14. Bremer Montagsdemo
am 15. 11. 2004  I◄◄  ►►I

 

Hier ist Clementine!

Ursula GatzkeIch freue mich, dass die Montagsdemo immer noch lebt! Auch wenn das nicht in der Zeitung steht! Ich möchte euch begrüßen, dass ganz Bremen bebt! Auch wenn man uns meidet und nicht gern sieht und hört, so werden die da oben doch ganz schön von uns gestört!

Ich schreibe gern und schreibe viel, ich habe schon viel geschrieben und werde noch sehr viel mehr schreiben, und eines Tages frage ich dann den Bremer Bürgermeister, ob ich nicht ein paar hunderttausend Euro für meine „Clementine-Stiftung“ bekomme!

Man könnte ja meine geschriebenen Sachen alle zusammensuchen, wie gesagt, ich schreibe gern und viel, aber zum Suchen habe ich so gar keine Lust und Zeit! Wozu gibt es denn andere Menschen? Ich, nur ich brauche Geld, viel, viel Geld!

Clementines Mütze ist nun leider dahin, ich habe sie gewaschen wie eine Politikerweste, doch im Schirm war nur Pappe drin! Ich muss mich wohl schnell an den Senat wenden, bevor Bremen sein letztes Hemd vergeudet! Gott gebe mir dann so viel Glück, wie er Günter Grass gewährt hat!

Ach, Günter Grass, hör nur zu, du hast Geld genommen ohne Not! Ach, Günter Grass, sieh nur her, ich will deine Bücher nimmermehr! Ach, Günter Grass, sei so schlau, gib das Geld den Kindern nun recht bald!

Ursula Gatzke (parteilos)

 

Der Ein-Euro-
Universitäts­bibliotheks-
Revisions­mitarbeiter

Matthias BrittingerSeit dem 1. Oktober gibt es die sogenannten Ein-Euro-Jobs auf Probe. Ab Januar werden sie dann dank Hartz IV in Form von Zwangsarbeit zur rauen Wirklichkeit und sorgen für eine seit vielen Jahren nicht mehr dagewesene Diskriminierung und Stigmatisierung der Betroffenen!

Nach dem Willen der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth sollen alle sogenannten Ein-Euro-Jobber einheitliche blaue Overalls tragen. Es gab es ja auch mal eine Zeit, in der gewisse Leute gelbe Sterne tragen mussten! Mit solchen Methoden beginnt die Ausgrenzung von Schwachen, das ist aus der Geschichte bekannt.

Im gleichen Maß, wie man die Betroffenen entgegen jeder Menschen­würde behandelt, werden reguläre Arbeitsplätze vernichtet und durch Ein-Euro-Jobs ersetzt. Diese müssten laut Gesetz die Voraussetzungen „Gemeinnützigkeit“ und „Zusätzlichkeit“ erfüllen. Und wie wird das in Wirklichkeit gehandhabt?

Hier als Beispiel ein Stellenangebot der Arbeitsagentur Erfurt vom 21. September: „Arbeitsgelegenheit für Hilfeempfänger. Tätigkeit: Sachbearbeiter. Betriebsart: Organisation der Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur. Anforderungen: Revisionsmitarbeit am Freihandbestand der Universitätsbibliothek und Vorbereitung der Tagung der Staatswissenschaftlichen Fakultät. Sichere deutsche Rechtschreibung und Rechnergrundkenntnisse erforderlich. Geringfügige, befristete Stelle. Arbeitszeit: 30 Wochenstunden. Monatsgehalt: 130 Euro“!

Früher wurde eine solche Tätigkeit mit einem Stundenlohn zwischen 6,50 und 8,50 Euro bezahlt. Welche Beweise brauchen wir eigentlich noch, bis auch der letzte begreift, was Hartz IV in Wirklichkeit bedeutet, nämlich: Ausbeutung der sozial Schwächsten! Erniedrigung und Diskriminierung der Betroffenen! Lohndumping in nie dagewesenem Ausmaß! Weiter ansteigende Arbeitslosenzahlen! Billiglohn als Regellohn! Höchstprofit für das Großkapital! Abschaffung der sozialen Gerechtigkeit!

Daher gibt es nur eins: Weg mit der Agenda 2010! Weg mit Hartz IV!

Matthias Brittinger (parteilos)

 

Macht Arbeit Armut

Das politische Zukunftskonzept der SPD unter dem Titel Agenda 2010 besagt zynisch, dass der Weg aus der Armut nur über die Armut führen kann.

Aus diesem Grund gilt für viele schon die Höhe der Sozialhilfe als ordnungspolitischer Fehlanreiz. Die Bertelsmann-Stiftung möchte die Sozialhilfe gern halbieren, das Ifo-Institut und der hessische Ministerpräsident würde gern eine Kürzung um ein Drittel sehen, der Sachverständigenrat um 30, der Industrie- und Handelstag ebenso wie der bayerische Ministerpräsident um 25 Prozent.

Erich SeifertEs ist der Glaube der Wirtschaftsexperten, dass die Arbeitskraft nur billig genug sein muss, um Arbeitsplätze entstehen zu lassen. Deshalb fordert jetzt Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, dass Rauchpausen vom Lohn abgezogen werden sollen. Wirtschaftsexperten! Etwas Blöderes finden Sie in keinem Tierpark!

Das Sozialgeld, wie die Sozialhilfe ab nächstem Jahr heißt, beträgt wie das Arbeitslosengeld II 345 Euro monatlich. Ein Betrag, mit dem Sie in Indonesien nicht nur sehr gut leben, sondern sich sogar noch Hausangestellte leisten könnten!

Wir lernen daraus: Empfänger von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld bekommen nicht zu wenig Geld, sie bekommen es nur am falschen Ort. Wir hätten in Deutschland keine Arbeitslosigkeit mehr, wenn wir jedem Arbeitslosen 100 Euro wöchentlich geben würden, nur mit der Auflage, sich das Geld persönlich in Jakarta abzuholen!

Nicht umsonst heißt die Werbekampagne der Bundesregierung: Deutschland bewegt sich! Für mich stellt sich da im nächstem Jahr eher die Frage: Wer bewegt sich schneller, die Politiker oder das Volk, das hinter ihnen her ist?

Der deutsche Kinderschutzbund hat in der vergangenen Woche erschreckende Zahlen als Folge der Hartz-IV-Gesetzgebung bekannt gegeben. Als wäre es nicht schon beschämend genug, dass heute bereits eine Million Kinder und Jugendliche in diesem Land in Armut leben müssen, wird sich diese Zahl im nächsten Jahr mehr als verdoppeln, auf zweieinhalb Millionen Kinder und Jugendliche.

Das alte Degenhardt-Lied von der Oberstadt, der Unterstadt und den Schmuddelkindern, mit denen man nicht spielen soll, wird wieder aktuell. Das rot-grüne Regime in Berlin bittet jetzt alle Bundesbürger zur Kasse: Die einen zum Zahlen, die anderen zum Abheben.

Erich Seifert (parteilos)

 

Ich fordere Entmachtung der Wirtschaftsbosse!

Seit über dreißig Jahren steigt die Arbeitslosenzahl stetig an, x-mal wurde die Statistik geändert, um verschiedene Mitbürger aus ihr fernzuhalten oder rauszubekommen. Wie viele Regierungen haben versucht, das Arbeitsfeld neu zu be­ackern? Und was ist dabei herausgekommen?

Die Politiker haben sich von Beratern und Wirtschaftswissenschaftlern das Heft aus der Hand nehmen lassen. Dabei gibt es nur Wirtschaftsmodelle, die miteinander konkurrieren und unter deren Anwendung die Menschen dann leiden! Wissenschaft hieße, diese Modelle zu überprüfen, aber die sogenannten „Wirtschaftsweisen“ sind bloß damit beschäftigt, ihre Halbjahresgutachten allwöchentlich zu ändern!

Unsere Politikern handeln nicht als Staatsmänner, sondern als Erfüllungsgehilfen von Wirtschaftsbossen, denen sie hinterherhecheln. Ändern wir unser Konsumverhalten! Schaffen wir eine Gegenstruktur, machen wir bei alternativen Projekten mit! Es ist sinnlos zu überlegen: Kaufe ich BMW, Daimler-Chrysler, Toyota? Es verdienen nur die Aktienbesitzer, egal wo sie leben, sie spielen die Metallarbeitnehmer weltweit gegeneinander aus!

Also steigen wir aufs Fahrrad, es ist öfter möglich, als wir im Augenblick glauben! Unterstützen wir uns gegenseitig, reden wir mehr miteinander, wo der Schuh drückt! Jeden Monat hören wir, dass wieder Tausende Menschen „freigesetzt“ werden, wie das jetzt heißt, und so wird es weitergehen! Die „Politik“ kann keine Arbeitsplätze herbeizaubern, das weiß inzwischen sogar Herr Clement!

Vor zehn Jahren hat Zbigniew Brzezinski, einst „Berater“ von Jimmy Carter, mit dem Begriff „Tittytainment“ vorhergesagt, wir würden künftig mit dem absoluten Minimum zum Leben abgespeist, physisch wie auch mental. Nur ein Fünftel der Weltbevölkerung wird noch gebraucht, um alle weltweit benötigten Güter herzustellen! Einige tausend Extremreiche werden die Welt unter sich aufgeteilt haben und bestimmen, was zu geschehen hat!

Glauben wir also kein Wort mehr vom Gesülz der Schröder, Berger, Hundt und wie sie alle heißen, lassen wir uns nicht mehr einlullen! Wandel ist machbar, aber nicht so, wie ihn die oberen Fünftausend wollen! Glauben wir nicht mehr dem Gewäsch in den Talkshows, schalten wir sie ab, bis sie mangels Quote abgesetzt werden!

Die Gewerkschaftsbosse, Chefs der Sozialverbände und Kirchenfürsten sollen sich wieder für das Volk, für uns engagieren, ebenso die Politiker, die verdammt gut von und durch uns leben, sie sind unsere Angestellten! Sonst jagen wir sie nach Hause!

Ich fordere Entmachtung der Wirtschaftsbosse durch konzertierte Aktionen der Politik: Es darf kein Ausspielen der Staaten und Bevölkerungen gegeneinander mehr geben, wie es auch innerhalb der EU geschieht!

Ich fordere eine maximale Steuer auf alle Luxusgüter und Zinserträge und staatlich geförderte Arbeit im Bereich der Wissenschaft und Kunst! Jeder soll durch sinnvolle Tätigkeit seinen Lebensunterhalt verdienen und am sozialen Leben in der Gemeinschaft teilnehmen können!

Ich fordere einen Volksentscheid über die EU-Verfassung, weil ich befürchte, dass darin weitere Freibriefe für die eigene Unterdrückung enthalten sind! Es muss eine EU-weite Solidarisierungsaktion der noch arbeitenden Menschen geben, denn der Kahlschlag wird im Namen der Globalisierung weitergehen!

Ich fordere eine stärkere Kontrolle der Umstrukturierung der Bundeswehr, weil sonst durch das „Outsourcing“ künftig keine Kontrolle mehr möglich ist! Schluss mit der Anschaffung neuer Waffensysteme: Wovon werden sie bezahlt, gegen wen sollen sie eingesetzt werden? Lassen wir uns nicht vom Terrorismusgerede einschläfern!

Ich fordere eine stärkere Ausrichtung auf ökologischen Welthandel und kostenfreie medizinische Grundversorgung für die Ärmsten der Armen! Ein Viertel der Menschheit hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser! Schluss mit der unsäglichen Privatisierung von kommunalem und staatlichem Eigentum, dadurch ist bisher nichts besser geworden!

Ein alter Lehrsatz lautet: „Die allgemeine Tendenz der kapitalistischen Produktion ist es, den durchschnittlichen Lohnstandard nicht zu heben, sondern zu senken oder den Wert der Arbeit bis zu seiner Minimalgrenze zu drücken“. Verteidigen wir, was unsere Vorväter erstreikt und erkämpft haben, sonst haben unsere Kinder eine üble Sklaverei vor sich!

Roland Springborn (parteilos)

 

Weine nicht, wenn der
Schröder fällt

Damdam, damdam! Es gibt keinen, der zu ihm hält, damdam, damdam!

Wir woll’n auch keine Merkel sehn, damdam, damdam! Mit ihr wird’s uns nicht besser gehn, damdam, damdam!

Weg mit Sozialabbau und Hartz IV, damdam, damdam! Dafür demonstrieren wir, damdam, damdam!

Montags werden wir uns wiedersehn, damdam, damdam! Wenn wir auf die Straße gehn, damdam, damdam!

Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unser Widerstand nicht! Dafür stehn wir alle hier, denn das Volk sind wir!

Stefan (Montagsdemo Berlin)

 

Erste Bescheide über
Arbeitslosengeld II

Bei unserer 14. Montagsdemo in Bremen auf dem Bahnhofsvorplatz, Treffen um 17:30 Uhr, waren etwa 100 bis 120 Teilnehmer anwesend. Einige berichteten von ersten Bescheiden über Arbeitslosengeld II, wobei einzelne bereits in zwei Monaten erneut einen Antrag stellen sollen. Das löste natürlich Unmut aus. Anschließend demonstrierten wir wieder durch die Innenstadt.

Bei der Kundgebung selbst und auch beim nachfolgenden Auswertungstreffen standen die Vorbereitung der kommenden Montage auf der Tagesordnung und wie wir wieder mehr Teilnehmer gewinnen. Als nächstes Thema ist geplant: Was bedeuten Hartz IV und die Agenda 2010 für Kinder und Jugendliche?

Rote Fahne News
www.Bremer-Montagsdemo.de – 17:30 Uhr am Marktplatz