SPIEGEL ONLINE - 23. September 2005, 14:36
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Protest gegen Lidl
 
DGB-Chef Sommer kündigt "Klassenkampf" an

Die Supermarkt-Kette Lidl gerät zunehmend unter Druck: In einer bundesweiten Aktionswoche belagern Ver.di-Mitglieder Filialen des Discounters. Die Arbeitsbedingungen bei Lidl seien menschenunwürdig, moniert die Gewerkschaft.

Berlin - "Das ist wirklich Klassenkampf, und diesen Klassenkampf werden wir durchfechten", sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Michael Sommer, auf einer Kundgebung in Berlin. "Die Beschäftigen von Lidl werden behandelt wie Menschen zweiter Klasse."

Auch Berlins Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner und Wirtschaftssenator Harald Wolf (beide Linkspartei) sprachen auf der Kundgebung. Wolf betonte, sie seien ausdrücklich in ihrer politischen Funktion gekommen.

Lidl wehrt sich gegen die Vorwürfe. "Die verleumderischen Behauptungen von Ver.di und DGB, dass Lidl seine Mitarbeiter wie Menschen zweiter Klasse behandelt, weisen wir auf das schärfste zurück. Das Gegenteil ist der Fall", hieß es in einer Mitteilung des Unternehmens. Ver.di gehe lediglich gegen Lidl vor, um seinen Mitgliederschwund zu stoppen.

Die Protestveranstaltung war der Höhepunkt einer Aktionswoche der Gewerkschaft, im Rahmen derer bundesweit vor Filialen des Discounters protestiert wurde. Man wolle die Kunden informieren und die rund 40.000 in Deutschland beschäftigten Lidl-Mitarbeiter ermutigen, Betriebsräte zu wählen, hieß es bei der Gewerkschaft. Das Prinzip "immer billig" bedeute niedrige Preise vor allem auf Kosten der Beschäftigten.

Nach Ver.di-Angaben gibt es derzeit lediglich in acht der 2600 deutschen Lidl-Filialen Betriebsräte. Der Konzern verhindere deren Bildung gezielt - zum Teil sogar mit Entlassungen oder der Schließung ganzer Filialen. Letztes Jahr hatte die Gewerkschaft ein Schwarzbuch veröffentlicht, in dem sie die angeblich menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen bei der Supermarktkette anprangerte. Darin wird unter anderem von Spindkontrollen, willkürlichen Entlassungen, Verhören und zu wenig Toilettenpausen gesprochen.

DGB-Chef Sommer forderte heute, auch die anderen Gewerkschaften sollten gegen den Discounter vorgehen. "Denn wir wissen: Wenn hier die Rechte ausverkauft werden, dann werde sie auch woanders ausverkauft." Sommer warf Lidl auch "nahezu illegale Praktiken bei Entlassungen" vor.
 


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