17.11.2006

"Initiative respektiert eigenes Gesetz nicht"
SPD und CDU kontern Vorwurf der Verschleppung: Frist zur Wahlrechtsänderung steht im Entwurf

Von unserem Redakteur
Peter Voith

BREMEN. Warum wird das neue Wahlrecht nicht schon zur Bürgerschaftswahl im Mai 2007 eingeführt? SPD und CDU wehrten sich gestern gegen Vorwürfe der FDP, Grünen und der Initiative "Mehr Demokratie", sie wollten die Wahlrechtsänderung auf die lange Bank schieben. SPD-Chef Uwe Beckmeyer: "Die Initiative sollte mal in ihren eigenen Gesetzentwurf schauen. Dort ist von einer Frist von 15 Monaten die Rede." Die Bürgerschaft, so Beckmeyer weiter, sei gehalten, "das Gesetz 1 zu 1 umzusetzen". Andernfalls käme ein Volksentscheid wieder auf die Tagesordnung. Der SPD-Chef: "Wenn jetzt gefordert wird, das neue Wahlrecht vorzuziehen, heißt das: Die Initiative respektiert ihren eigenen Gesetzestext nicht." In dasselbe Horn stieß auch CDU-Fraktionschef Hartmut Perschau: Die "Unkenntnis" des Mitinitiators der Wahlrechtsinitiative, Paul Tiefenbach, sei "schon bemerkenswert". Mit der Annahme des Gesetzentwurfs komme die Große Koalition dem Wunsch von über 70 000 Wählerinnen und Wählern nach. Perschau: "Damit haben sich die Bürgerinnen und Bürger auch für die 15-Monatsfrist ausgesprochen." Tiefenbach bestätigte, dass die 15-Monatsfrist im eigenen Gesetzentwurf stehe. Dennoch sei es "wünschenswert", das neue Wahlrecht bereits im nächsten Jahr in Kraft treten zu lassen. Die ursprünglich formulierte 15-Monatsfrist habe man in den Gesetzestext geschrieben, weil man davon ausgegangen sei, dass der Volksentscheid parallel zur nächsten Bürgerschaftswahl stattfinden werde. Die 15 Monate hätte man dann gebraucht, um der Bevölkerung in Informationskampagnen das neue Wahlrecht zu erläutern. Doch das sei mittlerweile "überflüssig". Tiefenbach: "Die Leute wissen jetzt, worum es geht." Er sei sicher, dass die Bürgerschaft Wege finden könne, das neue Wahlrecht bereits im Mai wirksam werden zu lassen. "Das würde ja nicht den Geist des Gesetzes verletzen. Im Gegenteil: Alle wären hoch erfreut." Zwar war sowohl aus CDU- als auch aus SPD-Kreisen zu hören, dass die Bremerhavener Abgeordneten "Probleme" mit dem neuen Wahlrecht haben, aber der Kern des vorgelegten Gesetzes solle "auf keinen Fall" angetastet werden, hieß es unisono. Wie berichtet, würde das neue Wahlrecht dazu führen, dass zur Wahl für die Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung die Fünf-Prozent-Hürde fiele, während sie für die Bremer Stadtbürgerschaft bestehen bliebe. Juristen hätten angedeutet, dass diese Regelung problematisch sei. Begründung: Der "Erfolgswert" einer Bremerhavener Stimme sei höher als die einer Bremer. Die Chefs von SPD und CDU, Beckmeyer und Bernd Neumann, hatten deshalb angekündigt, dieser Teil des Gesetzentwurfes müsse im Laufe der nächsten Legislaturperiode "nochmals auf den Prüfstand".Beide Parteien versicherten mehrfach, "den Willen des Volkes als Gesetzgeber" zu respektieren. Ein Sozialdemokrat sagte: "Wir sind doch nicht so wahnsinnig wie die CDU in Hamburg." In der Elbestadt war 2004 ein neues Wahlrecht - es sollte den Wählern wie in Bremen mehr Einfluss auf die personelle Zusammensetzung der Parlamente geben - per Volksentscheid eingeführt worden. Vor wenigen Wochen indes drückte die allein regierende CDU mit ihrem Regierungschef Ole von Beust eine Änderung des Wahlrechts durch. Mit diesen Änderungen schwächte die Elbe-Union den Einfluss der Wähler auf die Landeslisten der Parteien wieder. Die Hamburger "Mehr-Demokratie"-Initiative klebte Plakate mit dem Slogan "Ole spielt falsch". Die CDU verlor jüngsten Umfragen zufolge neun Prozent an Wählerstimmen.

© Bremer Tageszeitungen AG



DRUCKEN   |   FENSTER SCHLIESSEN