termin eben nicht nach sechs Monaten, sondern nach 14 Tagen."

Alle Kürzungen, das beteuert Thomas Schneider, würden mit Augenmaß vorgenommen. "Wir haben ja nicht nur gesetzliche Vorgaben zu erfüllen und die Arbeitsmarktpolitik im Blick. Wir müssen ja auch unserer sozialen Verantwortung gerecht werden." Was das heißt, schildert Kurt Eikemeier so: "Bei unseren Kunden finden Sie ja nicht den 28-jährigen Ingenieur mit fünf Jahren Auslandserfahrung." Viel wahrscheinlicher treffe man "den Obdachlosen, der vielleicht auch noch Alkoholprobleme hat, und für den es schon ein Problem ist, pünktlich um 9 Uhr irgendwo zu sein".

© Bremer Tageszeitungen AG



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