SPIEGEL ONLINE - 03. Januar 2006, 08:02
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Unions-Vorschlag
 
Ökonomen halten Kombilohn für Unsinn

Die von der Union angestrebte Einführung von Kombilöhnen stößt bei Wirtschaftsverbänden und Ökonomen auf harsche Kritik. Sie halten das Instrument für teuer und unsinnig. SPD-Politiker geißeln die Idee als "staatliche Einladung zur Lohndrückerei".

Berlin - "Eine flächendeckende Lohnsubventionierung ist unbezahlbar und unsinnig", sagte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Peter Clever. Mit Hartz IV und den vereinfachten Hinzuverdienstmöglichkeiten gebe es bereits einen Kombilohn, der sich an der Bedürftigkeit des Betroffenen orientiere. Kombilöhne seien kein System, "um politische Vorstellungen über einen angemessenen Lohn" zu erfüllen. Der Vize-Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Achim Dercks, sagte: "Eine breite Subventionierung ist fiskalisch kaum zu schultern."

Auch der Wirtschaftsweise Bert Rürup sieht die Einführung von Kombilöhnen äußerst kritisch: Bei einer flächendeckenden Einführung von Kombilöhnen würden möglicherweise auch solche Arbeitsplätze subventioniert, die ohnehin entstanden wären. Ein nur auf den Niedriglohnsektor gerichtetes Modell würde pro Arbeitsplatz außerdem rund 40.000 Euro kosten. Fast alle wissenschaftlichen Studien sähen das Instrument daher eher skeptisch. "Kombilöhne können unsere Arbeitsmarktprobleme lindern, aber nicht lösen", sagte er.

Auch Hilmar Schneider, Direktor beim Institut zur Zukunft der Arbeit in Bonn (IZA), mahnte zur Vorsicht. In den USA funktioniere der Kombilohn, weil es dort keine Grundsicherung wie in Deutschland gebe. "In Deutschland gibt es mit dem Arbeitslosengeld II aber eine Grundsicherung. Damit der Kombilohn hierzulande funktioniert, muss man die Grundsicherung radikal absenken oder sie gar abschaffen", sagte Schneider.

Auch nach Ansicht des Wirtschaftsexperten Alexander Spermann kann ein Kombilohn nur bei Kürzung des Arbeitslosengeldes II eingeführt werden. Solche Maßnahmen würden den Anreiz für Langzeitarbeitslose stärken, sich subventionierte Minijobs zu suchen, sagte Spermann, der am Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) arbeitet. Nach einem Vierteljahr müssten die Subventionen aber langsam reduziert werden.

Auch aus der SPD hagelte es erneut Kritik an dem Vorstoß der Union, die den Kombilohn bereits Anfang 2007 einführen will. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß bezeichnete flächendeckende Kombilöhne als "staatliche Einladung zur Lohndrückerei". Das gesamte Tarifgefüge käme ins Rutschen, befürchtet Poß. Der Lohnzuschuss vom Staat werde auf breiter Front zu Mitnahmeeffekten führen. Auch finanzpolitisch seien Kombilöhne "der falsche Weg". Für Lohnsubventionen "von zweifelhaftem Nutzen" stehe angesichts der angespannten Haushalte in Bund und Ländern "nun wirklich kein Geld zur Verfügung", sagte Poß.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla verteidigte den Unions-Vorschlag. "Das entscheidende Kriterium für die Förderwürdigkeit muss der geringe Stundenlohn, nicht der Monatsverdienst sein", sagte er. Gefördert werden müsse der Arbeitnehmer, nicht der Arbeitgeber, um mögliche Mitnahmeeffekte von vornherein zu minimieren. "Von den Löhnen, die Unternehmen für bestimmte einfache Tätigkeiten zahlen könnten, soll und kann kaum jemand in Deutschland leben. Kombilöhne sind ein Ausweg", betonte Pofalla.
 


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