28.10.2006

Log Kevins Fallmanager, um Kosten zu sparen?
Sozialarbeiter soll mit falschen Angaben das Kind zurück zu seinem Vater gelotst haben

Von unserer Redakteurin
Rose Gerdts-Schiffler

BREMEN. Unzuverlässig, nicht verantwortungsvoll und vor allem überfordert - es ist kein gutes Zeugnis, das Insider dem inzwischen krank geschriebenen Sozialarbeiter ausstellen, der als "Fallmanager" für den zweijährigen Kevin zuständig war. Die Details scheinen noch weitere Abgründe zu offenbaren. Demnach könnte der Fallmanager sogar gelogen haben, nur um Kevin an den Vater zurückgeben zu können.In einem Gespräch mit dem Leiter des Hermann-Hildebrand-Hauses, Joachim Pape, soll der Sozialarbeiter im November 2005 behauptet haben, dass ein Fremdverschulden im Fall der wenigen Tage zuvor verstorbenen Mutter von Kevin ausgeschlossen werde. Tatsächlich ist die Todesursache bis heute nicht klar. Ein Gutachten soll klären, ob der tödliche Milzriss der Mutter von einem Sturz oder Schlägen herrührte. Der Leiter des Hermann-Hildebrand-Hauses kann sich auf Nachfrage unserer Zeitung an das Telefonat mit dem Sozialarbeiter noch gut erinnern.Rückblende: Am Abend des 12. November wählt der Vater von Kevin, Bernd K., die Notrufnummer. Seine Lebensgefährtin Sandra K. liegt mit akuter Atemnot im Bett. Als die Helfer vor Ort erscheinen, hindert er sie an ihrer Arbeit. Die Polizei wird gerufen und bringt den Mann in die Psychiatrie. Sandra K. stirbt, Kevin kommt noch in der selben Nacht ins Hermann-Hildebrand-Haus.Bereits vier Tage später drängt der Sozialarbeiter den Heimleiter Joachim Pape, das Kind an den Vater zurückzugeben. "Er fragte mich nicht, wie es Kevin geht, wie sein Gesamtzustand ist oder was der Kleine für einen Förderbedarf hatte", erinnert sich Pape. Dabei habe das Kind motorisch und sprachlich enorme Bedarfe gehabt. "Auch hatte der Sozialarbeiter nicht mit Kevins Kinderarzt gesprochen." Der drogensüchtige, psychisch labile Vater sollte noch vor der Beerdigung der Frau mit dem Kind zurück in die Wohnung, wo gerade die Mutter herausgeholt worden war. "Wir waren entsetzt", sagt Joachim Pape.Das Telefongespräch entwickelt sich zu einem Schlagabtausch. Pape wendet schließlich ein, dass ja noch nicht einmal klar sei, ob Bernd K. seine Freundin Sandra K. getötet habe. "Mit dem Argument, dass kein Fremdverschulden vorliegt, hat er mir den Wind aus den Segeln genommen." Der Heimleiter erreicht lediglich einen Aufschub von wenigen Tagen für Kevin. Nach Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" hatte der Sozialarbeiter bereits im Februar 2005 die Unwahrheit gesagt. Schriftlich soll er der Staatsanwaltschaft damals mitgeteilt haben, dass der Kinderarzt von Kevin mitteile, dass der Junge gut versorgt werde. Tatsächlich hatte sich der Kinderarzt Anfang Februar besorgt bei dem Sozialarbeiter gemeldet. Bernd K. erscheine nicht zu den für Kevin lebenswichtigen Arzt-Terminen. Das Gewicht des Kindes sei besorgniserregend gering. War es der Kosten-Druck, der den Fallmanager dazu verleitete, die teure Heimunterbringung abzukürzen oder gar zu verhindern? Ein Untersuchungsausschuss soll alle Details offen legen. Bis dahin sollen mehrere hundert Fälle von vernachlässigten, missbrauchten oder misshandelten Kindern der vergangenen zwei Jahren vom Amt erneut überprüft werden. Darunter sind auch die Akten des betroffenen Fallmanagers. Denn noch mag niemand ausschließen, dass er auch in weiteren Fällen Fehlentscheidungen getroffen hat. "Da wird unter anderem auch die Fachabteilung draufgucken", verspricht Ressortsprecherin Heidrun Ide.Unterdessen wurde bekannt, dass die Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales (Bagis) Bernd K. vom 1. bis 28. April 2006 kein Arbeitslosengeld II mehr überwies. "Der Mann war nachweislich nicht erwerbsfähig" , erklärt der stellvertretende Geschäftsführer der Bagis, Eckhard Lange. Die Entscheidung, kein Geld mehr ab April zu überweisen, habe man Bernd K. im Februar mitgeteilt. Weitere Angaben wollte Lange nicht machen. Nach unseren Recherchen wird jedoch in ähnlich gelagerten Fällen das Sozialamt informiert, das dann die Lebenskosten übernehmen muss. Somit müsste dort bekannt gewesen sein, dass Bernd K. trotz des Kleinkindes, das er zu versorgen hatte, zeitweise mittellos war.

© Bremer Tageszeitungen AG



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