SPIEGEL ONLINE - 19. November 2005, 21:27
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Hannover
 
Kanzler Schröder mit Großem Zapfenstreich verabschiedet

Als das Stabsmusikkorps Sinatras "My way" spielte, standen dem scheidenden Bundeskanzler Gerhard Schröder die Tränen in den Augen. Mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedete die Bundeswehr den dritten SPD-Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik.

Hannover - An dem höchsten militärischen Zeremoniell der Truppe nahmen neben Verteidigungsminister Peter Struck und Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan zahlreiche SPD-Politiker teil: Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, Justizministerin Brigitte Zypries sowie der designierte Vizekanzler Franz Müntefering. Auch langjährige Freunde Schröders, wie der Anwalt und Chef des Fußball-Bundesligisten Hannover 96, Götz von Fromberg, und Scorpions-Musiker Klaus Meine, verfolgten das Zeremoniell in Schröders Heimatstadt Hannover. Der sichtlich bewegte Kanzler wurde von seiner Frau Doris Schröder-Köpf und von seiner Mutter Erika Vosseler begleitet.

Auf Schröders Wunsch spielte das Musikkorps der Bundeswehr die "Moritat von Mäckie Messer" von Kurt Weill, "Summertime" von George Gershwin und das von Claude François und Jacques Revaux komponierte "Comme d'habitude", das später als Frank Sinatras "My Way" weltbekannt wurde. Seine Frau hatte die Stücke für ihn ausgesucht.

Die von starken Sicherheitsvorkehrungen umrahmte Veranstaltung vor dem Rathaus der niedersächsischen Landeshauptstadt endete nach rund 30 Minuten mit dem Abspielen der Nationalhymne. Rund 600 Gäste waren geladen. Neben Feldjägern der Bundeswehr sicherten rund 500 Polizisten das zur militärischen Sperrzone erklärte Gelände.

Köhler: Lob für Reform-Agenda 2010

Vor dem Großen Zapfenstreich hatte Bundespräsident Horst Köhler dem scheidenden Kanzler für seine politische Arbeit gedankt. Der SPD-Politiker habe sich "bleibende Verdienste um unser Land" erworben, schrieb Köhler in einem Grußwort für die "Neue Presse" in Hannover. Er hob vor allem die Reform-"Agenda 2010" hervor.

Nach Angaben der Bundeswehr war es der erste Große Zapfenstreich in Hannover seit dem Zweiten Weltkrieg. Mit der Zeremonie zeichnet die Bundeswehr traditionell Persönlichkeiten aus, die sich um die Armee besonders verdient gemacht haben.

Friedensgruppen protestierten am Rande mit Pfiffen gegen die Veranstaltung. An einem Protestmarsch der "Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen" nahmen laut Polizei knapp 100 Menschen teil. Schröder sei "verantwortlich für den völkerrechtswidrigen Angriff deutscher Kampfbomber auf Jugoslawien", hieß es in einer Mitteilung. Der Demonstrationszug, der etwa 400 Meter Abstand halten musste, verhielt sich friedlich. Laut Polizei gab es eine Festnahme und einige Platzverweise. Ein Lautsprecherwagen, der die Ehrung hätte stören können, war verboten worden.

In seiner letzten öffentlichen Rede hatte Kanzler Schröder am Samstagvormittag die Erwartung geäußert, die neue Bundesregierung werde die bisherige Außen- und Gesellschaftspolitik fortführen. Er sehe "in den beiden wichtigen Bereichen viel Kontinuität", sagte Schröder bei der Bundeskonferenz der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Hannover.
 


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