13.2.2007

Bürger stoppen Fällaktion am Tunnel
Nächtlicher Protest rettet Bäume in Schwachhausen

Von unserem Redakteur
Bernd Schneider

 
 
Alle Maschinen stehen bereit für die Fällaktion. Doch die Arbeiter kommen nicht zum Zuge. Foto: Koch
   

BREMEN. So hatte sich Verkehrs- und Umweltsenator Ronald-Mike Neumeyer (CDU) die nächtliche Baumfällaktion vor dem Concordia-Tunnel gewiss nicht vorgestellt: Bürgerbewegte Aktivisten und Grünen-Politiker stellten sich als lebender Schutzschild um die Stämme, selbst die Besatzung eines Polizei-Mannschaftswagens konnte den seit Jahren heiß umstrittenen Einsatz der Motorsägen nicht durchsetzen.Rund 30 bis 40 Gegner des Ausbaus der Schwachhauser Heerstraße haben in der Nacht zu Sonntag zwischen 22 Uhr und halb drei in der Nacht ausgeharrt - Kälte, Wind und eisigem Regen trotzend.

Im Schein rußender Fackeln, bei Fliederbeersaft und Schmähgesängen fühlte man sich zurückversetzt in die Zeit der Grünen-Ursprünge. Nur die Polizei, am Wochenende in Bremen ohnehin gut ausgelastet, fehlte zunächst.Erst nach Stunden traf ein Mannschaftwagen mit einer Handvoll Polizisten ein. Die sperrten einen Sicherheitsbereich um einen Baum ab. Doch schnell war klar: Nur ein robuster Einsatz könnte die Arbeiten durchsetzen. Und solche Bilder wollte offenbar niemand: Abgeordnete, die vor laufenden Kameras mitten in der Nacht von Bäumen weggetragen werden. So freute sich am Ende die Grüne Karin Mathes über den "erfolgreichen zivilen Widerstand". "Das war eine Nacht- und Nebel-Aktion", schimpft Ulrich Draub von der Bürgerinitiative Rembertiring.

Erst am Nachmittag seien Anlieger per - vordatiertem - Flugblatt über die anstehenden Fällungen zwischen Hollerallee und Bismarckstraße informiert worden. "Das war sehr kurzfristig." "Das war ein Versuch, die Bürger zu überrumpeln", schimpft Günter Knebel von der Bürgerinitiative "Keine Stadtautobahn durch Bremen". Er sprach von einem "Akt der Feigheit". Erst Freitag habe man das schriftliche Urteil vom Oberverwaltungsgericht erhalten, auf das die Behörde sich bei der Fällaktion beruft. "Und einen Tag später rücken die Sägen an."

Dabei sei die Entscheidung noch nicht mal rechtskräftig, so Knebel. Zwar habe das Gericht keine Revision zugelassen. Aber dagegen sei Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht zulässig. Die Frist laufe am 7. März ab. "Der Senator wollte Fakten schaffen in einem Stadium, in dem das Urteil noch nicht einmal ausgewertet ist." Die Grünen-Verkehrspolitikerin Karin Krusche, selbst bis tief in der Nacht im Einsatz, sprach von einer "unglaublichen Vorgehensweise".

Das Thema sei "seit 20 Jahren heiß umkämpft, drei Beiräte sind dagegen". Die Koalition wolle jetzt strittige Projekte "mit aller Macht durchsetzen"- offenbar vor der Wahl mit möglicherweise neuen Mehrheiten. Krusche: "Das ist zum Glück gründlich schief gegangen." Den Bausenator forderte Krusche auf, "sich von diesem völlig unsinnigen Projekt zu verabschieden." Dabei erinnerten die Grünen daran, dass auch noch eine "offizielle Beschwerde" bei der EU gegen den Ausbau anhängig sei. Begründung: Schon jetzt sei die Feinstaubbelastung zu hoch, sie überschreite die Grenzwerte zu häufig.Das Ressort für Bau, Verkehr und Umwelt verteidigt die Fällarbeiten. Behördensprecher Holger Bruns: "Das Gericht hat uns bestätigt: Die Planfeststellung ist richtig, Revision ist nicht zugelassen.

Das heißt: Wir können die Planung umsetzen." Im übrigen handle es sich bei der Ausweitung der Heerstraße um einen "politischen Kompromiss". Es sei daher "erstaunlich", dass Abgeordnete, Juristen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes" zu dieser Form des Protestes gegriffen haben. Das hätten die Organisatoren der Fällarbeiten offenbar nicht erwartet.Nun wissen sie es. Bis 28. Februar haben sie noch Zeit. Danach verbietet das Naturschutzgesetz alle Fällarbeiten bis Oktober.

"Das war sicher kein Glanzstück in der Umsetzung von Senats- und Bürgerschaftsbeschlüssen." Mit diesen Worten reagierte Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) gestern auf die gescheiterte nächtliche Fällaktion an der Schwachhauser Heerstraße. Wie berichtet, hatten in der Nacht zu Sonntag protestierende Bürger das Fällen von 16 Linden am Concordia-Tunnel gestoppt.Das Rathaus sei in die Planungen aus dem Hause von Verkehrs- und Umweltsenator Ronald-Mike Neumeyer (CDU) nicht einbezogen gewesen, sagte Böhrnsen. "Wenn er mich vorher gefragt hätte, hätte ich ihm sicher den kollegialen Rat gegeben: Das ist keine gute Idee Ihrer Mitarbeiter, so geht das nicht." Die politische Entscheidung zur Ausweitung der Straße zwischen Hollerallee und Tunnel sei auf der Basis "eines breit angelegten und transparenten Verfahrens" gefallen, betonte Senatssprecher Klaus Schloesser. Pro und Contra seien in der Politik und mit den Bürgern ausführlich erörtert worden, wenn auch bis zum Schluss kontrovers. Schloesser: "Man tut sich keinen Gefallen, wenn man nach so einem Verfahren auf der Zielgeraden den Anschein erweckt, der Bürger solle klammheimlich vor vollendete Tatsachen gestellt werden." Und: "Dieser Umgang kann nicht stilbildend sein." Auch unpopuläre Entscheidungen müssten offen vertreten und umgesetzt werden.Selbstkritik und Selbstbewusstsein - mit dieser Mischung reagierte das Ressort von Umweltsenator Neumeyer. "Es ist fälschlicherweise der Eindruck entstanden, es gebe etwas zu verstecken", sagte Sprecher Holger Bruns. Die Baumaßnahme werde aber den Bereich für alle Verkehrsteilnehmer "so sehr aufwerten, dass man sich damit selbstbewusst zeigen kann". Deshalb erwarte die Koalition "zu Recht vom Bausenator, dass die Arbeiten zügig umgesetzt werden". Zeitdruck bestehe unter anderem, weil die Bahn ihre Arbeiten an den Brücken nicht verschieben könne. Noch im Februar solle ein neuer Termin zur Baumfällung angesetzt werden, die Öffentlichkeit werde frühzeitig und umfassend informiert. Nachdem das Straßenprofil nicht mehr auf 6,50, sondern nur noch auf 5,50 Meter ausgebaut werde, würden Bäume zudem nur auf einer Straßenseite gefällt. Später würden dort neue gepflanzt.CDU-Baupolitiker Dieter Focke sagte: "Dass die Arbeiten notwendig sind, darüber sind wir uns in der Koalition einig." Man habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, "wir hacken ja auch nicht gerne Bäume ab". Mit den derzeitigen Planungen sei nun "die schonendste Variante" gefunden. "Viele Bäume werden gerettet." "Die Beschlusslage ist klar", sagte auch die SPD-Baupolitikerin Uta Kummer. Zur Umsetzung durch den Bausenator wollte sie sich nicht äußern. Unter Anspielung auf jahrelange Proteste gegen Atomanlagen in Bayern sagte sie nur: "Ich möchte hier kein Klein-Wackersdorf am Concordia-Tunnel."

© Bremer Tageszeitungen AG



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