Proteste sprengten Sitzung
Senatorin vertagte Sozialdeputation / Streit um Hartz-IV-Mieten / Kritik von Grünen
Von unserem Redakteur Bernd Schneider |
BREMEN. Die Sitzung der Sozialdeputation musste gestern wegen Protesten von Hartz-IV-Empfängern abgebrochen werden. Wie die Behörde sowie Vertreter der Aktivisten übereinstimmend berichteten, hatten sich rund 100 Menschen Zugang zu der Sitzung im Siemens-Hochhaus verschafft. Dort, am Sitz der Sozialbehörde, forderten sie die Anerkennung höherer Mietobergrenzen. Mit dem Abbruch der Sitzung "drückt sich die Große Koalition offenbar vor der Auseinandersetzung mit den Problemen, die sie selbst verursacht", kritisierte der Grünen-Sozialpolitiker Dirk Schmidtmann. "Es kann nicht sein, dass man die Aussprache mit den Demonstranten einfach verweigert." Noch immer, so Schmidtmann, sei nicht geklärt, ob Bremen seine Ermessensspielräume bei den Mietobergrenzen ausreichend nutze. Die Koalition lasse es "sehenden Auges zu, wie Menschen aus ihren Wohnungen getrieben" würden.Das Sozialressort wehrte sich gegen diese Vorwürfe. Die Demonstranten hätten "auf wiederholte Aufforderung, den Raum zu verlassen, nicht oder lediglich mit Beschimpfungen reagiert", sagte Staatsrat Joachim Schuster. "Wir haben keineswegs das Gespräch verweigert, sondern angeboten, eine Delegation erneut anzuhören." Eine Unterstellung sei es zudem, dass in Bremen "Menschen aus ihren Wohnungen getrieben" würden. Schuster: "Das Gegenteil ist der Fall: Wohnen Arbeitslosengeld-II-Empfänger zu teuer, wird mit Augenmaß und großzügigen zeitlichen Regelungen versucht, die Situation zu ändern." Man habe die Sitzung abgebrochen, weil sie "nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden konnte". Den Vorschlag, eine Abordnung in die Sitzung zu entsenden, hätten die Demonstranten abgelehnt, sagte Heidrun Ide, Sprecherin des Sozialressorts: "Es bringt wenig, wenn die Senatorin angegriffen wird, die die Hartz-IV-Gesetze ja nicht gemacht hat." Klaus Neumann, Vorsitzender des ver.di-Erwerbslosen-Ausschusses, verteidigte dagegen das Vorgehen der Demonstranten. Bereits vor etwa anderthalb Jahren habe eine Abordnung die Deputation besucht. "Ich war selber dabei." Das Gespräch habe aber nicht viel bewegt: "Man hätte genau so gut in den Papierkorb sprechen können." Die Februar-Sitzung der Arbeitsdeputation sei dagegen wesentlich effektiver gewesen. Da hatten die Demonstranten auf eine Abordnung verzichtet. Neumann: "Da gab es durchaus Ansätze zur Diskussion." Das Anliegen der Aktivisten, so Neumann: Sie wollten den von der Politik erzeugten Eindruck widerlegen, nur in "Einzelfällen" müssten Hartz-IV-Familien ihre Wohnung wegen zu hoher Mieten aufgeben. Deshalb hätten mehrere Aktivisten den Deputierten von ihren Einzelschicksalenberichtet. Vom Verlust der Wohnung oder spürbaren Mietkürzungen seien schließlich "Tausende" bedroht.Hartz-IV-Gesetze seien zwar Bundes- und keine Landessache, räumte er ein. Bei Miet- und Heizungskosten habe die Stadt aber Spielräume, die sie nicht nutze. So bemesse die Stadt die Mietobergrenzen an den beiden unteren Stufen der Wohngeldtabelle. Andere Länder dagegen legten die dritte und höchste Stufe zugrunde. Statt maximal 245 Euro Miete für einen Alleinstehenden zahlten sie bis zu 325 Euro. Auch die Arbeitnehmerkammer fordert die Anerkennung dieser Stufe. Zudem müsse jeder Einzelfall individuell geprüft werden. Monique Trodel (Die Linke) forderte gestern, "die einseitige, unsoziale Politik muss aufhören."
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