Mit euch mag ich kein Bier mehr saufen! Drum steh ich auf und sag es euch glatt: Ihr macht mit Hartz IV ganz Deutschland platt!
Doch ihr habt nicht mehr den Verstand, sonst hättet ihr es längst erkannt! Die Menschen werden euch das zeigen, wenn sie gänzlich der Wahl fernbleiben!
Zwei Prozent SPD, fünf Prozent CDU: Dazu sag ich dann bloß noch: „Muh! Hartz IV, eins, zwei, drei, und klatsch, noch eine Ei!“
Die teuerste Steuergeldlüge, das ist wohl der „Kanzlerbrief“! Dummheit, Lügen und Gemeinheit gibt’s beim Schröder in Vereintheit!
Das Volk sind wir! Ja, wir haben die Macht und diesen Kanzler nach oben gebracht. Damals kannten wir kaum sein wahres Gesicht, heute wollen wir solch einen Kanzler nicht!
Die Macht haben wir noch lange nicht verloren: Es wurde schon wieder ein Kanzler geboren! Der neue Kanzler ist noch ganz klein, doch bald hören wir ihn sicher schrein!
In den Medien wird die Lüge verbreitet, dass es uns durch die Hartz-Gesetze besser gehen werde. Genau das Gegenteil ist der Fall!
In ihren Lied „Was sollen wir trinken?“ singen die „Bots“: „Dann wollen wir schaffen, sieben Tage lang, dann wollen wir schaffen, Hand in Hand. Es gibt genug für uns zu tun, darum lasst uns schaffen: Jeder packt mit an, wir schaffen zusammen, nicht allein!
Jetzt müssen wir streiken, keiner weiß wie lang, ja für ein Leben ohne Zwang und das Glück von jedermann, dafür heißt es kämpfen, los, fangt heute an, wir kämpfen zusammen, nicht allein!“
Und im Lied „Krüppel“: „Im Schlaf hab ich ’nen Traumjob: Beinah jede Nacht besitz ich eine Villa und eine weiße Jacht! Ich träume, ich wäre der Boss von einen Stahlkonzern. Könnte ich nur so leben, lebte ich sehr gern! Doch ich fühl mich wie ein Krüppel, fühl mich kaputt, denn ich komme nicht mehr klar: Ich hab es satt, immer weiter hin- und hergeschubst zu werden zwischen Sozial- und Arbeitsamt und Scheißformular!
Ich bin kein Drückeberger, und ich bin kein Held, ich will ja doch nur was machen: arbeiten für Geld. Ich werde nur vertröstet: im Moment nichts da. Am Rande der Gesellschaft stirbt man in der Kartei, aber verdammt, es schnürt mein Hirn zu, und es macht mich ganz krank, dass ich im Abseits steh. Ich bin es leid, mit den andern hin- und herzuwandern, zwischen Sozial- und Arbeitsamt, ganz ohne Sinn!
Was wird nun werden? Wie soll es weiter gehen? Ich mag ja doch nicht mehr träumen, ohne Land zu sehen. Ich pack das nicht mehr länger, so ausgesperrt! Ich muss wohl lauter werden: Ich bin auch etwas wert! Denn, verdammt, bin ich denn ein Krüppel, der es nicht versteht, der nicht gewinnt, sondern verzagt? Es kotzt mich an, immer weiter herumgeschubst zu werden zwischen Sozial- und Arbeitsamt, wie ein wehrloser Ball!“
In ihren beiden Liedern haben die „Bots“ den Nerv der Probleme der kapitalistischen Arbeitswelt getroffen: Die Ein-Euro-Jobs nehmen uns das Recht, genug Geld für ein menschenwürdiges Leben zu verdienen. Der Widerspruch zwischen Armut und Reichtum kommt hier krass zum Ausdruck: dass Menschen, die „nichts leisten“, die nicht dem Profitinteresse dienlich sind, als „unwertes Leben“ vernichtet und auf den Abfallhaufen des Kapitals gehören! Diese Gesellschaft macht die Menschen krank, da sie von der Arbeit entfremdet werden. Die inhumanen Hartz-Gesetze führen den Arbeitszwang ein, sodass die Löhne sinken und es zu einer breiten Verarmung der Bevölkerung kommt!
Setzen wir uns gemeinsam für eine Gesellschaft ein, in der mensch nicht mehr durch den Menschen ausgebeutet wird, in der wir solidarisch zusammenarbeiten, eine Gesellschaft, in der die Natur geschützt wird und Frauen und Männer sich Haus- und Erziehungsarbeit aufteilen! Mit den Satz der „Bots“ im Lied „Aufstehen“ möchte ich schließen: „Alle Menschen, die ein besseres Leben wünschen, sollen aufstehen!“
Der Bundeskanzler glaubt, wir seien alle Pessimisten und Schwarzmaler! Dem will ich heute einmal entgegentreten und eine positive Bilanz des rot-grünen Regimes in Berlin ziehen!
Gerhard Schröder wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass am Ende des Tunnels Wachstum in Sicht sei. Dabei haben wir doch schon lange Wachstum: Bei der Arbeitslosigkeit! Bei der Armut in weiten Teilen der Bevölkerung! Bei der Bereitschaft, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern!
Wir haben auch wachsendes Einkommen bei den Millionären! Wachsende Unternehmensgewinne! Wachsende Bereitschaft, Steuern zu hinterziehen! Wachsende Schattenwirtschaft! Und deshalb auch wachsenden Unmut in der Bevölkerung und eine riesengroße Lust, Anfang Oktober in Berlin zu demonstrieren!
Der Begriff „Volk“, als nationalistische und rassistische Kategorie, ist als soziale Kategorie überholt! Mit diesen Zeilen wollen wir einige Argumente und Thesen zu der umstrittenen Parole „Wir sind das Volk!“ beisteuern. Unser Beitrag ist kein geschlossener und „runder“ Text. Im „Bremer Bündnis gegen Sozialkahlschlag“ wurde das Für und Wider eines „Volk“-Begriffs sehr emotional diskutiert, ohne in der Kürze und Hitze der Debatte zu gemeinsamen Positionen zu kommen. Da inhaltliche Vertiefungen im Bündnisplenum notwendig zu knapp kommen, weil immer viel Organisatorisches ansteht, schlagen wir vor, parallel dazu thematische Treffen zu organisieren, nicht nur zu diesem Thema.
Bis 1848 kennzeichnete „Volk“ den 3. Stand der Bürger, Bauern und Arbeiter gegen Adel und Klerus. Die Berufung auf „Volk“ als Schicht, Klasse oder „soziales Unten“ konnte somit sozialrevolutionäre Bedeutung haben. „Volk“ als sozialer und kultureller (eben nicht ethnischer beziehungsweise rassischer!) Zusammenhang kann gegen kolonialistische oder imperialistische Unterdrückung ebenso progressiven Charakter haben.
Nicht erst im Faschismus wird mit „Volk“ und „Volksgemeinschaft“ der Klassencharakter der Gesellschaft verschleiert. Die unvereinbaren Interessen von Kapital und Arbeit werden hier zugunsten der Herrschaft des Kapitals durch die Ideologie „Wir sitzen alle im selben (deutschen) Boot“ vernebelt. Diese Logik „Zuerst Deutscher, dann Arbeiter“ wurde in der SPD mit der Bewilligung der Kriegsanleihen schon 1914 bei Aufgabe des Arbeiterinternationalismus mitgetragen.
Derselbe herrschaftsverschleiernde Grundgedanke liegt auch allen „Sozialpartnerschafts“-, „Bündnis-für-Arbeit“-, „Standort-Deutschland“-Modellen zugrunde. Nicht erst im Faschismus wird „Volk“ auch pseudowissenschaftlich „biologisch-rassisch“ begründet und dient als Ein- und Ausschlusskriterium. Hierarchisierung, Ausgrenzung, Verfolgung und Vernichtung (zum Beispiel der Juden und Slawen) gingen und gehen mit solchen Vorstellungen einher.
In der DDR findet 1989 mit der Parole „Wir sind das Volk!“ eine Revolution von unten gegen einen entkoppelten Herrschafts- und Staatsapparat statt. „Volk“ ist hier noch eine soziale Kategorie und darin legitim und emanzipatorisch gegen die stalinistische Apparatestruktur. Innerhalb weniger Tage und Wochen wird daraus unter medialem Einfluss interessierter Kräfte – aber sicher auch „falschen“ Verinnerlichungen der Beteiligten – die Parole „Wir sind ein Volk!“. Hier wird die soziale Dimension aufgegeben, und fragwürdige nationalistische Tendenzen nehmen überhand.
Wer sich auf „Volk“ beruft, wäre in Frankreich 1789 und in „Deutschland“ 1848 durchaus revolutionär und wohlwollend interpretiert, auch 1989 in der DDR – was aber mehr über den verkommenden Charakter der DDR als über die Interessen der Aktiven andeutet. Wer in der Bundesrepublik 2004 von „Volk“ positiv spricht, ist nicht gleich ein Nationalist oder Faschist, täte aber gut daran, klarzumachen, dass es ihm oder ihr um eine soziale Frage geht. „Volk“ ist gerade aufgrund der deutschen Geschichte als sozialer Begriff unbrauchbar, aber eben auch generell überholt.
Wer sich auf „Demokratie und Bürgerrechte“ bezieht, sollte zur Kenntnis nehmen, dass in der BRD, im Gegensatz zu zahlreichen anderen Ländern, das Staatsbürgerrecht ein Blutrecht und kein Geburtsrecht ist. Unzählige nicht eingebürgerte Migrant(inn)en und illegalisierte Menschen, die in der BRD zum Teil ohne Papiere und ohne irgendwelche Rechte arbeiten und leben, wären dann ausgegrenzt. Wer „nationale Einheit von unten“ fordert, deutet zwar einen sozialen Bezug an („von unten“), erklärt aber nicht, warum diese Einheit nur „national“ sein soll. Warum denn nicht „internationale Einheit von unten“?
Eine gute Armenbetreuung vielleicht? Man protestiert gegen die beschlossenen Verschlechterungen der sozialen Lage und verlangt eine bessere Sozialpolitik. Will man allen Ernstes die ganze Hilf- und Mittellosigkeit der Millionen Erwerbslosen unterstellen und stehenlassen und auf dieser Basis eine gute Behandlung für Langzeitarbeitslose verlangen? Vielleicht eine so wunderbare wie bisher – mit Arbeitslosenhilfe statt ALG II, mit schrittweise verfallenden Anwartschaften aufs Arbeitslosengeld statt der einjährigen Deadline? Und ist es nicht unangemessen, sich fordernd an einen Staat zu wenden, der Arbeitslosigkeit und Armut erst entstehen lässt und organisiert, und zu erwarten, ausgerechnet er würde dann die Armen großzügig versorgen?
Und Arbeitsplätze? Schröder soll „Arbeit schaffen, anstatt die Arbeitslosen zu bestrafen!“ So, hofft man wohl, werde das Elend nicht nur verwaltet, sondern echt überwunden. Da täuscht man sich. Der kapitalistische Arbeitsplatz ist kein Heilmittel gegen wachsende Armut, sondern ihr Grund. Der Ruf nach Arbeit ist verkehrt! Denn genaugenommen hat kein Mensch ein Bedürfnis nach Arbeit, nach dem Aufwand nämlich, den man zur Herstellung der nützlichen Güter treiben muss. Ein jeder ist froh, wenn die Arbeit erledigt ist und auch mal wieder aufhört.
Wo Leute massenhaft nach Arbeit seuzfen, leben sie unter Bedingungen, die es ihnen verwehren, die Lebensmittel, die sie brauchen, in ihrem Interesse herzustellen. Sie können die Arbeit, die sie für sich erledigen müssen, nicht verrichten, weil die Produktionsmittel, Fabriken, Werkzeuge und Maschinen anderen gehören. Die Eigentümer lassen die Bedürftigen an ihre Produktionsmittel nur ran, wenn deren Arbeit ihnen Gewinn erwirtschaftet und ihr Vermögen mehrt. Nur unter dieser Vorbedingung können Arbeitsleute den Lohn verdienen, den sie für ihre Lebensbedürfnisse brauchen. Ihre Bedürfnisse selbst sind einfach kein Grund für Produktion im Kapitalismus.
Im Gegenteil. Wenn Unternehmer Gelegenheit zur „Arbeit geben“, kalkulieren sie den Lohn, den sie zahlen, als leidige Kosten: Er hat knapp auszufallen, die Leistung aber, die eingekaufte Arbeitskräfte bringen müssen, kann gar nicht groß genug sein. Sie werden möglichst lang, intensiv und produktiv benutzt, damit man möglichst wenig von ihnen entlohnen muss. Ständig wird durch den Einsatz neuer Technik der Ertrag der Arbeitsstunde gesteigert und Arbeit überflüssig gemacht. Selbstverständlich nicht, um Arbeitern mehr Güter zugänglich zu machen oder um ihnen Arbeit zu ersparen, sondern um dem Kapital bezahlte Arbeit und damit Lohnkosten zu ersparen. Es fördert seinen Gewinn, indem es die eine Hälfte der Belegschaft entlässt, sich die Bezahlung von deren Lebensunterhalt spart und der anderen Hälfte die verbliebene Arbeit zum alten Lohn aufbürdet. Arbeitslosigkeit ist die Form der Arbeitszeitverkürzung, die der kapitalistische Fortschritt hevorbringt. Das Elend der Arbeitslosen ist nur die andere Seite der Arbeitsplätze, an denen die Kapitaleigner ihren wachsenden Reichtum produzieren lassen.
Das Heer der Überflüssig-Gemachten ist dafür nicht nutzlos. Mit Arbeitslosen, die sich aus Not für ein Butterbrot anbieten, erpressen die Arbeitgeber ihre Belegschaften: Wenn die nicht bereit sind, für weniger Geld länger zu arbeiten, dann drohen die Unternehmer Arbeitslose in Deutschland, Polen oder Indien an ihrer Stelle zu nehmen – und Produktion dorthin zu verlagern, wo das ausbeutbare Elend noch größer ist. „Arbeit“ gibt es nur, wenn sie nach Preis und Leistung mit jedem Hungerlohn und jeder Leuteschinderei auf dem Globus konkurrieren kann und dem Kapital weltspitzenmäßige Renditen verspricht. Wer unter diesen Umständen seinen Willen zur Arbeit beteuert und nach „Arbeitsplätzen“ ruft, hat die feindlichen Existenzbedingungen akzeptiert, seine Abhängigkeit von den Kalkulationen der Gegenseite anerkannt und bittet ohnmächtig darum, benutzt zu werden.
Der Ruf nach besserer Politik ist verkehrt! Denn auf Wachstum und rentable Arbeitsplätze für Deutschland zielt Schröders neue Sozialpolitik ja schon von selbst. Die Regierung bezichtigt sich, mit alten sozialstaatlichen Regelungen erstens das „Beschäftigen“ für Unternehmer teuer gemacht und zweitens die gesunde Erpressung der Beschäftigten durch die Arbeitslosen behindert zu haben. So habe man dem Kapital Wachstumsbedingungen verweigert und das Schaffen von Arbeitsplätzen erschwert. Bisher sollen die Sozialsysteme nämlich den interessanten Fehler begangen haben, Leuten Unterstützung zu gewähren, weil sie arbeits- und daher mittellos sind. Jetzt sieht man es umgekehrt: Leute sind nun angeblich arbeitslos, weil der Staat Unterstützung gezahlt und ihnen die Selbstbehauptung auf dem Arbeitsmarkt erspart hat.
Nach den Hartz-Reformen darf und kann niemand mehr für längere Zeit von staatlichen Zuschüssen leben. Wer auf Hilfe angewiesen ist, muss „jede legale Arbeit annehmen“, jeden Billgjob mit den übelsten Konditionen. Das heizt die Konkurrenz zwischen den Arbeitslosen und den Beschäftigten an und wirkt schon jetzt auf das Lohnniveau und die Arbeitszeiten im Land. So werden die gesunden kapitalistischen Verhältnisse hergestellt, in denen das Ausbeuten wieder Spaß macht. Dass dadurch wirklich mehr von den Drecksjobs entstehen, nach denen alle Welt ruft, will Schröder nicht einmal versprechen, aber so viel schon: Wenn überhaupt, dann wird nur auf diese Weise „Arbeit geschaffen“, fürs Kapital lohnende Anwendung von Arbeitskräften nämlich. Und wo er recht hat, hat er recht. Glaubt dem Schröder ruhig, wenn er sagt, dass der Erfolg Deutschlands in der internationalen Konkurrenz eure Armut braucht. Euer Lebensunterhalt ist mit dem Fortschritt der deutschen Wirtschaft nicht vereinbar. Weg damit! Womit?
Wind und Regen bliesen den circa 200 Teilnehmern auf dem Marktplatz ins Gesicht, aber das tat den Aktivitäten keinen Abbruch. Es waren weniger Betroffene am Offenen Mikrofon, was bedauert wurde. Enttäuschung machte sich auch breit, weil von der PDS ohne weitere Begründung Busfahrkarten für den 2. Oktober nach Berlin angeboten wurden, während „Montagsdemo aktuell 9“ für den 3. mobilisierte.
Das Moderatorenteam versuchte, die Kundgebung einig zu halten und auf das Ziel des anschließenden Protestzuges einzustellen: das Pressehaus von „Weser-Kurier“ und „Bremer Nachrichten“. Wie zu erwarten, zeigten sich dort nur ein paar Gesichter hinter den Scheiben, als die Demonstranten forderten, dass endlich eine korrekte Berichterstattung und Information über ihre Ziele hergestellt werden müsse. Die Redakteure wurden aufgefordert, sich gegen die Mediengleichschaltung durch Regierung und Arbeitgeberverbände zu wenden und diese bekannt zu machen. Reaktionen gab es keine nach außen.
Die Bündnisgrünen, unser nächstes Ziel, waren auch schon nach Hause gegangen, um nicht Stellung beziehen zu müssen. Die Teilnehmer kritisierten den Verrat der Grünen an ihren früheren Zielen und zeigten den Zynismus auf, mit dem fette Minister und ihre Gefolgsleute heute über ihre ehemalige Wählerschaft hinweggehen, um sich den Großkonzernen willig zu präsentieren. Ihren frühen fluchtartigen Büroschluss wollen wir am kommenden Montag mit einer Selbsteinladung zu Kaffee und Kuchen aufgreifen, um zu sehen, wie sie sich winden werden, um aus ihrer Verantwortung zu entkommen.
Bei unserem wöchentlichen Auswertungs- und Vorbereitungstreffen des „Bündnisses gegen Sozialkahlschlag und Bildungsabbau“ waren die Abnahme der Teilnehmerzahlen und unsere Außenwirkung wichtige Themen. Aus Beiträgen von Demonstranten wurde deutlich, dass wir viele Betroffene gar nicht erreichen. Manche haben Angst, kommen mit den Hartz-IV-Fragebögen nicht zurecht oder verstehen als Migrant(inn)en die Probleme nicht. Wir arbeiten vereinzelt schon an zahlreichen Stellen in der Stadt, aber wir schaffen es noch nicht, unsere Freude an der politischen Arbeit auf viele andere zu übertragen.
Gerungen wurde um den Weg, Gewerkschaftsmitglieder anzusprechen und für Aktivitäten zu gewinnen. Einige wollen die Delegiertenversammlung der örtlichen IG Metall am kommenden Montag nutzen, um einen Beitrag zur Agenda 2010 vor den Kollegen zu halten oder mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Auch die Auseinandersetzung um den 2. oder 3. Oktober kam zur Sprache. Vertreter der PDS fühlten sich von „Montagsdemo aktuell 9“ und früheren Flugblättern angegriffen und meinten, dies sei im Bündnis kein „richtiger Umgang“ miteinander. Inhaltlich gingen ihre Vertreter kaum auf die Kritikpunkte ein: Der 3. Oktober sei, weil Sonntag, „halt ein Scheißtag“ und die Veränderung des Mottos von „Weg mit Hartz IV“ zu „Soziale Gerechtigkeit: Wir haben Alternativen“ wenig erheblich, sondern diene der „größeren Bündnisfähigkeit“. Von Selbstkritik keine Spur! An das überwiegend einhellige Votum der Bremer Montagsdemo vom 30. August zur Leipziger Resolution vom 28. fühlte man sich nicht gebunden.
Von einigen bei dem Treffen wurde diese Haltung gebilligt, von anderen aber abgelehnt und die stattgefundenen Mauscheleien auf Bundesebene kritisiert. Alle Teilnehmer sprachen sich dafür aus, diese Auseinandersetzung nicht auf Bremen auszudehnen, sondern an der inzwischen gewachsenen Fähigkeit zur Zusammenarbeit unter den Organisationen und Einzelpersonen festzuhalten.
Vertreter der MLPD bedauerten, dass es zu der Entwicklung mit zwei Demonstrationen gekommen ist, wiesen aber darauf hin, dass „Weg mit Hartz IV, das Volk sind wir“ Ausdruck einer gewachsenen selbständigen Massenbewegung geworden sei, während „Soziale Gerechtigkeit: Wir haben Alternativen“ eben die Unterordnung unter Gewerkschaftsführung und Regierungspolitik bedeute und sich mit „kleinen Korrekturen“ begnüge, die die Berliner Regierung gar nicht gewähren wolle. Dieser Schwenk schwäche die selbständige Montagsdemo-Bewegung.
Vom Bremer Bündnis gegen Sozialkahlschlag und Bildungsabbau, das sich in der Forderung „Weg mit Hartz IV“ einig ist, wird nun zur Teilnahme am 2. Oktober aufgerufen; es soll aber auch einen Hinweis auf die Demonstration am 3. geben.
An den Demonstrationen gegen die Arbeitsmarkt-Reformen der Bundesregierung haben sich heute weniger Menschen als in den letzten Wochen beteiligt. Dies gilt sowohl für den Osten als auch für den Westen. In ganz Deutschland gingen mehrere tausend Personen auf die Straße. In Nordrhein-Westfalen nahmen etwa 700 Menschen an den Kundgebungen gegen Hartz IV teil, in Schwerin etwa 250 an den Protestaktionen vor der Staatskanzlei.
Noch vor drei Wochen waren rund 2.000 Demonstranten durch die Straßen der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern gezogen. Auch aus anderen ostdeutschen Städten wurden sinkende Teilnehmerzahlen gemeldet. Lediglich in Berlin gingen wieder einige tausend Personen auf die Straße. In Leipzig beteiligten sich etwa 2.500 Menschen an der Kundgebung gegen Hartz IV. Nach Angaben der Organisatoren waren für heute insgesamt Demonstrationen in 230 Städten geplant.
Dennoch bezeichnete Verdi-Chef Bsirske die Proteste als Volksbewegung. In Dresden sprach der Verdi-Chef zu den Demonstranten. Es sei richtig, an den Kundgebungen teilzunehmen. Bsirske betonte, es gebe eine Kluft zwischen den Organisatoren der Montagsdemonstrationen und der NPD. Deren Anhänger verachteten die Menschenwürde, erklärte der Gewerkschaftsvorsitzende.
Nach den Wahlen in Sachsen und Brandenburg wollen die Parteien rasch über die Bildung der neuen Regierungen entscheiden. Der sächsische Ministerpräsident Milbradt erklärte, er wolle nach dem Verlust der absoluten Mehrheit für die CDU mit allen Parteien verhandeln, die hinter der Verfassung stünden. FDP und Grüne schlossen inzwischen aber eine mögliche Dreier-Koalition mit der CDU aus. SPD-Spitzenkandidat Jurk betonte dagegen, seine Partei stehe als Koalitionspartner in Dresden bereit. Im sächsischen Landesparlament braucht die CDU entweder ein Bündnis mit den Sozialdemokraten oder mit FDP und Grünen zusammen.
Der brandenburgische Ministerpräsident Platzeck will nach dem Sieg der SPD bei der Landtagswahl noch in dieser Woche Gespräche mit CDU und PDS führen. Der Koalitionsvertrag müsse klar an den Problemen in seinem Bundesland ausgerichtet sein, sagte Platzeck in Potsdam. Allerdings sei die politische Grundhaltung der PDS schon relevant bei den Beratungen. CDU-Landeschef und Innenminister Schönbohm erklärte, er sehe gute Chancen für eine Fortsetzung der Großen Koalition. PDS-Chef Bisky setzte sich für eine rot-rote Koalition ein.
Bundeskanzler Schröder hat nach den Wahlerfolgen von DVU und NPD bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen ein gemeinsames Handeln gegen rechtsextreme Parteien verlangt. Die Wahlergebnisse müssten jedem Demokraten Sorgen bereiten, sagte Schröder in Berlin.
Bundespräsident Köhler sieht das Abschneiden von NPD und DVU nicht als Anlass zur Panik. Allerdings müsse die Politik das Signal ernst nehmen und nach den Gründen für das Wahlverhalten der Bürger suchen, sagte Köhler in Wiesbaden. Als besonders bedenklich bezeichnete er den Erfolg von NPD und DVU bei jungen Wählern.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Spiegel, appellierte an die etablierten Parteien, schlüssige Konzepte vorzulegen, damit Rechtsextremisten keinen weiteren Zulauf bekämen.
Da hat der Besuch am Montag beim „Weser-Kurier“ ja ein wenig genützt: Zumindest scheint die Teilnehmerzahl aus Bremen halbwegs zu stimmen, wenn auch die „Ausführlichkeit“ des Artikels noch Wünsche offen lässt. Zitat vom 21. September 2004:
„Montags-Proteste flauen weiter ab. In Leipzig versammelten sich nach Polizeiangaben etwa 3.000 Menschen, halb so viele wie eine Woche zuvor. Vor 14 Tagen waren noch 12.000 Teilnehmer gezählt worden. In Magdeburg, wo die Protestwelle Ende Juli ihren Ursprung hatte, kamen 1.500 Demonstranten zusammen. In Bremen protestierten am frühen Abend rund 200 Menschen gegen die Arbeitsmarktreformen.“
Die Bremer Montagsdemo, überhaupt die ganze Montagsdemo-Bewegung, ist augenscheinlich ein Misserfolg. Vielleicht liegt das ja an den Anliegen, die sie vorbringt. Sicher, man stellt sich auf die Straße und gibt sich kämpferisch – aber diese Sorte Aktionismus, die vor allem darin besteht, die Berechtigung des eigenen Anliegens hochzuhalten und sich dafür lauter symbolische Aktionen auszudenken, die gar nicht auf Wirkung berechnet sind, ist und bleibt eben bodenlos.
Alle Vorwürfe an die Politik, alle Appelle, sich auf das „Soziale“ zu besinnen, werden von der Politik zurückgewiesen. Wo sich die DDR-Häuptlinge anno 1989 vom Volk noch haben beeindrucken lassen – schließlich wollten sie sich ja ganz in dessen Diensten stehend wissen –, verweisen die herrschenden Demokraten zu Recht einfach darauf, dass es sich bei ihnen um gewählte Herrscher handelt, die den Wählern nie mehr versprochen haben, als dass sie ihnen genau die Gesetze vor die Nase setzen, die sie für notwendig und nützlich erachten.
Von den Herrschenden sollte man sich besser nichts erhoffen. Wer es dennoch tut, täuscht sich über den menschenfeindlichen Charakter der demokratisch verfassten Marktwirtschaft. Das Elend der Massen ist eben kein böser Ausrutscher, sondern gewollt: Es ist notwendig, für das kapitalistische Wirtschaftswachstum und die Weltgeltung der Nation.
Nur mit Argumenten, die sich nicht an der Wirklichkeit blamieren, sondern diese erklären, besteht die Chance, nicht ewig in der eigenen Erfolglosigkeit zu schmoren und auf einen wundersamen „Stimmungsumschwung“ der Massen zu hoffen, sondern wirklich etwas zu tun, das Hand und Fuß hat.
Auch in Bremen dürfte sich der „Parteienstreit“ etwas auswirken – ob WASG, „Attac“, MLPD oder sonst wer herumturnt. Ein wirklich ernsthaftes Interesse, etwas für die Betroffenen zu erreichen, besteht leider kaum. Die WASG hat sogar – wie im eigenen Forum nachzulesen – „erkannt“, dass es eine „tolle Möglichkeit“ ist, sich zu präsentieren. Klar, dass dann nirgendwo im Stadtgebiet Plakate hängen! Die Mobilisierung wird vom CDU-nahen „Weser-Kurier“ erwartet, toll.
Gott sei Dank ist Bremen eine der eher kleinen und unbedeutenden Städte. Da ist schon hinzunehmen, dass die Montagsdemos einschlafen. Wenn die Rechtsradikalen nicht angefangen hätten, gäbe es bis heute keine linke Montagsdemo. Gegen Rechts ist der absolute Minimalkonsens, der hier möglich ist. Für die Menschen zu sein, ist schon zu viel verlangt.
Dann schlafen die Demos eben ein! Na und? Spätestens wenn die Parteienwerber weg sind, ist der Weg frei für selbstorganisierte Montagsdemos, zu denen dann auch mehr mobilisiert werden wird. Nur gibt im Moment niemand Geld für selbstgedruckte PR-Mittel aus, um von der eigenen Sozialhilfe noch Werbung für WASG, MLPD und „Attac“ zu machen. Darauf hat niemand von denen Bock, die der Demo inzwischen fernbleiben.
Etwa 80 bis 120 Leute haben sich bei Regen auf dem Bremer Marktplatz zusammengefunden, um gegen Hartz IV zu demonstrieren. Erste Station war das Pressehaus des „Weser Kuriers“, der lauthals als „Lügner und Feigling“ niedergemacht wurde. Als sich auch nach 15 Minuten immer noch kein Sprecher der Demo stellen wollte, zog man weiter zu den Grünen auf der Schlachte, die schon vor Stunden Feierabend gemacht hatten.
Verabredet wurde, dass man sich am Montag, dem 27. September 2004, um 16 Uhr bei den Grünen zu Kaffee und Kuchen einladen wird. Mit dem Offenen Mikrofon wurde die Demo beendet. Das Publikum bestand zu zwei Dritteln aus Gewerkschaften, WASG , MLPD und zu einem Drittel aus direkt von Hartz IV Betroffenen. Linke und Anarchos waren gar nicht vorhanden. Beim Offenen Mikrofon wurde das Problem mit den Rechten nur sehr indirekt angesprochen. Die Stimmung war wie das Wetter, mit Wut im Bauch.