SPIEGEL ONLINE - 13. November 2005, 11:35
URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,384703,00.html

Bayern
 
Krise in der CSU, Stoiber in Bedrängnis

Die CSU-Führung hält nach Informationen der "Bild am Sonntag" eine Umfrage zurück, wonach die CSU in der Wählergunst auf weniger als 40 Prozent kommt. Generalsekretär Söder dementierte umgehend: Die Partei habe eine solche Erhebung nicht in Auftrag gegeben.

Hamburg/München - Die Macht des bayerischen Ministerpräsidenten bröckelt zusehens: Bei der Landtagswahl 2003 hatte die CSU in Bayern noch 60,7 Prozent erhalten. Jetzt sollen die Werte bei unter 40 Prozent liegen, berichtet die "Bild am Sonntag". Dazu liege der CSU-Führung eine aktuelle Umfrage vor, diese werde aber unter Verschluss gehalten. Ein CSU-Vorstandsmitglied sagte dem Blatt: "Wir verzeichnen intern Umfragewerte für die CSU in Bayern von 39 Prozent. Es ist wie 1993 bei Max Streibl." CSU-Chef Edmund Stoiber hatte damals den CSU-Ministerpräsidenten Streibl abgelöst, als dessen Umfragewerte abgesunken waren.

Als Gründe für den aktuellen Absturz gelten Stoibers Zickzackkurs in der Entscheidung, ob er ein Amt in der Bundesregierung übernehmen soll, aber auch seine Attacken auf die Ostdeutschen im Bundestagswahlkampf. Damals hatte er erklärt, es könne nicht sein, dass die Frustrierten entscheiden dürften, wer Bundeskanzler werde.

CSU-Generalsekretär Markus Söder bestritt, dass die Partei eine Wähler-Befragung durchgeführt habe. "Meldungen über eine angebliche interne Umfrage der CSU entbehren jeder Grundlage. Die CSU hat definitiv keine Umfrage in Auftrag gegeben. Umfragen wie zum Beispiel vor einigen Tagen von Forsa sehen die CSU wie bei der Bundestagswahl am 18. September bei knapp 50 Prozent."

Angesichts der dramatischen Zahlen plane Stoiber den Wechsel seines Wirtschaftsministers Otto Wiesheu (CSU) in den Vorstand der Deutschen Bahn zu einer Kabinettsumbildung zu nutzen, schrieb die "Bams" dagegen. "Es wird Wechsel auf zwei oder drei Positionen geben", sagte ein Vertrauter des Regierungschefs demnach der Zeitung. Als Favorit für die Wiesheu-Nachfolge gelte der Chef der bayerischen Staatskanzlei, Erwin Huber. Einen Wechsel könne es auch im bayerischen Umweltministerium geben. Dessen derzeitiger Chef Werner Schnappauf könne auf einen anderen Regierungsposten wechseln, im Gespräch sei die Staatskanzlei. Möglicherweise werde Schnappauf sogar aus der Regierung ausscheiden. Abgelöst werde wohl auch Landwirtschaftsminister Josef Miller.

Als Symbolfigur für alles, was schiefgelaufen ist, gilt Regierungssprecher Martin Neumeyer. Kein Minister, kein Parteifreund hat über Stoiber so viel Macht wie Neumeyer. Er gilt als Stoibers Schattenmann und als Symbol für die Schwächen des Systems Stoiber: den egomanischen Regierungsstil, die abrupten Sinneswandlungen, das ewige Hin und Her, all das wird Neumeyer angelastet.

In der CSU wird Neumeyers Zukunft in Frage gestellt, gleichzeitig heißt es, die Verantwortung für politische Vorgänge könne nicht bei ihm allein abgeladen werden. Auch Generalsekretär Markus Söder muss um seinen Posten bangen. Der "Bams" sagte die CSU-Bundestagsabgeordnete Renate Blank: "Selbstverständlich steht auch Generalsekretär Markus Söder in der Verantwortung für das Wahlergebnis und für den Wahlkampf der Landesleitung."

Der Vorsitzende der Jungen Union in Bayern, Manfred Weber, betonte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur ddp, er bestehe "sehr deutlich" auf eine inhaltliche und personelle Erneuerung der Partei und der Staatsregierung. Ob und wie schnell dies geschehe, werde zur "Messlatte für Stoiber". Der Ministerpräsident habe nach den Querelen um seinen Verzicht auf ein Ministeramt in Berlin einen "Vertrauensvorschuss" erhalten. Die Erneuerung müsse sofort, bereits auf dem kleinen CSU-Parteitag am morgigen Montag in München, beginnen. Er erhoffe sich bei dem Treffen eine konstruktive Diskussion über die inhaltliche Zukunft der Partei. "Sie darf nicht mehr länger nur der Transmissionsriemen der Staatskanzlei sein, sondern muss wieder zur Ideenwerkstatt werden", sagte Weber. Er versicherte, er erhalte für sein Drängen sehr viele positive Rückmeldungen aus der Partei.
 


© SPIEGEL ONLINE 2005
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGELnet GmbH