4.3.2007

Neue Risiken
Rudolf Hickel

Louis Gallois, der Chef von Airbus, ist der beste Kronzeuge für die Kritik der Betriebsräte: Die Sanierung der Airbusproduktion in vier Ländern der EU mit 16 Standorten ist die Folge eines ärgerlichen Versagens der Manager über viele Jahre. Jetzt sollen zehntausend meist hoch qualifizierte und motivierte Beschäftigte dafür die Zeche zahlen.

Vorstand und Verwaltungsrat haben nach Abstimmung mit der großen Politik ihre Vorstellung über die Airbus-Zukunft im Programm "Power 8" zusammengefasst. Das neue Unternehmenskonzept mit den drei Schwerpunkten der radikalen Kostensenkung ist schlicht und zugleich riskant:

Der Umbau des Airbuskonzerns erfolgt nach dem Vorbild der Automobilindustrie. Der Anteil der Eigenproduktion wird zurückgefahren und damit die Fremdproduktion durch die Zulieferindustrie ausgebaut. Strategisch soll das Tor zur Lieferung durch Billiganbieter beispielsweise aus China geöffnet werden. Betroffen davon ist in Norddeutschland der Produktionsstandort Varel, der verkauft werden soll.

Zwischen den verbleibenden Kernbetrieben, die zu vier Kompetenzzentren gebündelt werden, wird durchaus vernünftig versucht, Synergieeffekte durch bessere Abstimmung auszuschöpfen. Der Standort Bremen, an dem jedoch auch Arbeitsplätze abgebaut werden sollen, gehört zu diesen Kernbetrieben.

Durch die Einwerbung von strategischen Partnern ("joint ventures") sollen die Risiken vor allem der Finanzierung anstehender Investitionen aufgeteilt werden. Zu diesen so genannten VIP-Unternehmen, mit denen langfristige Verträge abgeschlossen werden, zählt das Werk in Nordenham.

Dieses Sanierungsprogramm muss jetzt Punkt für Punkt abgearbeitet werden. Schnell wird sichtbar, es basiert auf strategischen Fehlentscheidungen und vor allem vielen ungedeckten Wechseln. Neue Risiken zeichnen sich ab.

So lehren viele Beispiele, dass durch die Verkürzung der Fertigungstiefe zugunsten von "billigen" Zulieferfirmen Kompetenz verloren geht. Für die nach Gallois eingestuften Produktionsstätten dritter Klasse werden sich kaum Käufer finden. Am Ende wird das zum Verkauf angebotene Werk Varel geschlossen. Die Zulieferung von Fertigungseinrichtungen erfolgt dann aus Billiglohnländern. Auch sind strategische Partner zur Risikoteilung beispielsweise für das Werk in Nordenham nicht in Sicht. Dort muss in die Technologie kohlefaservertärkter Kunststoffe (CFK) beim Bau von Rumpfteilen für den A 350 investiert werden.

Gegenüber diesem mit heißer Nadel gestrickten Kostensenkungsprogramm muss ein tragfähiges Konzept der Sicherung dieser Hochtechnologieproduktion für die Standorte in den vier EU-Ländern entwickelt werden. Um die Zukunftsfähigkeit herzustellen, ist Mut zum Tabubruch verlangt.

Die Politik steht für diesen strategischen Wirtschaftsbereich in der Verantwortung. Schließlich sind auch viele Milliarden an Steuergeldern in den Konzern geflossen. Das Land Bremen hat weitsichtig in die produktionsnahe Forschung für den hiesigen Produktionsstandort investiert.

Politik muss dazu beitragen, ein Gesamtkonzept, das ökonomisch tragfähig ist, zu unterstützen. Hier ist Kooperation über die Grenzen hinweg statt nationalistische Konfrontation gefordert. Airbus darf nicht zum Spielball der Konkurrenz um die industriepolitische Vorherrschaft zwischen Deutschland und Frankreich werden.

Auch nützt es wenig, wenn sich Politiker vor Ort nur noch auf die Rettung "ihres" Standorts konzentrieren. Schließlich macht auch die künftige Einbindung der Produktionsstandorte von Varel und Nordenham in einem zukunftsfähigen Konzept Sinn. Die Politik auf der Ebene der EU ebenso wie vor Ort kann von den Betriebsräten mit ihren Gewerkschaften lernen. Wer Produktionsstandorte in den jeweiligen und zwischen den beteiligten Ländern gegeneinander ausspielt, hat bereits verloren. Gefordert ist jetzt die Solidarität auf der Basis eines allerdings zukunftsfähigen Gesamtkonzepts.

© Bremer Tageszeitungen AG



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